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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE LODGER (John Brahm/USA 1944)


"Haven't you enough men at your feet already?"

The Lodger (Scotland Yard greift ein) ~ USA 1944
Directed By: John Brahm

1888 wird das Londoner Rotlicht-Viertel Whitechapel von einer Serie von Frauenmorden heimgesucht, deren Urheber sich als ein "Jack The Ripper" zu erkennen gibt. Zeitgleich zieht der mysteriöse Mr. Slade (Laird Cregar) bei dem Ehepaar Bonting (Cedric Hardwicke, Sara Allgood) zur Untermiete ein, das zeitgleich seine Nichte Kitty Langley (Merle Oberon), einen aufstrebenden Revue-Star, bei sich beherbergt. Dass Mr. Slade, der als Pathologe in der Universitätsklinik arbeitet, zu den seltsamsten Zeiten kommt und geht und regelmäßig außer Haus ist, wenn der Ripper zuschlägt, erregt bald den Verdacht der Familie. Man kommt darin überein, Kitty nicht mit Slade allein zu lassen - dennoch ist die junge Frau von der geheimnisvollen Art des Untermieters fasziniert und lädt ihn zu ihrer nächsten Vorstellung ein - in Whitechapel...

Mit dieser Adaption des Schauerromans von Marie Belloc Lowndes, bereits der dritten nach einer Variation von Hitchcock und einer von Maurice Elvey, schuf John Brahm einen ganz vorzüglichen Horrorfilm der Vierziger, der nicht nur die Fox als führendes Genrefilm-Studio neben der Universal und Warner etablieren konnte, sondern bis heute von mancherlei Kino-Historikern als bester Ripper-Film überhaupt erachtet wird - und das weder unter motivischer Anbindung an die Vorlage, noch im Zeichen historischer Fakten. Brahms visuelle Ausflüge in den Expressionismus indes sind in der Tat von meisterhafter Kunstfertigkeit; niemand wird etwa vergessen können, wie Laird Cregar im Finale über eine hängende Leiter huscht und sich dabei deren Sprossen als eine Abfolge von Schatten in seinem vom Wahnsinn gezeichneten Gesicht reflektiert werden. Doch Cregar ist auch sonst von furchteinflößender Präsenz. Mit Ausnahme von Peter Lorre gabe es zu dieser Zeit wohl keinen, dem man den distinguierten madman so gern abzunehmen bereit war wie ihm.
Ein kostbares Kleinod des gotischen Gruselkinos, das weitflächiger Wiederentdeckung bedarf!

9/10

John Brahm London Jack The Ripper period piece Serienmord


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CONTAGION (Steven Soderbergh/USA, AE 2011)


"We want forsythia!"

Contagion ~ USA/AE 2011
Directed By: Steven Soderbergh

In Hong Kong bricht ein Virus aus, das die Infizierten binnen weniger Tage schwächt und tötet. Die amerikanische Firmenangestellte und Familienmutter Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) schleppt die Krankheit in den USA ein und sorgt dort als Überträgerin für eine sich rasend schnell ausbreitende Epidemie. Sowohl das Gesundheitsministerium als auch der Seuchenschutz haben fortan massig zu tun. Der skrupellose Internet-Blogger Alan Krumwiede (Jude Law) nutzt die sich ausbreitende, allgemeine Panik derweil ganz bequem zu Popularitätszwecken.

Deutlich hellsichtiger als etwa der vergleichbare "Outbreak" macht sich Soderbergh daran, die hypothetische Frage nach den Folgen einer die Weltbevölkerung unvorbereitet heimsuchenden Pandemie zu stellen. Im bereits traditionsverhafteten Erzählmodus paralleler Handlungsstränge berichtet er von eifrig und mutig rotierenden Wissenschaftlern und Ärzten in den USA und in Hong Kong, stellt einen ängstlichen, wenngleich immunen Familienvater (Matt Damon) vor, dessen Gattin (Paltrow) zugleich die Urwirtin des Seuchenvirus ist, beschreibt das Panikpotential, die Verzweiflung und Unsicherheiten der Bevölkerung, eruiert Versorgungsengpässe und macht die beängstigende Entdeckung, dass die neuen Informationsmedien nicht nur als Segen, sondern gleichermaßen als Fluch fungieren können, wenn sie nur jemand entsprechend missbraucht.
"Contagion" bietet spannendes, gutes Entertainment, wenngleich kein Film, der Originalitätspreise verdient hat oder der seinem daueraktiven Regisseur einen speziellen Höhepunkt bescheren könnte. Für einen regnerischen Sonntagabend aber erstklassig geeignet.

7/10

Steven Soderbergh Virus Ensemblefilm Atlanta Hong Kong Chicago Internet


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LA NOCHE DI WALPURGIS (Léon Klimovsky/E, BRD 1971)


Zitat entfällt.

La Noche Di Walpurgis (Nacht der Vampire) ~ E/BRD 1971
Directed By: Léon Klimovsky

Die beiden Pariser Studentinnen Elvira (Gaby Fuchs) und Genevieve (Barbara Capell) wollen in der Provinz den Spuren der im Mittelalter verbrannten Hexe Wandesa Dárvula de Nadasdy (Patty Shepard) nachspüren, bei der es sich gleichwohl um eine Vampirin gehandelt hat. Auf dem Lande angekommen begegnen sie dem unglückseligen Werwolf Waldemar Daninsky (Paul Naschy), den ein spöttelnder Gerichtsmediziner wieder ins Leben zurück geholt hat und der nun mit seiner irrsinnigen Schwester (Yelena Samarina) fernab der Zivilisation haust und auf Erlösung hofft. Eine unvorsichtig durchgeführte Exhumierung bringt die Vampirgräfin wieder ins Leben zurück und Elvira und Genevieve in höchste Lebensgefahr.

Billiger Paella-Horror, der zwar mit einer ganz schönen, surrealen Atmosphäre versehen wurde, sich dafür aber an vielen Stellen einfach nur noch lächerlich und doof ausnimmt. Die Story ist reine Maßgabe für ein paar Grusel- und Bluteffekte und von dermaßen wendiger Unstringenz, das man sich allenthalben fragt, ob zum Zeitpunkt der Dreharbeiten überhaupt ein fertiges Script vorlag. Als an einem geradlinigen Plot interessierter Filmzuschauer sollte man "La Noche Di Walpurgis" somit tunlichst meiden. Hexen, Werwölfe, Vampire und Zombiemönche werden wild und motivationsentleert durcheinandergeworfen, wozu die noch zusätzlich desorientierende deutsche Synchronisation ebenfalls ihr Scherflein beiträgt. Immerhin bleiben ein paar einladend-nette Aufnahmen von der spanischen Provinz rund um Madrid und natürlich Paul Naschys wie immer sehenswerte, haarig-geifernde Performance.

4/10

Léon Klimovsky Werwolf Hexen Vampire Frankreich Europloitation Waldemar Daninsky Spanien


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WARRIOR (Gavin O'Connor/USA 2011)


"Okay, gentlemen. Let's go to war!"

Warrior ~ USA 2011
Directed By: Gavin O'Connor

Unabhängig voneinander melden sich die zwei voneinander entfremdeten Brüder Brendan (Joel Edgerton) und Tommy Conlon (Tom Hardy) zum hochdotierten 'Sparta', einem in Atlantic City auszutragenden Freistil-Martial-Arts-Turnier, an. Ihre Motivationen sind recht unterschiedlich: Brendan will seiner eigenen Familie die Privatinsolvenz ersparen und ein sorgenfreieres Lebven ermöglichen, für Tommy, Irakkriegsveteran und Deserteur, bedeutet der Gewinn, dass er den Leuten seines am Golf gefallenen, besten Freundes helfen kann. Tommy lässt sich von seinem Vater (Nick Nolte), einem trockenen Alkoholiker, trainieren, betont jedoch ständig, dass es ihm nicht um eine neue familiäre Annäherung ginge. Als die beiden Brüder sich zum Finale des Sparta-Turniers im Kampfkäfig gegenüberstehen, geht es längst nicht mehr nur um den monetären Gewinn.

Ein Film, wie es ihn seit geschätzt rund zwanzig Jahren in solcher Form nicht zu sehen gab, und der der so gern als 'new sincerity' bezeichneten Stille im Hollywood-Kino nicht nur eine geballte Faust entgegenreckt, sondern ihr gleich noch einen gezielten Fußtritt hinterhersetzt. "Warrior" bemüht nicht nur den Intellekt, sondern setzt dort an, wo emotional basierte Filme eigentlich stets andocken müssen: direkt am Rezipientenherzen. Der Existenzialismus, von dem hier die Rede ist, ist so klischeehaft wie authentisch: Manch einer muss sich, ob im übertragenen Sinne oder voll frontal, erst mit Nachdruck die Fresse polieren lassen, um heutzutage auf einen grünen Zweig zu kommen. Gavin O'Connor, gebürtiger Ire, hat den Film unter anderem in Zusammenarbeit mit seinem Bruder gemacht und liefert damit gleichwohl eine unweigerliche Ernsthaftigkeitsempfehlung ab. "Warrior" müsste nicht zwangsläufig im Amerika des neuen Jahrtausends angesiedelt sein, er könnte auch ebensogut im Dublin von vor hundert Jahren spielen. Diese Geschichte einer zaghaften, familiären Wiederannäherung mitsamt herzblutendem Schuld-, Sühne-&-Erlösungs-Impact, kann sich, weil wir es nicht mit irgendwem, sondern mit traditionell starrköpfigen Kerlen zu tun haben, einzig und allein über Körperlichkeit zutragen. Das mag nicht jedem schmecken, ist aber von höchster immanenter Aufrichtigkeit. Den Adrenalinpegel unterstützend gibt es aufpeitschende Sportreporter-Kommentare und frenetischen Zuschauerjubel, kombiniert mit manipulativem Schnitt und extradramatischer Musik, wie man all das zum letzten Mal im ernstzunehmenden Kino bei "Rocky IV" sehen und zu hören konnte. Kurzum: Wer eine aktuelle filmische Reise in die Kino-Vergangenheit antreten und eine wirkliche Fortführung damaliger Erzählkunst genießen möchte, keine bloße Hommage, der sollte diesen Ritt mitmachen. Es lohnt, gottverdammt.

9/10

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SHANGHAI (Mikael Håfström/USA, CN 2010)


"Leave Shanghai - before it's too late!"

Shanghai ~ USA/CN 2010
Directed By: Mikael Håfström

Oktober 1941: Der Agent Paul Soames (John Cusack) tingelt, im Auftrag für die US-Regierung und getarnt als Journalist, durch die Krisenherde der Welt. In der kurz vor der Invasion durch die Japaner stehenden chinesischen Metropole Shanghai soll Soames aktuell aufklären, wer seinen Berufsgenossen und Freund Conner (Jeffrey Dean Morgan) ermordet haben könnte und warum. Soames, der sich im Nu in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen der Stadt bewegt und Kontakte mit undurchsichtigen Menschen wie dem Triaden-Boss Anthony Lan Ting (Chow Yun-Fat), dessen Frau, der Untergrundkämpferin Anna (Gong Li) sowie dem japanischen Offizier Tanaka (Ken Watanabe) pflegt, findet bald heraus, dass Conner um geheimnisvolle maritime Truppenbewegungen der Japaner wusste. Als diese Pearl Harbor bombardieren und den Staaten den Krieg erklären, wird die Lage für Soames überaus brenzlig.

Spannender, im Noir-Stil gehaltener und stilvoller Politthriller, der ganz in der Tradition klassischen Hollywoodkinos zwischen prachtvoller Ausstattung und erlesener Garderobe steht. In bewusst unaufgeregter Weise entfaltet sich die von kühl-analytischen Voice-Over-Kommentaren durch den Protagonisten begleitete Geschichte an einem der illustersten, exotischen Kriegsschauplätze der Welt und steht damit in ähnlich guter Tradition wie die nicht minder romantisch konnotierten "Casablanca", "From Here To Eternity", "Love Is A Many-Splendored Thing" et.al.. In "Shanghai" knistert es nun zwischen John Cusack und der wunderschönen Gong Li, wobei sich ihre kleine amour fou leider nie gänzlich entfalten kann - zu undurchsichtig der Gegenpart für den jeweils Anderen, zu brisant ihre gedachte Romanze, zu explosiv der Schauplatz. Dass mit der Figur des Captain Tanaka sogar ein immerhin halbwegs sympathischer Widersacher eingeflochten wurde, ist dem Film, der immerhin aus chinesischer Ko-Produktion stammt, durchaus hoch anzurechnen. Auf welch feindselige Weise man dort im Film schon traditionell mit den verhassten Okkupanten umspringt, ist bekannt und die Beispiele dafür sind Legion. "Shanghai" lässt neben manch anderem durchblicken, dass die Zeit für eine Annäherung noch nicht zu spät ist.

8/10

Mikael Håfström China Shanghai WWII Pearl Harbor Spionage film noir neo noir Pazifikkrieg


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LES SPÉCIALISTES (Patrice Leconte/F 1985)


Zitat entfällt.

Les Spécialistes (Die Spezialisten) ~ F 1985
Directed By: Patrice Leconte

Wie zufällig treffen mitten auf einer gebirgigen Serpentine zwei Gefangenentransporte aufeinander: Der eine eskortiert den Bruchkönig Carella (Gérard Lanvin), der andere den mysteriösen Brandon (Bernard Giradeau). Wegen einer vorgeblichen Panne aneinandergekettet, nötigt Brandon Carella zur Flucht und überredet ihn bald darauf, mit ihm zusammen ein Casino an der Côte D'Azur auszunehmen. Carella schwant langsam die Wahrheit: Bei Brandon handelt es sich in Wirklichkeit um einen Undercover-Polizisten, der für einen inoffiziellen Auftrag, bei dem es darum geht, den Mafia-Handlanger Mazetti (Bertie Cortez) auszuschalten, Carellas Künste benötigt. Jener weigert sich jedoch gleichfalls, anschließend wieder in den Knast zurückzukehren, geschweige denn, die stattliche Beute wieder zurückzugeben...

Endlich ist auch diese damals bei uns im Kino sehr erfolgreiche, actionreiche Heist-Perle aus den Achtzigern auf DVD erhältlich. Leconte inszeniert mit urtypisch französischer Gelassenheit und stellt schweißtreibende Szenen neben eine sorgfältige Figurenausarbeitung. Das ungleiche Buddy-Duo wird noch um eine schöne, planerisch anfänglich nicht berücksichtigte Helferin (Christine Jean) ergänzt, und fertig ist alles für einen minutiös auszuarbeitenden Bruch, den Carella und Brandon mit aller gebotenen Kühl- und Kühnheit durchführen. Dass die Geschichte des Films trotz einiger Bemühungen um narrative Akkuratesse noch immer diverse Logiklöcher enthält, verzeiht man ihr angesichts der sonstigen Pros, die Lecontes Regie so mit sich bringt, großmütig. Am Ende stehen dann ein Showdown, der dem aus Irvins kurz darauf entstandenen Arnie-Vehikel "Raw Deal" nicht unähnlich ist, sowie eine neue beste Freundschaft, der man von Herzen alles Gute wünscht.
Klassisches französisches Genrekino.

8/10

Patrice Leconte Heist Casino Frankreich


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THINNER (Tom Holland/USA 1996)


"White man from town says: 'Take it off!'"

Thinner ~ USA 1996
Directed By: Tom Holland

Der wohlbeleibte Anwalt Billie Halleck (Robert John Burke) kann mit seinem Leben zufrieden sein. Er hat eine nette Familie daheim und ist in seinem Beruf durchaus erfolgreich. Nur sein Übergewicht will reduziert werden, was dem bei jedem sich bietenden Anlass großzügig reinhauenden Billie jedoch nicht eben leicht fällt. Als er aus Unachtsamkeit eine alte Zigeunerin (Irma St. Paule) überfährt und hernach vor Gericht freigesprochen wird, belegt der Vater (Michael Constantine) des Opfers, der Sippenälteste Tadzu, Billie, den Richter (Howard Erskine) und den zugunsten Billies aussagenden Chief Hopley (Daniel von Bargen) mit unterschiedlichen Flüchen. Billie nimmt urplötzlich radikal ab, egal, wieviel er auch isst. Aus anfänglichem Enthusiasmus wird bald Todesangst, als Billie klar wird, dass der Gewichtsverlust rasend schnell und ohne Unterbrechung weitergeht. Zusammen mit einem früheren Klienten, dem Mafiamitglied Ginelli (Joe Mantegna) versucht Billie den Ziegeuner zu zwingen, den Fluch wieder zurückzunehmen.

Prima King-Adaption, die mal wieder zeigt, welch unterhaltsame Filme sich aus den trägen Vorlagen des Autors destillieren lassen, ist nur der rechte Regisseur mit dieser Aufgabe betraut. Tom Holland hat sein Händchen für ironisch aufgezogene Horrorfilme, angereichert mit einer Note sehr perfiden, bösen Humors, ja bereits in den Achtzigern mit "Frigh Night" und "Child's Play" demonstrieren können. "Thinner", bis dato leider der letzte von Holland inszenierte Leinwandfilm, schlägt nochmals in eine ganz ähnliche Kerbe. Die vordergründig simple Geschichte des Zigeunerfluchs lässt sich in vielerlei Beziehung als bissiger Kommentar lesen; bezüglich Diätenwahn, bezüglich des demoskopischen Hochmutes, den gewisse soziale Schichten sich anderen sozialen Schichten entgegenzubringen herausnehmen, oder, ganz einfach, bezüglich der Selbst-Fettfütterung der Bourgeoisie. Robert Burke, der sich ja in späteren Jahren leider ebenfalls sehr rar gemacht hat, kann bei seiner besten Leistung beobachtet werden, die schicke Kari Wuhrer gefällt nicht minder und dazu kommen die immens spielfreudigen Mantegna und Constantine. Ein paar saftige Effekte mitsamt dem hübsch ekligen Kuchenfinale runden die ganze Chose ab. Ganz ausgezeichneter Film, leider weitflächig missachtet und untergegangen.

8/10

Tom Holland Stephen King Zigeuner Fluch Maine Satire


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THE WARD (John Carpenter/USA 2010)


"If I were you I'd watch out, new girl."

The Ward ~ USA 2010
Directed By: John Carpenter

Nachdem sie ein Haus abgefackelt hat kommt die unter Amnesie leidende Kristen (Amber Heard) in die North-Bend-Psychiatrie. Gegen ihren Willen dort festgehalten bemerkt Kristen bald, dass ein geisterhaftes Mädchen (Jillian Kramer) auf den Gängen des Hospitals umgeht und sowohl sie selbst als auch ihre Mitpatientinnen attackiert. Doch niemand vom Pflege- und Ärztepersonal will den Mädchen glauben...

Eine formal saubere Arbeit hat John Carpenter da nach langer Schaffenspause abgeliefert, die sicherlich nicht an vergangene Großtaten anknüpfen kann, seine bei seinen letzten Filmen spürbare Orientierungslosigkeit jedoch wieder etwas in die Schranken weist. Dass Carpenter sich in der symbolischen Gummizelle des mental Abseitigen sehr wohl fühlt, konnte man bereits anhand seines letzten wirklich bemerkenswerten Werks, nämlich "In The Mouth Of Madness", ablesen. "The Ward" knüpft in vielerlei Hinsicht dort an und greift die bewährte Topographie und Architektur des gleichsam großen und leeren Hospitals wieder auf. Das (selbstverständlich) nur augenscheinlich unüberschaubare Gebäude wird zu Carpenters wohlfeil genutztem Gefährten und aufs Neue erweist sich der Altmeister als besonders versierter Raumkonstrukteur. Soweit also alles in Butter. Doch nun weist sich "The Ward" nicht nur als professionelles Genrekino aus, er müht sich zudem, eine Geschichte zu erzählen, der er sehr viel von seinem dramaturgischen Potenzial opfert und an deren Ende ein von bombastischem inszenatorischem Pomp begleiteter Twist steht. Geschrieben wurde das Ganze von zwei Rasmussen-Brüdern, die offenbar noch relativ unbeschriebene Blätter sind, die sich jedoch, soviel ist sicher, vorzüglich aufs Recyceln und Plagiieren verstehen. Da gibt es nämlich zwei durchaus nicht unbekannte Filme namens "Identity" und "Shutter Island", die praktisch exakt dieselbe Story in dazu noch sehr ähnlicher Form und in dazu im Grunde narrativ erschöpfender Weise vortrugen. Ich hatte das große Glück, über den Inhalt von "The Ward" nichts zu wissen und konnte so im Hinblick auf die Auflösung zumindest anfänglich noch spekulieren. Dass das Finale jedoch so plump ausfallen, und eine bereits hinreichend durchexerzierte Idee neu aufkochen würde, hätte ich angesichts eines Films dieses Regisseurs kaum glauben mögen.

6/10

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NAM'S ANGELS (Jack Starrett/USA 1970)


"Ever been to China?"

Nam's Angels (Verdammt, verloren, verkommen - The Losers) ~ USA 1970
Directed By: Jack Starrett

Der Rocker Link (William Smith) und seine vier Kumpels Duke (Adam Roarke), Speed (Eugene Cornelius), Limpy (Paul Koslo) und Dirty Denny (Houston Savage) werden in Vietnam eingeflogen, um einen jenseits der kambodschanischen Grenze festgehaltenen CIA-Agenten (Jack Starrett) zu befreien. Dass dieser zufällig ein alter Intimfeind Links ist, übersieht jener großmütig. Bevor die renitenten Motorradjungs jedoch ihrem eigentlichen Auftrag nachgehen, sorgen sie in der nächsten Stadt noch für ordentlich Rambazamba.

Interessanter Beitrag zur Rockerfilm-Welle, der sich das für dieses Subgenre ungewohnte Terrain des Vietnamkriegs aussuchte. Da zwei der an der inoffiziellen Befreiungsaktion beteiligten Benzinesel-Brüder (Roarke, Savage) bereits Veteranen sind, die in Vietnam ihre große Liebe gefunden bzw. ein Rotlicht-Etablissement eröffnet haben, kann die bei genauerer Betrachtung wenig kalorienhaltige Story noch etwas aufgemöbelt werden. Mit Ausnahme des Oberhelden William Smith, der einen sehr gradlinigen und vergleichsweise wenig problematischen Vertreter seiner Zunft spielt, haben nämlich alle Rocker kleine bis mittelschwere Problemepisoden durchzustehen und eifrig Zeit, Bier zu trinken, sich einheimische Damen in die Kiste zu holen oder Joints und Opiumpfeifchen zu berzen. Ein reiner Missionsfilm hätte sich in diesem speziellen Fall aber auch als unangemessen bis langweilig ausgenommen - schließlich will man einen Rocker auch und vor allem bei seinem üblichen Tagesgeschäft observieren.

6/10

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THE CONSPIRATOR (Robert Redford/USA 2010)


"Have you ever believed in something far greater than yourself?"

The Conspirator (Die Lincoln Verschwörung) ~ USA 2010
Directed By: Robert Redford

Nachdem der Lincoln-Mörder John Wilkes Booth (Toby Kebbell) auf der Flucht erschossen wurde, kommen seine angeblichen Mitverschwörer vor Gericht - darunter auch die Hotelbetreiberin Mary Surratt (Robin Wright), in deren Haus die Tat offensichtlich geplant wurde und deren Sohn (Johnny Simmons) nach wie vor flüchtig ist. Für den liberalen Senator Johnson (Tom Wilkinson) ist die Anklage gegen die faktisch unschuldige Mary Surratt eine reine Farce, die einzig und allein als staatlicher Racheakt gewertet werden muss und die damit eine verfassungsschädigende Aktion darstellt. Er bekniet den Nachwuchsanwalt und Kriegsveteranen Frederick Aiken (James Macavoy), Mrs. Surratt zu verteidigen, eine ebenso zermürbende wie letzten Endes müßige Aufgabe.

Welche und wie viele unrühmliche(n) Kapitel es in der amerikanischen Historie gibt, kann man besonders akribisch anhand der US-Filmgeschichte ablesen, die seit ihrem Bestehen als Aufbereitungs- und Aufarbeitungsmaschinerie für nationale Fehler und Debakel gehandhabt wird. "The Conspirator" fügt jener Gattung einen neuerlichen Beitrag hinzu. Zwar hat die unrechte Verurteilung und Hinrichtung Mary Surratts, wie der Film einem per Schlusstafel versichert, dazu geführt, dass jeder US-Zivilist auch das Recht auf einen Zivilprozess hat, dies macht die arme Frau (von Robin Wright mit einer beinahe schon sakralen Märtyrerinnen-Gleichmut porträtiert) jedoch auch nicht wieder lebendig und die ihr aufgrund rein staatlicher Willkür widerfahrene Ungerechtigkeit keinesfalls ungeschehen. Worum es dem sich ja selbst gern zum intellektuellen Förderer stilisierenden Redford letzten Endes vornehmlich ging; um die Bestandsaufnahme eines krisengeschüttelten und von der Überreaktion bedrohten Staates oder um die Darstellung des steinigen Weges hin zu einem weiteren Schritt Freiheit, kann nur gemutmaßt werden. Filmisch betrachtet ist "The Conspirator" - erwartungsgemäß - in seiner Position als Ausstattungsdrama höchst akkurat und mit größter Sorgfalt gefertigt. Die stark stilisierten Bilder sind durch digitale Nachbereitung in ausschließlich bräunlichen sepiafarben gehalten und wirken, zeitgenössischen Fotografien gleich, zusätzlich ausgeblichen und unscharf. Mag sein, dass ihre anfängliche, affektive Wirkung zunächst noch von dem ansonsten etwas fleischlos scheinenden Skelett des Films ablenken kann; allen äußeren Schmuckes entledigt bleibt jedoch wenig mehr als ein immerhin gut gemeintes, leicht überdurchschnittliches Werk.

6/10

Robert Redford period piece Historie Verschwörung Courtroom Abraham Lincoln





Filmtagebuch von...

Funxton

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