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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ICH SPRENG' EUCH ALLE IN DIE LUFT (Rudolf Zehetgruber/BRD 1968)


"Was würde wohl Sergeant Blomfield dazu sagen?"

Ich spreng' euch alle in die Luft ~ BRD 1968
Directed By: Rudolf Zehetgruber

Johnny (Werner Pochath), der jüngere Bruder des beim letzten Coup der beiden zu Tode gekommenen Ganoven Blincky Smith (Herbert Fux), will Rache für das Geschehene. Verantwortlich für Blinckys Tod macht Johnny allein den umtriebigen Sergeant Blomfield (Götz George). Kurzerhand besetzt Johnny, eine Handfeuerwaffe und ein Fläschchen Nitroglycerin im Gepäck, Blomfields Revier in East London. Dumm nur, dass der Sergeant gar nicht vor Ort, sondern unterwegs und mit einem rätselhaften Mordfall in einer noblen Villengegend befasst ist. So hält Johnny Blomfields Kollegen kurzerhand als Geiseln...

Deutscher Krimisleaze aus den späten Sechzigern, der gleichfalls ein bisschen was von den Wallace-Adaptionen und ein bisschen was von Rolands und Olsens St.-Pauli-Geschmiere im Gepäck trägt. Als Handlungssetting muss einmal mehr London herhalten; offenbar klingen englische Namen und Ortsbezeichnungen etwas kosmopolitischer und waren dazu angetan, die spätwirtschaftswunderliche Republik in etwas exotischere Sphären zu versetzen. "Ich spreng' euch alle in die Luft", der später als "Mad Jo" und noch später als "Der Superbulle" wiederveröffentlicht wurde, ist natürlich sehr witzig und baut seine Nägelkaukalkulation auf denkbar putzigste Art. Die Stuntdoubles sehen allesamt garantiert völlig anders aus als ihre Vorbilder und es gibt viel zu lachen über manch einen Troglodyten in Polizeiuniform und die tief verwurzelte, hausbackene Misogynie des Films. Umso erstaunlicher, welch großartige Besetzung Zehetgruber beieinander hatte: Neben George, Pochath und Fux finden sich noch Anthony Steel, Walter Barnes, G.G. Hoffmann, Siegfried Wischnewski, Karl Schönböck und Eddi Arent, als comic relief natürlich.
Lohnt für Freunde des Nostalgisch-Abseitigen das Risiko eines Blicks.

6/10

Sleaze Europloitation London Rudolf Zehetgruber


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HANNIBAL (Ridley Scott/USA, UK 2001)


"Tata."

Hannibal ~ USA/UK 2001
Directed By: Ridley Scott

Zehn Jahre nach seiner Flucht bemüht sich der Serienmörder und Kannibale Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) als Dr. Fell um eine Kuratorenstelle in einem Florentiner Museum. Dort wird der gierige Polizist Pazzi (Giancarlo Gianini) nicht nur auf ihn, sondern auch die von Lecters einzig überlebendem, einst schwer verstümmelten Opfer Mason Verger (Gary Oldman) ausgesetzte Belohnung, aufmerksam. Verger hat seine Rache viele Jahre lang geplant und nutzt nunmehr Lecters Faible für die Agentin Clarice Starling (Julianne Moore), um seinen Intimfeind in eine Falle zu locken. Doch Lecter erweist sich einmal mehr als zu gerissen für jedweden Verfolger.

Nachdem sowohl Jonathan Demme als auch Jodie Foster dem Projekt "Hannibal" den Rücken zugedreht hatten, konnte Dino de Laurentiis immerhin Ridley Scott für selbiges begeistern. Bereits das Erscheinen des Romans wurde von einigem Entsetzen über Thomas Harris' potenzierte Detailfreude flankiert - soviel Gedärm und extrahierte Gehirnmasse mochten die etablierten Damen und Herren Prominenz dann doch nicht durchwaten. Die Folge ergibt einen sowohl in narrativer als auch in formaler Hinsicht völlig anders gearteten Film. "Hannibal" schwelgt in Pomp und edlem Stuck, konsumiert Kunst jedweder Kuleur im Dauerakkord und nutzt das Kulturzentrum Florenz als ehrwürdige Kulisse dafür. Gleichermaßen majestätisiert er Unappetitlichkeiten als hieße sein Regisseur Dario Argento, so dass das Werk sich ohne den Gang großer Umwege auch als Hommage an den klassischen Giallo lesen lässt. In den ersten beiden Teilen seiner "Lecter-Trilogie" überließ Harris die forsche Grausamkeit des promovierten Psychopathen noch der sekundären Hand; hier nun rückt der Gute endlich selbst ins Zentrum des Geschehens und erhält einige Gelegenheit, seinen zuvor lediglich angerissenen, barbarischen Habitus in einiger Ausprägung vorzustellen. Jedoch ist Lecter auch nur so kaputt wie seine Umwelt - die Allüren des nicht nur unfreiwillig widerwärtigen Milliardärs Mason Verger sind keinen Deut besser. Überhaupt wählt Hannibal ausschließlich "moralisch verwertbare" Todesarten für seine Herausforderer: den kleinen, von Pazzi beauftragten Taschendieb (Enrico Lo Verso) lässt er verbluten, Pazzi stirbt genau wie Judas auf einer frühmittelalterlichen Darstellung. Verger wird von seinen eigenen Schweinen aufgefressen und Clarices Konkurrenten, den schmierigen Agent Krendler (Ray Liotta), lässt Lecter sich an seinem eigenen Hirn delektieren - an jenem Teil freilich, der, wie man sagt, "für die guten Manieren zuständig" sei. Seine inszenatorische Fabulierfreude und Finesse sowie sein omnipräsenter Hang zur Exploitation im ästhetisch ansonsten so tragfähigen Gewebe machen "Hannibal" nicht nur zu etwas Besoderem, sondern vor allem zu einer von Scotts faszinierendsten Arbeiten.

9/10

Ridley Scott Hannibal Lecter Serienmord FBI Thomas Harris Florenz Rache Schweine David Mamet amour fou


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THE SILENCE OF THE LAMBS (Jonathan Demme/USA 1991)


"They don't have a name for what he is."

The Silence Of The Lambs (Das Schweigen der Lämmer) ~ USA 1991
Directed By: Jonathan Demme

Um einem kalauernd 'Bufallo Bill' getauften Serienmörder auf die Spur zu kommen, macht sich FBI-Stabschef Jack Crawford (Scott Glenn) daran, eine junge Auszubildende namens Clarice Starling (Jodie Foster) mit dem seit acht Jahren in Sicherheitsverwahrung befindlichen Dr. Lecter zusammenzubringen. Clarice soll - ohne davon zu ahnen - die Sympathie und das Vertrauen Lecters gewinnen, um so wertvolle Fahndungshinweise seinerseits bezüglich der möglichen Identität 'Buffalo Bills' zu erhalten. Tatsächlich gelingt Crawfords Plan. Lecter kennt sogar den Killer aus seiner früheren Praxis - lässt jedoch kjeineswegs mit sich schachern, ohne dass Clarice ein Stück ihrer eigenen seelischen Abgründe dafür preisgeben müsste.

Ein vorrangiges Beispiel für perfektioniertes, absolut messerscharfes Filmemachen und auch für die formale Emanzipation des Films der Neunziger von dem seines Vorgängerjahrzehnts. Kaum ein Horrorfilm - und ein solcher ist "The Silence Of The Lambs", noch mehr als dass er dem Thriller zugehörig wäre, vermochte es jemals, selbst das nickelbebrillte Establishment zu einem Kinobesuch zu verleiten und allein dafür gebühren ihm noch immer höchste Weihen. Demme vergisst seine Wurzeln nicht, bringt zum Beweis Roger Corman und George A. Romero in Cameos und hält zusätzlich noch nette kleine Rollen für Charles Napier und Diane Baker bereit. Dazu verschafft er dem Genre eine ungewohnte Respektabilität, indem er es schlichtweg ernst nimmt wie schon lange vor ihm niemand mehr und ihm eine gehörige Portion Abgründigkeit und Weltschmerz hinzusetzt. Die Figuren - die traumatisierte, stets um Selbstbehauptung bemühte Clarice Starling in einer von Männern dominierten (Berufs-)Welt, der ebenso geniale wie wahnsinnige Hannibal Lecter und auch der getriebene Jame Gumb (Ted Levine) - werden in rund 110 Erzählminuten so konturiert ausgebaut wie es sonst nur in umfangreicher Prosa möglich scheint; hinzu kommen eine kraftvolle, immanente Grausamkeit auf der einen Seite und eine gleichsam relativierende, humanistische Sensibilität auf der anderen. Obschon ich Demmes konzentrierten Film seit dem ersten Mal im Kino bestimmt schon gute zwanzig Male gesehen habe, werde ich der Wiederholungen nicht müde. Einfach, weil er so rund, so schön, so toll ist.

10/10

Jonathan Demme Hannibal Lecter Thomas Harris FBI Profiling Serienmord Madness Herbst


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RED DRAGON (Brett Ratner/USA, D 2002)


"Be grateful. Our scars have the power to remind us that the past was real."

Red Dragon (Roter Drache) ~ USA/D 2002
Directed By: Brett Ratner

Special Agent Will Graham (Edward Norton) vom FBI besitzt die Gabe, aufgrund besonderer empathischer Fähigkeiten beinahe mit der Gedankenwelt gesuchter Serienmörder verschmelzen zu können und ihnen so rasch auf die Spur zu kommen. Nachdem er einst den ebenso brillanten wie irrsinnigen Psychiater Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) festsetzen konnte und dabei fast zu Tode gekommen wäre, hat sich Graham zur Ruhe gesetzt. Als ein Familienmörder, den die Boulevardpresse "Zahnfee" getauft hat, die Ostküste unsicher macht, überredet Grahams früherer Vorgesetzter Jack Crawford (Harvey Keitel) ihn, ein weiteres Mal als Profiler tätig zu werden. Die Mörderhatz, bei der sich Graham auch auf die Hilfe Lecters stützt, wird bald zu einer wechselseitig zunehmend persönlich gefärbten Angelegenheit.

Die Neuverfilmung von Thomas Harris' erstem Roman seiner späteren "Hannibal-Lecter-Trilogie" kann trotz bombensicherer Produktionsbedingungen mit Michael Manns brillantem, sechzehn Jahre älteren "Manhunter" nicht mithalten. Gegen die fast verschworen wirkende Überstilisierung jenes Films ('tech noir' nennt man es wohl), in dem seinerzeit die nach wie vor eher eingeweihten Kreisen geläufigen Darsteller Brian Cox, William Petersen und Tom Noonan in den maßgeblichen Parts glänzten, wirkt Ratners solide, aber überraschungsarme Regie kaum mehr als beliebig. Benachteiligend hinzu wirkte sich ferner aus, dass nach all den sich um jeweils möglichst finstere Erscheinungsbilder bemühten Serienmörderfilmen, die das Kino der Neunziger und des Jahrtausendwechsels hervorbrachten, der gesamte Topos arg erschöpft und ausgewrungen wirkte. Letzten Endes kann man sich einer untrüglichen Eingebung kaum erwehren, derzufolge es dem Produzenten und Rechteinhaber De Laurentiis um unwesentlich mehr ging als um eine möglichst zeitnahe Auspressung des Franchise mit dem ja auch nicht jünger werdenden Anthony Hopkins. Dazu gesellt sich freilich eine Besetzung, die wohl die traumhafteste sein dürfte, mit der ein Hollywood-Regisseur in der letzten Dekade arbeiten konnte und die "Red Dragon" eigentlich seine komplette Qualität verleiht. Ansonsten rezitiert das Script nochmal die schönsten Dialogfetzen aus Manns Film, kann es mit dessen wallender Vorführung kühler Poesie jedoch wiederum kaum aufnehmen. Somit ist "Red Dragon" ein risikoarmer, wenn auch recht guter Film, der trotz seiner production values immer und ewig darunter leiden wird, lediglich die Zweitbesetzung eines exzellenten Spielmachers zu sein.

7/10

Brett Ratner Profiling Madness Thomas Harris Hannibal Lecter Serienmord FBI Chicago Florida


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PARTY GIRL (Nicholas Ray/USA 1958)


"No, no. Not with me, fella. Not with Rico Angelo."

Party Girl (Das Mädchen aus der Unterwelt) ~ USA 1958
Directed By: Nicholas Ray

Chicago in den frühen dreißiger Jahren: Der verkrüppelte Mobster-Anwalt Tommy Farrell (Robert Taylor) lernt auf einer Party von seinem Boss Rico Angelo (Lee J. Cobb) die Tänzerin Vicki Gaye (Cyd Charisse) kennen. Der eiskalte Teufelsadvokat und die heiße Schönheit ziehen sich wechselseitig an, was eine aufrichtige Liebesgeschichte zur Folge hat. Diese lässt den vormals zynischen Farrell sein Metier überdenken und bald zu dem Entschluss kommen, dass nur ein Ausstieg aus den mafiösen Elementen der Stadt eine aussichtsreiche Zukunft mit Vicki begünstigt. Damit ist Angelo jedoch alles andere als einverstanden. Als Farrell wegen einer Affäre um eines von Angelos Mündeln, den schießwütigen Cookie La Motte (Corey Allen), in Schutzhaft genommen wird, beginnt der sich um Farrells Aussage sorgende Angelo, Vicki zu bedrohen. Farrell weiß: Jetzt hilft endgültig nurmehr die Flucht nach vorn.

Ähnlich wie in "Johnny Guitar" entwirft Ray mit den vorherrschenden filmischen Mitteln der fünfziger Jahre - Technicolor und CinemaScope - eine gestalterische Augenweide, die das Zeug dazu hatte, ein schlafendes Hollywood-Genre zu reanimieren. Im Falle "Party Girl" war es das des Gangsterfilms. Warner hatte nach seiner großen Serie zeitgenössischer mobster movies in den Dreißigern auf diesem Gebiet kaum mehr etwas geleistet, von dem monströsen "White Heat" vielleicht einmal abgesehen. Stattdessen wurden die paar allenthalben herauskommenden Genrestücke formal zunehmend kärglich und entfernten sich mit ihrem moralethischen Zeigefinger und einem starken Hang zur Psychologisierung immer mehr von der flamboyanten Arbeitsweisen eines Mervyn LeRoy, Michael Curtiz oder Raoul Walsh. Nicholas Ray mühte sich jedoch häufig, mit seinen hochemotionalen, sich vor blühendem Camp nicht scheuenden Liebesgeschichten einen neuerlichen Gegenkurs einzuleiten und alte Traditionen mit aktuellen Mitteln wieder aufleben zu lassen. "Party Girl" schwelgt in Farben und Interieurs, kokettiert mit seinem alternden Protagonisten-Charmeur und spendiert Cyd Charisse nicht weniger als zwei ausufernde, jedoch stets bodenständig inszenierte Revueszenen, in denen die edle, damals bereits siebunddreißigjährige Schönheit viel von ihren beeindruckenden Beinen zeigen durfte. Was schert einen angesichts solch flirrender Erotik schon ein vorsätzlich karikierter Gangster, mag er auch von Lee. J. Cobb gespielt werden. Wobei, der ist natürlich auch toll. Wie so ziemlich alles an Rays Film.

9/10

Nicholas Ray period piece Chicago Mafia film noir


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FRIDAY THE 13TH: A NEW BEGINNING (Danny Steinmann/USA 1985)


"It's... Showtime!"

Friday The 13th: A New Beginning (Freitag der 13. Teil V - Ein neuer Anfang) ~ USA 1985
Directed By: Danny Steinmann

Der mittlerweile achtzehnjährige Tommy Jarvis (John Shepherd) landet nach permanenten Psychiatrie-Wechseln in der Reform-Anstalt 'Pinehurst'. Dort hat der nahezu katatonische junge Mann es jedoch auch nicht leichter, zumal die anderen Insassen völlig andere Probleme haben und bald eine furchtbare Bluttat geschieht. Dabei bleibt es jedoch nicht, denn obwohl der Verantwortliche (Mark Venturini) flugs weggesperrt wird, gibt es alsbald eine Mordserie, hinter der der Serienkiller Jason Voorhees zu stecken scheint. Aber der ist bekanntermaßen längst tot...

Ehedem hat mir "A New Beginning" nie besonders gefallen, weil ich seine bewusst trashige Grelle nicht richtig einzuordnen wusste. Heuer erging es mir ganz anders: Gerade die herrliche Fähigkeit zur Selbstreflexion und die teils bewusst parodistische Herangehensweise Steinmanns, die comicesk überzeichneten Figuren, die etliche Klischees durch den Kakao ziehen und ganz besonders die überdeutliche Replik auf die feuilletonistischen Vorwürfe reaktionärer Elemente im Slasherfilm, die sich hierin lange vor den entsprechenden Szenen in den späten Jason-Filmen, und vor allem deutlich subtiler eingesetzt fanden, machen "A New Beginning" trotz behelfsmäßigem Jason-Substitut zu einem kleinen Höhepunkt der Reihe. Zudem gestattet sich der Film, wie ich in einem schlauen (*hüstel*) Buch des MPW-Verlags nachlesen könnte, den zusammen mit Teil 9 höchsten Bodycount der Serie: satte 21 Personen müssen dran glauben (wobei davon jedoch "nur" 19 auf das Konto des Killers gehen). Nunmehr könnte man endlich mal mit Fug und Recht von Jason als "Massenmörder" sprechen - und da ruht der faule Sack sich ausgerechnet einen Film lang in seinem feuchten Grab aus und west vor sich hin. Liderlicher Lümmel!

6/10

Danny Steinmann Exploitation Psychiatrie Serienmord Rache Splatter Slasher Camp Sleaze


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FRIDAY THE 13TH PART 2 (Steve Miner/USA 1981)


"These kids smoke better dope than I do."

Friday The 13th Part 2 (Freitag der 13. Teil 2) ~ USA 1981
Directed By: Steve Miner

Fünf Jahre nach den mörderischen Vorfällen im Camp Crystal Lake bildet der enthusiastische Paul Holt (John Furey) in der Nachbarschaft eine Gruppe Jugendbetreuer aus. Niemand ahnt jedoch, dass Jason Voorhees (Warrington Gillette) seinerzeit mitnichten im See ertrunken ist, sondern im Wald in einem alten Verschlag haust und den gewaltsamen Tod seiner Mutter (Betsy Palmer) bereits gerächt hat. Und es gefällt ihm ganz und gar nicht, dass jetzt wieder junge Menschen in seine Gefilde kommen, um dort Spaß zu haben. Mit einem Leinsack über dem Kopf geht Jason erstmals an sein blutiges Werk...

Steve Miner, bei "Friday The 13th" als Produzent an Bord, inszeniert das erste Sequel straffer und mit merklich weniger Leerstellen als Cunningham sein Original. Jasons erster Auftritt als Schlächtermeister - hier noch mit Kartoffelsack über dem entstellten Antlitz - gibt bereits die Marschrichtung für alles Folgende vor. Der Kerl scheint schon jetzt unkaputtbar und überall und nirgends zur gleichen Zeit zu sein. Es gibt wieder eine schöne Menge Morde, mit ähnlich hübschen Arrangements aufgezogen wie die im Erstling, nur dass sie diesmal infolge der Intervention der MPAA bzw. durch Paramounts Bestreben, den potentziellen Erfokgsfilm mit einem "R" ins Kino zu bringen, stark Federn lassen mussten. Man spricht von einer runden Minute an geschnittenem Material. Die nunmehr fehlenden Make-Up-Eskapaden schlagen zwar recht negativ zu Buche, da Miners Film ohne sie doch spürbar an Kraft einbüßt, dennoch kann sich auch "Part 2" als spaßiger und noch immer richtungsweisender Camp-Slasher sehen lassen. Allerdings mag man über die plump strukturierten Reprisen des Erstlings gegen Ende wohlweislich das Mäntelchen des Schweigens hüllen.

6/10

Steve Miner Sequel Feriencamp Splatter Slasher Serienmord Jason Voorhees


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WHOEVER SLEW AUNTIE ROO? (Curtis Harrington/UK 1972)


"She's got a mummy in a hidden room!"

Whoever Slew Auntie Roo? (Wer hat Tante Ruth angezündet?) ~ UK 1972
Directed By: Curtis Harrington

Middlesex, 20er Jahre: Die wohlhabende, aber einsame Vaudevillekünstler-Witwe Rose Forrest (Shelley Winters) lädt alljährlich über die Weihnachtsfeiertage zehn Kinder eines benachbarten Waisenhauses ein, stopft sie mit Leckereien voll, beschenkt sie reichlich und bläst für sie die Unterhaltungsharfe. In diesem Jahr mogeln sich zusätzlich die beiden verschworenen Geschwister Christopher (Mark Lester) und Katy (Chloe Franks) unter die anderen Kids. Für 'Auntie Roo', wie Rose sich von den Kleinen verniedlicht rufen lässt, kein Problem - zumal die süße Katy sie an ihre einst infolge eines Unfalls verstorbene, eigene Tochter Katharine erinnert. Als Christopher zufällig herausfindet, dass bei Rose ein Schräublein locker ist, ist es bereits zu spät: Sie entführt Katy und sperrt sie als Tochterersatz in eine kleine Dachkammer. Mit Christophers Hartnäckigkeit, der sich plötzlich bei "Hänsel und Gretel" wähnt und Rose für die alte Knusperhexe hält, hat die jedoch nicht gerechnet.

Hübsch boshafter, vorläufiger Endpunkt der Hag-Horror-Welle nach genau zehn Jahren Lebensdauer und verkleidet als Neuformulierung eines der grausligsten von Grimms Märchen, das zudem von seinen kleinen Lesern schwer missinterpretiert wird: Natürlich kann man Rose Forrest vorwerfen, dass es nicht ganz handelsüblich ist, die Leiche des verstorbenen Kindes in einem geheimen Spielzimmer der heimischen Villa aufzubahren und allabendlich in den Schlaf zu singen; genau so, wie die das Kidnappen eines kleinen Mädchens wohl kaum der korrekte Weg ist, eine rechtsgültige Adoption ins Feld zu führen. Dass Rose jedoch plant, die beiden Geschwister zu mästen und hernach im Ofen zu grillen, darf stark bezweifelt werden - sie wählt lediglich etwas unkonventionelle Methoden, um ihre Einsamkeit zu überbrücken. Pech, dass sie sich da in der Person des pfiffigen, aber bereits sehr lebensgeschulten Christopher mit dem Falschen eingelassen hat, denn wie weiland die böse Hexe erwartet auch Tantchen Roo ein heißes Schicksal. Ein logisches Finale für die Altweiber-Horrorwelle, da hier nicht nur surreale Elemente Einzug zu halten beginnen, sondern sich langsam auch die Figur der bösen Alten zu drehen beginnt. Rose Forrest ist ja nicht wirklich böse, sondern lediglich eine bemitleidenswerte, vom Schicksal gebeutelte Mutterfigur mit fehlgeleiteten Charakterausprägungen. Sehr schön derweil die an Dickens angelehnte Zeichnung der postviktorianischen Waisenhausverhältnisse und die freche Zeichnung der entsprechenden Lebenswirklichkeit: Zu Tante Roo etwa dürfen nur die Hübschen und Braven - freche oder sich in irgendeiner Form auffällig benehmende Kinder, solche also, die es am Nötigsten hätten, müssen daheim bleiben. Elitäre Auslese beginnt eben in der kleinsten Hütte.

8/10

period piece Curtis Harrington Madness Kinder Waisenhaus Hag Horror Weihnachten Kidnapping


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WHAT'S THE MATTER WITH HELEN? (Curtis Harrington/USA 1971)


"Men can be quite a bit lower than the angels."

What's The Matter With Helen? (Was ist denn bloß mit Helen los?) ~ USA 1971
Directed By: Curtis Harrington

Nachdem ihre Söhne wegen eines Frauenmordes verurteilt wurden, verlassen die beiden von der Journaille aufs Korn genommenen Mütter Helen (Shelley Winters) und Adelle (Debbie Reynolds) die Provinz Iowas, um sich im Hollywood der frühen dreißiger Jahre eine neue (Schein-)Existenz zu errichten. Sie eröffnen ein Talentstudio, in dem junge Shirley-Temple-Nacheiferinnen gefördert und "entdeckt" werden können. Adelle lehrt die Elevinnen Tanz und Gesang, Helen spielt dazu Klavier. Doch es ziehen bald Besorgnis erregende Wolken auf: Während die attraktive Adelle von einem reichen und verständigen Verehrer (Dennis Weaver) umgarnt wird, flüchtet sich die dickliche, ungrazile Helen in die stupiden Radiosendungen der Predigerin Alma (Agnes Moorehead) und wird immer seltsamer. Zudem scheint die beiden Frauen ein mysteriöser Verfolger zu belagern, der irgendetwas mit dem Mordopfer ihrer Jungs zu tun hat...

Shelley Winters eventually goes mad: Nach Robert Aldrich brachte der bis heute schwer unterrepräsentierte Regisseur Curtis Harrington das Hag-Horror-Genre zu seinem vorläufigen Endpunkt. "What's The Matter With Helen?" bietet jedoch noch wesentlich mehr: Eine böse Traumfabrik-Satire und diverse Seitenhiebe gegen die Profitgier der in den USA so beliebten Medienprediger. Ganz wunderbar vor allem die Parallelisierung der beiden B-Diven: Während Debbie Reynolds sich noch immer zu präsentieren weiß und die überaus ansehnlichen Beine voller Elan in die Höhe schwingt, hat die zwölf Jahre ältere, schon immer etwas "individuelle Schönheit" Shelley Winters ihre äußeren Reize nicht nur eingebüßt, sondern sieht als graue, sich der Psychose annähernde Depressionspatientin sogar noch zehn Jahre älter aus als sie tatsächlich ist. Um die eigenartig-dysfunktionale Zweckbeziehung dieser beiden so gegensätzlichen Frauenfiguren herum konstruiert Henry Farrell, der bereits die Vorlagen für "Baby Jane" und "Sweet Charlotte" auf dem Kerbholz hatte, eine merkwürdig theatralische, pastellfarbene Geschichte um Abhängigkeiten, Anhänglichkeiten und mörderische Gewalt. Interessanterweise blieb der Reynolds eine Zweitkarriere als B-Movie-Queen versagt; für die beeindruckende, wunderbare Shelley Winters gab es danach noch einiges auf diesem Sektor zu vermelden...

8/10

Curtis Harrington Henry Farrell Hollywood Kalifornien Great Depression Camp Madness Freundschaft Hag Horror period piece


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WHAT EVER HAPPENED TO AUNT ALICE? (Lee H. Katzin/USA 1969)


"Your pine trees grow good - very good. He-He."

What Ever Happened To Aunt Alice? (Eine Witwe mordet leise) ~ USA 1969
Directed By: Lee H. Katzin

Da ihr verblichener Gatte ihr scheinbar nichts als Schulden hinterlassen hat, denkt sich die hochmütige Witwe Clara Marrable (Geraldine Page) eine besonders perfide Methode aus, um über die Runden zu kommen. Sie stellt allenthalben neue Wirtschafterinnen ein, lässt sie an der Börse spekulieren und bringt sie dann schließlich um die Ecke, um an Erspartes und Dividenden ihrer Opfer zu kommen. Als eines Tages jedoch die resolute Alice Dimmock (Ruth Gordon) bei ihr auf der Matte steht, ahnt Clara noch nicht, dass ihr hier eine Amateurdetektivin par excellence auf der Schliche ist...

Er kann's nicht lassen - wenngleich Robert Aldrich für "What Ever Happened To Aunt Alice?" nicht auf dem Regiestuhl Platz nahm, ist nicht nur seine inszenatorische Handschrift überdeutlich präsent, sondern auch die Mitarbeit seines üblichen Teams und vor allem die Produktionsbetreuung durch seine Gesellschaft "Associates & Aldrich". So kommt der an "What Ever Happened To Baby Jane?" angelehnte Titel natürlich nicht von ungefähr; wenngleich "Aunt Alice" im Vergleich zu jenem übermächtigen Vorbild eher zahme Kriminalunterhaltung geriert. Dennoch; legt man die Messlatte an die Darstellung der alten Ledernacken-Weiber, so bekommt man mit Geraldine Page und Ruth Gordon zwei echte Schwergewichte. Besonders die Page übertrifft sich selbst als zutiefst böses altes Gift, das jedweden Anflug von Philanthropie gleich ad acta legt und sich in ihrer Rolle als Serienmörderin auch noch als 'mutige Heldin' gefällt und bejubelt. Leider getraut sich der Film nicht, seine leidenschaftlich ausgespielte Boshaftigkeit bis zur letzten Konsequenz durchzuspielen - am Ende warten, wie könnte es anders sein - auch auf die so clevere Clara Marrable die stählerne Acht und der Brutzelstuhl. Unter Aldrichs Eigenregie wäre sie möglicherweise noch um ein paar Hausmädchen "reicher" geworden...

8/10

Robert Aldrich Lee H. Katzin Arizona Hag Horror Serienmord





Filmtagebuch von...

Funxton

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