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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THUNDER ROAD (Arthur Ripley/USA 1958)


"You finally made the big mistake tonight."

Thunder Road (Kilometerstein 375) ~ USA 1958
Directed By: Arthur Ripley


Nachdem Lucas Doolin (Robert Mitchum) aus dem Koreakrieg heimgekehrt ist, steigt er in das "Moonshining"-Geschäft seiner Familie ein. Sein Vater (Trevor Bardette) pflegt im Hinterwald von Kentucky eine illegale Whiskey-Destille, derweil Doolin den Stoff zu liefern hat. Dazu benutzt er getunte Autos, die auch schonmal über Spezialgadgets verfügen und liefert er sich mit diversen ungehaltenen Schatzbeamten. Jene gehen zuweilen tödlich aus. Als der Gangsterboss Kogan (Jacques Aubuchon) sich mit Doolin anlegt, bleibt der harte Schmuggler ungerührt. Erst als die von Kogan ausgehende Gefahr auch seinen kleinen Bruder (Jim Mitchum) erreicht, fährt Doolin aus der Haut.

Als kleine Liebeserklärung an die Bootlegger-Parakultur in den Appalachen und das moralische "Grundrecht" eines jeden Amerikaners, sich seinen Schnaps selbst brennen und ihn steuerfrei verscherbeln zu dürfen, genießt "Thunder Road" in den USA den Segen einer ungemein großen Anhängerschaft. Und es sieht dann auch ganz anders als die vielen anderen films noirs der Jahre zuvor, dieses Herzensprojekt von Robert Mitchum, wenngleich es sich zumindest formal durchaus noch als später Nachzügler in deren Tradition stellt. "Thunder Road" probiert, erste Action-Standards zu setzen; es gibt einige Verfolgungsjagden, die zwar noch recht possierlich und altbacken inszeniert sind, aber immerhin. Viel interessanter ist sowieso die Antihelden-Verklärung des Films: Mitchum ist der perfekte amerikanische Rebell. Frustrierter Kriegsveteran, eigenbrötlerisch, dickköpfig. Von zwei schönen Frauen (Keely Smith, Sandra Knight) verehrt und vor allem die coolste Sau on earth. Als sich bei einer seiner unfreiwilligen Rennfahrten einer von Kogans Spürhunden gleich neben ihn setzt, schnippt Doolin ihm durch die geöffneten Fenster ungerührt seine Kippe ins Gesicht. Damit ist der Rivale in jeder Weise aus dem Rennen. Speziell diese latente, bösartige, man möchte fast sagen: 'mitchumeske' Lakonie ist es, die "Thunder Road" zu etwas Besonderem macht.

8/10

Alkohol car chase Kentucky Bootlegging Appalachen Arthur Ripley Familie film noir


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PICNIC AT HANGING ROCK (Peter Weir/AUS 1975)


"Everything begins and ends at the exactly right time and place."

Picnic At Hanging Rock (Picknick am Valentinstag) ~ AUS 1975
Directed By: Peter Weir


Südaustralien, im Jahre 1900. Ein Ausflug einiger Mädchen vom renommierten Appleyard-Internat zum nahe gelegenen Bergmassiv Hanging Rock endet katastrophal: Drei der Schülerinnen (Anne Lambert, Karen Robson, Jane Vallis) sowie eine Mathematiklehrerin (Vivean Gray) verschwinden spurlos, ein viertes Mädchen (Christine Schuler) bleibt völlig verstört zurück. Für die erzkonservative Schulleiterin Mrs. Appleyard (Rachel Roberts) bedeutet dieses Ereignis eine Katastrophe. Man beginnt zu reden, die Eltern fangen an, ihre Töchter von der Schule abzumelden, einige Kolleginnen nehmen den Hut. Mrs. Appleyard lädt ihren gesammelten Frust an der sensiblen, aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Schülerin Sara (Margaret Nelson) ab, die mit den verschwundenen Mädchen befreundet war. Schließlich wird eine der drei (Robson) von einem unermüdlich suchenden Aristokratensohn (Tony Llewellyn-Jones) aufgespürt. Doch auch sie hat keine erklärung für die mysteriösen Ereignisse.

Dass Weirs prächtiges Sittengemälde mit allgemeiner Zustimmung in die Horrorecke gestellt wird, hat mir nie so ganz geschmeckt. Ich finde darin vielmehr ein mit einer durchaus magischen Konnotation versehenes Coming-of-Age-Drama über den zerstörerischen Einfluss der strengen, viktorianischen Autorität, in dessen Mittelpunkt eine ans Heroische grenzende Entscheidung steht. Drei (bzw. zwei) Mädchen und eine als streng logisch denkend bekannte Lehrerin durchbrechen die Zwänge der sie umgebenden Sozialgemeinschaft und bringen damit die Wände einer ihrer symbolischen Institutionen zum Wackeln und schließlich gar zum Einstürzen. Mit ihrem versammelten Verschwinden sorgen sie dafür, dass das stockkonservative Appleyard-College, für manche seiner Schülerinnen (wie die wegen fehlender Mittel gezielt ausgegrenzte Sara) wie ein Höllenvorhof anmutend, seine Pforten mittelfristig zu schließen hat. Dabei spielt auch das sexuelle Erwachen eine gewichtige Rolle: Mit dem Reifen zur Frau und damit zur erwachsenen Mündigkeit kommt der Ausbruchswunsch. Der Film ist voll von entsprechenden Hinweisen und Motiven. Ein besinnlicher, hochästhetischer Genuss, den ich zunehmend weniger als verstörend denn vielmehr als sehr luzid wahrnehme.

9/10

Peter Weir period piece Schule Coming of Age Australien


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ENTER THE VOID (Gaspar Noé/F, D, I, CAN 2009)


"Man, that's a lot of gear!"

Enter The Void ~ F/D/I/CAN 2009
Directed By: Gaspar Noé


Der in Tokio lebende, sich vornehmlich in der Drogen- und Rotlichtszene bewegende Oscar (Nathaniel Brown) wird eines Nachts bei einem Deal von der Polizei hochgenommen und erschossen. Fortan bewegt sich seine Wahrnehmung als eine Art Seele zwischen Tod, Phantasie und Metarealität bis zu einer bizarren Wiedergebut aus dem Schoß seiner geliebten Schwester Linda (Paz de la Huerta).

Noés von ihm selbst als solches bezeichnetes Hauptwerk erreicht trotz seiner gewaltigen Visualität nicht den Wirkungsgrad des angeblich als "Fingerübung" für "Enter The Void" gefertigten "Irréversible". Ein wenig selbstzweckhaft erscheinen die Spielereien Noés mit erweitertem (oder getrübter, je nach Perspektive) Bewusstsein infolge des Konsums psychoaktiver Rauschmittel. DMT-Trips, forcierte und "natürliche", tragen Oscar durch die tokiotische Nacht, die durchflutet ist von Neonlichtern, Sex und Verrat. Ähnlich wie die Bücher von Burroughs oder die Studien von Hoffmann, Huxley und Leary erscheint auch "Enter The Void" bisweilen wie ein Symbol für den verzweifelte Drang eines mit Halluzinogenen umgehenden Drogenkonsumenten, sich bzw. den Wirkungsgrad seine Trips mit einer größeren Öffentlichkeit mitzuteilen. "Enter The Void" wähnt sich nicht von ungefähr (man denke an das Poster in "Irréversible") auch stark beeinflusst von der Reiseszene Dr. Bowmans gen Jupiter in "2001: A Space Odyssey", instrumentalisiert wie dieser Ligeti-ähnliche Klänge. Auch Bachs "Suite Nr. 3", quasi kinderfreundlich mit dem Xylophon arrangiert, wird repetitiv als tragendes Element genutzt. Vermutlich wird "Enter The Void" in einigen Jahren ins Pantheon der großen "Trip-Klassiker" eingegangen sein. Gegenwärtig scheint er mir als filmisches Experiment zwar höchst beachtenswert, in seiner Ausführung aber eben auch ein klein wenig (zu) selbstzweckhaft, um ihn als wirklich großartig bezeichnen zu können. Ein Superlativ gibt es von meiner Seite dann aber doch noch zu vermelden: Paz de la Huerta ist unter den derzeit aktiven die schönste Aktrice, die ich kenne.

8/10

Tokio LSD Drogen Nacht Gaspar Noé


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SEUL CONTRE TOUS (Gaspar Noé/F 1998)


Zitat entfällt.

Seul Contre Tous (Menschenfeind) ~ F 1998
Directed By: Gaspar Noé


Ein arbeitsloser Pariser Schlachter (Philippe Nahon) mit dunkler Vergangenheit zieht mit seiner neuen, von ihm schwangeren Lebensgefährtin (Frankie Pain) zu deren Mutter (Martine Audrain) nach Lille. Die vermögenden Damen halten den Schlachter, dessen Hass auf die ihn umgebende Menschheit sich täglich potenziert, an der kurzen Leine. Eines Tages flippt er aus, prügelt seiner Freundin das ungeborene Kind aus dem Leib und setzt sich nach Paris ab. Dort findet er trotz intensiver Suche keine Arbeit; seine Aggressionen vergrößern sich noch. Schließlich vergreift er sich an seiner geistig behinderten Tochter (Blandine Lenoir), die er für einen Tag aus dem Pflegeheim mitnimmt.

Noés bedrückende, provokante Reise in das tiefe Innere eines frustrierten Arbeiters nimmt zutiefst gefangen. Der Schlachter, ein allumfassender Misanthrop, der für jeden in seinem Umfeld nur Hass und Verachtung empfindet, ist einerseits ein durch und durch asoziales Individuum, andererseits ein bedauernswertes kleines Licht, ein Verlierer auf ganzer Linie, feige, zur verbalen Auseinandersetzung unfähig und inkonsequent dazu. Dass er selbst im Grunde die größte Zielscheibe seiner irrationalen Hasstiraden ist, kann er sich nicht zugestehen. So ist im Rahmen seiner zunehmend egozentrischen Weltsicht, die unablässig gegen die parlamentarischen Nachlässigkeiten des modernen Systems wettert, die Zuneigung zu seiner hilflosen, von ihm missbrauchten Tochter völlig legitim und lediglich ein von der Gesellschaft zu einem solchen gemachten Problem. Wie des Schlachters Geschichte am Ende, nach einem jämmerlichen Gedanken an aufrichtigen Selbstmord, weitergeht, erfährt man nicht mehr. Viel Erbauliches wird ihn jedoch nicht erwarten.

8/10

Gaspar Noé Lille Paris Arbeitslosigkeit Inzest Transgression


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HOODLUM (Bill Duke/USA 1997)


"Your move."

Hoodlum (Harlem, N.Y.C. - Der Preis der Macht) ~ USA 1997
Directed By: Bill Duke


Harlem, 1934: Ellsworth "Bumpy" Johnson (Lauence Fishburne) kommt aus dem Gefängnis und findet sein Viertel in arger Bedrängnis. Der Gangster Dutch Schultz (Tim Roth) streckt seine Krallen Richtung Uptown aus und versucht, sich das in Harlem beliebte Lotteriespiel unter den Nagel zu reißen, das bis dato von der stets fair agierenden Madame Queen (Cicely Tyson) kontrolliert wurde. Bumpy unterstützt Madame und vertritt sie, als sie im Gefängnis landet, mit der gebührenden Härte. Während sich Bumpy mit dem aalglatten Lucky Luciano (Andy Garcia) arrangieren kann, wächst seine Feindschaft mit Dutch Schultz ins Unermessliche...

Nachdem Laurence Fishburne den Bumpy Johnson bereits in Coppolas "Cotton Club" gegeben hatte, übernahm er die Rolle, um knappe 13 Jahre Praxiserfahrung reicher, in "Hoodlum" gleich noch einmal. Dieser ikonisiert und heroisiert den Johnson-Charakter in unverhältnismäßiger Weise, wie der Film überhaupt vieles gern möchte: Ein episches Gangsterdrama in Konkurrenz zu den großen Genre-Klassikern nämlich, ein Porträt farbiger Unterweltkultur und nicht zuletzt jenes glänzende Denkmal für die einzige schwarze Gangsterlegende der ersten Jahrhunderthälfte. All das gelingt "Hoodlum" allerdings nur zu Teilen. Dass Duke als Regisseur ursprünglich vom Fernsehen kommt, kann sein Werk, das sich inszenatorisch letzten Endes wie eine wertige HBO-Produktion ausnimmt, kaum verhehlen. Überhaupt scheint über dem gesamten Projekt eine unsichtbare Käseglocke zu schweben, die jeweils vor allzuviel Extravaganz schützen soll; alles bleibt merkwürdig bedeckt und sauber, man möchte fast sagen: spießbürgerlich. Für einen knackigen Gangsterfilm Marke Scorsese oder De Palma, auch Levinsons "Bugsy" kommt mir in den Sinn, fehlt es schlicht an den nötigen kleinen Kinkerlitzchen hier und dort, die die entsprechenden Beispiele in der Regie und auch in der Figurenzeichnung aufzubieten wussten. Von "Hoodlum" bleibt wenig hängen, außer vielleicht sein unbestreitbarer Status als halbwegs gefällige Kurzweil.

6/10

Bill Duke New York ethnics period piece Historie Dutch Schultz


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TRAPEZE (Carol Reed/USA 1956)


"Nice to see you laugh again."

Trapeze (Trapez) ~ USA 1956
Directed By: Carol Reed


Seit einem Unfall, der ihn zum Krüppel gemacht hat, ist der einstige Trapezstar Mike Ribble (Burt Lancaster) ein bärbeißiger Zyniker geworden. Der junge Nachwuchsstar Tino Orsini (Tony Curtis) holt Mike aus seiner Lethargie und überredet ihn, ihm den dreifachen Salto beizubringen, eine der gewagtesten Kunststücke am Trapez. Ihre Partner- und Freundschaft wird durch die opportunistische Artistin Lola (Gina Lollobrigida) auf ein harte Probe gestellt.

Ein Film der Bilder und der visuellen Komposition. CinemaScope war soeben noch dabei, sich auf dem Markt endgültig durchzusetzen, da führten Carol Reed und sein dp Robert Krasker auf das Eindrucksvollste vor, welch pompöse Möglichkeiten in dem Breitformat steckten. Strenge Symmetrien, verschrobene Perspektiven, Netze und doppelte Böden allerorten. Wahre Kameramagie ist das. Darüberhinaus geriert sich "Trapeze" auch als ein Film über Farbe und Licht, zu großen Teilen on location in Paris gedreht und beseelt von entsprechender Atmosphäre. Diese passt sich hervorragend dem kitschigen Kintopp der amourösen Dreiecksgeschichte an; obschon ich selbst alles andere als ein Zirkusenthusiast bin - im klassischen Kino finde ich die Manege als glamouröses set piece und Herzschmerz-Kulisse eigentlich stets grandios. "Trapeze" ist vermutlich sogar eines der schönsten Beispiele für den Zirkusfilm, neben Ophüls' "Lola Montès" natürlich und meinem insgeheimen Liebling dieser Gattung, "Circus Of Horrors" von Sidney Hayers.

8/10

Freundschaft amour fou Zirkus Paris Carol Reed


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BRONSON (Nicolas Winding Refn/UK 2008)


"No one gives a toss about Charlton Heston. The man's a cunt."

Bronson ~ UK 2008
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der englische Strafgefangene Michael Peterson (Tom Hardy), der sich während einer kurzen Phase in Freiheit in "Charles Bronson" umtaufen lässt, gilt als renitentester Gefängnisinsasse des Königreichs. Immer wieder stielt er während seiner Knastaufenthalte bizarre Kidnapping-Situationen ein, die er in zunehmend künstlerischer Weise "veredelt" und die dazu führen, dass er die meiste Zeit seiner Gefangenschaft in Einzelhaft zu verbringen hat.

Mit "Bronson", den ich für seinen bis dato besten Film halte, ist Winding Refn binnen relativ kurzer Zeit endgültig in meinen persönlichen Olymp der Lieblingsregisseure aufgestiegen. Allein für die Entscheidung, sich eines Antihelden wie dem britischen Langzeitknacki Charles Bronson anzunehmen, der seine Aktionen und sich selbst im Laufe der Jahre zu lebenden Kunstwerken, Installationen und Performances stilisiert hat, gebührt Winding Refn bereits allergrößter Respekt. Seine filmische Reise ins wesentlich widerständische Innere jenes Menschen gerät dann endgültig zu einem psychologischen Parforceritt, der glücklicherweise alle Regeln in den Wind bläst und dessen Finalgestalt genau so verrückt und exaltiert erscheint, wie es dem Sujet zukommt. Die weder chronologisch noch lokal kaum näher ausgewiesenen Episoden aus Bronsons Leben werden immer wieder durchbrochen von autobiografischen Statements, die den Protagonisten vor einem imaginären Bühnenpublikum zeigen und seine bizarren Maskeraden zu einer bald manischen Form der Selbstperspektive stilisieren.
Meine endgültige Höchstachtung hat "Bronson" dann insofern erobert, als dass er sich jeglicher Sympathie oder Antipathie gegenüber seiner Titelfigur enthält und stattdessen seiner Audienz die entsprechende Offerte macht. Die Entscheidung darüber, ob dieser Mann nun ein hoffnungslos asoziales, gefährliches Subjekt ist oder tatsächlich einer, dessen vorsätzliche Weigerung zur gesellschaftlichen Normierung schlicht inkompatibel ist mit der allgemeinen Vorstellung von Subordination, das überlässt Winding Refn jedem seiner Zuschauer ganz für sich allein.

10/10

Faustkampf Gefaengnis England Biopic Kunst Nicolas Winding Refn


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BLEEDER (Nicolas Winding Refn/DK 1999)


Zitat entfällt.

Bleeder ~ DK 1999
Directed By: Nicolas Winding Refn


Als Leo (Kim Bodnia) erfährt, dass seine Freundin Louise (Rikke Louise Andersson) von ihm schwanger ist, bricht nach und nach seine latent schlummernde Psychose durch. Diese äußert sich in unkontrollierter Aggression: Zuerst besorgt sich Leo "einfach nur so" eine Pistole, dann beginnt er, Louise zu schlagen. Der Konflikt kulminiert schließlich in einem offenen Schlagabtausch mit Louises ebenfalls höchst aggresssivem Bruder Louis (Levino Jensen). Leos Freund Lenny (Mads Mikkelsen), der wie ein Quasi-Autist ausschließlich für die Welt des Films lebt, hat derweil starke Probleme mit seiner Zwischenmenschlichkeit.

Mit seinen drei "Pusher"-Protagonisten (neben Bodnia und Mikkelsen kommt noch Zlatko Buric hinzu, der in "Bleeder" einen gesetzten Videothekar spielt) inszenierte Winding Refn dieses neuerliche, sperrige Porträt seiner Kopenhagener Heimat. Mit einer gedrungen Fischaugen-Perspektive macht der Regisseur es seinem Publikum am Anfang nicht leicht, sich in der Bildhaftigkeit seiner Welt zurechtzufinden. Als jedoch einmal klar ist, dass jenee Welt für alle Beteiligten längst aus den Fugen geraten ist, nimmt man den verqueren Blick auf sie stillschweigend hin. Lädt "Bleeder" ähnlich wie "Pusher" anfänglich noch hier und da zum Schmunzeln ein, so wandelt sich die Atmosphäre spätestens nach der Hälfte der Geschichte in eine zutiefst bedrohliche, die, und gerade darum ist sie so stark, ihren weiteren Fortlauf mit keiner Silbe verrät. Da wird eine Beschau von Lustigs "Maniac", von der Winding Refn nurmehr das Finale, das Joe Spinnell im Kreise seiner lebendig gewordenen Puppen zeigt, einfließen lässt, zu einer noch deutlich unangenehmeren Angelegenheit als die entsprechende Filmsequenz selbst.

8/10

Nicolas Winding Refn Dänemark Kopenhagen Videothek Amok Freundschaft


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DIE HEARTBREAKERS (Peter F. Bringmann/BRD 1983)


"Halt mich zurück, oder..."

Die Heartbreakers ~ BRD 1983
Directed By: Peter F. Bringmann


Recklinghausen, 1966. Freytag (Sascha Disselkamp) und seine Beatband "Heartbreakers" eifern den neuen britischen Rockheroen nach, auch wenn sie inmitten der Pottgesellschaft, die mehr auf gediegene Tanzschlager abfährt, wenig reißen können. Als der frustrierte Freytag die vom Leben ebenfalls nicht sehr verwöhnte Lisa (Maria Ketikidou) kennenlernt, kommen neue Vibrations in die Hütte - und nicht nur gute...

Speziell vor der Wiedervereinigung entstandene Filme im und übers Ruhrgebiet haben es mir aus wörtlich naheliegenden Gründen sehr angetan. "Die Heartbreakers" ist einer jener verschollen geglaubten Privatklassiker, bei denen man permanent auf den seltenen Luxus einer TV-Wiederholung wartete und die jetzt endlich für den DVD-Markt gehoben wurden. Den seit jeher so subversiven wie revolutionären Charakter von Rockmusik - ganz gleich welcher Kuleur - als Mittel hermetischer jugendlicher Kommunikation mit der Außenwelt betonend, rekapituliert Bringmann die von ihm offenbar selbst und regelmäßig in schöner Nostalgie verklärten Sechziger. Dass "Die Heartbreakers" trotzdem ein eindeutiger Achtziger-Film ist und sich bestenfalls an den Autos ablesen lässt, in welcher Zeit er angesiedelt sein soll, ist kaum weiter von Belang - die Recherche stimmt, Atmosphäre und Geist zählen. Und von beidem hat Bringmann hinreichend im Gepäck.

7/10

period piece Ruhrpott Peter F. Bringmann Musik Recklinghausen


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PUSHER 3 (Nicolas Winding Refn/DK 2005)


Zitat entfällt.

Pusher 3 ~ DK 2005
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der berüchtigte Kopenhagener Gangster Milo (Zlatko Buric) hat Probleme: Während seine Tochter Milena (Marinela Dekic) mit großem Trara ihren 25. Geburtstag feiert, steht er bei ein paar Ecstasy-Dealern in der Kreide, die ihm ursprünglich Heroin versprochen und dann die absatzlahmen Pillen geliefert haben. Um sie zu beschwichtigen, beherbergt Milo kurzfristig einen polnischen Mädchenhändler in seinem Restaurant, dessen herrisches Verhalten bei Milo nach kurzer Zeit alle Sicherungen durchbrennen lässt. Bald hat er zwei Leichen am Hals und sein alter Freund Radovan (Slavko Labovic), mittlerweile ehrbarer Pizzabäcker, soll ihm bei der Entsorgung helfen.

Im dritten "Pusher"-Film widmet sich Nicolas Winding Refn in der Hauptsache dem Ex-Jugoslawen Milo, einziges personelles Bindeglied zwischen allen drei Filmen. Die Nöte eines alternden Gangsters, der, zumal selbst schwer abhängig, mit Heroin und Koks aufgewachsen ist und mit neumodischem Zeug wie Ecstasy nichts anzufangen weiß, vermittelt Winding Refn in einer gewagten Mixtur aus Humor und Tragik. Wie der stressgeplagte Milo, den man bereits im ersten Teil als unberechenbaren Charakter mit zugleich immens komischem Potiental kennengelernt hat, zwischen Treffen der "Anonymen Drogensüchtigen", seinen Geschäften, der Party-Organisation und später der Bereinigung seiner unkontrollierten Bluttaten hin- und herhetzt, das hat natürlich klar identifizierbare Wurzeln: Man denke nur an das letzte Drittel von "Goodfellas", in dem ein bis zur pathologischen Paranoia bekokster Ray Liotta von einem Polizeihubschrauber durch die Gegend gehetzt wird oder an Warren Beatty, der als "Bugsy" zwischen "Geschäftsgesprächen" und töchterlicher Geburtstagstorte hin- und hereilt. Als kleine Hommage an diese großen Vorbilder funktioniert "Pusher 3" bestens, und nicht bloß als solche. Man darf nur hoffen, dass Winding Refn sich entschließt, es nicht bei einer Trilogie zu belassen, sondern viele weitere Figuren im Kopenhagener Gangstermilieu entdeckt, die genug Potential für ein Unterwelt-Abenteuer hergeben. Im Zweifelsfall kann er ja auch einen seiner alten Helden zurückkehren lassen...

8/10

Drogen Familie Kokain Dänemark Heroin Ecstasy Kopenhagen Nicolas Winding Refn Menschenhandel Splatter





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Funxton

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