Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

DIE FÄLSCHUNG (Volker Schlöndorff/BRD, F 1981)


"In Beirut bleibt man besser nirgends länger stehen."

Die Fälschung ~ BRD/F 1981
Directed By: Volker Schlöndorff


Der Hamburger Journalist Georg Laschen (Bruno Ganz) flieht vor seiner kriselnden Ehe in den Libanon, um direkt aus Beirut vom Irrsinn des Bürgerkriegs zu berichten. Zwischen den Polen Ratlosigkeit und Faszination umherirrend lernt er die Witwe Ariane Nasser kennen und lieben, die sich auf seltsame Weise mit der Situation in der Stadt arrangiert hat und statt zu resignieren alles tut, um ein vitales Lebenszeichen inmitten des fortschreitenden Vernunftzerfalls zu setzen. Als Laschen erkennt, dass Ariane mittlerweile stärker von der Landeskultur assimiliert wurde, als er zunächst wahrhaben wollte, wählt er selbst die Ratio und kehrt zu seiner Ursprungsexistenz und Familie nach Deutschland zurück - im Libanon hat sich derweil nichts verändert.

Der Dreh von "Die Fälschung" verlief dem Vernehmen nach deutlich spektakulärer als der ruhige Film sich letzten Endes päsentiert: Mit seinem Produktionsleiter Eberhard Junkersdorf entschied sich Schlöndorff, vor Ort zu filmen, in der zu diesem Zeitpunkt unter einem heillos chaotischen Dauerbeschuss stehenden City von Beirut, in dem die vielen unterschiedlichen Milizen sich abwechselnd so rasch fraternisierten und wieder entzweiten, dass die Situation für Außenstehende und erst recht für regionale Fremdlinge nahezu komplett undurchschaubar blieb. Einzig die drei Hauptparteien der Syrer, der Maroniten und der PLO schälten sich deutlich heraus; die diversen weiteren, von unterschiedlichsten internationalen Interessengruppen finanzierten Clans und Sippen kochten jeweils ihre eigenen Süppchen. Schlöndorff berichtet heute recht gelassen von diesem Arbeitsabenteuer, zumal die Dreharbeiten, bis auf eine kurzzeitige Entführung Junkersdorfs durch eine Miliz, die den Deutschen mutmaßlich für einen israelischen Spion hielt, weitgehend abgesegnet und unbehelligt blieben.
Was den Film abseits von seiner für diese Zeit wohl typischen deutschen Emotionsakese so großartig macht, ist tatsächlich dessen Status als einzigartiges Zeitdokument eines regierungslosen, in der Anarchie erstarrten Landes, in dem Banken und Hochfinanz die letzte noch vorhandene Autorität stellten. Der unbeteiligt erscheinende, tatsächlich aber von einem tiefen inneren Brodeln erfasste Georg Laschen wird für den im Alltagstrott dahinlebenden Abendländer zum Medium und Fenster in eine Krisenregion ohne mittelfristige Besserungsaussichten.
"Die Fälschung" ist der einzige Spielfilm, der während des Bürgerkriegs vor Ort im Libanon gedreht wurde; die während dieser Jahre teils gern im Nahen Osten angesiedelten Actionfilme aus Hollywood entstanden, zumal keine Versicherungsgesellschaft für anderes gerade gestanden hätte, derweil auf verhältnismäßig sicherem Terrain in Israel. Ein waghalsiges Stück Film also, das die Beschäftigung mit sich reich entlohnt.

8/10

Volker Schloendorff Nahost-Konflikt Journalismus


Foto

DER FANGSCHUSS (Volker Schlöndorff/BRD, F 1976)


"Ich bin kein Mann für Sie."

Der Fangschuss ~ BRD/F 1976
Directed By: Volker Schlöndorff


Das Baltikum im Winter 18/19: Zwar ist der Erste Weltkrieg vorbei, für die die Weißarmisten unterstützenden deutschen Freikorpsler wie den verbissenen Offizier von Lohmond (Matthias Habich) jedoch steht der Kampf gegen die aus dem Osten voranschwemmenden Bolschewiken-Welle nach wie vor im Lebensmittelpunkt. Mit dem Herrensitz der Familie de Reval findet man ein noch bestehendes Bollwerk vor. Die mit den Roten liebäugelnde Hausherrin Sophie de Reval (Margarethe von Trotta), Schwester von von Lohmonds bestem Freund Conrad (Rüdiger Kirschstein), verliebt sich hingebungsvoll in den gefühlskalt scheinenden Soldaten - ohne erkennbare Wechselbekundung. Im Gegenteil versagt jedes noch so widersinnig scheinende Mittel, von Lohmond näherzukommen. Am Ende stehen er und sie sich endgültig auch als politische Kontrahenten gegenüber.

Eine von Schlöndorffs diversen Literaturadaptionen, diesmal nach einem Roman der französischen Literatin Marguerite Yourcenar, dessen Originaltitel "Le Coup De Grâce" adäquater übersetzt worden wäre mit "Der Gnadenschuss" - doch die Namensvergabe war ja allein durch die längst geschehene deutschsprachige Übersetzung bereits installiert und etabliert. Dem Zeitkolorit und der Kälte des handlungstragenden Winters geschuldet wurde "Der Fangschuss" in schwarzweiß abgelichtet. Er enthält mit seinen unnachgiebigen, harten Kontrasten einige der schönsten und ästhetisch herausragendsten Bilder, die ich bisher bei Schlöndorff gesehen habe; zudem ergänzen sich die kompositorische Brillanz und die der Geschichte innewohnende, emotionale Orientierungslosigkeit perfekt.
Die letzte Zusammenarbeit mit seiner damaligen Ehefrau Margarethe von Trotta markiert, wie ich finde, einen in seiner überwältigenden Tristesse und Theatralik exzellentesten Filme des Regisseurs, der als Verfilmung historischer Literatur in seiner Filmographie zudem eine wichtige Entwicklungsposition einnehmen dürfte - "Die Blechtrommel" meint man bereits am Horizont erschnuppern zu können.

9/10

Baltikum Schnee WWI Russische Revolution Volker Schlöndorff Homosexualitaet


Foto

DER UNHOLD (Volker Schlöndorff/D, F, UK 1996)


"All I wanted to do was to help, but somehow I inspired people's fear."

Der Unhold ~ D/F/UK 1996
Directed By: Volker Schlöndorff


Über tragische Umwege gelangt der Automechaniker Abel Tiffauges (John Malkovich) im zweiten Weltkrieg zunächst an die Front gegen die Deutschen, kommt alsbald in Kriegsgefangenschaft und wird wegen seiner offensichtlichen Tierliebe von Goerings (Volker Spengler) Forstmeister (Gottfried John) persönlich als Faktotum auf dessen feudalen Landsitz angeheuert. Nach dem Massaker bei Stalingrad zieht Goering das gesamte Personal ab und Abel wechselt auf die benachbarte Zitadelle Kaltenborn, eine Napola für Sprösslinge besonders wohlhabender Eltern. Nach kurzem erhält der naive Abel dort den Auftrag, für die drohende Aufstockung der Wehrmacht sämtliche Jungen aus der Umgebung zu rekrutieren - eine Aufgabe, die der verblendete Simplicissimus willfährig erledigt. Als Abel das Ausmaß seines Tuns bewusst wird, ist es bereits zu spät: Kaltenborn wird gnadenlos von den Russen überrannt und Abel flieht, einen jüdischen Jungen (Ilja Smoljanski) auf dem Arm, ziellos in die winterlichen Sümpfe.

Die Verfilmung von Tourniers "Der Erlkönig" steht in direkter Tradition zur "Blechtrommel" - in beiden Werken geht es um die gleichermaßen distanzierte, dann aber mehr und mehr doch verhängnisvoll involvierte Beobachtung des Dritten Reichs, seines Aufstiegs und Falls. Im Gegensatz zu Oskar Matzerath ist die Dimension des Systems, das ihn kurzzeitzig assimiliert, Abel Triffauges aber zunächst nicht bewusst; er ist zwar geistig auf der Höhe, aber emotional betrachtet hoffnungslos unterentwickelt. Seine aufrichtige, reine Liebe zu Kindern bezahlt er zunächst mit dem Preis übler Verdächtigungen und eines ruinierten Rufs, um dann später "seine" gesamte Kinderschar machtlos dem Feindesfeuer übergeben zu müssen. Der Gedanke, dass nicht das Schicksal uns leitet, sondern umgekehrt, kommt erst viel zu spät.
Schlöndorff kleidet sein Observationsmärchen in gleichermaßen aufwendige wie ästhetisch tragfähige, zwischen farbig und schwarzweiß wechselnde Szenarien, durch die ein abermals virtuoser Malkovich stapft, dessen Interpretation ein wenig an seinen Lennie Small aus "Of Mice And Men" erinnert: Monster und Kind zugleich, ein unschuldiges Opfer seiner verheerenden gesellschaftlichen Umstände. Ansonsten wäre da noch Spenglers fabelhafte Karikatur des größenwahnsinnigen Reichsfeldmarschalls erwähnenswert, eine der brillantesten mir bekannten Nazisatiren.

8/10

Volker Schloendorff Nationalsozialismus WWII Kinder Parabel Erwachsenenmaerchen


Foto

THE MEN WHO STARE AT GOATS (Grant Heslov/USA, UK 2009)


"I'm liberating this base!"

The Men Who Stare At Goats (Männer die auf Ziegen starren) ~ USA/UK 2009
Directed By: Grant Heslov


Als der Journalist Bob Wilton (Ewan McGregor) angeffüllt von Trennungsschmerz in den Irak geht, um dort Kriegsberichterstatter zu werden, lernt er den ihm spinnert erscheinenden Lyn Cassidy (George Clooney) kennen. Von diesem erfährt Bob, dass es rund zwanzig Jahre zuvor in der US Army eine Spezialeinheit gab, die intern als "New Earth Army" oder "Jedi-Krieger" bekannt war. Dabei handelte es sich um Soldaten, die unter Leitung des hippiefizierten Vietnam-Veteranen Bill Django (Jeff Bridges) mit obskuren New-Age-Praktiken und Acid-Experimenten auf den Pfad des Friedens geführt werden sollten, eine Art Regenbogenarmee. Bob begleitet Lyn auf einer angeblich geheimen Mission und landet schließlich mit ihm in einem von Lyns altem Intimfeind Larry Hooper geleiteten Armeecamp, in dem unter anderem feindliche Kriegsgefangene gefoltert werden.

Alle paar Jahre eine Armee- oder Kriegssatire und die globale Zuschauerschaft kann aufatmen und versichert sein, dass Hollywood noch zu was gut ist. Nach "Buffalo Soldiers" wurde die Zeit nun langsam wieder reif für eine Geschichte wie diese, in der die Armee als moralisch überkommene Institution dargestellt wird und als Verein, der durch innere Aktivitäten, Geheimprojekte und Top-Secret-Weisungen längst zum Milliarden-Dollar-Treppenwitz geworden ist. Mit Bill Django ist es, als habe sich Reagan seinerzeit Jeff Lebowski (den "kleinen" natürlich) persönlich ins Nest geholt und ihm erlaubt, seine ganz eigene Vorstellung von Weltpolizei zu realisieren - im Kleinen natürlich, schließlich soll die U.S. Army keine unfreiwillige Lachnummer werden. Diverse "Kampfestaktiken" wurden dort geübt, die von Ausdruckstanz zu Billy-Idol-Songs über hellseherische Experimente bis hin zu speziellen Tötungstaktiken ohne Waffen oder körperlichen Kontakt mit dem Gegner reichten. Von all jenem berichtet der Film in einer Mischung aus journalistischer Objektivität und gebotener Ungläubigkeit; und: selbst einen unmissverständlichen Kommentar zu Guantanamo verkneift er sich nicht.
Dass ausgerechnet Ewan McGregor sich verständnisbefreit erkundigt, was denn wohl bitte ein "Jedi-Krieger" sei, ist dabei als In-Joke vielleicht ein bisschen sehr offensichtlich, aber immer noch hinreichend witzig.

7/10

Militaer Golfkriege Grant Heslov Satire Groteske LSD Drogen


Foto

DIE BLECHTROMMEL (Volker Schlöndorff/BRD, F, PL, YU 1979)


"Es war einmal ein Land, in dem glaubten die Menschen an den Weihnachtsmann. Doch dieser Weihnachtsmann war in Wirklichkeit... der Gasmann!"

Die Blechtrommel ~ BRD/F/PL/YU 1979
Directed By: Volker Schlöndorff


Wie der kleine Halbkaschube Oskar Matzerath (David Bennent) 1924 das Licht der Danziger Welt in Gestalt einer 60-Watt-Glühbirne erblickt, mit drei Jahren die erste von einer Legion roteiß lackierter Blechtrommeln erhält, sich aufgrund der verlogenen Welt der Großen weigert, weiterzuwachsen, seine spezifische Gabe des Glaszersingens entdeckt, wie er später die Tode seiner Mutter (Agnes Winkler), seines Onkels (Daniel Olbrychski) und später seines nominellen Vaters (Mario Adorf) provoziert, dem Aufmarsch der Nazis entgegentrommelt, mit einer aus Zwergen und Liliputanern bestehenden Fronttheatertruppe der Euthanasie entgeht und später, nach dem Sieg der Alliierten, ins Rheinland vertrieben wird.

"Die Blechtrommel" ist vermutlich eines der hervorstechendsten Beispiele dafür, wie Weltliteratur in Film zu transferieren ist, ohne den Geist der Vorlage zu verkaufen. Für mich, der ich das Glück hatte, Schlöndorffs opus magnum nie als Schulprogramm aufoktroyiert bekommen zu haben, sondern ihn im mittleren Jugendalter selbst entdecken zu können, außerdem einer der mit großem Abschlag besten deutschen Filme. Es ist ja Grass zu verdanken, dass er - übrigens in angemessen knappem zeitlichen Abstand - die Schrecken der Nazidiktatur in eine grimmige Humoreske eingeschlagen und sie durch die Augen eines seltsamen, in gewisser Weise fast unirdischen Kindes sehen und kommentieren zu lassen. Oskar Matzerath, Größenwahnsinniger und zynischer Observierer von diabolischer Vitalität. Da geht es nicht nur um blindes Mitläufertum, auch um Vaterschaftslügen - und in fortgesetzter Generation. Seine drei Eltern werden allesamt bestraft: Zwei für ihren Betrug am Ehevertrag, der letzte dafür, dass er ein Führerporträt dort platzierte, wo zuvor ein Stieler-Gemäldedruck von Beethoven hing.
Auch wenn er sonst nach eigener Aussage mit "Director's Cuts" nichts am Hut hat, fügte Schlöndorff in diesem einen Fall nach sorgfältigem Abwägen verloren scheinende Szenen wieder ein. Dem Film tut es gut; endlich sieht man die Himmelfahrt der abgeschossenen Nonnen von Lisieux am Normandiestrand oder die fehlenden Momente mit dem jüdischen Aufkäufer Fajngold (Wojciech Pszoniak). Auch Matzeraths späte Kleinstrebellion gegen die Partei, die "dat Oskarchen" in eines ihrer speziellen Krankenhäuser verfachten will, kann nunmehr bewundert werden.

10/10

Parabel Director's Cut Zwerg Biopic WWII Volker Schloendorff Nationalsozialismus Skandalfilm Guenter Grass Groteske


Foto

THE GREAT ESCAPE (John Sturges/USA 1963)


"What do they call a mole in Scotland?" - "A mole."

The Great Escape (Gesprengte Ketten) ~ USA 1963
Directed By: John Sturges


Süddeutschland, 1944: Um sie in schöner Übersicht zu halten, werden die aufgrund ihrer unentwegten Ausbruchsversuche berüchtigsten alliierten Kriegsgefangenen in ein speziell für sie errichtetes, von dem systemkritischen Luftwaffenoffizier von Luger (Hans Messemer) geleitetes Lager übersandt. Natürlich nutzen die Gefangenen den Vorteil ihrer Situation und planen einen Massenflucht, der in erster Linie dazu dienen soll, eine möglichst große Teile des Staatspersonals in Anspruch nehmende "zweite Front" im Landesinneren aufzubauen. Trotz diverser Rückschläge gelingt rund siebzig Ausbrechern die Flucht, doch am Ende kommen nur drei von ihnen tatsächlich durch.

"The Great Escape" dürfte der positivst gestimmte mir bekannte Kriegsfilm sein. Weder verwendet er, wie es sonst üblich ist, viel Zeit darauf, die Nazis als dämonischen Überfeind zu denunzieren, noch hält er sich mit missmutigen Situationsschilderungen der an Leib und Seele geschundenen POWs auf. Tatsächlich propagiert die Geschichte eher den Wert ungebrochener Kampfesnatur im Angesicht von Unterdrückung und Ungerechtigkeit und liefert dabei einen auf den ersten Blick der Situation unangemessen fröhlich erscheinenden Abenteuerfilm für Männer. Selbst die wenigen im Film vorkommenden Deutschen werden nicht durch die Bank unsympathisch gezeichnet: Oberst von Luger etwa ist der geborene Offizier, zudem von adligem Geblüt - den Hitlergruß vollzieht er nur äußerst widerwillig und die "Kollegen" von Gestapo und SS empfindet er offenkundig als lästiges Diktaturgeschmeiß, dem jede echte Soldatenehre vollkommen abhold ist. Eine Art Stauffenberg ohne Kamikazeallüren. Die Gefangenen derweil präsentieren sich als durch die Bank liebenswerter Haufen ganzer Kerle, von denen man jeden einzelnen bereitwillig zum Wochenendsumtrunk mit in seine Stammkneipe nähme. Kein einziger Verräter darunter, kein Opportunist. Jeder passt auf jeden auf, ein Hohelied auf Kamerad- und Freundschaft.
Trotz seiner imposanten Spielzeit bewerkstelligt es der hell und farbenfroh bebilderte und von der flotten Marschmusik Elmer Bernsteins getragene Film, nicht eine Sekunde durchzuhängen - eine phantastische Regieleiustung von Sturges und ein Musterexempel für die Schaffung einer dichten, von konstanter Spannung getragenen Atmosphäre. Und wenn Steve McQueen dann am Ende einmal mehr lausbübisch grinsend in seine Einzelzelle im Bunker zurückkehrt, den Baseballhandschuh in der Hand, und kurz darauf das vertraute "plick-plack" zu vernehmen ist, während der traurig dreinblickende Gefreite vor der Kerkertür die Hacken klatscht, dann kann man gewiss sein, eines der hoffnungsvollsten Happy-Ends des Kriegsfilms mitnehmen zu dürfen. Perfekt.

10/10

John Sturges POW Nationalsozialismus Widerstand WWII


Foto

ILSA: SHE WOLF OF THE SS (Don Edmonds/USA, BRD 1974)


"Highly interesting experiments. The Führer needs innovation like that."

Ilsa: She Wolf Of The SS ~ USA/BRD 1974
Directed By: Don Edmonds


SS-Offizierin Ilsa (Dyanne Thorne) kommandiert während der späten Tage des Zweiten Weltkriegs ein der medizinischen Forschung dienendes Gefangenenlager. Während Ilsa sich allenthalben standfeste Männer aus ihrem Kerker holt, die sie sexuell zu befriedigen haben, führt sie grauenhafte Belastbarkeitsexperimente mit Krankheitskeimen und Schmerztoleranz durch, die beweisen sollen, dass die Leidensfähigkeit von Frauen höher ist als die von Männern. Die in einer wilden Orgie endende Lagerinspizierung eines Generals (Wolfgang Roehm) nimmt ein wackerer amerikanischer Insasse (Gregory Knoph) schließlich zum Anlass für eine Gefangenenrevolte.

Sie kommt viel herum in der Welt, besitzt einen formidablen Busen und keinen Nachnamen: Ilsa, der Inbegriff weiblichen Sadismus' und ungezügelter Abartigkeiten. Obgleich sie sich hüten würde, einmal nicht wie aus dem Ei gepellt anzutreten, ist ihr Inneres geprägt von den denkbar schmutzigsten Phantasien, die sie in drei (wenn man Francos "Wicked Warden" hinzuzählt, sogar vier) Inkarnationen an globalen Schauplätzen, die Menschenteufel wie ihrer bedürfen, antreten ließ.
Einen gewissen Legendenstatus kann man dem Initialschuss "Ilsa: She Wolf Of The SS" wohl nicht absprechen. Ich hörte zum ersten Mal in den frühen Neunzigern mit vierzehn, fünfzehn Jahren davon, als der Nachbar eines Freundes, übrigens ein ansonsten übler Patron, damit prahlte, er besäße diesen Film auf Video und würde ihn nie freiwillig ausleihen, das gute Stück wäre nämlich verboten und er habe nun Angst vor Entdeckung. Als ich dann alt genug war und sich eigene Quellen auftaten, wurde nebst vielem anderen auch eine holländische Cassette des ersten "Ilsa"-Films aufgetan und alle Mythen schienen sich zu bewahrheiten: Das war widerlichster, zudem politisch fragwürdiger Pervesenfang! Im Laufe der Jahre entdeckte ich dann bei den Folgesichtungen das komödiantische Potenzial der Mär und fand den Film zunehmend komisch - erfrischend, wie sture Protesthaltungen sich mit der Zeit relativieren. Das einzig Prekäre an "She Wolf" ist natürlich seine zeitliche und lokale Ansiedlung, ansonsten ist er ein Exploiter, wie er im Buche steht, bemüht um blood'n tits, was er jeweils in Hülle und Fülle einreicht und versehen mit ein paar ziemlich kranken Einfällen, die gemessen an der Realität aber wohl ohnehin verblassen, zumal angesichts ihrer teils putzigen Visualisierung. In seiner Kompromisslosigkeit ist "She Wolf" nach wie vor beeindruckend und ringt seinen Erstbetrachtern immer noch einen unübersehbaren Widerwillen ab (ich beobachte das mit schöner Regelmäßigkeit); doch möchte ich ihm gar nicht absprechen zu sein, was er eben geworden ist: Ein ruchloser Klassiker.

6/10

WWII Ilsa-Reihe Independent torture porn Don Edmonds Transgression Exploitation Skandalfilm Naziploitation POW


Foto

MAX MANUS (Joachim Rønning, Espen Sandberg/NO, DK, D 2008)


Zitat entfällt.

Max Manus ~ NO/DK/D 2008
Directed By: Joachim Rønning/Espen Sandberg


Norwegen, 1940: Nachdem der Soldat Max Manus (Aksel Hennie) im finnischen Winterkrieg gegen Stalins Truppen gekämpft hat, stellt er, zurück in der Heimat, mit Entsetzen fest, dass die Deutschen dabei sind, das Land zu anektieren. Manbus entwickelt sich rasch zu einem glühenden Widerständler, der nach der Herausgabe eines Untergrundblatts und einer Ausbildung zum Guerillakämpfer in Schottland auch beginnt, aktiv gegen die Besatzer vorzugehen; mittels der Produktion und Verteilung von Waffen und schweren Sabotageakten gegen deutsche Kriegsschiffe. Es gelingt den Widersachern nie, Manus zu fassen, dafür müssen fast alle seine Freunde das Zeitliche segnen, was Manus in die Verzweiflung treibt.

Widerstandsgeschichten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs halte ich für grundsätzlich sehenswert, nicht nur ihrer zeitlichen Einbindung und politischen Substanz wegen, sondern auch, weil sie im Regelfall den Vorteil mitbringen, spannendes Entertainment zu liefern. Der skandinavische Widerstand wurde erst vor kurzem für das Kino entdeckt und brachte neben dem hervorragenden "Flammen & Citronen", der sich mit zwei dänischen Rebellen befasste, auch "Max Manus" hervor, den man für seine DVD-Veröffentlichung um den grellen und etwas beliebigen Übertitel "Man Of War" ergänzt hat. "Max Manus", der wie "Flammen & Citronen" von deutschen Investoren kofinanziert wurde, müht sich nicht nur um Authentizität, sondern zudem um eine formal zeitgenössische Aufbereitung, die seine Geschichte von drögem Geschichtsunterricht emanzipieren und für junge Zuschauer sehenswert machen soll - dazu gehören übliche Mittel wie eine hohe Schnittfrequenz und der hauptsächliche Einsatz von Handicams in Verbindung mit bonbonfarbenen Bildern. Dass der stressgeplagte Alltag Manus', der in ständiger Angst vor Entdeckung stand und dem teils übermächtig scheinende Fügungen das eine ums andere Mal das Leben retteten, genau diese Formalia impliziert, ist wohl das Glück der Tüchtigen.

8/10

Norwegen Nationalsozialismus Espen Sandberg Joachim Roenning WWII Widerstand


Foto

OVERLORD (Stuart Cooper/UK 1975)


"He's dead. Fuck."

Overlord (Kennwort: Overlord) ~ UK 1975
Directed By: Stuart Cooper


England, 1944: Kurz vor der Invasion in der Normandie und dem anschließenden Vorstoß ins Landesinnere, die die Alliierten als "Operation Overlord" bezeichnen, wird der junge Tom Beddows (Brian Stirner) eingezogen. Bei der Armee erlebt er eine zermürbende Spezialausbildung, die ihn bis in die Selbstentfremdung treibt. Familie, Liebe, Persönlichkeit - nichts zählt mehr etwas. Am D-Day berühren seine Füße schließlich nicht einmal mehr den Sand der französischen Küste - noch im Landungsboot wird er abgeschossen.

Angelegt als Komposition aus authentischem Bildarchivmaterial und Spielfilmhandlung führt "Overlord" sein Regiment als formal atypischer Kriegsfilm. Die Demonstration der Erlebnisse eines jungen Soldaten, der sukzessive entpersonialisiert und zu einem anonymen Molekül globalen Kriegsgeschehens wird, sind indes nicht neu. "Overlord" folgt in groben Zügen den Vorbildern "All Quiet On The Western Front" und "Johnny Got His Gun", wobei diese sich allerdings noch mit dem Ersten Weltkrieg als großem Todbringer befassen. Besonders eindrucksvoll setzt Cooper in seinem Film derweil die Entwicklung des Krieges von zermürbenden Belagerungssituationen hin zu technisierten Attacken. Wenn bereits bei den unzähligen Manövern, an denen Tom teil hat, die Stacheldrahträumer ungelenk kullernden Monstren gleich über die Strände rollen, dann wird spätestens eindeutig, dass dieser Krieg nurmehr ein auf globaler operierendes, industrielles Werk ist und seine Beteiligte Fließbandarbeiter ohne Gefahrenzulage. Beeindruckend schön die hochgelobte Kameraarbeit von John Alcott, der ja bekannt dafür war, seinen Bildern ein authentisches Antlitz zu verleihen. Für "Overlord" beschaffte er sich unbelichtete Zeiss-Linsen aus den zwanziger Jahren und bewerkstelligte somit bildqualitativ fast nahtlose Übergänge zwischen den archivarischen Bombardierungsszenen und den kammerspielartigen Sequenzen um Tom und seine sukzessive Depersonalisation.

9/10

D-Day WWII Stuart Cooper


Foto

HELL IN THE PACIFIC (John Boorman/USA 1968)


"My log!"

Hell In The Pacific (Die Hölle sind wir) ~ USA 1968
Directed By: John Boorman


In den späteren Tagen des Zweiten Weltkriegs rettet sich ein abgeschossener USAF-Pilot (Lee Marvin) mit Mühe und Not auf ein kleines Pazifikeiland. Dieses wurde jedoch bereits von einem ebenfalls dort gestrandeten japanischen Offizier (Toshiro Mifune) in Beschlag genommen. Anfangs kommt es zu erbitterten Grabenkämpfen und gegenseitigen Erniedrigungen, doch je mehr die beiden situativ bedingten Todfeinde sich von der Zivilisiertheit entfernen, desto mehr vergessen sie ihre Rivalität. Als es ihnen schließlich gelingt, von der Insel zu entkommen und nach harter Kreuzfahrt auf eine größere, bevölkerte Insel zu gelangen, erweist sich ihre vorhergehende Annäherung als befristet.

"Merry Christmas Mr. Lawrence", in dem es ebenfalls (wenn auch um einiges differenzierter aufgearbeitet) um den unfassbaren Widerspruch zwischen der Mentalitätsspanne auf der einen und der Sympathieoption zwischen den Kriegsgegnern Japan und Abendland auf der anderen Seite geht, erinnerte mich an dieses knackige, eine finstere Situationskomik nicht scheuende Zwei-Personen-Kammerspiel von Boorman. Von Toshiro Mifune ist mir leider noch nicht ganz so viel bekannt, aber da ich mir sicher bin, Lee Marvin selten in einer besseren Performance gesehen zu haben, fühle ich mich geneigt, das Spiel des ebenfalls großartigen Mifune ganz in der Nähe einzuordnen. Unabhängig von dem brillanten Spiel der beiden bedaure ich, zusätzlich mit "Point Blank" im Hinterkopf, dass vom Duo Boorman/Marvin nicht mehr kam. Es scheint, als spornten sich beide gegenseitig zu intensivsten Leistungen an. Boorman entdeckt Natur und Grün für sich und erklärt die einsame Insel zum eigentlichen Gegner, angesichts dessen wesentlicher Feindseligkeit der politische Konflikt der beiden Antagonisten lächerlich unbedeutend scheint. Ein brillanter Vorgriff auf die Motivlage von "Deliverance".

9/10

Parabel WWII Pazifikkrieg John Boorman Groteske





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare