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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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I AM A FUGITIVE FROM A CHAIN GANG (Mervyn LeRoy/USA 1932)


"How do you live?" - "I steal."

I Am A Fugitive From A Chain Gang (Jagd auf James A.) ~ USA 1932
Directed By: Mervyn LeRoy

Nach seiner Rückkehr als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg will James Allen (Paul Muni) etwas mehr vom Leben als seinen alten Fließbandjob in der örtlichen Fabrik. Seine Streifzüge durch die Staaten sind jedoch nicht von Erfolg gekrönt; er wird im Süden sogar in einen Raubüberfall verwickelt und zu zehn Jahren als Kettenhäftling verurteilt. Der inhumane Strafvollzug jedoch macht ihm rasch klar: Die einzigen Alternativen lauten Flucht oder Tod. Nach einem erfolgreichen Ausbruch lässt sich James unter verändertem Namen in Chicago nieder und arbeitet sich mit den Jahren zum Vize-Vhef einer Brückenbau-Firma hoch, bis ihn seine gierige Ehefrau Linda (Noel Evans) an die Behörden verrät. Unter der Garantie, eine kurze Reststrafe abzusitzen, begibt sich der nunmehr respektierte Bürger James Allen erneut ins Gefängnis, nur um sich dann von der Justiz im Stich gelassen zu finden...

"I Am A Fugitive From A Chain Gang" formuliert deftige Sozialkritik in Reinkultur; ein ehrbarer Staatsbürger, ein Kriegsheld gar, wird zur persona non grata, weil er sich schlicht weigert, einen ihm vorgezeichneten Weg zu gehen. Damit nicht genug gerät ebenjener Mann ein zweites Mal in die Mühlen der Justiz wegen seiner konsequenten Weigerung, sich von einem repressiven System brechen zu lassen. Das ist für einen Studiofilm von 1932 recht harter Tobak und gibt bereits eine Linie vor, die mit Filmen wie "Fury", "You Only Live Once", "Grapes Of Wrath" und "The Ox-Bow Incident", die mehr oder weniger offene Kritik an Staat und Gesellschaft übten, fortgesetzt werden sollte, allerdings lediglich in Form einiger rarer Blitzlichter. LeRoys Film besteht darüber hinaus als ein aufrichtiges Plädoyer für Verzeihen und Pardon, für Einsicht und Menschlichkeit. Und Paul Muni in seiner zweiten großen Rolle nach "Scarface" ist exzellent als bis aufs Blut getriezter Veteran, dem angesichts der ihn umgebenden Ungerechtigkeiten die Fassung zu verlieren droht.

9/10

Mervyn LeRoy Chicago Gefängnis Flucht WWI


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THE LAST SUNSET (Robert Aldrich/USA 1961)


"Hanging is a long time proposition."

The Last Sunset (El Perdido) ~ USA 1961
Directed By: Robert Aldrich


Der von Sheriff Dana Stribling (Rock Hudson) wegen Mordes durch halb Mexiko gejagte Gunslinger Brendan O'Malley (Kirk Douglas) sucht Zuflucht auf der Ranch seiner früheren Freundin Belle (Dorothy Malone). Diese ist mittlerweile mit dem versoffenen Bürgerkriegsveteranan Breckenridge (Joseph Cotten) verheiratet und hat eine fünfzehnjährige Tochter namens Melissa (Carol Lynley). Als Stribling O'Malley einholt, kommt man überein, einen Viehtreck der Breckenridges bis über die texanische Grenze zu begleiten und sich dann dem eigentlichen Konflikt im Duell zu widmen. Die Situation spitzt sich mehr und mehr zu, nachdem der alte Breckenridge hinterrücks in einer Bar erschossen wird: Belle und Stribling verlieben sich, derweil Melissa O'Malley anhimmelt, der sich von der Schwärmerei des hübschen Teenagers höchst angeregt fühlt. Dann erfährt O'Malley von Belle, dass Melissa tatsächlich seine Tochter ist. Er kann er die Wahrheit kaum ertragen. Und Stribling gibt nicht nach...

Ein Film, dem soviel Unbill widerfahren ist, dass ich durchaus geneigt bin, ihn zum Inbegriff des "verkannten Meisterwerks" zu deklarieren. Am Schlimmsten ist wahrscheinlich, dass Aldrich selbst ihn nach eigenem Bekunden hasste und, einem höhnischen Kommentar gleich, Rock Hudson zum einzigen Menschen zu "küren", der beim Projekt "The Last Sunset" professionelle Arbeit geleistet habe. Der Scriptautor Dalton Trumbo, der damals noch unter der Feme des McCartyismus zu leiden hatte, habe sich, so Aldrich, wesentlich emsiger für den parallel entstandenen "Exodus" von Otto Preminger engagiert und sein Fürsprecher Kirk Douglas sei dementsprechend katastrophal im Film gewesen. Alles Quatsch, sage ich. Das Buch ist voll von hart am Kitsch entlangschrappender, dabei jedoch niemals einfältiger Poesie, die etwa einen Nicholas Ray in höchsten Tönen hätten frohlocken lassen. Gleichfalls traumhaft die Bebilderung von Ernest Laszlo, der die Ruinen alter spanischer Festungen völlig überkontrastiert und seine sonnendurchfluteten Bilder in ganz eigenartigen Farben leuchten lässt. Inhaltlich bringt das sich gegen Ende herauskristallisierende Inzest-Moment natürlich eine mehr als pikante Note mit sich. Wo Kubrick mit seiner erst ein Jahr später entstandenen Nabokov-Adaption Proteststürme schürte, muss die Liebesgeschichte zwischen Brendan O'Malley und seiner minderjährigen Tochter, die von ihm schließlich so bestürzend wie rührend annulliert wird, dem Publikum wie reinstes Schmierentheater vorgekommen sein. Für mich ist dies einer von Aldrichs schönsten Filmen.

9/10

Dalton Trumbo Inzest Robert Aldrich Mexiko Treck


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THE LAST HUNT (Richard Brooks/USA 1956)


"Killing ist the most natural way to remember you're alive!"

The Last Hunt (Die letzte Jagd) ~ USA 1956
Directed By: Richard Brooks


South Dakota, um 1880: Der einst bei Indianern aufgewachsene Büffeljäger Sandy McKenzie (Stewart Granger) hat sich auf Rinderzucht und Viehtrieb verlagert, lässt sich von dem fanatischen Charlie Gilson (Robert Taylor) jedoch überreden, mit ihm als Partner wieder seiner früheren Profession nachzugehen. Zusammen mit dem jungen Halbblut Jimmy (Russ Tamblyn) und dem alten, einbeinigen Häuter Woodfoot (Lloyd Nolan) machen sich Sandy und Charlie auf in die Berge. Bald bekommen alle den lodernden Hass Charlies zu spüren, der jeden Büffel mit sadistischer Freude abschießt und sich als radikaler Indianerfeind entpuppt. Als Charlie zunächst eine junge Sioux-Frau (Debra Paget) vergewaltigt und dann einen weißen Büffel erschießt, ein für die Indianer heiliges Tier, droht die Situation zu eskalieren. Es dauert jedoch noch einige Zeit, bis Sandy sich endlich ein Herz fasst und sich gegen Charlie stellt.

Die von der inflationären Büffeljagd lebenden Weißen, so die zentrale Aussage von Brooks' schönem Film, tragen eine nicht unwesentliche Mitschuld am Sterben des alten Westens. Für die Sioux und einige andere Stämme im Nordwest-Territorium bildete der Büffel die wichtigste Lebensgrundlage: Nahrung, Werkzeug, Waffen, Kleidung, Behausung - alle diese Dinge verdankten die natives ihrer Hauptbeute. Als die Büffeljagd sich einzig aufgrund der im Osten und in Europa boomenden Fellindustrie als profitables Geschäft erwies, säumten bald Legionen von verrottenden Tierkadavern und -knochen die Prärie, derweil die Indianer bittere Hungersnöte durchzustehen hatten. Diese weniger als unrühmliche historische Facette der rücksichtslosen weißen Landnahme prangert der finstere "The Last Hunt" an und macht ausgerechnet den als strahlenden Helden in schimmernder Rüstung berühmt gewordenen Robert Taylor zum diabolischen, bösen und zugleich höchst bemitleidenswerten Psychotiker. Überhaupt liegt darin wöhl ein gerüttelt Maß Sensibilität; in der Fähigkeit nämlich, hinter Charlie Gilsons vordergründigem Extremismus einen schwachen Charakter zu erkennen. Für Richard Brooks stets sorgfältige Figurenzeichnung ist eine solche Differenzierung allerdings nicht ungewöhnlich. Ferner nimmt "The Last Hunt" eines der eindrucksvollsten Kubrick-Bilder vorweg: Jack Torrance war nämlich keinesfalls der erste Irrsinnige, der sitzend und mit halboffenen Augen im Schnee zu erfieren hatte...

9/10

Bueffel South Dakota Schnee Indianer Jäger


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RED (Robert Schwentke/USA 2010)


"This used to be a Gentleman's game."

Red ~ USA 2010
Directed By: Robert Schwentke


Weil er Unrühmliches über die Vergangenheit des Vize-Präsidenten Stanton (Julian McMahon) weiß, soll der im Ruhestand befindliche CIA-Killer Frank Moses (Bruce Willis) von seiner Ex-Organisation eliminiert werden - womit sich sein persönlicher Status in "red" (retired extremely dangerous) ändert. Dabei ist er gerade dabei, sich in eine Sozialbeamte (Mary-Louise Parker) zu verlieben, die durch die Bekanntschaft zu Moses selbst in Lebensgefahr gerät. Glücklicherweise stehen dem immer noch brettharten Profi bei seinem nun folgenden Kampf gegen den Geheimdienst einige alte Freunde und Feinde (John Malkovich, Morgan Freeman, Helen Mirren, Brian Cox) zur Seite.

"Red" hat mich eigentlich nur deshalb interessiert, weil es sich um eine lose Comic-Adaption handelt. Warren Ellis, der Autor der Vorlage, zählt zu den hellsten Köpfen seiner Branche; somit ist zumindest "auf dem Papier" alles im grünen Bereich. Der Film macht Ellis' Miniserie keine Schande, weicht jedoch, schon aufgrund seiner inhaltlichen Ausdehnung, in einigen Punkten von selbiger ab. Die Schwentkes Film zugrunde liegende Konzeption ist der von Stallones B-Hero-Reanimation "The Expendables" in manchen Punkten nicht unähnlich; hier wie dort kommen einige berühmte Köpfe der Branche, die schon länger vom Schirm der Öffentlichkeit verschwunden schienen, wieder aufs Tapet. In "Red" freut man sich etwa über kurze Auftritte von James Remar, Richard Dreyfuss und ganz besonders Ernest Borgnine, zum Dreh immerhin satte 93 Jahre alt. Abgesehen von diesen kleineren, rein personell gewichteten in-jokes ist "Red" jedoch ein weithin überraschungsarmer Film für die Masse, mit demselben Geschwätz über den unantastbaren Profikiller-Superheld-Hybriden, wie man es schon seit Jahren zu hören bekommt; sauber gemacht, ironisch konnotiert, kurzweilig genossen - viel hängen bleibt aber ganz bestimmt nicht. Okay für 'nen losen Samstagnachmittag halt.

6/10

Verschwoerung Comic Robert Schwentke Profikiller CIA DC Comics


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DIRTY MARY, CRAZY LARRY (John Hough/USA 1974)


"I think I'm finally ready to unload."

Dirty Mary, Crazy Larry (Kesse Mary, irrer Larry) ~ USA 1974
Directed By: John Hough


Nachdem sie mithilfe eines perfiden Planes die Kasse eines Supermarkts geleert haben, fliehen der Ex-Rennfahrer Larry (Peter Fonda), seine Freundin Mary (Susan George) und Larrys frühere Mechaniker Deke (Adam Roarke) gen Süden. Die Polizei, allen voran der fanatische Captain Franklin (Vic Morrow) heftet sich umgehend an ihre Fersen, doch am Ende werden die drei nicht von der Staatsgewalt, die sie fortwährend überlisten können, eingeholt, sondern von der Gerechtigkeit des Schicksals.

Explodierende Träume: Besonders das Ende von Houghs wohl zu den tonangebenden Verfolgungsfilmen der Siebziger zählendem Actionstück sorgte für Furore. Es ist aber auch gemein: Man atmet mit dem einem ans Herz gewachsenen Trio auf, als es nach einer furiosen Verfolgungsjagd durch die Orangenhaine endlich die kalifornische Grenze überquert hat und dann... Aber dies ist weniger ein Film über moralische Diskurse, sondern über Straßen, Autos und Geschwindigkeit. Der wirklich wunderhübsche, hellgrüne Dodge Charger 69, gegen den Larry, Mary und deke ihren zuvor benutzten Chevy "eintauschen", steht sinnbildlich für die Spannungen innerhalb der kleinen Gruppe: Entweder muss das Auto, wenn es Streit gibt, in irgendeiner Form leiden oder eine Blessur am Wagen führt umgekehrt zu einem weiteren Konflikt. Ein Blechvehikel als heimliches Maß für gruppendynamische Prozesse - darauf muss man auch erstmal kommen.
Der offenbar schwer dem Koks zusprechende Fonda ist übrigens nicht mein persönlicher Held. Ich halte es mehr mit dem deutlich cooleren Adam Roarke, dem ich auch eine Liaison mit der offenherzigen Mary (die flotte Susan George ist für mich stets so etwas wie der personifizierte, feminine Inbegriff der sexuellen Revolution im Film) gegönnt hätte. Ansonsten ist dieser Hough um einiges gelungener als sein dröger, unmittelbar zuvor entstandener "Legend Of Hell House".

7/10

John Hough Road Movie car chase Heist Trio Couple on the Loose


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EVERYONE STARES: THE POLICE INSIDE OUT (Stewart Copeland/USA 2006)


"We blew it."

Everyone Stares: The Police Inside Out ~ USA 2006
Directed By: Stewart Copeland


Stewart Copeland, der frühere Drummer von The Police, gewährt einige mehr oder weniger private in die kurze Band-Biographie, die von ihm selbst mit einer Super-8-Kamera dokumentiert wurden. Kunstvoll montierend bzw. kompilierend und den einen oder anderen ironischen Kommentar zum Besten gebend, scheint Copeland diesen Rechnungsausgleich mit der Vergangenheit und auch mit seinem ehemaligen Intimfeind Sting, der in "Everyone Stares" alles in allem wenig gut wegkommt und einen schwer arroganten Eindruck hinterlässt, sehr zu genießen. Bezeichnend ist auch der Verzicht auf aktuelle Interviews, Copeland verwendet ausschließlich seine Archivaufnahmen. Der einzige Hinweis auf die Aktualität des Films sind seine verbalen Off-Interventionen und eben das sehr durchdachte editing. Besonders gelingt ihm dabei eine starke Collagenhaftigkeit, die den bisweilen in die Unübersichtlichkeit abzugleiten drohenden Filmschnipseln ein sinniges Konzept verleihen. Leider reicht das Gezeigte nur bis zu den Aufnahmen des vorletzten Albums "Ghost In The Machine". Von dem finalen Sahnestück "Synchronicity" ist nichts zu hören oder zu sehen; vermutlich, weil die Streitigkeiten innerhalb des Trios da bereits so akut waren, dass Copeland keine Lust mehr auf die Filmerei hatte. Möglicherweise besser so.

8/10

Band Musik Collage Stewart Copeland Biopic


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ASWANG (Rye Martin, Barry Poltermann/USA 1994)


"I have no clue of art."

Aswang ~ USA 1994
Directed By: Rye Martin, Barry Poltermann


Die junge Katrina (Tina Ona Paukstelis) ist ungewollt schwanger und gibt ihr Kind zu einer inoffiziellen, entgeltlichen Adoption frei. Das kommt dem reichen und alleinstehenden Erben Peter Null (Norman Moses) gerade recht, denn er braucht angeblich einen Nachkommen, bevor er das riesige Familiengut übernehmen darf. Um den "Deal" perfekt zu machen, muss sich Katrina als Peters Ehefrau ausgeben und soll das Kind außerdem auf dem Null'schen Grund und Boden zur Welt bringen. Nach ersten seltsamen Erlebnissen bleibt die Wahrheit nicht lange heimlich: Bei den Nulls - Peter, seiner Schwester Claire (Jamie Jacobs Anderson) und der Mutter Olive (Flora Coker) - handelt es sich um eine Familie von Aswangs, Vampiren aus der philippinischen Sagenwelt, die sich vornehmlich von dem Blut ungeborener Kinder ernähren...

Unspektakulärer und glanzloser kleiner Horrorfilm, der es nur selten schafft, eine bedrohliche oder gar unangenehme Atmosphäre zu schüren und seine recht krude Geschichte ansonsten ziemlich spannungslos über die Runden schleppt. Dabei hätte man aus der Story-Prämisse um die philippinischen Blutsauger sicher einiges mehr herausholen können. Das Gemälde in der Familiengalerie der Nulls, mittels dessen der Aswang in die Geschichte eingeführt wird, sieht zum Beispiel sehr vielversprechend aus und so lange die Finsterlinge im Kamera-Off zuschlagen dürfen, ist auch alles soweit okay. Ein paar schleimige F/X-Reliquien - die Aswangs pflegen ihre Beute spinnengleich und zur späteren Restverwertung in Kokons einzuwickeln - tun ihr Übriges. Als die Nulls dann aber, physisch unverändert mit Ausnahme einer meterlangen, phallusgleichen Röhrenzunge, als höchst human wirkende Vampire vorgestellt werden, zieht sich jeder ansätzliche Schrecken ganz weit zurück und es tut sich praktisch nichts mehr. Da war ich dann auch für die kurze Laufzeit des Films dankbar, denn so bleibt er mir immerhin als noch gerade eben anschaubar im Gedächtnis und nicht als enervierende Publikumsmarter.

4/10

Rye Martin Vampire Familie Baby Splatter Barry Poltermann Philippinen


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WESTWARD THE WOMEN (William A. Wellman/USA 1951)


"Take 'em to my valley."

Westward The Women (Karawane der Frauen) ~ USA 1951
Directed By: William A. Wellman


Der Großfarmer Whitman (John McIntire) hat in Kalifornien ein kleines Ranchparadies geschaffen, dem es nurmehr an einem fehlt: Frauen. Whitmans Traum sieht vor, in "seinem" Tal einen Zivilisationsposten zu errichten, dem von vielen folgenden Generationen weitererhalten wird. Dafür muss er seine Angestellten und Arbeiter jedoch mit dem für eine solche Planung Unverzichtbarem ausstatten. Also reisen er und der Treckführer Buck Wyatt (Robert Taylor) nach Chicago, wo sie eine große Gruppe alleinstehender Damen anwerben, um nach Kalifornien zu heiraten. Obgleich Wyatt das Projekt für Wahnsinn hält, führt er den Frauentreck von St. Louis aus mit der gebotenen Stringenz gen Westen; männlicher Unvernunft, Indianerangriffen, dem feindseligen Wetter und der noch feindseligeren Natur trotzend.

"Westward The Women" war stets einer meiner vordersten Lieblingswestern. Da par tout keine deutsche DVD erscheinen will, habe ich mir jetzt endlich einen französischen Import besorgt, um den Film nach langen Jahren des Darbens überhaupt mal wieder sehen zu können. Die karge Poesie von Wellmans schwarzweißem und doch so reichhaltigem Film, die sich mit einer nicht minder schmucken Spannung koppelt, macht es einem aber auch äußerst schwer, sich ihrer Faszination zu entziehen. Trekwestern gibt es nicht unbedingt viele ausgesprochen hervorragende; neben dem vorliegenden würde ich persönlich noch "The Big Trail", "Bend Of The River", "Wagon Master" und, des abweichenden Themas wegen, ansatzweise vielleicht noch "Red River" in die Phalanx mitaufnehmen; die später entstandenen "The Way West", "The Hallelujah Trail" und "Paint Your Wagon" sind nett, aber nicht wesentlich mehr. Was "Westward The Women" jedoch deutlich von allen Genannten abhebt, ist sein unmissverständliche, feministische Aussage. Ohne die titelgebenden Frauen gleich zu Amazonen und Walküren zu verklären, gesteht der Film ihnen einen unmissverständlichen Heldinnenstatus zu - ein Phänomen, dass im klassischen Hollywood-Western in dieser Form eine fast singuläre Erscheinung darstellt. Für mich trotz härtester Konkurrenz nicht nur Wellmans schönster Film, sondern wie erwähnt auch ein primäres Genrewerk.

10/10

Wueste Siedler William A. Wellman Berge Treck Feminismus


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THE SAVAGE INNOCENTS (Nicholas Ray/UK, I, F 1960)


"This man is hungry."

The Savage Innocents (Im Land der langen Schatten) ~ UK/I/F 1960
Directed By: Nicholas Ray


Der erste Kontakt mit der sogenannten Zivilisation endet für den Eskimo Inuk (Anthony Quinn) in einer Katastrophe: Er erschlägt im Affekt einen Geistlichen (Marco Guglielmi), der die in den Augen der Inuit unverzeihliche Unverschämtheit besitzt, Inuks Angebot, mit seiner Frau (Yoko Tani) zu schlafen, abzulehnen. Was für das an das raue Naturleben gewöhnte Paar einen unglücklichen Zwischenfall darstellt, ist im Auge des weißen Gesetzes ein Kapitalverbrechen. Zwei Polizisten (Peter O'Toole, Carlo Giustini) jagen Inuk durch die Wildnis und verhaften ihn schließlich. Erst ein zäher Begreifensprozess führt dazu, dass Inuk nicht der Gerichtsbarkeit übergeben wird.

"Nicholas Ray ist das Kino" verkündete Godard einst und angesichts so herzzereißender Filme wie "Johnny Guitar" und auch "The Savage Innocents" ist man sehr geneigt, ihm dieses hochtrabende Postulat abzunehmen. Der culture clash zwischen der untechnisierten Welt der Inuit, die ein Kleinkalibergewehr für ein geradezu göttliches Wunder halten und dem okzidentalen Lebensstil, in der es nebenbei noch Flugzeuge, Bücher, Häuser, Musikboxen, Alkohol und, am schlimmsten, Gesetzbücher und Bibeln gibt, endet für die einfach, aber umso lebensbejahender gestrickten Menschen des Nordens in einem Meer des Zweifelns und der Verständnislosigkeit. Schnell wird Inuk und ganz besonders Asiak klar, dass die vermeintlichen Bequemlichkeiten und Verlockungen der Parallelwelt nichts anderes sind als Schwachmacher und korrumpierende Luxusartikel. Ray erzählt dieses berührende, zutiefst humanistische Märchen im Stile eines Bilderbuches für Kinder, lässt einen Off-Erzähler Wissenswertes über die arktische Hemisphäre verkünden und wirft zivilisationskritische Fragen auf, deren Immanenz sich wohl niemand entziehen kann, der diesen wunderbaren Film genossen hat.

9/10


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MAN WITHOUT A STAR (King Vidor/USA 1955)


"I didn't make a fool out of you, kid. You have to do that yourself."

Man Without A Star (Mit stahlharter Faust) ~ USA 1955
Directed By: King Vidor


Der trampende Cowboy Dempsey Rae (Kirk Douglas) gelangt mit dem Zug, in dem er den jungen Hobo Jeff (William Campbell) kennenlernt, in ein Städtchen nahe der "Triangle"-Ranch. Diese wurde soeben von Reed Bowman (Jeanne Crain), einer feinen und vor allem gewinnsüchtigen Lady aus dem Osten, erworben. Dempsey und Jeff lassen sich auf der Ranch anstellen und geraten bald in Konflikt mit den kleineren Viehzüchtern der Gegend: Diese schützen ihre Weidegründe vor den riesigen Herden Reeds mit Stacheldraht. Auf derlei Begrenzungen ist Dempsey besonders schlecht zu sprechen, da der Stacheldraht für ihn ein Sinnbild für Repression, Einschränkung und Konflikt darstellt. Als er erkennt, mit welch ruchlosen Methoden seine neue Chefin zu Werke geht, stellt er sich dann, entgegen seiner ablehnenden Haltung, doch auf die Seite der Konkurrenz.

Der "Star" im Originaltitel bezeichnet nicht etwa das erwartungsgemäße Fehlen eines Sheriffsterns und damit den Einsatz von Selbstjustiz, sondern die Ermangelung eines orientierten Lebensweges. Jeder Mann brauche einen Stern um sich danach zu richten, konstatiert der lebenserfahrene Dempsey Rae, nur habe er seinen eben noch nicht gefunden. Bis zum Ende des Films wird sich daran nichts ändern; im Gegensatz zu seinem jüngeren Partner bleibt der opportunistische Held weiterhin auf der Suche nach einer klaren Linie. Der Stacheldraht als Symbol für die Eingrenzung von ländlichem Besitz und einer Art "Flurbereinigung" bildete tatsächlich eines der ersten Zivilisationsmerkmale des Westens. Das in den 1870ern patentierte Zaungut zog sich plötzlich über unzählige Meilen unkultivierten Ranchlandes und markierte die raffgierige Besitzsucht seiner Eigentümer. Für die Vorstellung des Westens als raue, endlose Weite bedeutete der Stacheldraht einen buchstäblichen Riegel. Wehe dem, der sich einmal unvorsichtigerweise darin verfängt - die Narben auf Dempsey Raes muskulöser Brust sind stumme Zeugen davon.
"Man Without A Star" galt zunächst als Abschreibungsobjekt und günstiger Kleinwestern; Kirk Douglas' Part als banjospielender Luftikus und trinkfester Womanizer ist nicht von ungefähr eng an den seines Harpuniers Ned Land aus dem kurz zuvor entstandenen "20,000 Leagues Under The Sea" angelehnt. Erst die Filmhistorie erkannte, dass dieses in wunderbaren, verschwenderischen Farben gedrehte Werk einen Meilenstein seines Genres und eine von Vidors vordringlichsten Arbeiten darstellt.

8/10

Cowboy Ranch Stacheldraht King Vidor Cattle War





Filmtagebuch von...

Funxton

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