Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

ENDGAME - BRONX LOTTA FINALE (Joe D'Amato/I 1983)


Zitat entfällt.

Endgame - Bronx Lotta Finale (Endgame - Das letzte Spiel mit dem Tod) ~ I 1983
Directed By: Joe D'Amato

Die postapokalyptische Welt im Jahre 2055: Ron Shannon (Al Cliver), ungekrönter König des TV-Spektakels "Manhunt", wird von einer Gruppe unterirdisch lebender, mit telepathischen Kräften ausgestatteter Mutanten angeheuert, sie an der "herrschenden Clique" vorbei und aus der Stadt zu schleusen und zu einem geheimen Treffpunkt zu bringen, wo ihre Genossen sie abholen werden. Zusammen mit einigen anderen, kurzerhand rekrutierten Recken, geht Shannon seine gefahrvolle Mission an...

Da jeder etwas auf sich haltende italienische Genreregisseur in der ersten Hälfte der Achtziger mindestens einen Endzeitfilm vorzuweisen hatte, blieb sich auch der alte Lustmolch Aristide Massacesi aka Joe D'Amato nichts schuldig: Nach dem bereits ein Jahr zuvor entstandenen "Anno 2020 - I Gladiatori Del Futuro", der ganz nebenbei unverschämterweise bei uns immer noch nicht ungeschnitten erhältlich ist, begab sich D'Amato mit "Endgame" noch ein weiteres Mal in die Wirren des atomaren Armageddon. Es ist immer wieder so liebenswert wie unglaublich, mit welch ungeheurer Kaltschnäuzigkeit sich all die Zampanos des B-Kinos seinerzeit ihre infantilen Geschichten zu Eigen machten und hernach zu selbstsicherem, angeblichem Erwachsenenkino aufblähten. "Endgame" liegt nicht nur eine absolut kindliche Weltkogik zugrunde, er tut auch noch so, als müsste seine gesamte Zuschauerschaft diese mit ihm teilen. Es gibt gute Mutanten und böse Mutanten, bei den guten Mutanten beschränkt sich die Veränderung ihres Erbgutes auf irgendswelche PSI-Kräfte, die bösen sind allesamt hässlich und verrucht. Natürlich muss Shannon nur die guten Mutanten, darunter - klar, wir sind bei D'Amato - auch Laura Gemser, in Sicherheit bringen, denn diese planen mittels absoluter Gedankenkontrolle die Welt irgendwann wieder zum Zwangsfrieden zu verdonnern. Der Film nimmt das alles völlig gelassen hin, präsentiert ein Dialogfeuerwerk von unbekümmerter Debilität und ist sich garantiert für keinen noch so dämlichen Hakenschlag zu schade. Gut so.

5/10

Joe DAmato Apokalypse Exploitation Trash Söldner Mutanten Menschenjagd


Foto

THE GIRL WITH THE DRAGON TATTOO (David Fincher/USA, SE, UK, D 2011)


"Bring your drink, leave my knife."

The Girl With The Dragon Tattoo (Verblendung) ~ USA/SE/UK/D 2011
Directed By: David Fincher

Der Investigativ-Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) wird während einer beruflichen Krise von dem Groß-Unternehmer und Patriarchen Henrik Vanger (Christopher Plummer) als Detektiv engagiert. Blomkvist soll herausfinden, wer vor rund fünfzig Jahren Vangers Nichte Harriet ermordet hat. Als Blomkvist merkt, dass er allein nicht weiterkommt, bittet er die eigenwillige Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) um Hilfe, die auch ihn selbst einst erfolgreich bespitzelt und derzeit einige persönliche Probleme zu bewältigen hat. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine zarte Romanze, derweil der Mörder seine Kreise immer enger um sie zieht.

Der Erstverfilmung von Niels Arden Oplev mindestens ebenbürtige Adaption des ersten "Millenium"-Romans, die andere formale und inhaltliche Schwerpunkte setzt, vor allem aber infolge Finchers exzellenter Inszenierung trumpft. Hat man sich mit den impliziten Fragwürdigkeiten, die die Entstehung des Films zwangsläufig begleiten und einmal mehr um die nordamerikanische Eigenart kreisen, ausländisches Erfolgskino mit kulturimperialistischem Gestus umzuformen und zu assimilieren (selbst, wenn dies bedeutet, eine schwedische Geschichte mit englischsprachigen Darstellern in englischer Sprache zu adaptieren), einmal hinreichend auseinandergesetzt und abgefunden, wird der Blick frei auf einen deutlich "filmischeren Film" als ihn Oplevs Variation darstellte. Die Urfassung zeigte sich oftmals dann doch primär von den Mechanismen klassischer TV-Formalia bedient, wo Fincher eben das Auge eines mittlerweile erfahrenen Kinoregisseurs einsetzen kann. Craig ist auswechselbar, aber die tolle Rooney Mara, ohnehin bereits im ersten Trilogieteil Kerncharakter der Story, präsentiert eine verletzlichere, emotional differenzierter erschgeinende Lisbeth Salander als die knüppelharte Noomi Rapace zuvor. Umso mehr trauert man am Ende mit ihr, nachdem sie ihr just wiederentdecktes Vertrauen in die Zwischenmenschlichkeit gleich wieder auf den Müll werfen darf.
Es lohnt in jedem Fall, sich Finchers zugeschliffene Version des Stoffs anzuschauen, auch unter Kenntnis des Originals. Lässt sich nur hoffen, dass auch noch der Rest der Trilogie dereinst von ihm übernommen werden wird.

8/10

David Fincher Schweden Stockholm Serienmord Journalismus Stieg Larsson Remake Millenium-Trilogie Familie Madness


Foto

CHAPLIN (Richard Attenborough/USA, J, F, I 1992)


"If you want to understand me, watch my movies."

Chaplin ~ USA 1992
Directed By: Richard Attenborough

Der große Filmemacher und Slapstickpionier Charles Chaplin (Robert Downey Jr.) geht mit seinem Biographie-Lektoren George Hayden (Anthony Hopkins) seine Lebensgeschichte durch, rund um Chaplins Emigration nach Amerika, seine ersten Gehversuche beim Film, seine zahlreichen Ehen und schließlich seine Zwangsausweisung durch Chaplins ewigen Intimfeind, den FBI-Chef J. Edgar Hoover (Kevin Dunn).

Mustergültiges Biopic, das ich immer gern als Finale einer entsprechenden Trilogie betrachtet habe, welche meiner Kontinuitätslogik zufolge dann mit "Gandhi" und "Cry Freedom" ihre ersten zwei Drittel hervorgebracht hätte. Allen drei Filmen gemein ist die jeweils atemberaubend inszenierte Lebenszeichnung einer ikonischen Persönlichkeit des letzten Jahrhunderts, wobei "Chaplin" natürlich nur einen sekundären politischen Subtext beinhaltet. Jener beschränkt sich auf Chaplins Kleinkrieg mit Hoover, der dem Künstler regelmäßig Staatsfeindlichkeit vorwarf, dessen Vielweiberei mit deutlich jüngeren Partnerinnen dem FBI-Direktor ein ewiger Dorn im Auge war und der somit 1952 unter dem Deckmantel eines Scheinprozesses prompt des Landes verwiesen wurde, nachdem er mit seiner letzten Frau Oona (Moira Kelly) eine Europareise angetreten hatte. Es gibt also viel zu berichten und Attenborough erfüllt diesen seinen Auftrag bravourös, stets unter dem Banner der für solche Filme üblichen Mischung aus Faszination und Kritik. Downey Jr.s beängstigend selbstaufgegebenes Spiel ist eine Sternstunde authentifizierter Filmdarstellung und dürfte bis heute den unangefochtenen Höhepunkt seiner Laufbahn markieren. Dazu gibt es viel Glamour, liebevoll-detailversessene Ausstattung, eine bis in Kleinstrollen fantastische Besetzung und John Barrys gewohnt schwelgerische Musik, die sowieso jeden Film zur Oper generiert. Ein Hochgenuss.

9/10

Charles Chaplin Richard Attenborough Film im Film Biopic Ehe period piece Hollywood J. Edgar Hoover


Foto

WILLIAM S. BURROUGHS: A MAN WITHIN (Yony Leyser/USA 2010)


"You really wouldn't know if you were already dead."

William S. Burroughs: A Man Within ~ USA 2010
Directed By: Yony Leyeser

Heroinsüchtig, schwul, waffenfanatisch, introvertiert, ein Totschläger und eine Gallionsfigur der Gegenkultur: Zusammen mit seinen beiden Freunden und Mentalgefährten Jack Kerouac und Allen Ginsberg avanciert William S. Burroughs gegen Ende der fünfziger Jahre zu einem Leitcharakter der Beat- und Hip-Bewegung, indem er sich trotz starker Selbstzerfleischungstendenzen zu allem bekannte, was ihn zur damaligen Zeit zum ultimativen Bürgerschreck machte. Die spätere Zeit ging milder um mit dem trockenen Autoren und Künstler, der gemäß seinen Weggefährten erst kurz vor seinem Tod zu erkennen schien, dass Liebe im Leben unerlässlich ist.

Ein beeindruckender und berückender Dokumentarfilm von Yony Leyser, der den stets aktuellen, bis heute dräuenden Facetten um die Ikonographie Burroughs' Platz einräumt: Über seine verleugnete, versteckte Homosexualität, seine Drogensucht und -experimente, die selbst einen Timothy Leary Staunen machten, seine Unfähigkeit, die Dinge aus einem Blickwinkel bar jeder Zynik zu betrachten, den versehentlichen Mord an seiner Ehefrau, den frühen Alkoholtod seines Sohnes, seine Gehversuche als Künstler und seine einflussreiche Position in der New Yorker Gegenkultur, die er irgendwann aufgab, um ungestört in Kansas durch die Gegend ballern zu können, zeichnet der Film ein geschlossen montiertes, ebenso liebevolles wie bewusst unvollständiges Bild eines der rätselhaftesten und faszinierendsten Prominenten des 20. Jahrhunderts. Und ist nebenbei äußerst sehenswert.

8/10

Yony Leyeser William S. Burroughs Beat Generation Literatur Drogen Heroin Gegenkultur Punk Kunst Homosexualität


Foto

J. EDGAR (Clint Eastwood/USA 2011)


"No one freely shares power in Washington, D.C.."

J. Edgar ~ USA 2011
Directed By: Clint Eastwood

Informationen sind Macht: Gegen Ende seines Lebens zieht der langjährige FBI-Direktor J. Edhgar Hoover (Leonrado Di Caprio) Bilanz und lässt einen seiner Agents (Michael Rady) seine Autobiographie für ihn schreiben. Was sich allerdings in seinem Privatarchiv, befindlich in Hoovers persönlichem Büro, angesammelt hat und in seinen seelischen Untiefen, bleibt Hoovers Geheimnis über seinen Tod hinaus.

"Gepflegt" war das erste Attribut, das mir während Eastwoods versiertem Biopic durch den Kopf schoss; gepflegt in Auftreten, Attitüde und Weltperspektive. Die Altersmilde des konservativen Filmemachers kristallisiert sich allein schon durch seine Themwahl und den entsprechenden Approach aus - "J. Edgar" behandelt als eines seiner vordringlichen Themen totgeschwiegene Homosexualität und das daraus resultierende Unglück für alle Beteiligten. Hoover und sein engster Vertrauter Clyde Tolson (Armie Hammer) leben in einem eheähnlichen Verhältnis zusammen - dennoch kommt es nie zu öffentlicher Körperlichkeit, nie zu einer "falschen" Regung, die Hoovers weiße Publikweste mit rosa Flecken besudeln könnte. Darin spiegelt sich auch die tief verwurzelte Paranoia des besessenen Ermittlers wieder, der zeitlebens damit befasst war, über sämtliche Landesprominenz permanent im Bilde zu sein und Verschwörungen sowohl hinter dem Aufkommen des Kommunismus in den frühen Zwanzigern als auch hinter der Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigern witterte. DiCaprio, mittlerweile höchst erfahren im Porträtieren von Personen mit tief verwurzeltem Neurosengeflecht, lässt einmal mehr durchscheinen, dass er irgendwann zu den großen Schauspielern des frühen dritten Jahrtausends gezählt werden wird; tatsächlich scheint sein Spiel sogar immer noch nuancierter und perfektionierter zu werden, je mehr Erfahrungen mit Weltregisseuren er sammelt.

8/10

Clint Eastwood FBI J. Edgar Hoover period piece Biopic Washington D.C. Homosexualität McCarthy-Ära Kalter Krieg


Foto

AT CLOSE RANGE (James Foley/USA 1986)


"He's my father."

At Close Range (Auf kurze Distanz) ~ USA 1986
Directed By: James Foley

Erst als junger Erwachsener lernt der in einem Provinzkaff beheimatete Brad Whitewood Jr. (Sean Penn) seinen kriminellen Vater Brad Whitewood Sr. (Christopher Walken) kennen. Zunächst beeindruckt von der anarchistischen Coolness seines alten Herrn, der ihm unter anderem ein Auto schenkt, muss Brad Jr. bald einsehen, dass sein alter Herr ein gemeingefährlicher, opportunistischer Psychopath ist. Als Brad Jr. im Gefängnis landet, versucht sowohl das FBI ihn zu einer Aussage gegen seinen Vater zu bewegen, was dieser außerhalb der Knastmauern mit irrsinnigen Druckmitteln und einer Jagd auf die Freunde seines Sohnes quittiert, der schließlich sogar Brads Bruder Tommy (Chris Penn) zum Opfer fällt. Dennoch entschließt sich Brad Jr., mit seiner Freundin Terry (Mary Stuart Masterson) das Weite zu suchen. Doch sein Dad lässt ihn nicht so einfach gehen...

Ein jeder hat sie ja, diese Handvoll Filme, die einen, ganz ohne mit äußerem, grellem Naturalismus aufwarten zu müssen immer wieder, einem Pflasterstein gleich, mitten in die Fresse treffen und völlig fertig, ausgeblutet und schweigend zurücklassen. "At Close Range" hat jene ungeheure Wucht schon bei mir hinterlassen, seit ich ihn in den Achtzigern das erste Mal gesehen habe und er unmerklich und umweglos in meinen Lieblingsfilm-Olymp aufgestiegen ist, wo er bis heute ein, wie ich just wieder mal kopfschüttelnd bemerken musste, völlig unberechtigtes Schattendasein fristet. "At Close Range" geht an die Grenzen psychischer Belastbarkeit und darüber hinaus, ist ein ungeheuer kraftvoller Film, der das Fegefeuer der Oberflächlickeiten seiner Entstehungsphase komplett ignoriert und in eine ganz andere Richtung weist als all die gelackten Großstadtdramen dieser Zeit (wie etwa der unmittelbar zuvor gesehene "Against All Odds" von Taylor Hackford). Foley zeichnet die schwüle, südstaatliche US-Provinz als saftig-grüne Hölle, in der geheuchelte Blutsbande nichts mehr zählen, wenn es um Geld und Macht geht; hier tragen die Gangsterpatriarchen bestenfalls vor gericht Nadelstreifenanzüge und pflegen ihren angeblichen "Familien"-Habitus nur so lange, wie niemand ihnen gefährlich wird oder an ihrem Thron zu sägen droht. Christopher Walken habe ich niemals, selbst bei Ferrara, bedrohlicher erlebt als in diesem Film, in dem er einen Proleten-Patriarchen von zunächst bewundernswerter Lässigkeit gibt; ganz den ewig typischen Walken-Gestus vor sich hertragend. Irgendwann jedoch, als es ihm ans Leder zu gehen droht, explodiert Brad Whitewood Sr., benutzt, manipuliert, entpuppt sich als höchst irdener Appalachen-Derwisch, vergewaltigt die Freundin seines Sohnes, tötet schließlich gar seinen Jüngeren, den "Bastard", wie er den einst außerehelich gezeugten Tommy boshaft zu nennen pflegt. Zu einer solchen auratischen Intensität hat es der große Chris Walken - zumindest meinem subjektiven Empfinden nach - später nie mehr gebracht.
Ähnliches gilt für James Foley, dessen bis dato große Sternstunde dieser mit aller Macht an die Substanz seiner Zuschauerschaft gehende Film geblieben ist, wenngleich er seinen Stern mit der Mamet-Adaption "Glengarry Glenn Ross" immerhin nochmal aufflackern lassen konnte. Vermutlich liegt es daran, dass Foley ein Filmemacher ist, der seine kreative Klimax stets im Zuge reziproker Wechselseitigkeit erreichte. Wenn man sich dagegen einen ganz ähnlich angelegten, jüngeren Film wie "Winter's Bone" anschaut, weiß man wieder um das Potenzial dieses kleinen großen, hammerharten Monsters von Film.

10/10

James Foley Südstaaten Familie Freundschaft Appalachen Coming of Age Marihuana


Foto

AGAINST ALL ODDS (Taylor Hackford/USA 1984)


"It's simple: either you want to play football again, or you don't."

Against All Odds (Gegen jede Chance) ~ USA 1984
Directed By: Taylor Hackford

Nachdem Footballstar Terry Grogan (Jeff Bridges) wegen einer Schulterverletzung aus dem Team fliegt, steht er zunächst mittellos da. Da engagiert ihn sein alter Freund, der Buchmacher Jake Weiss (James Woods), als Schnüffler: Terry soll in Mexiko Jakes Verflossener Jessie Wyler (Rachel Ward) nachspüren, die zufälligerweise auch die Tochter der Besitzerin (Jane Greer) von Jakes Ex-Team ist. Als sich Terry und Jessie begegnen, beginnen sie fast vom Fleck weg eine heftige Affäre, die ein abruptes Ende findet, als Jakes früherer Trainer Sully (Alex Karras) in Yucátan mit einer Pistole vor ihnen steht und von Jessie erschossen wird. Zurück in L.A. versucht Jake, Terry wiederum für seine miesen Geschäfte einzuspannen und ihn gleichermaßen von Jessie fernzuhalten.

Dass "Against All Odds" bis heute stets nur als flaues Remake des Tourneur-Klassikers "Out Of The Past" gehandelt zu werden scheint, wird ihm nicht gerecht. Zwar ist der Film eines jener so typischen Beispiele, die veranschaulichen, mit welch glitzernden Reiz-Methoden im Hollywood der Achtziger Kino gemacht, Oberflächen-Trends etabliert, gesetzt und weitergesponnen wurden (ein anderes zu nennendes Werk in diesem Zusammemhang ist McBrides "Breathless", bekanntlich ebenfalls die Transponierung eines völlig andersartigen Klassikers in die damalige Gegenwart), genausogut ist er jedoch auch ein hervorragendes Form-Exempel dieser Periode. Wenn die jeweils perfekt gebauten Jeff Bridges und Rachel Ward nackt in einem Maya-Tempel aufeinanderliegen um Liebe zu machen, beäugt von steinernen archaischen Götzenbildern, dann stellt sich rasch das befremdliche Gefühl ein, zwei ätherischen Retortenmenschen beim interstellaren Koitus zuzusehen und man wähnt, dass ausgemachter Körperkult heute keineswegs eine temporäre Modeerscheinung war und/oder ist. Überhaupt entpuppt sich der gesamte Film, wie besonders die schöne Schlusseinstellung demonstriert, am Ende als große Ode an die makellose Physis Rachel Wards, in die Taylor Hackford zu dieser Zeit ganz offensichtlich schwer verschossen war. Doch auch sonst hat "Against All Odds" seine Qualitäten: Die schwülen klimatischen Verhältnisse von L.A. und Mexiko passen hervorragend in diese Tage und waren sogar vordringlicher Grund, warum ich, gegenwärtig elend bett- und/oder couchlägerig, mir Hackfords Film mal wieder anschauen wollte. Neben Phil Collins' wunderschönem Titelsong freilich.
Man begehe bitteschön nicht den allseits zum Nachteil gereichenden Fehler, "Against All Odds" als bloße Neuadaption zu betrachten. Andernfalls nämlich langt er dazu, gehörig Eindruck zu schinden.

7/10

Taylor Hackford Los Angeles Mexiko Karibik neo noir film noir Remake Football


Foto

STRAIGHT TIME (Ulu Grosbard/USA 1978)


"We'll check it out."

Straight Time (Stunde der Bewährung) ~ USA 1978
Directed By: Ulu Grosbard

Ehrlich zu werden ist nicht leicht, wenn der gönnerhafte Bewährungshelfer (M. Emmet Walsh) einen permanent unter Druck setzt, die alten Freunde (Gary Busey) fixen und auch sonst nichts vernünftig läuft. Genau diese Erfahrung macht der nach sechs Jahren Staatsgefängnis auf Bewährung freigekommene Räuber Max Dembo (Dustin Hoffman), der nicht lange fackelt, bevor er wieder ein Ding dreht und bereits größere Überfälle plant.

"Straight Time" zählt nicht nur zu den essenziellen L.A.-Filmen - ihm gebührt zudem das ungewöhnliche Kompliment, die Chuzpe zu besitzen, das kleinkriminelle, urbane Milieu als herzlich unromantische und unerstrebenswerte Realitätsfacette zu zeichnen, in der ungeschriebene Gesetze und Moralbegriffe herrschen, mit denen man als wohlgenährter Vertreter gemütlicher Gutbürgerlichkeit über das Kino hinaus nur ungern zu tun hätte.
Im Laufe des Films erfährt man viel über diesen Max Dembo, schon durch Dustin Hoffmans Präsenz anfänglich unausgesprochen sympathisch und als Identifikationsfigur eingeführt. Der Mann tut, wonach ihm just der Sinn steht; wenn's sein muss auch unter Gewaltanwendung und kennt keine Gnade, wenn man sein Vertrauen missbraucht. Er ientpuppt sich bei aller Cleverness als nicht nur asozial, sondern als waschechter Soziopath. Am Ende, nach einer nochmal visuell repetierten, langjährigen Knastkarriere, wartet auf Max Dembo nurmehr die Höchststrafe, und diese fällt in Kalifornien bekanntermaßen höchst unangenehm aus. Möglicherweise entschließt er sich aber doch nochmal anders und entkommt über die Grenze; diese moralische Wunschentscheidung zu fällen überlässt Grosbard seinem Publikum. Ebenso wie die Lesart, "Straight Time" als Reflexion über ein dysfunktionales Strafsystem zu begreifen. Oder einfach nur als grandioses Kleingangster-Drama.

9/10

Los Angeles Heist Ulu Grosbard New Hollywood Heroin Freundschaft


Foto

ACROSS 110TH STREET (Barry Shear/USA 1972)


"I'll tell you what, motherfuckin' Doc Johnson..."

Across 110th Street (Straße zum Jenseits) ~ USA 1972
Directed By: Barry Shear

Die drei Kleinganoven Jim Harris (Paul Benjamin), Joe Logart (Ed Bernard) und Henry Jackson (Antonio Fargas) erleichtern die New Yorker Mafia bei einem Geldtransfer in Harlem um eine stattliche Geldsumme und legen dabei sieben Menschen um. Fortan sitzen dem Trio nicht nur der bei der 'Familie' um Anerkennung buhlende Nick D'Salvio (Anthony Franciosa), sondern auch die beiden unterschiedlichen Cops Mattelli (Anthony Quinn) und Pope (Yaphet Kotto) im Nacken...

Phantastischer Gangsterthriller aus den frühen Siebzigern, der das noch junge Mafia-Genre mit zeitgenössischen Cop-Filmen sowie einem sanften Blaxploitation-Einschlag kombiniert und seinen Job permanent voll konzentriert, sauspannend und vor allem mit gebührender Intelligenz und Ernsthaftigkeit hinlegt. Bereits angefangen mit dem wunderbaren Titel und dem klassischen Song von Bobby Womack (allerdings in einer deutlich flotteren Version als die heute bekannte) kommt in den neunzig Folgeminuten ein vielschichtiger, grandios gespielter Ensemblefilm zustande, der mittels seiner empathischen Darstellung nicht nur sämtlichen vorgestellten Charakteren einen abgerundeten Background verschafft, sondern sich darüber hinaus durchaus in die Reihen der großen New Yorker Polizeifilme jener Tage einzugliedern weiß. Ein Muss.

9/10

Barry Shear Mafia New York Harlem Blaxploitation


Foto

PERFECT SENSE (David Mackenzie/UK, SE, DK, IE 2011)


"About Michael... I was right."

Perfect Sense ~ UK/SE/DK/IE 2011
Directed By: David Mackenzie

Weltweit verlieren die Menschen einen nach dem anderen ihrer Sinne. Einem jeweils intensiven Gefühlausbruch mit mehr oder minder fatalen Konsequenzen folgen nach und nach der Verlust von Geruchs-, Geschmacks und Gehörsinn, bis nurmehr Seh- und Tastsinn übrig bleiben - absehbar kurzer Halbwertzeit inklusive. Vor diesem zwangsläufig apokalyptischen Szenario lernen sich in Glasgow zwei beziehungsgefrustete Menschen kennen und lieben: Der Gourmet-Koch Michael (Ewan McGregor) und die Epidemologin Susan (Eva Green).

Allegorie über die Liebe in Zeiten der sensuellen Überbelastung: Reduziert auf den letzten Außenkanal des Fühlens und Berührens sollte die Menschheit endlich wieder zu ihrem Kern zurückfinden, so die Thetik des Films. Als sicherlich interessante Spielart der andauernden Virusfilm-Welle lässt sich "Perfect Sense" denn auch wirklich vorzüglich anschauen und genießen, wenngleich die Geschichte nicht gänzlich bzw. bis zur letzten Konsequenz durchdacht scheint. Offenbar scheint man - Scriptautor, Seuche oder höhere Macht, ganz egal wer - im Taumel der Sinnes-Freuden und -Unwägbarkeiten (dass "Perfect Sense" bei diesem Handlungsschauplatz ganz vorzüglich ausschaut, lässt sich denken) zumindest vor dem elementaren Sinn, dem des Tastens nämlich Halt zu machen bzw. ihn als letzte Kommunikationsmöglichkeit zu hinterlassen. Logisch ist das nicht eben, aber was soll's. Im Kern ist "Perfect Sense" mit seinem einfach-zweideutigen Titel ja immer noch eine Romanze. Und darin zählen bekanntlich keine harten Fakten. Außerdem bringt Mackenzie Renton und Spud wieder zusammen. Allein dafür gebührt ihm die goldene Methadonnadel.

7/10

David Mackenzie Apokalypse Parabel Glasgow Schottland Restaurant Virus





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare