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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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NUDE E SELVAGGIO (Michele Massimo Tarantini/I, BRA 1985)


Zitat entfällt.

Nude E Selvaggio (Amazonas - Gefangen in der Hölle des Dschungels) ~ I/BRA 1985
Directed By: Michele Massimo Tarantini


Der Abenteurer und Paläontologe Kevin Hall (Michael Sopkiw) freut sich, als er eine günstige Mitreisegelegenheit zum "Tal der Dinosaurier" tief im Amazonasgebiet erhält. Neben ihm fliegen noch ein alternder Professor (Leonid Bayer) mitsamt seiner attraktiven Tochter Eva (Suzane Carvalho), ein Erotik-Fotograf (Joffre Soares) mit seinen zwei Models (Gloria Cristal, Susie Hahn) sowie ein Vietnam-Veteran (Milton Morris) und seine versoffene Frau (Marta Anderson). Wie zu erwarten stürzt die kleine Maschine ab und die Gruppe ist von nun an auf sich gestellt. Der Kampf gegen Uga-Uga-Kannibalen, gegen die widrige Natur nebst mörderischen Tieren aller Kuleur und Treibsand und schließlich einen skrupellosen Minenbesitzer (Andy Silas) fordert seine Tribute.

Faschistoid-sexistische Gewaltphantastie oder bloß aus hartem Holz geschnitztes, unsensibles Männerkino? Ich für meinen bescheidenen Teil ziehe selbstredend die Zwei und erfreue mich nach vielen Jahren Zwangspause endlicheinmal wieder an diesem mir zu meiner Schande bis dato bloß gekürzt bekannten, herrlich vergurkten und fiesen Italoploiter. Jener bewerkstelligt es tatsächlich, all die wesentlichen Merkmale der mediterranen Plagiatsleinwand in sich zu vereinen und zu einem klebrig-cremigen "Latte Cruenta" zu verrührern, an dessen Genuss sich formidabel berauschen lässt. Über eine großen Rundumbedienung beim derzeit angesagten US-Abenteuerfilm (primär klaut Tarantini bei "Indiana Jones And The Temple Of Doom" und "Romancing The Stone", aber auch ein bisschen beim zweiten "First Blood"-Film) über Kannibalen, schwüle Erotik und Frauengefängnis-Motive geht die wilde Fahrt. Piranhas, Schlangen, wilde Plastikkrokodile und sogar ein paar gefräßige Hausschweine (zum Teil auch aus Plastik) machen unseren Helden zu schaffen, die inmitten all der Unbill aber immer noch die Zeit für ein bisschen Geschmuse und/oder Gepoppe finden. Das unfassbar schlechte englische Dubbing der ohnehin weniger als dünnen Dialoge setzt dem ganzen dann endgültig die Eselsohren auf.
Der kaum älter als anno dazumal ausschauende Sopkiw erinnert sich in einem informativen DVD-Interview mit viel Vergnügen, ehrlichem Gelächter und Detailkenntnis an seine paar Italodrehs und schließt nach einer knappen halben Nettostunde mit den Worten, dass er zwar kaum was geschaffen habe, worauf er stolz sein könne, aber auch überhaupt nichts bereue. Gefällt mir, der Mann. Warum holen Tarantino und Rodriguez den nicht mal aus der Versenkung? Und Miles O'Keefe, Reb Brown und Daniel Greene noch direkt dazu. Das wär's überhaupt...

5/10

Brasilien Sklaverei Dschungel Amazonas Europloitation Kannibalismus Michele Massimo Tarantini Trash Splatter


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EINE STADT WIRD ERPRESST (Dominik Graf/D 2006)


"Wollen Sie auch mal probieren?"

Eine Stadt wird erpresst ~ D 2006
Directed By: Domink Graf


Die betreffende Stadt ist Leipzig und das titelspendende Delikt von einer unbekannten Erpresserbande ersonnen, die sich mit Sprengstoff auskennt und als Demonstration ihres Machtradius' einen wichtigen Strommast fällt. Die eilends eingesetzten Ermittler Kalinke (Uwe Kockisch), Rogalla (Julia Blankenburg) und Banderes (Misel Maticevic) verfolgen eine Spur in die Provinz, wo ein eingeschneites Dörfchen vor dem immer näher heranrückenden Braunkohletagebau zittert.

"Eine Stadt wird erpresst" könnte als Stilübung zu Grafs Mammutprojekt "Im Angesicht des Verbrechens" durchgehen; wie selbiges von Rolf Basedow gescriptet, vereinigen sich hier eine gewisse atemlose Gehetztheit und grobkörnige Authentizität zwecks einer eindrucksvollen Beschau eines großpolizeilichen Einsatzes. Arved Birnbaum ist bereits in der gleichen Rolle zu sehen, die er in "Im Angesicht des Verbrechens" zu spielen haben wird, nämlich als trockener Einsatzleiter, der sein Team zusammenhält und gegenüber der Politik deckelt. Und auch hier spielt die Russenmafia als Abnehmer der "heißen Ware", nämlich der erpressten Diamanten in Millionenwert, eine wesentliche Rolle. Einzig die knappe Erzählzeit verhindert eine ausladendere Komplexität; dafür ist der sozialkritischen Aspekte einer nie getilgten Altschuld sowie der der ehemaligen Ostzonenprovinz, die nach der Wende zum Spielball kapitalistischer Machtbefugnisse wird und damit keinesfalls besser fährt als anno dazumal, ein durchaus packender, wenn auch irgendwie TV-Krimi-typischer.

8/10

TV-Film Erpressung Dominik Graf Leipzig


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MACHETE (Robert Rodriguez, Ethan Maniquis/USA 2010)


"Why would I be a person? I'm already a myth."

Machete ~ USA 2010
Directed By: Robert Rodriguez/Ethan Maniquis


Der Ex-FBI-Agent und Profikiller Machete (Danny Trejo) ist am texanischen Boden, seit der Druglord Torrez (Steven Seagal) einst seine Familie ermordet hat. So lässt sich Macete von dem intriganten Michael Booth (Jeff Fahey) anheuern, den rassistischen Senator McLaughlin (Robert De Niro) zu ermorden. Tatsächlich ist das Ganze bloß Teil einer PR-Aktion, die McLaughlins Popularität schüren soll. Dass der Politiker zudem noch mit einer Gruppe illegal operierender, fanatischer Grenzschützer und auch mit Torrez zusammenarbeitet, um seine Interessen durchzusetzen, setzt ihn auf Machetes roter Liste endgültig an die Spitze. Zusammen mit der flotten Beamten Sartana (Jessica Alba) und dem "Network", einer Gruppe Mexikaner, die für Illegale sorgt, walzt Machete sämtliche bösen Jungs platt.

Im Prinzip sind Tarantinos und Rodriguez' Liebeserklärungen an das schmierige Exploitation- und Sleazekino der Siebziger auch nicht minder durchtrieben als jede klotzhohle Jennifer-Aniston-RomCom - allein die Adressatengruppe ist vielleicht eine andere. Ansonsten haben die zwei Herrschaften es eigentlich doch denkbar einfach: ein gigantischer Zitatenfundus steht ihnen zur Verfügung, den sie nach Belieben plündern und mit abgehalfterten, popularitätsgierigen Ex-Stars ausstaffieren können. Dazu alle fünf Sekunden irgendein In-Joke sowie ein permanentes Unmaß an Gewalt und fertig ist die nächste Grindhouse-Hommage, die unter Garantie ihr wertschätzendes Publikum erreicht. "Machete" bedient, wie häufig bei Rodriguez der Fall, hinzukommend das noch weithin unerschlossene Areal der "Mexploitation", die strukturell den klassischen Blaxploitation-Stoffen ähnelt. Der mexikanische Lebensstil wird, insbesondere als assimilierender Kulturimport, hochleben gelassen, es geht um den Stolz intranationaler Fraternisierung und gegen weiße Rassisten. Der pockennarbige Danny Trejo, selbst längst eine Kultfigur, ist dabei kaum mehr als eine stoische Comicgestalt, die, unbeeindruckt und ohne je eine Miene zu verziehen, wie ein Panzer durch das Geschehen rollt, alle umherschwirrenden Frauen kriegt und am Schluss siegreich von dannen zieht. Was mich anbelangt, so weiß ich nicht, wie lange ich die minutiös kalkulierten Spiele der Tarantino-/Rodriguez-Connection noch mitzuspielen bereit bin, eins weiß ich aber sicher: Wenn basalmaskuline Urinstinkte so flott, pointiert und unterhaltsam zufriedengestellt werden wie im vorliegenden Fall, dann gibt es zumindest für den Moment gottverdammt nochmal nichts, was dagegen spräche.

6/10

Rassismus Hommage Exploitation Splatter Mexiko Robert Rodriguez Grenze Texas Satire Ethan Maniquis


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FIVE GUNS WEST (Roger Corman/USA 1955)


"You're gonna die looking like a brave man."

Five Guns West (Fünf Revolver gehen nach Westen) ~ USA 1955
Directed By: Roger Corman


Gegen Ende des Sezessionskriegs setzen die Konföderierten ein aus fünf amnestierten Straftätern (John Lund, Mike Connors, Bob Campbell, Jonathan Haze, Paul Birch) bestehendes Spezialkommando auf den Doppelspion Jethro (Jack Ingram) an, der der Gegenseite eine größere Geldsumme veruntreut hat und diese den Nordstaatlern anbieten will. Wie sich herausstellt, ist der Kopf der Gruppe (Lund) in Wahrheit ein Offizier, der die korrekte Ausführung des Himmelfahrtskommandos überwachen soll. Eine Poststation im Norden von Texas wird zum Austragungsort für die keimenden Konflikte, an denen auch eine hübsche Frau (Dorothy Malone) nicht ganz unschuldig ist.

In der ihm eigenen Schnellschussart schreckte Corman auch vor der uramerikanischen Kunstform des Western nicht zurück und ließ unter anderem diesen schlampig inszenierten und vor Unlogik und Scriptfallen strotzenden kleinen B-Film vom Stapel. Formal ist "Five Guns West" ergo nicht der Rede wert, was ihn aber dennoch goutierbar macht, ist die gegen Ende recht geschickt umgesetzte Belagerungsthematik, in der Corman tatsächlich so etwas wie Spannung schüren kann. Jenes Finale bleibt jedoch die Ausnahme. Allzu vielversprechend gestaltet sich der Anfang um ein "dreckiges Quintett", das einen unmöglich scheinenden Auftrag zu erledigen hat und dem dann eine vollkommen desinteressierte Reise durch angeblich brandgefährliches Indianergebiet folgt. Verschenkte Möglichkeiten en masse; erst die Ankunft im Zielgebiet lockt wieder ein wenig Engagement aus Corman heraus. Für Komplettisten, die sich der nahezu unmöglichen Mission verschrieben haben, alles von Corman zu sehen, dürfte "Five Guns West" sicherlich recht vergnüglich sein; als reiner Genrefilm macht er sich es derweil ganz lässig am Rande des unteren Durchschnitts gemütlich.

5/10

Roger Corman Sezessionskrieg Belagerung Indianer


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LE DISTRAIT (Pierre Richard/F 1970)


Zitat entfällt.

Le Distrait (Der Zerstreute) ~ F 1970
Directed By: Pierre Richard


Der unter einer nachhaltigen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (kurz: ADHS) leidende Werbedesigner Pierre Malaquet (Pierre Richard) verdankt seine Narrenfreiheit bei der Werbeagentur "Jericho" bloß dem einen Umstand, dass sein Chef Guiton (Bernard Blier) hoffnungslos in Pierres Mutter (Maria Pacôme) verschossen ist. So wird jedes Chaos, das Malaquet mit seinen garantiert geschmacksunsicheren Kampagnen stiftet, zum Unverständnis seiner Kollegenschaft von dem zunehmend enervierten Guiton gedeckelt. Glücklicherweise gibt es da noch dire überaus nette Lisa (Marie-Christine Barrault), die sich Hals über Kopf in Pierres Schusseligkeit verliebt.

Der erste von Richard in Personalunion gefertigte Film, der die künftigen Markenzeichen des Komikers, pointierte Tolpatschigkeit sowie absolut merkbefreite plus charmante Sozialidiotie bereits klar definiert und ausarbeitet. Die meisten der künftigen Erfolgsrollen Richards waren im Prinzip allesamt Variationen seines Pierre Malaquet. "Le Distrait" ist darüberhinaus aber auch eine höchst vergnügliche Komödie, die dem Zahn der Zeit zwar nicht ganz standgehalten, dies aber auch gar nicht nötig hat. Der Film ist zur Gänze ein blumiges Kind seiner Zeit, in punkto Musik (Vladimir Cosma), äußerer Form, Lebensgefühl und Aussehen, ja sogar die an Cavandolis "La Linea" angelegte Titelsequenz, in der ein freches "i" die anderen Buchstaben ärgert, konnte so vermutlich nur 1970 entstehen. Außerdem ist "Le Distrait" sozusagen as French as French can be, und das ist ja sowieso le meilleur chemin.

8/10

Pierre Richard Werbung


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THE HIGH AND THE MIGHTY (William A. Wellman/USA 1954)


"I heard you whistlin' and I said to myself only one guy does that just so."

The High And The Mighty (Es wird immer wieder Tag) ~ USA 1954
Directed By: William A. Wellman


Ein Passagierflug von Honolulu nach San Francisco wird für die Piloten Dan Roman (John Wayne) und John Sullivan (Robert Stack) zum Spießrutenlauf, denn die Maschine verliert Treibstoff und ein Propeller fängt Feuer. Für den panisch werdenden Sullivan ist eine Notwasserung unausweichlich, während Roman, der bei einem früheren Flugzeugcrash seine Familie verloren hat, mit allen Mitteln den Zielflughafen erreichen will. Die an Bord befindlichen Passagiere ringen derweil mit ihren privaten Problemen und der unweigerlichen Todesangst.

Ein Jahr nach dem schönen Männerabenteuer "Island In The Sky" fabrizierte Wellman, wiederum für die Wayne-Fellows, diesen noch schöneren, frühen Katastrophenfilm. Wie der Vorgänger basiert auch "The High And The Mighty" auf einem Roman und Script des früheren Piloten Ernest K. Gann. Für Duke, dessen Rolle als Retter in der Not eigentlich Spencer Tracy hatte übernehmen sollen, kam die Besetzung erst recht spät - dabei eignet sich, wie sich zeigen soll, der Part des souverän bleibenden Retters aus der Not mit hohem Schuld-und-Sühne-Potential hervorragend für ihn. Formal ist "The High And The Mighty" gegenüber "Island In The Sky" (die zwei Titel währen übrigens beliebig austauschbar, weswegen es wohl auch schon häufiger zu Verwechslungen gekommen ist) komplett diametral angelegt: Der eine in kargem, sphärischem schwarz-weiß, der andere in knallbuntem, ausladendem CinemaScope. "The High And The Mighty" legt überdies zahlreiche Spuren in die kommende Filmhistorie. Die kitschgefährdete und dennoch stets gediegen bleibenden Dramatismen der späten Filme Douglas Sirks werden hier bereits formvollendet antizipiert, der bis heute hochaktuelle Ensemblefilm mit diversen parallel laufenden und sich kreuzenden Geschichten findet eine seiner früheren Inkarnationen, schließlich gibt Wellmans Film die Standards und Stukturen des sich fünfzehn Jahre später mit "Airport" einläutenden Katastrophenfilms vor. Viel Stoff zum dran nagen also, und dazu ein reichhaltiger, überlanger Filmgenuss.

8/10

Hawaii Ensemblefilm Flugzeug William A. Wellman San Francisco


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ISLAND IN THE SKY (William A. Wellman/USA 1953)


"I guess we're awful hard to see down here."

Island In The Sky (Das letzte Signal) ~ USA 1953
Directed By: William A. Wellman


Der Pilot Dooley (John Wayne) stürzt mit seiner kleinen Passagiermaschine samt vierköpfiger Besatzung über der unerforschten Eiswüste Ostkanadas ab. Hunderte von Kilometern von der Zivilisation entfernt und bei Temperaturen von siebzig Grad minus gilt es, solange auszuharren, bis Dooleys Fliegerkollegen ihn und seine Leute finden. Doch deren Suche gleicht jener nach einer Nadel im Heuhaufen...

Putzig-altmodisches Herrenabenteuer aus Waynes erster Produktionsschmiede "Wayne-Fellows" - wie stets ein Familienprojekt, an dem fast ausschließlich Dukes Privatfreunde mitarbeiteten. Entsprechend gutgelaunt geriert sich das Resultat; angesichts der Tatsache, dass hier eine Gruppe quasi-tiefgekühlter Männer im Mittelpunkt steht, die sich in jedem Film nach 1990 gegenseitig auffräßen, hält sich die Spannung jedenfalls in überschaubaren Grenzen, will sagen: So etwas wie emotionale Intensität, die das Thema "Unfreiwillige Zivilisationsabnabelung" üblicherweise bereithält, muss man hier wohl oder übel vermissen. Stattdessen bekommt man bravourös inszenierten Unterhaltungskitsch von anno dazumal, einen Konfektionsartikel, von professioneller Hand gefertigt und zu nichts anderem denn zum raschen Konsum gedacht. Ja, sowas gab's auch vor sechzig Jahren schon.

7/10

William A. Wellman Kanada Schnee Fliegerei


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THE INFORMERS (Gregor Jordan/USA, D 2008)


"I just need someone to tell me."

The Informers ~ USA/D 2008
Directed By: Gregor Jordan


Um das Jahr 1983 krachen in und um Hollywood einige parallele Existenzen rund um den jungen Dealer Graham (Jon Foster) mächtig zusammen: Grahams Freundin Christie (Amber Heard) pflegt ihre Promiskuität und hat sich mit irgendeiner bösartigen Sexkrankheit angesteckt, die seltsame Läsionen auf der Haut hinterlässt, derweil sein Kumpel Martin (Austin Nicols) die Oberflächlichkeiten des Lebens schätzt und Musikvideos für bekokste Popstars dreht. Grahams wohlsituierte Eltern (Kim Basinger, Billy Bob Thornton) können sich nicht entscheiden, ob sie wieder zusammenmziehen wollen oder sich doch weiter hassen. Für Grahams anderen Freund Tim (Lou Taylor Pucci) wird der Aufenthalt mit seinem schmierigen Vater (Chris Isaak) auf Hawaii zur bloßen Tortur und der heroinsüchtige Rocksänger Bryan Metro (Mel Raido) verliert den boden unter den Füßen. Für den nicht minder fertigen Ganoven Peter (Mickey Rourke) heißt es nurmehr: ab durch die Mitte...

"The Informers" ist der Nachfolgeroman zu "American Psycho" und wie stets bei Bret Easton Ellis gibt es auch hier Rückbezüge und Vorausdeutungen betreffs älterer und noch kommender Geschichten, die das Yuppie- und Reichen-Amerika zu einem Albtraum-Babylon des ausklingenden Centenniums deklariert. Wie Ellis selbst, der sich ja stets aufs Neue im weitesten Sinne als ebenjener Generation zugehörig outet, neigen insbesondere auch seine bislang vier Adapteure dazu, der Faszination der Oberflächenreize seiner Geschichten zu verfallen.
Mit "American Psycho" habe ich es bislang zweimal versucht und fand ihn zunehmend fürchterlich, werde ihn aber mittelfristig nochmal probieren. Die anderen drei Filme, ergo auch "The Informers", mag ich ganz gern. Warum? Nun, Gregor Jordan füllt sein Zeitporträt mit mehr oder weniger schillernden Kulturartefakten, die gegenwärtig an neuer Bedeutung gewinnen; alles scheint sich wieder zu nullen, genau wie in den Achtzigern schon, alles wird wieder hohl, falsch und phrasiert. Das Jammern auf Gipfelniveau erklingt da an sämtlichen Ecken und Enden und man muss diesbezüglich wohl recht aufgeschlossen sein. Dann aber wird der Gegenwartsbezug unzweideutig sichtbar und der Rezipient hinreichend belohnt, insbesondere von der ausgeklügekten Hochglanzästhetik des Films. Zudem bildet der von "New Gold Dream" von den Simple Minds unterlegte Anfang, dem im Laufe des weiteren Films noch mancher große Song nachfolgt, einer der besten Filmeinstiege der letzten Jahre.

7/10

Coming of Age Ensemblefilm Gregor Jordan Drogen Hawaii Bret Easton Ellis Hollywood


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IN A LONELY PLACE (Nicholas Ray/USA 1950)


"I was born when she kissed me. I died when she left me. I lived a few weeks while she loved me."

In A Lonely Place (Ein einsamer Ort) ~ USA 1950
Directed By: Nicholas Ray


Der wegen seiner Aggressivität gefürchtete Scriptautor Dix Steele (Humphrey Bogart) gerät unter Mordverdacht: Er soll eine Gastronomie-Angestellte (Martha Stewart) umgebracht haben. Dix' Nachbarin Laurel (Gloria Grahame) stützt seine Alibi-Aussage bei der Polizei. Die beiden verlieben sich heftig ineinander und verleben ein paar glückliche Tage. Als Laurel dann jedoch Zeugin von einem von Dix' unberechenbaren Wutausbrüchen wird, der auch noch fast mit einem Totschlag endet, ist sie nicht mehr so sicher, ob ihr Geliebter wirklich so unschuldig ist wie er zu sein vorgibt. Zudem bekommt sie mehr und mehr Angst vor ihm.

Liebe und Verlust: Dieses eindrucksvolle Portrait der Filmstadt Hollywood, ihrer hoffnungsvollen Beschäftigten und ihrer Gefräßigkeit ist zugleich das filigrane Psychogramm eines neurotischen Cholerikers, dessen Emotionen in Extremsituation außer Kontrolle geraten. Den Status von "Sunset Boulevard" und "All About Eve" hat Rays unspektakulär traurig endende Love Story leider nie erringen können, dabei ist er ebenso wertig wie die Gennanten. Rays Kritik an der zynischen und unbarmherzigen Raffgier des Studiosystems greift an allen Ecken und Enden seines meisterlichen Films; Bogarts mutige Interpretation eines gewalttätigen Mannes, der sich über seine Fäuste definiert und dabei in Bezug auf jedwede Form der Zwischenmenschlichkeit ein ganz armes Würstchen ist, zählt, ähnlich wie die des Captain Queeg in "The Caine Mutiny", als gnadenlose Helden-Demontage zu den mutigsten seiner Karriere.

9/10

Nicholas Ray Hollywood film noir


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TATORT - FREUNDE (Klaus Emmerich/BRD 1986)


"Frieder, du hast gewonnen."

Tatort - Freunde ~ BRD 1986
Directed By: Klaus Emmerich


Als Schimanski (Götz George) und Thanner (Eberhard Feik) einem perfekt geplanten und ausgeführten Raubüberfall nachspüren, stoßen sie auf Frieder Schön (Klaus Wennemann), einen langjährigen Freund Schimanskis seit Kindheitstagen. Frieder, in der kriminellen Szene alles andere als ein unbeschriebenes Blatt, hat jedoch ein hieb- und stichfestes Alibi und selbst weitere Recherchen können ihm nichts anhaben - dabei ist für Schimanski sonnenklar, wer hinter dem Verbrechen steckt. Pikanterweise schuldet der Bulle dem Ganoven noch einen großen Gefallen von früher, umso größer die Gewissensbisse davor, Frieder ans Messer zu liefern. Während Königsberg (Ulrich Matschoss) und Thanner schließlich zu Recht beginnen, an Schimanskis Gesetzesloyalität zu zweifeln, startet der Kommissar seinen höchstpersönlichen Feldzug.

Großartiger Schimanski-Tatort, der tiefe Einblicke in Vergangenheit und Psyche des Protagonisten gewährt. Duisburg-Rheinhausen liegt mal wieder unter einer konstanten, grau-braunen Schmierglocke, die der eben einsetzende Winteranfang kaum aufzuhellen vermag. Kulisse für ein ganz privates Polizisten-Drama. Schimanski hebt sich ja ohnehin häufig von seinen Amtskollegen dadurch ab, dass er einige Verbindungen ins Milieu pflegt, die nicht ganz astrein sind und die ihn zudem oft stärker involvieren, als es seiner Repuation gut tut. So ist es auch in "Freunde", dessen Titel bereits das maßgebliche Stichwort darstellt. Ob Frieder Schön Schimmis bester Freund ist, weiß man nicht recht, auf jeden Fall ist er nah dran. Allerdings leuchtet spätestens nach dem Kloß-im-Hals-Finale jedermann ein, dass der Kommissar wie so oft in diese Beziehung mehr Gefühle investiert hat als sein Gegenüber. Aber gerade das hebt eben den Ganoven vom Bullen ab. Oder sollte es zumindest.

9/10

Tatort TV-Film Schimanski Klaus Emmerich Heist Ruhrpott Freundschaft





Filmtagebuch von...

Funxton

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