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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TREFFER (Dominik Graf/BRD 1984)


"Ich hab keinen Bock mehr auf diese selbstgedrehte Scheiße. Ich will 'nen guten Wein, 'nen gescheiten Börek und 'ne Reval ohne."

Treffer ~ BRD 1984
Directed By: Dominik Graf


Die drei Freunde Albi (Max Wigger), Franz (Dietmar Bär) und Tayfun (Tayfun Bademsoy) stehen auf Motorräder und gehen zusammen durch dick und dünn. Als ihr Chef und Meister (Fritz Bachschmidt) stirbt, geht die dazugehörige Werkstatt und damit der Arbeitsplatz des Trios ausgerechnet an ihren erzfeind Alf (Rainer Grenkowitz) und seine Schrottplatz-Assis. Die krummen Geschäfte, in die sich Albi, Franz und Tayfun hernach verstricken, machen nichts besser - im Gegenteil...

Einmal Verlust der Unschuld für Tisch 13? Kommt sofort!
Frühwerk von Graf, verliebt in die von ihm porträtierte Subkultur der provinziellen Schrauber, Rennfahrer und Kleinganoven, für die ein schicker Anzug gar nichts und eine kalte Pulle Bier alles ist. Entsprechend sympathisch sind die drei Hauptfiguren, auch wenn die südliche Pfalz als Schauplatz mir als eingefleischtem Ruhrgebietler erstmal nicht viel gibt - gerade wo man doch weiß, dass Typen wie Dietmar Bär eigentlich original Pottinventar sind. Doch es lässt sich auch so gut auskommen mit "Treffer", da der Film, obgleich bis kurz vorm Ende eher wenig Weltbewegendes passiert, stets interessant bleibt, seine stark maskulin gefärbte Sicht der Dinge gut durchhält und sein loses episodisches Konzept traumwandlerisch fortspinnt. Da verzeiht man dann sogar das etwas überdramatische Finale. Aber irgendwann müssen die Jungs ja mal erwachsen werden und ihr coming of age erleben...

8/10

Dominik Graf Coming of Age Pfalz Freundschaft TV-Film Subkultur Motorräder


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TEACHERS (Arthur Hiller/USA 1984)


"You're not gonna betray ol' JFK, are ya?"

Teachers (Die Aufsässigen) ~ USA 1984
Directed By: Arthur Hiller


Der John-F.-Kennedy-High-School stehen schwere Zeiten bevor: Nicht nur, dass die Familie eines graduierten Schülers die ohnehin in der Kritik stehende Bildungsinstitution verklagt, weil betreffender Eleve nach wie vor Analphabet ist; auch der Lehrkörper steht am Rande des Abgrunds. Ausgebrannte, Frustrierte, Angstpatienten, Alkoholiker, ein Sportlehrer, der eine Schülerin schwängert sowie ein semiseniler Direktor bestimmen das Bild des Kollegiums. Als ein Psychiatriepatient durch Zufall den Geschichtsunterricht übernimmt, merkt zunächst niemand etwas, weil seine Unterrichtsgestaltung so ausnehmend lebendig ist. Und der versoffene, aber bei seinen Schülern beliebte Alex Jurel (Nick Nolte), der zumindest immer halbwegs den Überblick behalten hat, soll abgesägt werden.

"Teachers" hat stets viel Kritik einstecken müssen: Für ein realistisches Porträt des amerikanischen Schulsystems sei er zu unrealistisch, für eine Satire zu grell, für eine Komödie sei er zu düster, für ein Drama zu albern. Alles Blödsinn, wenn man mich fragt. Die Zustände, die in "Teachers" angeprangert werden, sind in ihrer radikalen Darstellung möglicherweise nicht repräsentativ, aber an den entsprechenden Schulen auch heute noch akut und keineswegs so überzogen, wie uns manch gutgläubiger Feuilletonist vielleicht weismachen möchte. Gut, es mag nicht alle Tage vorkommen, dass ein Lehrer (Royal Dano) im Unterricht verstirbt und wegen dessen gewohnt lahmer Schnarchdidaktik zunächst niemand etwas davon merkt. Auch, dass eine Polizei-Razzia zum Unfalltod eines Schülers (Crispin Glover) führt, mag eher der Seltenheit anheim gestellt sein. Aber da ist "Teachers" dann eben wieder ganz bitterböse Satire, hier und da vielleicht geschmacklos, möglich. Aber nichtsdestotrotz von eminenter Klugheit und Hellsichtigkeit beseelt.

8/10

Ohio Schule Arthur Hiller Satire


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IM ANGESICHT DES VERBRECHENS (Domink Graf/D 2010)


"Jeder bekommt, was ihm zusteht."

Im Angesicht des Verbrechens ~ D 2010
Directed By: Dominik Graf

Ein vermeintlicher Routineeinsatz führt die beiden Berliner SEK-Beamten Marek Gorsky (Max Riemelt) und Sven Lottner (Roland Zehrfeld) in einen Sumpf aus Verbrechen, Korruption und tief verwurzelten Traumata. Besonders für Marek, deutsch-russischer Jude, wird der folgende Großeinsatz gegen die Ostblockmafia und einen von ihr groß angelegten Zigareteenschmuggel zu einer Reise in die eigene Identität und Vergangenheit.

Domink Grafs vom WDR coproduzierte, zehnteilige Miniserie weist, von ein paar TV-typischen Unerlässlichkeiten abgesehen, genau jene Qualität auf, die die großen "Cops-vs.-Gangsters"-Movies des Kinos von Walsh über Melville und Friedkin bis hin zu Mann seit jeher auszeichnen. Mittels epischer formaler und inhaltlicher Anlagen entwerfen Graf und sein Autor Rolf Basedow, die zusammen bereits die Fernsehfilme "Hotte im Paradies" und "Eine Stadt wird erpresst" entwickelt haben, ein großes Charakter-Kaleidoskop, in dessen Zuge neben den Prota- und Antagonisten noch zahlreiche Nebencharaktere Platz finden. Neben der Weiterentwicklung des narrativen Hauptstrangs, der sich mit Mareks und Svens Polizeiarbeit befasst, widmet sich jede Episode noch einer schicksalhaften Fügung in der Vita einer der weiteren Figuren, seien es Mareks Schwester Stella (Marie Bäumer) und ihr höchstselbst im Milieu verankerter Ehemann Mischa (Misel Maticevic), der russische Killer Sokolov (Georgii Povolotskyi), Mischas Konkurrent Joska (Marko Mandic), der moralisch zutiefst verkommene Unternehmer Lenz (Bernd Stegemann) oder der korrupte Kollege Hollmann (Uwe Preuss). Die Geschichte jedes einzelnen dieser Charaktere findet sich sorgfältig und detailliert ausgearbeitet in einer erzählerischen Breite, die Kino eben in der Regel nicht zu leisten vermag. Wer mich kennt, weiß, dass ich von Fernsehserien in der Regel Abstand halte - im Falle einer einem einzelnen auteur vorbehaltenen, von Anbeginn so kompakt angelegten, wohlstrukturierten und vor allem in einem luziden erzählzeitlichen Rahmen situierten Reihe bin ich jedoch gern bereit, Ausnahmen zuzulassen. Mit gar wohltuendem Effekt, wie sich erwies.

9/10

TV-Serie Russenmafia Kiez Kokain Berlin Dominik Graf Prostitution Menschenhandel


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THE ERRAND BOY (Jerry Lewis/USA 1961)


"I like you." - "I like you, too."

The Errand Boy (Der Bürotrottel) ~ USA 1961
Directed By: Jerry Lewis


Um den unmäßigen Ausgaben seiner Filmproduzenten und -regisseure auf die Spur zu kommen, engagiert Tom Paramutual (Brian Donlevy), Chef der Paramutual-Studios, den tolpatschigen Plakatkleber Morty Tashman (Jerry Lewis) als Spion. Getarnt als Laufbursche soll Morty herumschnüffeln und regelmäßige Protokolle über die Vorgänge in den Büros abliefern. Dass der Gute selbst keinen Handschlag tun kann, ohne ein Chaos nach sich zu ziehen, bemerkt Paramutual erst, als es schon fast zu spät ist.

Nicht vom Universal Tellerwäscher, sondern vom Paramutual Geländespitzel geht es hier hinauf, zum true stardom. Einer der lustigsten und schönsten Filme von Lewis als Regisseur ergibt das, gleich nach den sehr ähnlich gestalteten "The Bellboy" und "The Ladies' Man" entstanden, die auf analoge Weise eine auf Spielfilmformat aufgepumpte Nummernrevue mit Lewis als ihrem König darbieten, sie in ein Alibiplot-Korsett pfropfen und bei strengster Ort- und Zeiteinheit jeweils davon leben, wie Lewis mit irgendwelchen kaum minder minderbemittelten Individuen in Interaktion tritt. Hier wäre da allen voran der cholerische Stanley Adams zu nennen, den Morty mit seiner Türknallerei zur Weißglut treibt. Inmitten all des Slapstick scheut sich Lewis selbst nicht, zwei zunächst wie Fremdkörper erscheinende, poetische Szenen mit seltsamen Handpüppchen unterzubringen, die "The Errand Boy" bei näherem Hinsehen genau jene magische Tiefe verleihen, die ihn von ähnlich Geratenem unverwechselbar abgrenzen. Hier, und nur hier, gestattet sich (und ich schreibe ganz bewusst 'sich' und nicht etwa 'seinem Protagonisten' oder 'seinem Charakter Morty Tashman') Lewis, Mensch statt Kunstfigur zu sein und lässt tief blicken in sein kindliches Künstlerherz.

8/10

Satire Jerry Lewis Hollywood Los Angeles Slapstick Filmstudio Farce


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NEUE VAHR SÜD (Hermine Huntgeburth/D 2010)


"Atomblitz!"

Neue Vahr Süd ~ D 2010
Directed By: Hermine Huntgeburth


Bremen, 1980: Frank Lehmann (Frederick Lau) vergisst, rechtzeitig seinen Antrag auf Wehrdienstverweigerung zu stellen und muss zum Bund. Die dem uniformierten System innewohnende Idiotie bekommt Frank bald mit all ihrer unerbittlichen Härte zu spüren. Zu Hause in seiner antifaschistischen Zelle läuft derweil auch nicht mehr alles so entspannt wie früher. Dafür sorgt eine betreffs ihrer Zusammensitzung ziemlich unmögliche WG, in der Frank unterkommt, sowie seine Liebe zu der etwas wankelmütigen Sibille (Miriam Stein).

"1980 waren unsere Jugendlichen noch politisch" mag man denken angesichts Sven Regeners zweitem (dabei jedoch als Prequel gestalteten) Lehmann-Romans und auch dieser schönen Adaption desselben. Film kann ja speziell in Bezug auf die Darstellung von Zeitkolorit manches mehr leisten als Literatur. Durch die Verwendung diverser zeitgenössischer Reliquien und Memorabilia, zu der neben Frisuren, Möbeln, Kleidung, Sprache und Autos auch und insbesondere die Musik (deren Auswahl hierin als besonders sorgfältig und geglückt bezeichnet werden darf; es gibt vornehmlich Punk, New Wave und Reggae) zählt, rutscht man, sofern die entsprechende Gestaltung - wie im vorliegenden Falle - hinreichend stimmig ist, rasch hinein in Jahr und Tag. Da verzeiht man sogar, dass offenbar keine Telefonzelle von anno 80 aufzutreiben war (das im Film gezeigte Modell kam meines Wissens erst einige Jahre später). Die autonome Subkultur jedenfalls, die damals noch mit Pflastersteinen gegen das öffentliche Gelöbnis im Bremer Weserstadion antrat, eine Gruppe, die man einst als so gern als "Bombenleger" und "Zecken" bezeichnete, scheint ihren Aktionsradius mittlerweile merklich eingegrenzt zu haben, zumindest wenn man den Bildvergleich anzustellen bereit ist. Eine echte Schau in "Neue Vahr Süd" ist mal wieder Uli Mathes, der als stockärschiger Bundeswehr-Hauptmann entgegen allen Voraussetzungen sogar noch einen Tropfen Sympathie aus seiner Figur herausquetscht. Scheiße, der kann spielen, der Mathes.

8/10

Bremen Militaer Subkultur Sven Regener Alkohol Coming of Age Hermine Huntgeburth TV-Film


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HOTTE IM PARADIES (Dominik Graf/D 2003)


"Det is' det wahre Leben."

Hotte im Paradies ~ D 2003
Directed By: Domink Graf


Hotte (Misel Maticevic), ein kleiner Berliner Zuhälter, staunt nicht schlecht als sein "Kollege" Detta (Oliver Stritzel) ihm sein Pferdchen Jenny (Nadesha Brennicke) zu überaus günstigem Kurs weitervermittelt. Jenny ist das Bild einer attraktiven Frau, nur hat sie leider "nich mehr alle Tassen im Schrank". Dass da was Wahres dran ist, merkt Hotte bald buchstäblich am eigenen Leib und auch sonst läuft es eher ungünstig für ihn. Die Rolex und das heißgeliebte Jaguar-Cabrio jedenfalls müssen alle paar Tage in Zahlung gegeben werden. Als Hotte dann auch noch sein Herz für Gestrauchelte entdeckt, wird es richtig übel für ihn...

Grandiose Milieustudie über die kleinen Kiezhengste, die gerne auf dicke Hose machen und mit den Zweihundertern wedeln, dabei jedoch aufgrund ihres gnadenlosen Umfeldes stets um Leib und Leben fürchten müssen. Graf gelingt es durch diverse Gestaltungsmittel hervorragend, dieses unstete Leben abzubilden; gefilmt ist das Ganze mit einer stinknormalen Videokamera, was das Publikum zunächst womöglich glauben macht, es habe da ein billiges Unfilmchen vor sich, durch die dennoch hervorragende Kameraarbeit, ein ungeheures Auge für Details und einen traumhaften Schnitt jedoch zum vorgesehenen Ziel führt: Authentizität. Auch dank Maticevics großartiger, lebebsechter Performance ist man spätestens ab Minute 5 voll drin in Hottes kleiner Welt und will da auch so schnell nicht wieder heraus, zumal ihn und uns ja glücklicherweise die Mattscheibe trennt.

9/10

Kiez Berlin Kokain Dominik Graf TV-Film Prostitution


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THE PATSY (Jerry Lewis/USA 1964)


"I'll show them..."

The Patsy (Die Heulboje) ~ USA 1964
Directed By: Jerry Lewis


Der plötzliche Unfalltod des beliebten Entertainers Wally Brandford stürzt besonders dessen sechsköpfige Entourage (Ina Balin, Everett Sloane, Keenan Wynn, Peter Lorre, John Carradine, Phil Harris) in tiefe Depressionen. Da gibt es nur eine Lösung: Ein Brandford-Nachfolger muss her! Flugs schnappt man sich den erstbesten greifbaren Probanden, den Hotelpagen Stanley Belt (Jerry Lewis), und versucht, ihn mit allen Mitteln zum Superstar aufzubauschen. Doch Stanley hat seinen eigenen Kopf, und der will nunmal nicht so wie sein selbsternanntes Management.

Ein weitere kleine Sahneschnitte aus Lewis' Autorenfilmer-Œuvre, gewidmet all den Sternchen, die es zu nichts gebracht haben und natürlich auch jenen, die es zu etwas gebracht haben, es vielleicht aber zu gar nichts bringen wollten. Wie dem auch sei, der Charakter des Stanley Belt unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Lewis-Figuren dieser Tage; Stanley ist ein naiver Tropf, der trotz seiner ausgewachsenen Physis im Inneren ein mentales Kleinkind beherbergt und zum Spielball der Gewalten - soll heißen, einer wahrhaft gruselig anmutenden Ansammlung alternder Krausköpfe - wird, ohne sich dessen auch nur zu einer Sekunde bewusst zu sein. Den großen Zampano der Clownerie gibt Lewis dabei mit einem stets weinenden Auge; nicht gefeit vor Misserfolgen und Publikumsflops. Erst die eigene Nummer am Ende, die als doppelbödiger Ed-Sullivan-Meilenstein gefeiert wird, beschert ihm die nötige Emanzipation. Das wird so verblüffend klar wie aufrichtig dargeboten und ist damit Lewis in Reinkultur.

8/10

Los Angeles Jerry Lewis Slapstick Hollywood


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THE RIGHT STUFF (Philip Kaufman/USA 1983)


"Request permission to relieve bladder."

The Right Stuff (Der Stoff aus dem die Helden sind) ~ USA 1983
Directed By: Philip Kaufman


Der Durchbruch der Schallmauer am 14. Oktober 1947 durch den Air-Force-Piloten Chuck Yeager (Sam Shepard) ebnet den USA den Weg in das Raumfahrtzeitalter. Aus dem Wunsch, den Weltraum zu "erobern" wird bald ein Konkurrenzkampf mit den Russen um den ersten Mann im All. Schließlich gibt die US-Regierung das von deutschen Raketenwissenschaftlern mitentwickelte "Mercury"-Programm in Auftrag, für das sieben Elite-Piloten (Ed Harris, Dennis Quaid, Scott Glenn, Fred Ward, Lance Henriksen, Scott Paulin, Charles Frank) ausgebildet werden.

Formvollendetes Epos um die Anfänge der Raumfahrt, von Philip Kaufman keineswegs zur pathetischen US-Heldenmär aufgebauscht, sondern mit einer feinen ironischen Note versehen, die eine latente formelle Distanz zum Geschehen garantiert. Dabei präsentiert sich Kaufman jedoch nicht als plumper Nestbreschmutzer; die Faszination, mit der er sich seines Sujets annimmt, bleibt zu jeder Sekunde präsent - nur begeht er eben glücklicherweise nicht den verlockenden Fehler, sich in einem Meer unkritischer Heldenverehrung zu suhlen. Für die ehrgeizigen Heroen der Luft ist es kein Leichtes, vor der Öffentlichkeit zu bestehen. Der äußere Druck durch Politik und die globale Situation, aufdringliche Journalisten, psychische Unebenheiten, Ehekrisen unterminieren die nach außen hin vorgetragene Standfestigkeit der Männer. Neben den von einem zuweilen transzendenten Zauber getragenen Bildern von Caleb Deschanel verdankt Kaufman somit auch viel seinem Ensemble, das von damals noch unbekannten Schauspielern personifiziert wurde und heute als glorreiche Starbesetzung durchgeht. Glenn, Ward, Harris, Quaid, Donald Moffat, John P. Ryan oder Jeff Goldblum spielen sich, im Wissen an etwas Großem teilzuhaben, den Allerwertesten ab.

9/10

Tom Wolfe Raumfahrt Philip Kaufman period piece Historie Biopic Fliegerei


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NOBODY'S FOOL (Robert Benton/USA 1994)


"You're a man among men."

Nobody's Fool ~ USA 1994
Directed By: Robert Benton


North Bath, Upstate New York. In dem kleinen, eingeschneiten Städtchen geht alles seinen idyllischen Gang, auch wenn manche der Einwohner dies vermutlich ganz anders sehen. Besonders der alternde Filou Donald 'Sully' Sullivan (Paul Newman) blickt mit Bedauern auf die meisten seiner Lebensentscheidungen zurück. Und während die meisten seiner Nachbarn ihn für einen Verlierer und Tagedieb halten, ist er doch unentbehrlich für North Bath. In diesem Winter bekommt er die von ihm dann auch wohlfeil genutzte Gelegenheit, auch für sich persönlich Einiges an Vermasseltem wieder gut zu machen.

Wunderbare Altersrolle für Paul Newman; wahrscheinlich sogar die schönste, die er nach 90 noch spielen durfte. "Nobody's Fool" ist das betont realitätsverbundene, warmherzige Porträt einer typischen US-Kleinstadt, in der selbst ein steifer Winter gar nichts mehr verlangsamen kann, weil sowieso alles stets im Zeitlupentempo geschieht. Im Laufe der Jahre hat das Granteln und gegenseitige Beschimpfen in North Bath Methode bekommen und auch, wenn niemand es zugeben würde: Die Leute bilden eine felsebfeste Gemeinschaft und lieben und ehren sich insgeheim alle. Selbst Sully und sein Intimfeind Carl Roebuck (Bruce Willis) sind im Prinzip die besten Freunde und können privat nicht voneinander lassen. Benton profiliert seine Figuren mit unsagbar viel Feingefühl und Sensibilität und räumt selbst Nebencharakteren noch gebührend viel Platz ein, um nicht zu bloßen Schießbudenfiguren degradiert zu werden. Zusammen mit Newmans in so gut wie jeder Szene zu bewundernden, überstrahlend-rührenden Performance summiert sich das zu einem Vorzeigefilm seines Jahrzehnts, der, im besten Sinne, leider zu klein ist, um je für weitflächige Popularität gesorgt zu haben.

9/10

Schnee Richard Russo Working Class Kleinstadt Robert Benton New York


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COMING TO AMERICA (John Landis/USA 1988)


"I want a woman that will arouse my intellect as well as my loins."

Coming To America (Der Prinz aus Zamunda) ~ USA 1988
Directed By: John Landis


Als Prinz Akeem (Edie Murphy), Thronfolger im wohlhabenden, afrikanischen Märchen-Ministaat Zamunda, zum 21. Geburtstag seine ihm vorbestimmte Braut (Vanessa Bell) heiraten soll, entschließt er sich spontan, nach New York zu reisen, um sich dort richtig zu verlieben. Dort angekommen, gibt er sich als armer Bettelstudent und Ziegenhirt aus, um nur ja kein Mädchen nur um des Geldes Willen anzulocken. Bald verkuckt sich Akeem in Lisa (Shari Headley), die Tochter des Fast-Food-Managers McDowell (John Amos). Doch damit fangen die Probleme erst an.

Landis' letzter Film, der noch den alten Esprit konservieren konnte. Einst einer der von mir hochgeschätztesten Regisseure, der unter meinen Lieblingsfilmen immerhin vier Titel platziert, begann für ihn genau nach "Coming To America" die große kreative Talfahrt. Zunächst noch zaghaft mit zumindest halbwegs passablen Arbeiten konsequent gen Bodennähe navigierend, markierte nach dem endgültig letzten Aufglimmen "Bloody Mary" der nichtswürdige "Beverly Hlls Cop III" den Niedergang dieses einst doch so formidablen Komödienfilmers. Ich habe oft darüber gerätselt, welche Ursachen für seinen bedauerlichen Niedergang verantwortlich sein mögen, doch letzten Endes lässt sich ohnehin nichts daran ändern und es bleibt ja immer noch eine umfangreiche, durchweg liebenswerte Hinterlassenschaft, zu der eben auch "Coming To America" gehört. Landis gelingt es darin vorzüglich, seine eigene, lakonische Spezialkomik mit einer Hommage an die alten Hollywood-Märchen von Lubitsch und Capra zu verbinden und so eine oberflächlich als solche bereits hinreichend goutierbare RomCom zu schaffen. Darunter jedoch tut sich eine Rundum-Satire betreffs des schwarzen New Yorker Lebensstils zum Ende der Achtziger auf - das Slumleben von Queens wird aufs Liebevollste karikiert, der unbeirrbare Glaube an großmäulige Eckkirchenprediger lässt sich nicht einschläfern, der wirtschaftliche Emporkömmling indes ist nach wie vor bloß ein armes Würstchen - alles ist Klischee und das Beste ist, der Film weiß das ganz genau. Eine Flut von Querverweisen und Insidergags betreffs des landis'schen Gesamtwerks abfeuernd, wird der Film endgültig zu einem humoristischen Rundumgenuss. See you next Wednesday.

9/10

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Funxton

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