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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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MERRY CHRISTMAS MR. LAWRENCE (Nagisa Ôshima/UK, J 1983)


"Today, I am Father Christmas."

Merry Christmas Mr. Lawrence ~ UK/J 1983
Directed By: Nagisa Ôshima


Java, 1942. Captain Yunoi (Ryûichi Sakamoto), ein pathologisch-gradliniger Perfektionist, befehligt ein japanisches Lager für aliierte Gefangene. Yunoi und sein oberster Sergeant Hara (Takeshi Kitano) halten die weißen Gefangenen für Schwächlinge, weil sie, anstatt rituellen Selbstmord zu begehen, ihre Gefangenschaft erdulden. Seine Mentalitäts- und Kraftduelle mit dem japanophilen britischen Offizier Lawrence (Tom Conti) gehen zumeist glimpflich aus, weil Lawrence in beiden Geisteswelten, der europäischen und der ostasiatischen, heimisch ist und Yunois Wesen somit zu nehmen weiß. Als dann jedoch der verurteilte Partisanenausbilder Cellier (David Bowie) ins Lager kommt, ist Yunoi mit seiner Weisheit am Ende. Cellier ist ein Musterbeispiel an Aufsässigkeit, Sturheit und Willenskraft, aber ebenso auch an Vernunft und Integrität - dass er dabei gleichfalls "nur" ein barbarischer Abendländer und Feind ist, kann Yunoi nicht verkraften.

Weniger ein Kriegsfilm denn eine Parabel über den gewaltsamen Aufprall zweier sich grundlegend unterscheidender Geisteshaltungen. Für die sittlich extrem gestrafften japanischen Soldaten sind Beugsamkeit und Gefangennahme schlimmer als Tod und Verdammnis, die vornehmlich britischen Soldaten interessiert vielmehr ein voller Magen und die verbleibende Zeitspanne bis zu ihrer Befreiung. Was die eine Front als völlig irrational empfindet, ist für die andere existenziell - durch die situationsgegebene Feindschaft vergrößern sich die Kommunikationsstörungen indes noch. Ausgerechnet der ohnehin stets seltsam ätherisch wirkende Bowie (dessen Rolleninitialen als Jack Cellier nicht von ungefähr die Christi sind) tritt schließlich als opferungswilliger Heiland auf, der eine Massenhinrichtung in letzter Sekunde verhindert, indem er die unfassbarste, aber einzig probate Reaktion gegenüber Yunois homoerotisch gefärbter Hassfaszination ihm gegenüber demonstriert. Ein wunderbarer Moment, einer der stärksten im Kino der achtziger Jahre. Was übrigens für den gesamten Film gilt. "Merry Christmas Mr. Lawrence" zeigt sich als meditative Abhandlung über die wesentliche Unmöglichkeit, würdevoll gegeneinander kämpfen zu können, wenn man noch nichtmal die Beweggründe seines Rivalen zu begreifen in der Lage ist. Ein sehr differenter, nichtsdestotrotz überaus kluger Ansatz für einen Film dieses Sujets.

9/10

WWII Nagisa Ôshima POW Pazifikkrieg


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THE GREAT RAID (John Dahl/USA, AU 2005)


"Got 'em all, sir."

The Great Raid ~ USA/AU 2005
Directed By: John Dahl


Bataan, 1945: Nach dem erfolgreichen Vorstoß General MacArthurs in Leyte sollen auch die US-Kriegsgefangenen in Cabantuan nach Jahren des Leidens unter japanischer Knechtschaft endlich befreit werden. Captain Prince (James Franco) leitet den später als "großer Überfall" in die Annalen der US-Militärgeschichte eingegangenen Überraschungsangriff.

Tragisch und ungerecht: Da bekommt Dahl erstmals ein hohes Budget, das er zudem absolut ökonomisch einsetzt, inszeniert seinen vielleicht besten, in jedem Falle aber ambitioniertesten Film außerdem sorgsam und passgenau und bekommt hernach die Quittung in Form gnadenloser Publikumsignoranz. Die Veröffentlichungsgeschichte von "The Great Raid" verläuft überhaupt sehr unglücklich: Nachdem klar ist, dass Miramax und Disney sich endgültig trennen und dass die Weinsteins aus der Firma aussteigen werden, schlummern einige mitunter groß angelegte Prestigeprojekte im Giftschrank der Brüder. Erst gute zwei Jahre nach seiner Fertigstellung gelangt "The Great Raid" in die Kinos und es ist fast, als wolle die Zuschauerschaft ihre Enttäuschung über die Weinstein-Machenschaften primär an diesem Film auslassen. Dabei liefert Dahl ein 'old fashioned war movie' im besten Gedenken an die fünfziger und sechziger Jahre, bestimmt ganz klare Feind- und Heldenbilder und, was das Beste ist, verzichtet bis auf den Einsatz von ein paar Sepiafiltern auf technischen Schnickschnack. Die authentifizierenden Wackelbilder von Spielberg und Eastwood finden hier keinen Platz, die diversen Explosionen während des titelgebenden Überfalls dürften indes die feuchten Träume eines jeden Pyrotechnikers sybolisieren. Den Vorwurf, dass "The Great Raid" träge sei, zu lang dauere und sich zu sehr mit der philippinischen Widerstandsbewegung befasse, kann und wird dem Film nur jemand machen, der schon Klassikern wie "The Purple Plain" oder "Never So Few" nichts abgewinnen kann. Alle anderen dürfen und sollten diesem prächtig gefertigten Kriegsfilm mit dem Herzen am rechten Fleck unbedingt eine Chance geben.

8/10

POW WWII Philippinen Pazifikkrieg John Dahl Widerstand


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FLAMMEN & CITRONEN (Ole Christian Madsen/DK, D, CZ 2008)


Zitat entfällt.

Flammen & Citronen (Tage des Zorns) ~ DK/D/CZ 2008
Directed By: Ole Christian Madsen


Am 9. April 1940 wird Dänemark von deutschen Truppen besetzt. Doch regt sich auch dort bald der Widerstand: An vorderster Front kämpfen zwei Attentäter unter den Decknamen 'Flamme' (Thure Lindhardt) und 'Citron' (Mads Mikkelsen) gegen die Okkupanten. Dabei gehen sie im Zuge ihrer Aktionen zunehmend fanatisch und gewissenlos vor, was schließlich bei Citron zum Verlust der Familie und bei Flamme zu einer ins Neurotische abgleitenden Form des Misstrauens führt, besonders als dieser nicht mehr zur Gänze zu erkennen vermag, wem er noch vertrauen kann und wem nicht. Als Flamme es aus persönlichen Gründen mit dem Gestapochef Hoffmann (Christian Berkel) aufnimmt, ist sein Schicksal besiegelt. Vor Kriegsende kommen beide posthum zu Nationalhelden erklärten Widerständler ums Leben.

Mit dem klassischen, auf die besetzten Staaten bezogenen "Résistance"-Begriff bringt man als historischer Laie vor allem die französische Widerstandsbewegung in Verbindung, vielleicht noch die von England aus geleiteten Aktionen. Tatsächlich brachten jedoch auch andere Länder schlagkräftige Untergrundkämpfer hervor, darunter der skandinavische Raum und eben speziell Dänemark, wobei Flamme und Citron dort tatsächlich bis heute als Musterbeispiele für den antidiktatorischen Guerillakampf geführt werden. Madsens Film setzt ihnen ein Denkmal, begeht jedoch nicht den so verlockenden Fehler unkritischer Heldenverklärung. Seine beiden Titelfiguren entwickeln sich zu ausgebrannten Männern mit einem sich potenzierenden Hang zu gewissenloser Brutalität. Interessanterweise sind es hier, im Gegensatz zur üblichen filmischen Darstellung, weniger Gestapo und SS, die als Gräuelstifter charakterisiert werden als Flamme und Citron selbst. Ihre Hemmschwellen werden nach und nach geringer, ihre Machtdemonstrationen färben sich zunehmend persönlich. Schließlich klebt auch das Blut Unschuldiger an ihren Händen. "Flammen" & "Citronen" begibt sich somit auf einen durchaus ungewöhnlichen thetischen Pfad: Um das Böse im Namen humaner Gerechtigkeit effektiv bekämpfen zu können, muss man zuweilen selbst in Kauf nehmen, von der Licht- auf die Schattenseite zu wechseln.
Madsen inszeniert dabei bewusst an amerikanischen Vorbildern orientiert. Wenn seine Widerständler, gewandet in Trenchcoat und Stetson und bewaffnet mit Schmeisser und Thompson auf die Nazis feuern, könnte man sie glatt mit John Dillinger oder Pretty Boy Floyd verwechseln. Allerdings erweist sich dieses zunächst bizarr anmutende Gangster-Guerilla-Bild im Schulterschluss mit dem kritischen Beobachtungsvektor überraschenderweise als gar nicht mal unpassend.

7/10

Biopic Widerstand Nationalsozialismus Daenemark WWII period piece Ole Christian Madsen Historie


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STARSHIP TROOPERS (Paul Verhoeven/USA 1997)


"I'm doing my part!"

Starship Troopers ~ USA 1997
Directed By: Paul Verhoeven


Die Zukunft. Die gesamte irdische Gesellschaft ist mittlerweile politisch miteinander verschmolzen, intrahumane Konflikte existieren nicht mehr. Seine Feinde sucht und findet man nunmehr in den Tiefen des Weltalls: Dort leben riesige Insekten, von den Menschen kurzerhand "Bugs" genannt, die es auszurotten gilt, um den Fortbestand der eigenen Spezies zu sichern. Die jungen Soldaten Rico (Casper Van Dien), Flores (Dina Meyer) und Ibanez (Denise Richards) hüpfen geradewegs von der Schulbank in die Militärausbildung, um am interplanetarischen Krieg gegen die Bugs zu partizipieren.

Die wichtigsten Stabsmitglieder von "RoboCop" unterstützen Verhoeven durch ihre enthusiastische Mitarbeit bei seiner zweiten großen SciFi-Satire, die jedoch noch weitaus schärfer und hinterfotziger zu Werke geht als das genau zehn Jahre zuvor entstandene Regisseurs-Meisterstück. Das "Troopers"-Script stammt wiederum von dem überaus hellsichtigen Ed Neumeier, der martialische Score von Basil Poledouris und Jost Vacano trumpft ein weiteres Mal als dp.
"Starship Troopers" kleidet seine vorgebliche Utopie einer globalen klassenbefreiten Einheitsgesellschaft mit ungebrochenen kombattanten Ambitionen in aseptische, klinisch reine Bilder, bevölkert von ausnahmslos schönen Jugendlichen in soap-opera-artigen Luftschlössern auf der einen und verstümmelten Kriegsveteranen, die sich nicht scheuen, eine neue Soldatengeneration heranzuziehen, auf der anderen Seite. In der Zukunft ist der Faschismus in seiner reinsten Form wiederum omnipräsent, nur eben auf intergalaktischer Ebene; denn ohne Feindbilder können auch die futuristischen Menschenpendants nicht. Ihr Faschismus ein Kosmopolitikum. Alles lebt nurmehr für Leistung, Image, gutes Aussehen, Geld, materiellen Erfolg und ähnliche Oberflächlichkeiten. Verhoeven und Neumeier machen es ihrem Publikum dabei keineswegs leicht: Ihre böse Kritik (bekanntermaßen ist jede Dystopie vornehmlich eine überspitzte bzw. kodierte Sektion bereits bestehender Verhältnisse) verstecken sie hinter gelacktem, formal nicht nur einwandfreiem, sondern gar exzellentem Mainstream-Kino, das nur selten seine schmutzigen Kehrseiten durchschimmern lässt; in den bereits aus "RoboCop" und "Total Recall" bekannten Infotainment-Clips etwa, oder in den spektakulär-blutigen Schlachtenszenen. So ist "Starship Troopers" im Wesentlichen dichter an "Im Westen nichts Neues" als an der im Prinzip ad absurdum geführten und damit nurmehr nominellen Vorlage von Heinlein - bloß, dass er noch ein gutes Stück schwärzer mit seinen Figuren umgeht als Remarque ehedem mit seinem Paul Bäumer: In dieser Version der Gefreitenmoritat genießt ein Johnny Rico nämlich keine reinigende, sittliche Edukation, sondern bleibt auf ewig ein Held - ein hübscher und ganz besonders dummer freilich.

9/10

Aliens Militaer Paul Verhoeven Satire Monster Zukunft Dystopie Farce


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AUS EINEM DEUTSCHEN LEBEN (Theodor Kotulla/BRD 1977)


"Befehl ist Befehl."

Aus einem deutschen Leben ~ BRD 1977
Directed By: Theodor Kotulla


Die Karriere des Franz Lang (Götz George): 1900 zur Zeit des Kaiserreichs geboren, versucht er als Jugendlicher mit allen Mitteln, im Ersten Weltkrieg als Infanterist an die Front zu kommen, was er durch die Fürsprache eines von seinem preußischen Enthusiasmus begeisterten Offiziers (Siegurd Fitzek) auch bewerkstelligt. Während der Weimarer Republik wird er dann zunächst Freikorpsler, um später dann in die NSDAP und bald darauf auch in die SS einzutreten. Himmler (Hans Korte) persönlich rekrutiert ihn nach einer kurzen Gefängnisstrafe wegen Mordes an einem KPD-Mitglied schließlich als Direktor von Auschwitz und Organisator der industriellen Massenvernichtung. Nach dem Krieg bezüglich seiner Greueltaten und nach seinem Gewissen befragt, antwortet Franz voller Selbstsicherheit, er sei sich keiner Schuld bewusst, er habe "bloß Befehle befolgt".

Anhand der Biographie des Naziverbrechers Rudolf Höß, der in Kotullas Film wie in Merles Vorlage "La Mort Est Mon Métier" seinen Fluchtnamen Franz Lang trägt, unternimmt "Aus einem deutschen Leben" den Versuch, nachzuzeichnen, unter welchen Umständen ein Mensch zum vollkommen gewissenlosen Exekutionswerkzeug einer Diktatur werden kann. Höß ist bereits von Haus aus ein zwischen maßlosem Patriotismus und rückhaltloser Untertänigkeit pendelnder Mensch, der stets auf der Suche ist nach konsequenten Vorgesetzten und Machthabern, die seinen beinahe pathologischen Pflichterfüllungsdrang füttern und ihm Staatsplanung und selbstständiges Denken abnehmen. Obgleich Götz George dem Menschenmonster ein durchaus charakteristisches Antlitz verleiht, ist das Beispiel Höß doch bloß eines von vielen - wenn auch ein extremes. Für den Posten des Todesplaners hätte Himmler auch einen anderen gefunden; die jeweiligen KZ-Direktoren scheinen sogar so etwas wie Bewunderung füreinander zu hegen ob der Effizienz, mit der von ihnen tagtäglich eine wechselnd große Anzahl "Einheiten" beseitigt werden.
Kotulla verzichtet auf vordergründige Dramaturgie und lässt seinen akribisch recherchierten und absolut präzis gestalteten Film erscheinen wie nüchternes Schulfernsehen. Dass gerade diese Form gewählt wurde, um über das eigentlich Unbeschreibare zu berichten, erweist sich als adäquate Wahl. "Aus einem deutschen Leben" schleicht sich sozusagen subkutan an, um dann fast unmerklich zuzustechen und erst zu schmerzen zu beginnen, nachdem die Nadel längst wieder entfernt wurde. Dem trägt besonders das grausige Ende Rechnung, in dem, unterlegt von ein paar gegenwärtigen, herbstlich-grauen Auschwitz-Bildern einige von Höß selbstverfasste Fakten mittels Georges eindringlicher Stimme vorgetragen werden. Danach kann man dann erstmal gar nichts mehr sagen.

9/10

Konzentrationslager WWI Nationalsozialismus Theodor Kotulla WWII Historie Weimarer Republik


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THEY CAME TO CORDURA (Robert Rossen/USA 1959)


"I became two men. One can't stand living in the same skin with the other."

They Came To Cordura (Sie kamen nach Cordura) ~ USA 1959
Directed By: Robert Rossen


Mexiko, 1916: Nachdem Pancho Villa die Grenze übertreten und das Kavallerie-Camp Furlong bei Columbus, New Mexico überfallen hat, geht die Armee der Vereinigten Staaten mit unerbittlicher Härte gegen ihn vor. Nach einer Attacke gegen einen Villaristen-Unterschlupf schlägt der Offizier Thorn (Gary Cooper) vier Soldaten vor, die wegen ihres selbstlosen Einsatzes die Tapferkeitsmedaille in Cordura erhalten sollen. Außerdem bekommen die Kavalleristen den Auftrag, die als Verräterin wegen Paktierung mit dem Feind eingestufte Adelaide Geary (Rita Hayworth) nach Cordura zu eskortieren. Auf dem beschwerlichen Weg durch die Wüste zeigt sich, dass sich beileibe nicht jeder Charakter durch eine einzelne markante Tat definiert.

Rossens spannender, psychologisch hervorragend austarierter Western vor dem historischen Hintergrund der Mexikanischen Revolution bietet dankbare Spätkrarriererollen für die beiden Altstars Cooper und Hayworth, die beide nochmal die Gelegenheit zu jeweils ausgesprochen nuancierten Darstellungen haben und diese auch wohlfeil nutzen. Selbiges gilt für die erstklassigen, als Wölfe im Schafspelz zu überzeugen wissenden Nebendarsteller Van Heflin und Richard Conte. Einen geflissentlich unangenehmen Beigeschmack erhält der Film allerdings durch seine Reduktion der Schuld/Sühne-Thematik auf die singuläre Diskursplattform militärischen Pflichtbewusstseins und selbstlosen Kampfeseinsatzes sowie die entsprechenden Leistungen. Andererseits ist genau das eben der Topos des Films und somit in der Retrospektion kaum vollwertig kritisierbar. Als intelligentes Ensemblestück mit durchweg großzügiger Interpretationsbasis hat "Cordura" vielen der weitaus oberflächlicheren Werke dieser Tage eine Menge voraus. Warum er nicht wesentlich wohlgelittener ist im Kanon der großen Hollywood-Klassiker ist mir ein wenig schleierhaft.

8/10

Historie Mexiko Robert Rossen WWI Mexikanische Revolution Militaer


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SOLDAAT VAN ORANJE (Paul Verhoeven/NL 1977)


"It was just a decision of fingers."

Soldat van Oranje (Soldiers) ~ NL 1977
Directed By: Paul Verhoeven


Amsterdam, 1939: Mit Kriegsbeginn driften die Lebenswege der sieben Studienfreunde Erik (Rutger Hauer), Guus (Jeroen Krabbé), Nico (Lex van Delden), Alex (Derek de Lint), Jan (Huib Rooymans), Jack (Dolf de Vries) und Robby (Eddy Habema) unweigerlich auseinander. Während Jack von den politischen Ereignissen weithin unbeeindruckt und stetig neutral bleibt, treten die Lebemänner Erik und Guus zusammen mit Nico und Robby in den nationalen Widerstand ein. Jan ist Jude und kämpft zunächst in der holländischen Armee, wird jedoch von der Kollaborationsregierung Musserts verraten und ermordet. Alex hingegen schlägt den Weg des überzeugten Nazis ein und wird Mitglied der Waffen-SS. Als man Robbys Funkeraktivitäten gewahr wird, erpresst man ihn mit der drohenden Deportation seiner jüdischen Verlobten (Belinda Meuldijk). Robby wird zum Verräter an der Sache. Erik und Guus fliehen nach England und arbeiten künftig als Spione im unmittelbaren Auftrag von Königin Wilhelmina (Andrea Domburg). Erik tritt nach Guus' Tod in die Royal Air Force ein und kehrt nach Beendigung des Krieges als Held und persönlicher Adjutant der Königin in deren Gefolge in die Niederlande zurück.

Verhoevens bis heute größtes Epos umfasst eine zeitliche Spanne von sieben Jahren und ist bereits ein deutliches Symbol für die Ambitionen des Regisseurs, im großen Stil in Hollywood zu arbeiten. Verhoeven wendete sich ab vom eher rotzigen, intimen und sehr persönlich gefärbten Stil seiner beiden letzten Filme und getraute sich, ein großes, prestigeträchtiges Nationalepos über die Rolle der Niederlande während des Zweiten Weltkriegs zu inszenieren, das den zum damaligen Zeitpunkt mit Abstand teuersten holländischen Film überhaupt markierte. Sich vor dem klassischen Emotionsrepertoire des Kintopp nicht scheuend, geriert sich "Soldat van Oranje" ungewohnt großatmig: Über existenzielle Standpunktentscheidungen im Angesicht der nationalen Dämmerstunde geht es, um Schuld, Sühne, Verrat, Liebe und Betrug, also praktisch die großen Beweggründe der Weltliteratur.
Nun lässt sich retrospektiv sicher trefflich darüber diskutieren, ob dies überhaupt ein Stoff ist oder war, der sich für einen Regisseur wie Verhoeven anbietet, dessen Chancen und Sternstunden doch stets eher in der spitzen Satire und im kleinbürgerlichen Tabubruch liegen. Als Experiment, das der Film über die Jahre letztlich auch geblieben ist ("Zwartboek" sollte später genau jene Lücken schließen, die hier noch klafften), ist "Soldaat van Oranje" in jedem Fall dank- und goutierbar; als bloßes Kriegsdrama, losgelöst von den Umtrieben seines Regisseurs, präsentiert er sich darüberhinaus als von unbestreitbar überdurchschnittlicher Qualität.

7/10

Widerstand Amsterdam Nationalsozialismus Freundschaft Paul Verhoeven WWII


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LETTERS FROM IWO JIMA (Clint Eastwood/USA 2006)


Zitat entfällt.

Letters From Iwo Jima ~ USA 2006
Directed By: Clint Eastwood


Die Pazifikinsel Iwo Jima im Februar 1945: Die kaiserlich-japanische Armee versucht in einer der letzten Schlüsselschlachten des Zweiten Weltkriegs, der anrückenden Übermacht der US-Streitkräfte zu begegnen, ist jedoch von vornherein völlig chancenlos. Dem Druck, den das Nahen des zahlenmäßig zigfach überlegenen Gegners auf die Soldaten ausübt, gesellen sich noch der persönliche Ehrbegriff und die Angst vorm immer sicherer werdenden Sterben hinzu. Der der westlichen Kultur gegenüber aufgeschlossene General Kuribayashi (Ken Watanabe), Ex-Militärattaché in Übersee, verkennt als einziger der uniformierten Inselbesatzer nicht die Entschlossenheit und Persönlichkeit des Feindes; der junge, verheiratete Soldat Saigo (Kazunari Ninomiya) indes weigert sich stetig, die selbstmörderische Todesphilosophie seiner Kameraden zu teilen.

In Kombination mit dem Parallelwerk "Flags Of Our Fathers", das ich mir zuvor ebenfalls nochmal angesehen habe, bildet "Letters From Iwo Jima" den wohl definitiven dramatisierten Abriss der Ereignisse um die "Operation Detachment", die Übernahme der kleinen kargen Vulkaninsel Iwo Jima durch die US-Armee - ein besonders aufgrund seines strategischen und symbolischen (und damit psychologischen) Gehalts elementarer Kriegsschachzug. Obgleich beide Filme aus ihrer formalen und sittlichen Verwandtschaft keinen Hehl machen, sind sie atmosphärisch doch sehr unterschiedlich geartet. "Letters From Iwo Jima" porträtiert fast kammerspielartig die klaustrophobische Situation der bereits von Anfang an feststehenden Verlierer der Schlacht, die in ihren eilig aus dem Fels gehauenen, provisorischen Tunneln hocken und so tapfer kämpfen, wie es nur geht, aufgrund der unverhältnismäßigen Größe des Gegners jedoch zum Verlieren verdammt sind. Für sie entwickelt sich Iwo Jima auch zu einem Belagerungskonflikt, das Frischwasser geht langsam aus, die jungen Männer werden von Seuchenkrankheiten dahingerafft und ihre überkommenen Weisungen, in jedem Falle in den Tod zu gehen (was im konkreten Fall Seppuku bedeutet), bevor man sich ergibt, zermürben sie auch innerlich.
Auch wenn man Eastwood verdächtigen möchte, es bei "Letters" etwas einfacher gehabt zu haben als bei "Flags", da die Darstellung der Verliererseite unter antikriegsintentionalen Gesichtspunkten schlicht die dankbarere ist, muss "Letters" ganz klar als Punktesieger aus dem Gesamtwerk hervorgehen: Er geriert sich dichter, persönlicher und vor allem weitaus intimer als sein "Zwillingswerk".

9/10

Pazifikkrieg Clint Eastwood Iwo Jima WWII


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TORA! TORA! TORA! (Richard Fleischer, Kinji Fukasaku, Toshido Masuda/USA, J 1970)


"Take a look. There is your confirmation."

Tora! Tora! Tora! ~ USA/J 1970
Directed By: Richard Fleischer/Kinji Fukasaku/Toshiso Masuda

So konzentrierte wie minutiöse Rekonstruktion der Ereignisse, die zu einem der entscheidenden Ereignisse des Zweiten Weltkriegs führten: Des japanischen Angriffs auf den US-Marine-Stützpunkt von Pearl Harbor, Hawaii am 7. Dezember 1941. Die von der kauserlichen Armee diplomationstaktisch höchst unklug arrangierte Attacke musste im Nachhinein als Überfall gedeutet werden, weil die offizielle Kriegserklärung erst eine Stunde nach dem Angriff bei den Amerikanern einging. Die besonders für das japanische Volk langfristig verheerenden Folgeereignisse sind bekannt.

"Tora! Tora! Tora!" - der stolze Schlachtruf der Japaner nach erfolgreich vorbereitetem Angriff auf die Heimat des Hawaii-Toasts. Außerdem ein Prestigeobjekt für das Kino, ein hervorragender Kriegsfilm und ganz besonders der Versuch einer massenkulturellen Annäherung zwischen zwei einstmaligen Erzfeinden durch gemeinsame Aufarbeitung. Der Film wurde konzipiert als gleichberechtigte Kooperation zwischen Amerikanern und Japanern (wobei der ursprünglich vorgesehene Akira Kurosawa ganz schnell wieder den Hut nehmen musste), räumt beiden historischen Perspektiven jeweils gleich viel Raum ein und vermeidet es somit, der stets lauernden Gefahr unsensibler Geschichtsklitterung stattzugeben. Das Stichwort lautet "Authentizität", entsprechend unemotional und nüchtern gehen die Regisseure zu Werke. Dass der Angriff der japanischen Bomberstaffel den dramaturgischen und effektiven Höhepunkt von "Tora! Tora! Tora!" bildet, liegt nahe und die immens aufwändig nachgestellten, verheerenden Auswirkungen desselben, ganz ohne Miniaturtricks und CGI-Schnickschnack freilich, zeigen eine bis heute vorhaltende, atemberaubende Wirkung.
Für jede seriöse Spielfilmretrospektive rund um den Pazifikkrieg sowieso unerlässlich.

8/10

Richard Fleischer Historie WWII Pazifikkrieg Pearl Harbor period piece Kinji Fukasaku Toshiso Masuda


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RISE AND FALL OF IDI AMIN (Sharad Patel/UK, KE 1981)


"I'm the sex champion!"

Rise And Fall Of Idi Amin (Idi Amin - Der Schlächter) ~ UK/KE 1981
Directed By: Sharad Patel


1971 putscht sich der selbstherrliche Militarist Idi Amin (Joseph Olita) zum Diktator Ugandas. Sein folgendes Terrorregime, dass Hunderttausende Tote fordert, währt acht Jahre. Idi Amin macht sich nach und nach diverse abendländische Staaten der Welt zu Feinden, stilisiert sich, nach einer Absage der Israelis bezüglich militärischer Unterstützung Ugandas, zum von Allah berufenen Antisemiten und Hitlerverehrer und lässt jeden, ob national oder international, der seine Person auch nur andeutungsweise anzweifelt und dessen er habhaft werden kann, verschwinden. Mit dem Versuch, Tansania zu erobern, endet schließlich Idi Amins Gewaltherrschaft.

Diktatoren eignen sich ja schon aufgrund ihres häufig expliziten Irrsinns hervorragend als Karikaturgegenstand. Der verrückte Egozentriker Idi Amin wurde bereits während seiner aktiven Zeit zum Inhalt und Namensgeber eines Films, den Barbet Schroeder mit ihm persönlich 1974 als die Dokumentation "Général Idi Amin Dada: Autoportrait" in die Welt entließ. Jene begnügte sich auf kluge Art und Weise damit, Amin sich durch seine maßlose Selbstdarstellung entlarven zu lassen. "The Rise And Fall Of Idi Amin" hingegen ist lupenreine Exploitation. In einer rasanten Abfolge von Szenen wird jede Kleinstanekdote hervorgekramt, die der Despot während seiner Herrenjahre hinterlassen hat; von seiner Vergrätzung und Vertreibung jeder bei ihm ansässigen Gastnationalität über seine diversen, teils auf bizarre Weise gefeierten Hochzeiten, den Usus, seine Opfer den Nilkrokodilen zum Fraß vorzuwerfen, die Legende, dass er das Fleisch seiner Feinde zu verspeisen pflegte, seinen unersättlichen Sexhunger, seine bequem ausgelegte muslimische Lebensart, die öffentlich abgehaltene Auszeichnung seines sechsjährigen Sohnes mit der Tapferkeitsmedaille, die Anweisung, mangelnde Devisen kurzerhand durch das fixe Nachdrucken von Dollars auszugleichen und schließlich faktischere Episoden wie die Geiselnahme von Entebbe. Hechel. Wenn auch nur die Hälfte davon wahr ist, lässt sich doch feststellen: Das ist de facto reinster Exploitationstoff. Insofern ist Patels Film gar nicht so plump effektheischerisch, wie man zunächst annehmen muss. Und dass die Darstellung wahnhafter Diktatoren zuweilen in die Satire abrutschen darf, liegt in der Natur der Sache. Den Monstern der Weltgeschichte nimmt man am ehesten ihren Schrecken, indem man sie der Lächerlichkeit preisgibt. Das hat zumindest zu gewissen Teilen auch Patel erkannt.

6/10

Realsatire Pseudo-Dokumentation Historie Exploitation Diktatur Biopic Afrika





Filmtagebuch von...

Funxton

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