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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BLACK SLEEP (Reginald Le Borg/USA 1956)


"Odo is gipsy for 'cat' Cat has nine lives!"

The Black Sleep (Die Schreckenskammer des Dr. Thosti) ~ USA 1956
Directed By: Reginald Le Borg

London, in den 1870ern: Kurz bevor der unschuldig wegen Mordes zum Tode verurteilte Dr. Ramsay (Herbert Rudley) hingerichtet werden kann, verabreicht ihm der Gehirnchirurg Dr. Cadman (Basil Rathbone) bei einem Besuch etwas von seinem indischen Spezial-Narkotikum, genannt "Schwarzer Schlaf". Dessen Einnahme sorgt für einen kurzfristigen Scheintod, so dass Ramsay, für tot und begraben erklärt, von Cadmans Partner Odo (Akim Tamiroff) rechtzeitig wieder ausgebuddelt werden kann. Dass Ramsay bei Cadmans Versuchen als Assistent dienen soll, empfindet dieser zunächst als schmeichelhaft, dann kommt er jedoch hinter das Geheimnis des wahnsinnigen Wissenschaftlers: Um seine im Koma liegende Frau (Louanna Gardner) zu retten, führt Cadman wahllose Hirnoperationen an unfreiwilligen Probanden durch, die dann, geschädigt und entstellt, in seinem hauseigenen Verlies landen...

Ein prachtvolles Horror-Happening hat der günstig, aber versiert arbeitende Reginald Grobel alias Reginald Le Borg da in die Bahn geworfen. Neben dem erwähnten Basil Rathbone sind in kleineren Rollen (zumeist als hirn-teilamputierte Mutanten) zu sehen: Lon Chaney Jr., John Carradine, Tor Johnson und Bela Lugosi in seiner vorletzten Rolle als stummer Cadman-Lakai Casimir. Besonders bei seinen Auftritten packt einen die Wehmut, denn Lugosi, schwer gezeichnet von seiner Morphiumsucht, wirkt in etwa wie ein klassisches Pendant des zu seinen Lebzeiten gern von Helge Schneider eingesetzten Laienakteurs Helmut Körschgen. Keine Spur mehr von der alten Vampirgrafen-Grandezza des einst so stolzen Schauspielers; stattdessen hat es nur mehr einen zittrigen Greis, dessen Engagement wohl eher auf einen Gefallen und den Zuschuss ein paar Extradollars zurückzuführen ist denn auf seine verblichene Klasse. Ähnliches gilt für Lon Chaney Jr., der zwar noch ein paar Jahre vor sich hatte, zu dieser Zeit aber bereits hoffnungslos dem Suff anheim gefallen war und einen ebenfalls dialoglosen Part als von Dr. Cadman zwangsderangierter Arzt mit dem schönen Namen 'Mungo' gab. Zu Tor Johnson muss man wohl kaum mehr etwas sagen. Wirklichen Glamour gibt es allerdings trotzdem noch - solchen bringen der nach wie vor fürstlich aufspielende Rathbone sowie der heimliche Hauptdarsteller Akim Tamiroff mit ein, wobei letzterer mit genau der Mischung aus Professionalität und subtiler Satire zu Werke geht, wie sie ein Werk wie dieses benötigt.
Ein für Connaisseure im Grunde unverzichtbarer Film.

7/10

Reginald Le Borg Mad Scientist England London period piece Trash


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THE DAMNED (Joseph Losey/UK 1963)


"Any bully can command obedience. Only a gentleman can command loyalty."

The Damned (Sie sind verdammt) ~ UK 1963
Directed By: Joseph Losey

Nachdem der in Dorset vor Anker gegangene Amerikaner Simon Wells (Macdonald Carey) die wesentlich jüngere Rockerbraut Joan (Shirley Ane Field) an Bord genommen hat, heißt es erstmal fliehen. Mit Joans cholerischem Bruder King (Oliver Reed), der die beiden prompt verfolgt, ist nämlich alles andere als gut Kirschen essen. Das Paar geht an einer Steilküste vor Anker, an der das unmittelbar an ein streng abgeschottetes Militärgelände grenzende Grundstück der Künstlerin Freya Neilson (Viveca Lindfors) liegt. Als die Wachmannschaft zunächst Simon und Joan und schließlich auch King aufs Korn nimmt, suchen alle drei Zuflucht unterhalb der Steilwand und landen im unterirdischen Quartier von neun gleichaltrigen Kindern, die ein schreckliches Geheimnis umgibt...

Not your usual Hammer flick, was höchstwahrscheinlich primär Joseph Losey zuzuschreiben sein dürfte, der als stilprägender Regisseur seines Jahrzehnts einige elementare, sich ausgiebig bei der zeitgenössischen Popkultur bedienende Werke geschaffen hat. "The Damned" beginnt als subkulturkritischer Film in einem mondänen englischen Seebad, das von der Rockergang des in mehrfacher Hinsicht fehlgepolten King unsicher gemacht wird. Man erinnert sich unwillkürlich an "The Wild One", "Quadrophenia" und die späteren Rockerfilme von Corman & Co.. Allerdings lauern dort noch weitaus abscheulichere Menschenmonster, der geisteskranke Wissenschaftler Bernard (Alexander Knox) zum Beispiel. Dieser gibt sich als besonnener Intellektueller mit gesellschaftlichem Weitblick, als Kunstmäzen und Pädagoge, entpuppt sich gegen Ende jedoch als verantwortungsloser Amoralist. Im Grunde fügt Losey also zwei Filme zu einem zusammen, mit dem Resultat, dass man sich, geplättet und erschüttert nach der zweiten Hälfte, an die erste kaum mehr erinnern kann. Diese wirkt dann fast wie entfernt Vergangenes. "The Damned" ist ferner angefüllt mit politischem und sozialen Subtext und geht damit weit über den üblichen Anspruch des Studios, sorgfältiges Genrekino zu präsentieren, hinaus.
Pflichtveranstaltung!

9/10

Joseph Losey Hammer Militär Kinder Atombombe Radioaktivität Kalter Krieg Dorset England mad scientist Rocker Subkultur


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STINGRAY (Richard Taylor/USA 1978)


"Wassup, asshole?"

Stingray ~ USA 1978
Directed By: Richard Taylor

Just in Als (Christopher Mitchum) neuerworbener, feuerroter Corvette Stingray haben die Gangster Lonigan (William Watson) und Tony (Bert Hinchman) einige Beutel Heroin und eine viertel Million Dollar versteckt. Klar, dass sie das Zeug nun wiederhaben wollen und bald haben Al und sein Kumpel Elmo (Les Lannom) nicht nur die Ganoven samt ihrer durchgeknallten Chefin Abigail (Sherry Jackson) auf dem Hals, sondern auch noch den halben Staatspolizeiapparat.

"Stingray" gleicht in punkto Stil und Niveau etwa einem xxx-beliebigen, zweitklassigen Hinterhof-Porno jener Tage, bloß, dass die fetischistische Orientierung der Mise-en-scène hier bei kostengünstig choreographierten Karambolagen und Schusswaffen zu finden ist. Ansonsten kann man diesen, seine wesensimmanente Dummheit mit stolz geschwellter Brust vor sich hertragenden, schamlosen "Smokey And The Bandit"-Abklatsch getrost auf den benachbarten Schrottplatz verfrachten. Das einzig Aufhorchenswerte zwischen den "lustigen" Westerngitarren-Klängen und den durchweg inzestuös geschädigten Chargen, denen wohl irrigerweise jemand anvertraut hat, sie seien Schauspieler, sind die regelrecht eklizistisch wirkenden Gewaltausbrüche, in deren Zuge etwa alle fünfzehn Minuten einer in wohlfeiler Peckinpah-Manier durchsiebt wird. Wie kleine, dreckige Lesezeichen kommen diese Szenen mir im Nachhinein vor. Wer gern mal eineinhalb Stunden am Stück scheel grinsen möchte oder wen es nach einen Film verlangt, den man auch mit 4,4 Promille noch problemlos durchblicken kann, der sollte bei "Stingray" einen Blick riskieren. Alle anderen können's auch getrost sein lassen und ebenso glücklich sterben.

4/10

Richard Taylor car chase St. Louis Missouri Südstaaten Auto


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DESTINATION GOBI (Robert Wise/USA 1953)


"What a guy!"

Destination Gobi (Durch die gelbe Hölle) ~ USA 1953
Directed By: Robert Wise

Januar 1945: Um die herben Kriegsgerätsverluste etwas auffangen zu können, errichtet die Navy überall in Zentralasien Wettterstationen. Eine davon nahe der Wüste Gobi obliegt der Aufsicht des zerknirschten Sam McHale (Richard Widmark). Als die Japaner sich dem Camp nähern, überredet McHale eine dort ebenfalls campierende Gruppe mongolischer Nomaden, sich ihm und seinen Männern gegen den Feind anzuschließen. Eine japanische Luftattacke vernichtet schließlich die gesamte Basis, schlägt die Mongolen scheinbar in die Flucht und zwingt McHale und seine Männer, sich zu Fuß auf den Weg Richtung Küste zu machen - nur, dass diese 800 Meilen entfernt liegt und sich dazwischen die Wüste befindet...

"Destination Gobi" ist einer jener speziell in den Fünfzigern entstandenen Studiofilme, die den Krieg als zwar strapaziöses, aber dennoch spaßig anzuschauendes Männerabenteuer schildern und seinem Publikum reuelose Abenteuerunterhaltung boten. Kantige Heroen, deren absehbarer Erfolg auf Freundschaft und Verlässlichkeit, also guten, amerikanischen Tugenden, fußt, schlagen sich durch unwegsames, altweltliches Gelände, das sich von Grundauf wenig gastfreundlich, um nicht zu sagen: feindselig ausnimmt und in dem sich zwangsläufig jeweils nur die grundsätzlich exotisch gezeichneten Einheimischen zurechtfinden. Der dem Amerikaner eigene Pioniergeist bezwingt jedoch auch diese Widrigkeiten und bringt einmal mehr eine neue Heldengeneration hervor. Die Aufdeckung der Tatsache, dass Sam McHale und seine Jungs ohne den Mongolenhäuptling Kengtu (Murvyn Vye) völlig aufgeschmissen wären, überlässt "Destination Gobi" vorsorglich den deduktiven Fähigkeiten des Zuschauers, wobei er sich ebenso breit grinsend darüber amüsiert, dass die ach so unzivilisierten Nomaden keine Fotoaaparate kennen und alles klauen, was nicht niet- und nagelfest ist. Aber so sind sie, die Eingeborenen. Von edelmütigem Menschentum und eigentlich ganz lieb, aber eben auch'n bissken doof. Genau wie Wises Film.

7/10

Robert Wise Wüste Gobi Mongolei China Pazifikkrieg WWII Militär


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HALLS OF MONTEZUMA (Lewis Milestone/USA 1950)


"War is hell."

Halls Of Montezuma (Die Hölle von Okinawa) ~ USA 1950
Directed By: Lewis Milestone

Die Invasion von Okinawa steht unmittelbar bevor. Der unter heftigen Panikattacken leidende Lieutenant Anderson (Richard Widmark) und seine Männer rücken immer weiter ins Landesinnere vor, unter ständigem Beschuss von schwerem Artilleriefeuer aus einer unsichtbaren Quelle. Während einer nach dem anderen aus Andersons Truppe im Kampf fällt, kann eine Gruppe japanischer Soldaten gefangengenommen werden, die den Standort der Kanonen kennt.

Im Gegensatz zu der betroffen machenden Inszenierung seines rund zwanzig Jahre älteren, diese Kategorisierung wirklich verdienenden 'Antikriegsfilms' "All Quiet On The Western Front" konnte Milestone sich hier der lockenden Verführung der ihm zur Verfügung stehenden production goods nicht entziehen und kreierte einen mitreißenden Actionfilm. "Halls Of Montezuma", dessen Titel sich auf die erste Zeile aus der "Marine's Hymn" bezieht, nimmt sich zwar Zeit für nachdenkliche Zwischentöne und verzichtet auf allzu pathetische Heldenverehrung, ist aber dennoch kein Film, der sich hinreichend ernsthaft mit seinem abstrakten Gegenstand auseinandersetzt. Stattdessen gibt es einige der üblichen Archivaufnahmen von Militäreinsätzen und es wird dem Marine Corps heftig für die Möglichkeit gedankt, dessen Flugzeugträger und Panzer im Film vorführen zu dürfen. Dass bei aller Kritik "Halls Of Montezuma" sich dennoch fernab davon hüten kann, sich zur bloßen, Rekrutenwerbung zu entwickeln, dürfte schließlich immer noch seinem versierten Regisseur zuzuschreiben sein, wenngleich dieser innerhalb seines Werks mit dem Zweiten Weltkrieg durchweg und prinzipiell deutlich kommerzfreundlicher umzuspringen pflegte als mit dem Ersten. Schnitt und Montage zeugen allerdings von meisterhafter Könnerschaft.

8/10

Lewis Milestone WWII Pazifikkrieg Okinawa Japan Insel Militär


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PANIC IN THE STREETS (Elia Kazan/USA 1950)


"Apologies to your mother, that's the second mistake she made."

Panic In The Streets (Unter Geheimbefehl) ~ USA 1950
Directed By: Elia Kazan

Bei der Obduktion eines infolge einer betrügerischen Pokerpartie getöteten Schiffsarbeiters (Lewis Charles) findet man heraus, dass selbiger unter einer aggressiven Form der Lungenpest litt und kurz darauf sowieso das Zeitliche gesegnet hätte. Dem Gesundheitsbeamten Clint Reed (Richard Widmark) und dem Polizisten Tom Warren (Paul Douglas) bleiben nur Stunden, um die mit dem Toten in Kontakt getretenen Personen, darunter vorrangig dessen Mörder, ausfindig zu machen, bevor eine Massenpanik oder gar eine Pandemie entsteht und mögliche Infizierte die Seuche ins ganze Land tragen.

Für "Panic In The Streets" verwebte Elia Kazan den klassischen film noir mit Elementen des SciFi- und Katastrophenfilms und baute mithilfe des MacGuffin um das tödliche Pestvirus eine typische Gangsterstory aus dem Rotlichtmilieu zu einer national bedeutsamen Affäre aus. Richard Widmark war hier unmittelbar nach "Night And The City" in einer fast schon als glorios einzuordnenden Heldenrolle zu bewundern. Als idealistischer Kleinfamilienvater, der im Laufe der Geschichte erfährt, dass sich ein weiteres Kind ankündigt und eminent wichtige Arbeit für einen Hungerlohn tut, gibt er ein liebenswertes buddy team mit dem knarzigen Paul Douglas ab. Auf der Gegenseite gibt es Jack Palance (damals noch als Walter Jack Palance kreditiert) in seinem Kinodebüt und dazu den stets sehenswerten Zero Mostel. Besonders Palance, dessen infolge schwerer Operationsnarben ohnehin kantige Gesichtszüge in Verbindung mit seiner merkwürdig ungeschlachten Statur und Gestik stets höchst einprägsam waren, ist als gieriger Kleingangster Blackie geradezu furchterregend. Erst aus der Parallelmontage der rast- und ratlosen, nach jedem Strohhalm greifenden Gesetzeshüter auf der einen und den einem Phantom nachjagenden Ganoven auf der anderen Seite bezieht "Panic In The Streets" sein hohes Maß an extensiver Spannung.

8/10

Elia Kazan New Orleans Pest Virus film noir


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NIGHT AND THE CITY (Jules Dassin/UK 1950)


"Harry is an artist without an art."

Night And The City (Die Ratte von Soho) ~ UK 1950
Directed By: Jules Dassin

Der Kleingauner, Nepper und Schlepper Harry Fabian (Richard Widmark) ist ein schmales Licht in der Londoner Unterwelt. Ständig verschuldet, von den meisten belächelt, nur von seiner gutmütigen Freundin Mary (Gene Tierney) heiß geliebt, befindet er sich meist auf der Flucht vor irgendwelchen brutalen Gläubigern. Als er bei einem Freistil-Veranstaltung zufällig der früheren Ringerlegende Gregorius (Stanislaus Zbyszko) und dessen Mündel Nikolas (Ken Richmond) begegnet, hat Harry mal wieder eine zündende Idee, die ihn leben lassen wird "wie Gott in Frankreich": Er plustert sich zum Konkurrenten des in seinen Kreisen gefürchteten Ringkampf-Veranstalters Kristo (Herbert Lom) auf, zugleich Gregorius' Sohn. Den naiven Alten und seinen Schüler ködert Harry mit dem Versprechen, ausschließlich Kämpfe im klassischen griechich-römischen Stil zu präsentieren. Schon bald jedoch bricht er die Abmachung und engagiert den brutalen Freistilkämpfer "Henker" (Mike Mazurki), der in Harrys Trainingskeller eine Katastrophe herbeiführt. Harrys Ende ist nunmehr beschlossene Sache, denn der rachedurstige Kristo setzt ein Kopfgeld auf ihn aus...

Großes Meisterwerk aus der originären Ära des Film Noir, wenngleich ausnahmsweise nicht in Kalifornien entstanden, sondern in London und damit zugleich eine Bereicherung für den klassischen britischen Gangsterfilm. Dassin entwirft ein ebenso lyrisches wie mitreißendes Porträt der Londoner Halbwelt zwischen Schmutz und Neonreklamen, zeigt die Diskrepanz zwischen Lebensrealität und großen Hoffnungen; den ewigen Drang danach, auszubrechen und irgendwo eine bessere Existenz zu beginnen, wenngleich die so gern verleugneten Wurzeln und letzten Endes auch die Determinante des Schicksals nur hier und nirgendwo anders liegen. Richard Widmark, der besonders in jungen Jahren ein ausgesprochen unsympathisches Gesicht aufsetzen konnte und daher in seinen ersten Filmen zumeist wahlweise als diabolischer Bösewicht ("Kiss Of Death") oder als Westentaschen-Gangster ("Pickup On South Street") besetzt wurde, liefert hier die definitive Charakterisierung des zum Tode verurteilten Verlorenen, an denen sich eine ganze Latte späterer, analoger Figuren zu messen haben wird. Widmark meistert die Gratwanderung der Evokation gegensätzlicher Emotionspole perfekt, weiß man doch nie, ob man diesen Harry Fabian bemitleiden, mit ihm fühlen, oder ihn wegen seiner idiotischen, impulsiven Aktionen, die selbst vor schlimmsten Auswirkungen nicht Halt machen, verabscheuen soll. Am Ende hilft einem einmal mehr die engelsgleiche Gene Tierney bei der Entscheidungsfindung.

10/10

London Unterwelt Kiez Ringkampf Jules Dassin film noir


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TRUE CONFESSIONS (Ulu Grosbard/USA 1981)


"Cut the crap. I don't have all day. It's been 20 years since my last confession. I had a lot of things to do."

True Confessions (Fesseln der Macht) ~ USA 1981
Directed By: Ulu Grosbard

Als sein Bruder Pfarrer Desmond (Robert De Niro) ihm bei einem Besuch in seiner Wüstengemeinde seinen baldigen Tod ankündigt, erinnert sich der Polizist Tom Spellacy (Robert Duvall) an 15 Jahre zuvor stattgefundene Ereignisse: Damals war Desmond hoch gehandelter Nachfolger des Kardinalbischofs (Cyril Cusack) von L.A. und eng vertraut mit den Machenschaften der Katholischen Kirche, die neben diversen kleineren Halblegalitäten auch krumme Grundstücksspekulationen und Paktierungen mit Gangstern wie dem Ex-Zuhälter Jack Amsterdam (Charles Durning) beinhalteten. Als eine Prostituierte (Missy Cleveland) ermordet und grausam verstümmelt aufgefunden wird, führt die Spur unter anderem zu Amsterdam, der nach wie vor unter dem Schutzbann der Kirche steht. Für den eifrig ermittelnden Tom gerät da selbst die Tatsache, dass ein Skandal um Amsterdam auch seinen Bruder zu Boden reißen könnte, zur Nebensache.

Grosbards meisterliich inszenierter Film, eine Art "Chinatown" im klerikalen Milieu, verhandelt eine ganze Reihe schwerer Themen, darunter die (um 1980 ohnehin sehr angegriffene) Rolle der katholischen Kirche als eine der Säulen des sozialen Gefüges, ihre Verantwortung zwischen Weltlichkeit und Geistlichkeit, sowie, davon tangiert, den tief verwurzelten Konflikt zweier Brüder, die um der Familienehre Willen immer wieder versuchen, miteinander auszukommen, deren jeweilige Grundsätze jedoch diametraler Natur und spinnefeind sind. Während Desmond über sein Streben als Emporkömmling hinaus längst vergessen zu haben scheint, welche ethischen Dogmen sein Amt beinhaltet, ist Tom sich selbst gegegenüber stets ehrlich geblieben. Desmond genießt größte gesellschaftliche Popularität, verkehrt in den höchsten Kreisen der Stadt und hat betreffs jeder politischen Entscheidung zumindest ein inoffizielles Wort mitzureden, derweil Tom sich zwar tagtäglich mit dem Abschaum der Straße abgibt, Etikette und falsche Rüstungen jedoch nicht nötig hat. Dieser lange schwelende Streit kulminiert schließlich, als sich erweist, wer tatsächlich am längeren Hebel sitzt und das selbst ein kleiner Skandal bisweilen immer noch von genug Einfluss ist, die Mächtigsten unter uns vom Sockel zu heben. Spannend!

9/10

Ulu Grosbard Los Angeles Brüder Kirche Verschwörung Prostitution


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IL MULINO DELLE DONNE PIETRA (Giorgio Ferroni/I, F 1960)


Zitat entfällt.

Il Mulino Delle Donne Pietra (Die Mühle der versteinerten Frauen) ~ I/F 1960
Directed By: Giorgio Ferroni

Irgendwann um die vorletzte Jahrhundertwende kommt der Student Hans von Arnim (Pierre Brice) auf die abgelegene Windmühle des Bildhauers Professor Gregorius Wahl (Herbert Böhme), um eine Abhandlung über dessen Lebenswerk zu schreiben. Professor Wahl unterrichtet zugleich selbst an der Kunstakademie und bewirtschaftet aus Tradition seine alte Mühle, in der er eine makabre Drehbühne voll mit Skulpturen gefolterter und hingerichteter Frauenfiguren vorführt. Als Hans sowohl Professor Wahls Tochter Elfie (Scilla Gabel) als auch den ebenfalls in der Mühle lebenden Dr. Bohlem (Wolfgang Preiss) kennenlernt, überschlagen sich die Ereignisse. Nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht und späteren Aussprache stirbt die an einer seltenen Krankheit leidende Elfie in seinen Armen. Der sich Vorwürfe machende Hans irrt durch die Straßen und weiß später nicht mehr, ob ihm seine Einbildung nur Streiche gespielt hat: Elfie jedenfalls ist mitnichten tot und Professor Wahl und Dr. Bohlem bescheinigen ihm Anflüge von Irrsinn. Doch wer war dann die rothaarige, gefesselte Frau in der Mühle? Und warum ist ein paar Tage später Hansens Verlobte Liselotte (Dany Carrel) spurlos verschwunden?

Ein höchst atmosphärischer Gruselfilm guter alter Schule, noch ganz ohne die späteren typischen Exploitationelemente der Gattung auskommend und sich allein auf seine beklemmenden Bilder und deren Wirkung verlassend. Augenscheinlich manch Unpassendes kommt zusammen in Ferronis Film; die italienisch-französische Produktion, die holländischen Provinzdrehorte, die aus unterschiedlichen Ländern stammende Besetzung. Schließlich gibt es die sich auf sehr geschickte Weise erst nach und nach entblätternde Geschichte, die nach einigen scheinbar unerklärlichen Wendungen ihre Schlüssigkeit demonstriert: Hinter seinen mysteriösen Erlebnissen binnen einer Nacht und eines Tages, die Hans wahlweise als Medikamentenrausch oder als körpereigene Halluzination interpretieren muss, die eine nicht vorhandene Leiche in einer Gruft sowie eine offenbar eingebildete Aussprache beinhalten, verbirgt sich eine ganz nüchterne, vielfach bekannte Auflösung: Professor Wahls Tochter Elfie verfällt immer wieder in todesähnliche Starrzustände und kann nur durch das Blut anderer junger Mädchen wiederbelebt werden. Nach einer solchen Prozedur wächst Wahls Drehkabinett jeweils immer wieder um eine neue Skulptur. Damit entkräftet sich zwar die herrlich mystische Atmosphäre der nebelverhangenen, herbstlichen Grachtenlandschaft etwas und die Geschehnisse erscheinen plötzlich alles andere als verschwurbelt - man erinnere sich nur an den bloß ein Jahr älteren "Les Yeux Sans Visage" - was diesem ausgesprochen schönen Film jedoch keinen Schaden zufügt.
"Il Mulino Delle Donne Pietra" hätte, dessen bin ich mir sicher, auch einen Mario Bava stolz auf sich gemacht.

8/10

Giorgio Ferroni Mad Scientist period piece Niederlande Fin de Siècle Serienmord


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THE CAR (Elliot Silverstein/USA 1977)


"I don't believe it, I don't accept it!"

The Car (Der Teufel auf Rädern) ~ USA 1977
Directed By: Elliot Silverstein

Die kleine verschlafene Wüstengemeinde Santa Ynez, Utah wird aus heiterem Himmel von einem dämonischen Auto heimgesucht, das ein eigenes Bewusstsein zu haben scheint und diverse Menschen tötet, bevor es von dem angeschlagenen Deputy Wade Parent (James Brolin) zurück zur Hölle geschickt wird.

Wenngleich die Storyprämisse auf das erste Hinhören etwas dämlich klingt, kann man "The Car" bescheinigen, ein überaus sauber und akkurat inszenierter Horrorfilm zu sein, der in bester Tradition der Monster-, Tierhorror- und/oder Katastrophen-Welle steht, die die Universal mit Filmen wie "Earthquake" und "Jaws" selbst entfacht und bedient hat. Das titelgebende, dämonische Objekt ist ein eigens für den Film konstruiertes Phantasiefabrikat, klein, flach und wendig, ohne Griffe an den Türen, mit rot getönten Scheiben und - natürlich - ohne (erkennbaren) Fahrer. Einen so ordinären, industriellen Gebrauchsgegenstand wie ein Auto nun tatsächlich dazu zu bringen, auch beim Publikum eine solch satanische Wirkung zu hinterlassen, dazu gehört, wie ich meine, schon einiges an Kunst und Können. Elliot Silverstein, der sich als spärlich arbeitender Regisseur so unikaler Western wie "Cat Ballou" und "A Man Called Horse" einen kleinen Namen machen konnte, wusste ganz bestimmt genau, was er tat, als er die Hupe und den röhrenden Motor dieses Zweitürers unerklärlichen Ursprungs zum Klingen brachte. Dafür tragen auch die hervorragend atmosphärisch ausgeführten Jobs seiner Mitarbeiter Gerald Hirschfeld (dp) und Leonard Rosenman (Score) ihre Verantwortung. Einer rasanten Fahrt in diesem höllischen KFZ ist von meiner Seite jedenfalls sehr zuzuraten!

7/10

Elliot Silverstein Utah Auto Dämon Monster





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Funxton

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