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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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RENEGADES (Jack Sholder/USA 1989)


"Don't call me 'Chief'."

Renegades ~ USA 1989
Directed By: Jack Sholder


In Philadelphia treffen der von seinen Kollegen durchweg missmutig beäugte Cop Buster McHenry (Kiefer Sutherland) und der Lakota-Indianer Hank Storm (Lou Diamond Philips) 'by accident' aufeinander. Beide suchen sie den Gangster Marino (Rob Knepper); McHenry, weil Marino ihn bei einem Undercover-Einsatz überrumpelt und fast ermordet hätte und Storm, weil dfer Unhold eine heilige Stammeslanze entwendet und seinen Bruder (Gary Farmer) erschossen hat. Das ungleiche Duo muss sich erst zusammenraufen, kann am Ende aber erwartungsgemäß reüssieren.

Typisches buddy movie aus den für buddy movies goldenen Tagen der Achtziger; hier einmal in der vergleichsweise jungen Konstellation weißer Bulle-Indsman, nachdem man Polizisten bereits in schwarz-weiß gepaart hatte, in gelb-weiß, kriminell-nichtkriminell, als Mensch-Hund, Mensch-Zombie, Mann-Frau, alt-jung etc. "Renegades" brachte da zugegebenermaßen nichts umwerfend Neues und begnügt sich selbstbewusst damit, solide Genreware abzuliefern samt einer ausufernen Verfolgungsjagd und mehreren zünftigen Schießereien. Die Sympathisanten der beiden Protagonisten dienen dabei nur als Kanonenfutter und vertiefte Anlässe für sich auftürmende Rachegelüste, die dann am Ende mit etwas simpler, aber visuell schön ausformulierter Symbolik auch befriedigt werden sollen. Jack Sholder war damals noch jemand, mit dem man rechnen musste, bevor er irgendwann anfing, laue TV-Ware am Fließband herzustellen und ihm der Geist des Kinos irgendwie abhanden kam, einer gestohlenen, heiligen Indianerlanze gleich.

6/10

Philadelphia Buddy Movie car chase Jack Sholder


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FIVE EASY PIECES (Bob Rafelson/USA 1970)


"Give up! Give up!"

Five Easy Pieces (Ein Mann sucht sich selbst) ~ USA 1970
Directed By: Bob Rafelson


Der aus einer Musikerfamilie stammende Robert Duprea (Jack Nicholson) lehnt grundweg ab, was seine bourgeoise Herkunft für ihn repräsentiert: Standesdünkel, Arroganz und Pflichtbewusstsein den häuslichen Gewohnheiten gegenüber. Viel lieber möchte er eigene Erfahrungen fürs Leben sammeln, betätigt sich als Arbeiter auf einem Ölfeld und verkehrt mit Menschen, die seine Familie auf der Straße keines Blickes würdigte. Als Bob erfährt, dass sein Vater (William Challee) bereits den zweiten Schlaganfall erlitten hat, reist er mit seiner etwas unterbelichteten Freundin Rayette (Karen Black) nach Oregon, um sich im elterlichen Hause zumindest einmal blicken zu lassen. Als er dort die Freundin (Susan Anspach) seines älteren Bruders (Ralph Waite) kennenlernt, wittert er die Chance auf einen Richtungswechsel, doch diese bleibt unerfüllt.

"Five Easy Pieces" bedeutete für Jack Nicholson einen richtungsweisenden Karriereschritt. Nachdem er in diversen Corman-Produktionen und Bikerfilmen aufgetreten war, zweimal mit Monte Hellman gedreht und durch seinen Part als George Hanson in Hoppers "Easy Rider" bereits entscheidend die neue Windrichtung im amerikanischen Film miteingeleitet hatte, gab er hier erstmals einen Part für ihn, der weder ein besonders exaltiertes Auftreten, noch einen sonstwie von der Mitte abweichenden Gestus erforderlich machte. Auch wenn er dies nur allzu gern verhehlt: George Duprea (sein zweiter Vorname 'Eroica' markiert wie bei seinen Geschwistern Carl Fidelio und Partita (Lois Smith) die bedingungslose Hingabe der Eltern bzw. des Vaters an die Musik im Allgemeinen und Beethoven im Speziellen) kommt aus bildungsbürgerlich-steifem Hause, was seinerseits eine stille Rebellion unabdingbar macht. Da sich diese jedoch bis auf wenige Ausbrüche auf das Inwendige beschränkt, musste Nicholson, der hiermit quasi 'entdeckt' wurde, seinen inner struggle glaubhaft nach außen transportieren, was er auf das Bravouröseste bewerkstelligt. Wie es sich für New Hollywood gehört, gibt es eine ganze Latte seltsamen, dabei aus dem Leben gegriffenen Personals; besonders die zwei neurotischen Lesbierinnen (Helena Kallianiotes, Toni Basil), die Bob und Ray ein Stück ihres Weges begleiten, dürften denkwürdig sein. Und: "Five Easy Pieces" demonstriert weiterhin eindringlichst, was 'auteurism' meint und bedeutet, auch wenn das Script nicht vom Regisseur stammt.

9/10

Bob Rafelson New Hollywood Road Movie


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DIE BLECHTROMMEL (Volker Schlöndorff/BRD, F, PL, YU 1979)


"Es war einmal ein Land, in dem glaubten die Menschen an den Weihnachtsmann. Doch dieser Weihnachtsmann war in Wirklichkeit... der Gasmann!"

Die Blechtrommel ~ BRD/F/PL/YU 1979
Directed By: Volker Schlöndorff


Wie der kleine Halbkaschube Oskar Matzerath (David Bennent) 1924 das Licht der Danziger Welt in Gestalt einer 60-Watt-Glühbirne erblickt, mit drei Jahren die erste von einer Legion roteiß lackierter Blechtrommeln erhält, sich aufgrund der verlogenen Welt der Großen weigert, weiterzuwachsen, seine spezifische Gabe des Glaszersingens entdeckt, wie er später die Tode seiner Mutter (Agnes Winkler), seines Onkels (Daniel Olbrychski) und später seines nominellen Vaters (Mario Adorf) provoziert, dem Aufmarsch der Nazis entgegentrommelt, mit einer aus Zwergen und Liliputanern bestehenden Fronttheatertruppe der Euthanasie entgeht und später, nach dem Sieg der Alliierten, ins Rheinland vertrieben wird.

"Die Blechtrommel" ist vermutlich eines der hervorstechendsten Beispiele dafür, wie Weltliteratur in Film zu transferieren ist, ohne den Geist der Vorlage zu verkaufen. Für mich, der ich das Glück hatte, Schlöndorffs opus magnum nie als Schulprogramm aufoktroyiert bekommen zu haben, sondern ihn im mittleren Jugendalter selbst entdecken zu können, außerdem einer der mit großem Abschlag besten deutschen Filme. Es ist ja Grass zu verdanken, dass er - übrigens in angemessen knappem zeitlichen Abstand - die Schrecken der Nazidiktatur in eine grimmige Humoreske eingeschlagen und sie durch die Augen eines seltsamen, in gewisser Weise fast unirdischen Kindes sehen und kommentieren zu lassen. Oskar Matzerath, Größenwahnsinniger und zynischer Observierer von diabolischer Vitalität. Da geht es nicht nur um blindes Mitläufertum, auch um Vaterschaftslügen - und in fortgesetzter Generation. Seine drei Eltern werden allesamt bestraft: Zwei für ihren Betrug am Ehevertrag, der letzte dafür, dass er ein Führerporträt dort platzierte, wo zuvor ein Stieler-Gemäldedruck von Beethoven hing.
Auch wenn er sonst nach eigener Aussage mit "Director's Cuts" nichts am Hut hat, fügte Schlöndorff in diesem einen Fall nach sorgfältigem Abwägen verloren scheinende Szenen wieder ein. Dem Film tut es gut; endlich sieht man die Himmelfahrt der abgeschossenen Nonnen von Lisieux am Normandiestrand oder die fehlenden Momente mit dem jüdischen Aufkäufer Fajngold (Wojciech Pszoniak). Auch Matzeraths späte Kleinstrebellion gegen die Partei, die "dat Oskarchen" in eines ihrer speziellen Krankenhäuser verfachten will, kann nunmehr bewundert werden.

10/10

Parabel Director's Cut Zwerg Biopic WWII Volker Schloendorff Nationalsozialismus Skandalfilm Guenter Grass Groteske


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EASY RIDER (Dennis Hopper/USA 1969)


"You know Billy, we blew it."

Easy Rider ~ USA 1967
Directed By: Dennis Hopper


Nachdem Billy (Dennis Hopper) und Wyatt (Peter Fonda) einen gewinnträchtigen Koksdeal über die Bühne gebracht haben, machen sie sich mit ihren Choppern von L.A. nach Florida auf, wo sie die Kohle verprassen wollen. Unterwegs rasten sie in einer Hippiekommune, landen in einem Nest im Mittelwesten wegen unerlaubter Teilnahme an einer Parade im Knast, lernen dort den Anwalt George Hanson (Jack Nicholson) kennen und nehmen ihn mit zum Mardi Gras nach New Orleans. Bevor sie jedoch dort ankommen können, wird George nächtens von einer Gruppe reaktionärer Rednecks totgeschlagen. Tief geschockt nehmen sich Billy und Wyatt zwei Huren (Karen Black, Toni Basil) aus einem von George empfohlenen Bordell und gehen mit ihnen zusammen auf einem Friedhof auf einen transzendenten Acidtrip. Auf der Weiterreise werden auch sie grundlos von Hillbillys ermordet.

Als 'easy ride' bezeichnet man im Süden der USA eine Freinummer im Puff; der Scriptautor Peter Fonda meinte zur Titelklärung im Rolling Stone, dass die Freiheit selbst längst zu einer Hure verkommen wäre und alle nurmehr scharf seien auf einen flotten 'easy ride' mit ihr.
"Easy Rider" ist nicht nur ein absolut großartiger Film, er markiert auch kinohistorisch betrachtet einen unverzichtbaren Meilenstein. Nach seiner Betrachtung, die mich stets gleichermaßen euphorisiert und niedergeschlagen zurücklässt, frage ich mich jedesmal, wie um Himmels Willen ein solches Werk - verschroben, drogenverherrlichend und die gesamte Landeskultur leidenschaftlich denunzierend - von einem alteingesessenen Hollywood-Studio produziert und verliehen werden konnte. Vorher waren derartige Filme bestenfalls Sache kleiner Schmutzfinken wie Corman oder Jim Nicholson und Sam Arkoff von AIP gewesen und wurden hübsch publikumswirksam eingerahmt, mitsamt erhobenem Zeigefinger, obligatorischem Outlawgestus und Drogenwarnungen, so dass die "reckless youth" möglichst nicht selbst auf dumme Gedanken kam nach dem Besuch im Drive-In-Kino.
Hier jedoch war er, der Film, der endgültig alles umgestoßen hat, der Film, in dem die Bill of Rights zur Zielscheibe einer abgesägten Schrotflinte verkommt. Am Anfang kauft ausgerechnet Phil Spector den Jungs ihr mexikanisches Dope ab und anschließend geht's weiter mit Steppenwolf. Die Tore zur Wüste stehen offen. Dann: Erste Einblicke in beschränkte Freiheiten; Stadtflucht im großen Stil, weil "alle Städte gleich sind". Immer grausiger wird die Reise ins modrige Herz Amerikas. Rassistische, beschränkte Cops und inzestuös verblödete Einwohner als verblassende Relikte des alten Südstaatenadels, die der mittlerweile und nur kurzfristig zum Trio erwachsenen Gruppe blanken Hass und pure Aggression entgenschleudert. Schließlich der LSD-Trip als ultimative Brücke zur Wahrheitsfindung: "We blew it" - just before finally they themselves are blown.
Don't bogart that film, my friend - pass it over to me.

10/10

Bordell LSD New Orleans Südstaaten New Hollywood Marihuana Drogen Road Movie Dennis Hopper


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THE DOMINO PRINCIPLE (Stanley Kramer/USA, UK 1977)


"How long has this been going on?"

The Domino Principle (Das Domino Komplott) ~ USA/UK 1977
Directed By: Stanley Kramer


Der in San Quentin einsitzende Scharfschütze und Vietnam-Veteran Tucker (Gene Hackman) erhält von dem geheimnisvollen Regierungsbeamten Tagge (Richard Widmark) ein verführerisches Angebot: Gegen seine Freilassung soll er einen Auftrag für irgendeine supergeheime Behörde übernehmen. Tucker geht, besonders der Aussicht wegen, endlich seine Frau (Candice Bergen) wiederzutreffen, darauf ein. Bald jedoch stellt er fest, dass er zum Spielball innerhalb einer brisanten Verschwörung geworden ist, deren Hintermänner nicht nur äußerst skrupellos agieren, sondern Tucker als Zahnrädchen bereits vor vielen Jahren eingeplant haben.

Die Idee von The Domino Principle", die kafkaeske Ausgangssituation eines blind umhertaumelnden Helden und geheimer Verschwörungsaktionen, die die Geschicke der Welt aus dem Schatten heraus leiten, ist bestimmt keine schlechte. Allein ihre Realisation - wohlgemerkt ist dies die letzte Regiearbeit des großen Stanley Kramer - hapert. Dabei sieht auf den ersten Blick alles so vielversprechend aus: Eine formidable Besetzung, illustre Schauplätze und die traditionelle Verankerung bei den großen Paranoia-Thrillern dieser Dekade, zu denen Gene Hackman selbst als Abhörspezialist in Coppolas "The Conversation" ja einen der besten Beiträge lieferte. Doch "TheDomino Principle" fehlt es an Elementarem: Weder vermag die Dramaturgie, Spannung zu evozieren, noch löst der Film seine Prämisse als Actioner ein. Im Gegenteil zieht sich alles bald ereignislos dahin, bleibt vorhersehbar und erschöpft sich in wenigen Momenten der Vorhersehbarkeit. Kramer ist, wie viele seiner Kollegen, die um diese Zeit ihre letzten Filme ins Kino gebracht haben, schlag nach bei Sturges, Zinneman, Hawks, Wilder, Aldrich, Siegel etc., bisslos und ausgelaugt geworden und scheint beinahe bereitwillig Platz machen zu wollen für die Nachfolgegeneration. Schade. So ist "The Domino Principle" auch kein wirklich schlechter Film, sondern schlicht ein müder.

6/10

Paranoia Stanley Kramer Gefaengnis Verschwoerung Mexiko


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TATORT - SPIELVERDERBER (Peter Ariel/BRD 1987)


"Scheiße."

Tatort - Spielverderber ~ BRD 1987
Directed By: Peter Ariel


Hinter dem Mord an einer Prostituierten im Rotlichtmilieur verbirgt sich viel mehr als Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) zunächst ahnen: Es geht um Erpressung und eine international operierende Organisation von Waffenschiebern. Und welche Rolle spielt dabei der eigentlich doch ganz sympathisch anmutende BKA-Mann Tumler (Wolfgang Wahl)?

Kein Höhepunkt der Reihe, sondern nicht mehr oder weniger als ein solide aufgebauter Fernsehkrimi mit seinen zwei, drei Momenten. Gegen Ende des Jahrzehnts, nachdem die beiden Kino-Schimanskis gelaufen waren, erhöhten sich merklich die Budgets und Actionanteile der Filme. Hier etwa gibt es gleich mehrere, zünftige Prügeleien, aus denen Schimanski zumeist als Sieger hervorgeht, die allerdings kaum besser aussehen als eine Stuntshow im Bottroper Movie-Park. Und dann ist da noch Schimmis nerviges tête-à-tête mit der Barfrau und Sängerin Jenny (Jenny Evans), das den Zug des Ganzen merklich ausbremst. Die besten Momente gehören Wolfgang Wahl, dem großen Lichtblick dieses Serienbeitrags.

6/10

Ruhrpott Peter Ariel Schimanski TV-Film Tatort


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TATORT - ZWEIERLEI BLUT (Hajo Gies/BRD 1984)


"Macht doch das Licht aus, ihr Säue!"

Tatort - Zweierlei Blut ~ BRD 1984
Directed By: Hajo Gies


Schimanski (Götz George) ist zum Mäusemelken zumute: Sein Kollege Thanner (Eberhard Feik) haust nach einem Ehestreit mitsamt Schildkröte Eckhard bei ihm in der Wohnung und bringt den gesamten Alltag aus der Fasson. Derweil kommt beim Spiel MSV-RWE ein Italiener ums Leben. Der Platzwart Ludwig (Gerhard Olschwewski) will gesehen haben, dass eine Gruppe jugendlicher Rocker (u.a. Dietmar Bär) in ein Gerangel mit dem Toten verwickelt worden seien. Schimanski spielt den V-Mann und nähert sich den Kids an, wird jedoch rasch enttarnt...

Zu einer zünftigen Revier-Anthologie, wie sie die Tatort-Schimanskis ja im Prinzip darstellen, gehört natürlich auch ein Einblick ins Fußballfanmilieu. "Zebrastreifen, weiß und blau - ein jeder weiß..." etc. Der wahre Schlager sind dabei die porträtierten Jugendlichen, die das definitive Abziehbild des bourgeoisen Delinquentenbildes anno 1984 inkarnieren dürften. So richtig konnte man sich bei der subkulturellen Zugehörigkeit der Jungs (von denen einige fraglos über 25 sind) wohl nicht einig werden, außer darin, dass sie allesamt arbeitslose Trinker und Pöbler sind. Sollen das nun Punks sein, Neonazis oder doch bloß die guten alten Racker, äh Rocker? Auch egal. Schimmi, damals gerade stramme 46, wird von dem der Clique vorstehenden Dietmar Bär unentwegt als "Opa" bezeichnet. Hat er das wirklich verdient? Zum Kriminalfall ist zu sagen: Da hat man bereits Besseres und vor allem Spannenderes erlebt. Aber "Zweierlei Blut" ist ja auch aus ganz anderen Gründen zum Mini-Evergreen gereift. Musik: Spliff.

7/10

Fußball Hajo Gies Hooligan Ruhrpott Schimanski Tatort TV-Film Subkultur


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THE VERDICT (Sidney Lumet/USA 1982)


"Welcome back."

The Verdict ~ USA 1982
Directed By: Sidney Lumet


Nachdem der Bostoner Anwalt Frank Galvin (Paul Newman) die Korrumpiertheit seiner Kompagnons zur Kenntnis nehmen musste, verfällt er dem Alkohol und lebt fortan in der Vergangenheit. Mit lauen Schadensersatzklagen hält er sich eher schlecht als recht über Wasser. Ein letzter Strohhalm bietet sich ihm, als sein Freund und Mentor Mickey Morrissey (Jack Warden) ihm ein neues Mandat zuschustert. Frank soll die Interessen des jungen Ehepaars Doneghy vertreten. Die Schwester der Frau (Roxanne Hart) liegt aufgrund eines Anästhesiefehlers bei ihrer Entbindung im Dauerkoma, das Kind ist tot. Die behandelnden, überaus renommierten Ärzte (u.a. Wesley Addy) arbeiten für ein Krankenhaus der Erzdiözese, die Frank ein Vergleichsangebot macht. Dieser jedoch lehnt ohne Zustimmung seiner Mandanten ab und führt den Fall vor Gericht.

Brillantes Dialogkino, wie es besser kaum sein kann und eines der Juwelen in der lumet'schen Schaffenskrone. Seine wahre Substanz verdankt der Film allerdings David Mamets mustergültigem Script, das zunächst ohne das titelgebende Urteil auskommen musste und mit Frank Galvins leidenschaftlichem Schlussplädoyer schloss. Erst auf das verständnislose Einlenken der Produzenten Zanuck und Brown schob Mamet das verhältnismäßig konventionelle Finale hinterher. Für Paul Newman bedeutete der Part des verlorenen Anwalts einen der dankbarsten seiner gesamten Laufbahn. Das von ihm vorgestellte Porträt eines Alkoholikers ist von selten gesehener Wahrhaftigkeit. Stets bewaffnet mit Atemspray und Augentropfen und bemüht darum, ein längst nicht mehr existentes Bild aufrecht zu erhalten, taumelt Galvin zwischen Tresen, Flipperspiel und Anwaltstisch umher. Wie die Geschichte sich dabei, ohne den Fehler, verlogene Konsequenzenzieherei zu verkaufen, ganz dicht an ihm entlang entwickelt und uns Zeugen dabei werden lässt, wie Galvins altes Feuer vielleicht zum letzten Mal entfacht, das hat Weltformat. Ein in ausnahmslos jeder Hinsicht exorbitantes Werk.

10/10

David Mamet Sidney Lumet Courtroom Alkohol


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SRPSKI FILM (Srdjan Spasojevic/CS 2010)


Zitat entfällt.

Srpski Film (A Serbian Film) ~ CS 2010
Directed By: Srdjan Spasojevic


Um seine Familie finanziell absichern zu können, geht der für seine Standhaftigkeit berühmte Ex-Pornodarsteller Miloš (Srdjan Todorovic) auf das so verlockende wie seltsame Angebot des offenbar wohlhabenden Vukmir (Sergej Trifunovic) ein: Einen pornographischen Film auf höchster Kunstebene will dieser schaffen; einen, der nichts weniger abbilden soll als das Leben selbst. Ein Exposé oder gar Script existiert nicht, der etwas misstrauische Miloš nimmt angesichts der ihm in Aussicht gestellten, astronomischen Gage jedoch trotzdem an. Schon nach den ersten paar Drehtagen entdeckt Miloš, dass er einem gefährlichen Psychopathen aufgesessen ist und will kündigen - doch der Teufel besteht nunmal auf die gänzliche Erfüllung mit ihm abgeschlossener Verträge...

"Srpski Film" ist eines der leuchtendsten Beispiele für bakterielles - Verzeihung - virales Internet-Marketing der unfreiwilligen Sorte, auf dass ich (ich muss es zähneknirschend zugeben) selbst ziemlich entflammt ansprang und es nun mit dem vorliegenden Bericht fortpflanze. Empört und entsetzt viele Aussagen betreffs des Films - eine Wichsvorlage für Perverse sei er, die am besten aus dem Verkehr gezogen gehörte, so die einen. Andere glauben, ein sensationelles kleines Kunstwerk aus filmisch benachteiligter Region gesehen zu haben. Nicht minder interessant die emotionalen Reaktionen: da ist zu lesen, wie schwarzhumorig der Film doch sei und dass die Effekte ja jederzeit als solche erkennbar wären; überhaupt rege das Ganze mehr zum Lachen an als dass es schockieren könne. Dann wird moniert, dass die innerpolitischen Implikationen ein Witz seien und dem Renommee der Region alles andere als zuträglich, nachdem unflätiger Stoff wie die beiden "Hostel"-Filme die slawischen Teile Europas bereits aufs Heftigste diskreditiert hätten. Wie meistens bewegt sich die Wahrheit irgendwo dazwischen, zumindest was mich und meine Eindruckswelten anbelangt. Zunächst einmal erreicht der Darstellungsradius tatsächlich Sphären, in die der kommerzielle Spielfilm bislang selten vorgestoßen sein dürfte, so er sie überhaupt jemals angekratzt hat. Natürlich sind die betreffenden Szenen des im Ganzen nicht nur außerordentlich professionell und stilsicher gefertigten, sondern zudem ästhetisch erlesenen Films bewusst provokant und zweckmäßig angelegt und ganz eindeutig Teil einer mit dem Entsetzen Business treibenden, spekulativen Art des Filmemachens. Es obliegt wie immer jedoch dem Verantwortungs- und Aufgabenbereich des mündigen Rezipienten, ob und in welcher Form er sich davon blenden, instrumentalisieren oder affizieren lässt. Die meisten "abgehärtet" erscheinenden respektive der Inszenierung abseitige Komik unterstellenden Reaktionen wirken auf mich jedenfalls eher wie rührende Selbstschutzgestaden denn wie authentische Gleichgültigkeitsbekundungen. Es verhält sich wohl so: wer mit dem Genre vertraut ist und bisher dessen Auswürfe ertragen konnte, ohne den Blick abzuwenden, der wird jedenfalls auch mit "Srpski Film" fertig werden, irgendwie. Immerhin transportiert das Werk einen gewichtigen Teil des Wesens radikaler Kunst: Es taugt vortrefflich (und natürlich vorsätzlich) dazu, Diskussionen zu entfachen. Im Bereich des transgressiven Kinos ist Spasojevics Film aus vielerlei Gründen eine Entdeckung und der vielversprechende Regisseur jemand, den man gewiss im Auge behalten sollte. In jedem Falle lohnt es sich, eigene Impressionen walten zu lassen.

7/10

Skandalfilm Splatter Srdjan Spasojevic Parabel Serbien Film im Film torture porn Transgression Snuff


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EQUUS (Sidney Lumet/UK, USA 1977)


"Passion, you see, can be destroyed by a doctor. It cannot be created."

Equus ~ UK/USA 1977
Directed By: Sidney Lumet


Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Dysart (Richard Burton) bekommt einen neuen Patienten, Alan Strang (Peter Firth). Alan hatte, sämtlicher Kleidung entledigt, nächtens sechs Pferde mit einer Sichel geblendet, bevor er von dem Gestütsleiter Dalton (Harry Andrews) aufgegriffen und der Polizei übergeben werden konnte. Dysart, der über die Therapie Alans selbst in eine tiefe Sinnkrise fällt, entwirrt nach und nach ein Gestrüpp aus Bigotterie, elterlichem Versagen und sexueller Unterdrückung bei dem Jungen.

Basierend auf einem Bühnenstück und Script von Peter Shaffer fertigte Lumet diesen unkomfortablen Film um die Tücken der Psychoanalyse, der trotz formidabler darstellerischer Qualitäten und teils brillanter Dialoge zu keinem Zeitpunkt wirklich zu packen weiß. Die Gründe dafür sind jedoch weniger in äußeren Faktoren zu suchen; die Mittlebenskrise von Dr. Dysart wirkt einfach allzu aufgesetzt und lebensfern - ein Manko, das bereits Shaffers Vorlage innehat. Das Resümee des Stücks ist ein seltsames: Mit der Heilung des sexuell gestörten Alan glaubt Dysart, zugleich das innere Feuer des Jungen ausgelöscht zu haben. Aus dem dionysischen, leidenschaftlichen Wirrkopf wird in Kürze ein typisch-englischer Spießer werden, der einst eine genauso lustentleerte Existenz führen wird wie Dysart selbst all die Jahre.
Ein sehr regressiver und reaktionärer Ansatz zur Begutachtung psychotherapeutischer Methoden, wie ich finde. Es sei denn, man nimmt schwere psychische Defizite als Gottesgeschenk wahr, die es rückhaltlos auszuleben gilt.
An extraordinarily strange approach.

6/10

Sidney Lumet based on play Peter Shaffer England





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