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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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HOPE AND GLORY (John Boorman/UK, USA 1987)


"The law of life. Cruel isn't it?"

Hope And Glory ~ UK/USA 1987
Directed By: John Boorman


Für Bill (Sebastian Rice Edwards), einziger Sohn und mittleres Kind der Londoner Familie Rowan, ist der heraufziehende Zweite Weltkrieg keineswegs ein Grund für Entsetzen und Traurigkeit. Obgleich sein Dad (David Hayman) sich freiwillig zum Kriegsdienst meldet: Die Bombenangriffe der deutschen Flieger verfolgt Bill zusammen mit seiner Ma (Sarah Miles) und seinen zwei Schwestern (Sammi Davis, Geraldine Muir) aus dem heimischen Luftschutzbunker heraus mit gespannten Adrenalinschüben. Seine beeindruckende Granatsplitter-Sammlung wächst stetig an und in den ausgebombten Ruinen lässt es sich vorzüglich spielen. Der Schulunterricht wrd immer wieder durch Fliegeralarm unterbrochen und die Wochen, die Bill und seine Familie bei dem etwas knarzigen Großvater (Ian Bannen) auf dem Land verbringen, werden zur erlebnisreichsten Zeit überhaupt für ihn.

Ausgerechnet die entbehrungsreichen Jahre des Zweiten Weltkriegs als periodischen Hintergrund für eine nostalgische Kindheitsgeschichte zu nutzen, mag zunächst keinem allzu offensichtlichen Einfall geschuldet sein; was Boorman jedoch daraus macht, ist bestes britisches Philanthropenkino, das nur ganz selten einmal von ernsthaften oder nachdenklichen Momenten durchbrochen wird. Boormans Fokus lagert darauf, zu zeigen, dass sich durch bloßen, kindlichen Enthusiasmus, gekoppelt mit der bedingungslosen Annahme gegebener, durch nichts änderbarer Zustände - schon gar nicht durch die Machtlosigkeit eines Neunjährigen - alles noch so Widrige bewältigen lässt. Diese unbeschwerte, liebenswerte und lebensbejahende Sicht der Dinge macht "Hope And Glory" zu einem von Boormans schönsten Filmen.

9/10

John Boorman WWII England London Familie Kinder


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L'AÎNÉ DES FERCHAUX (Jean-Pierre Melville/F, I 1963)


Zitat entfällt.

L'Aîné Des Ferchaux (Die Millionen eines Gehetzten) ~ F/I 1963
Directed By: Jean-Pierre Melville


Weil er in Frankreich wegen eines lang zurückliegenden Gewaltverbrechens angeklagt werden soll, entschließt sich der reiche Unternehmer Dieudonné Ferchaux (Charles Vanel) nach Amerika ins Exil zu gehen. Zunächst will er seine Konten in New York leeeräumen, um sich dann nach Caracas abzusetzen. Für seine Reise engagiert er den klammen und glücklosen Boxer Michel Maudet (Jean-Paul Belmondo) als seinen Privatsekretär. Auf der überstürzten Reise von New York nach Louisiana entwickelt sich zwischen Ferchaux und Maudet sich eine Art Hassliebe, die auf den jeweilgen Egozentrismus der ansonsten so unterschiedlichen Männer zurückgeht. Schließlich ist Maudet es leid, für seinen zunehmend kränkelnden Chef das Kindermädchen zu spielen...

Wie so häufig bei Melville geht es auch in "L'Aîné Des Ferchaux" um Einsamkeit und wie sie einem das Leben zu durchkreuzen vermag. Sowohl Ferchaux als auch sein junges Pendant Maudet sind misstrauische Individuen bis zur letzten Konsequenz, die nichts und niemanden näher an sich heranlassen würden als unbedingt nötig und stets damit beschäftigt sind, den persönlichen Vorteil Maß walten zu lassen. Erst als der sein Ende herbeikommen sehende Ferchaux bemerkt, dass es langsam zu spät wird für ihn und ihm langsam bewusst wird, dass er niemanden zurücklassen wird, der sich einen Dreck um ihn schert, kommen ihm Zweifel an seiner rücksichtslosen Lebensführung. Was nach Ferchaux' Tod auf den reumütigen Maudet wartet, bleibt ungewiss.
Melville inszeniert sein Road Movie durch den Südosten der USA mit dem faszinierten Blick des Europäers. Wie man spätestens seit Wenders weiß, sieht Amerika in europäischen Filmen oft völlig anders aus als im Hollywood-Kino; umso faszinierender und verwandter Melvilles unmittelbarer Blick. Davon lebt "L'Aîné Des Ferchaux", ebenso wie von der die visuelle Atmosphäre wunderbar unterstützenden Musik von Georges Delerue.

8/10

Jean-Pierre Melville Road Movie New Orleans Flucht


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MY SON, MY SON, WHAT HAVE YE DONE? (Werner Herzog/USA, D 2009)


"Mr. McCullum! Would you please come outside?"

My Son, My Son, What Have Ye Done? ~ USA/D 2009
Directed By: Werner Herzog


Der kalifornische Theaterdarsteller, Südamerikareisende und stark ödipal geprägte Brad McCullum (Michael Shannon) streckt eines Tages seine dominante Mutter (Grace Zabriskie) mit einem Schwert nieder und verschanzt sich daraufhin mit zwei zunächst nicht zu identifizierenden Geiseln in seinem Haus. Der ihn belagernde Detective Havenhurst (Willem Dafoe) versucht mithilfe von Brads Verlobter Ingrid (Chloë Sevigny) und seines Regisseurs Lee Meyers (Udo Kier) ein psychologisches Profil des offenbar wahnsinnig Gewordenen zu erstellen und zu rekonstruieren, wie es zu einer solchen Tat kommen konnte.

David Lynch wird "lediglich" als ausführender Produzent genannt, man meint aber, seinen übermächtigen Einfluss auch in mancherlei zum Absurden neigenden Szene wiederzuentdecken. Und davon gibt es einige in "My Son, My Son, What Have Ye Done?". Herzog versucht einen Brückenschlag zwischen ordinärem Kriminalfilm, seiner eigenen Persönlichkeit, der antiken Tragödie, der Psychoanalyse und einer amerikanischen Jugend, die geprägt ist von den alleinerzieherischen Anstrengungen einer herrischen Mutter und die der der Kino-Ikone Norman Bates nichtmal unähnlich ist. Ein auf den ersten Blick sicherlich gewagt scheinendes Konzept, das aber durchaus aufgeht und rundläuft als ungewöhnliches kleines Filmkunstwerk. Herzog probiert manches zur Untermalung seiner sich grotesk ausnehmenden Geschichte; die bizarre Schreitvogel-Symbolik gehört ebenso dazu wie eine Gruppe von New-Age-Spinnern, die Nahnatur-Erfahrungen in Peru sucht, ein Basketball in einem kahlen Bäumchen und einige tableaux vivants, in denen das Bild scheinbar einfriert, die Charaktere jedoch tatsächlich für längere Zeit zu verharren haben. Das Ganze ist nicht unbedingt unsperrig, besitzt jedoch einen ganz speziellen, exzentrischen Zauber, wie ihn ausschließlich Werner Herzog zu evozieren imstand ist. Kombiniert mit der Dreingabe einer sanften Prise Lynch freilich.

8/10

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TREFFER (Dominik Graf/BRD 1984)


"Ich hab keinen Bock mehr auf diese selbstgedrehte Scheiße. Ich will 'nen guten Wein, 'nen gescheiten Börek und 'ne Reval ohne."

Treffer ~ BRD 1984
Directed By: Dominik Graf


Die drei Freunde Albi (Max Wigger), Franz (Dietmar Bär) und Tayfun (Tayfun Bademsoy) stehen auf Motorräder und gehen zusammen durch dick und dünn. Als ihr Chef und Meister (Fritz Bachschmidt) stirbt, geht die dazugehörige Werkstatt und damit der Arbeitsplatz des Trios ausgerechnet an ihren erzfeind Alf (Rainer Grenkowitz) und seine Schrottplatz-Assis. Die krummen Geschäfte, in die sich Albi, Franz und Tayfun hernach verstricken, machen nichts besser - im Gegenteil...

Einmal Verlust der Unschuld für Tisch 13? Kommt sofort!
Frühwerk von Graf, verliebt in die von ihm porträtierte Subkultur der provinziellen Schrauber, Rennfahrer und Kleinganoven, für die ein schicker Anzug gar nichts und eine kalte Pulle Bier alles ist. Entsprechend sympathisch sind die drei Hauptfiguren, auch wenn die südliche Pfalz als Schauplatz mir als eingefleischtem Ruhrgebietler erstmal nicht viel gibt - gerade wo man doch weiß, dass Typen wie Dietmar Bär eigentlich original Pottinventar sind. Doch es lässt sich auch so gut auskommen mit "Treffer", da der Film, obgleich bis kurz vorm Ende eher wenig Weltbewegendes passiert, stets interessant bleibt, seine stark maskulin gefärbte Sicht der Dinge gut durchhält und sein loses episodisches Konzept traumwandlerisch fortspinnt. Da verzeiht man dann sogar das etwas überdramatische Finale. Aber irgendwann müssen die Jungs ja mal erwachsen werden und ihr coming of age erleben...

8/10

Dominik Graf Coming of Age Pfalz Freundschaft TV-Film Subkultur Motorräder


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TEACHERS (Arthur Hiller/USA 1984)


"You're not gonna betray ol' JFK, are ya?"

Teachers (Die Aufsässigen) ~ USA 1984
Directed By: Arthur Hiller


Der John-F.-Kennedy-High-School stehen schwere Zeiten bevor: Nicht nur, dass die Familie eines graduierten Schülers die ohnehin in der Kritik stehende Bildungsinstitution verklagt, weil betreffender Eleve nach wie vor Analphabet ist; auch der Lehrkörper steht am Rande des Abgrunds. Ausgebrannte, Frustrierte, Angstpatienten, Alkoholiker, ein Sportlehrer, der eine Schülerin schwängert sowie ein semiseniler Direktor bestimmen das Bild des Kollegiums. Als ein Psychiatriepatient durch Zufall den Geschichtsunterricht übernimmt, merkt zunächst niemand etwas, weil seine Unterrichtsgestaltung so ausnehmend lebendig ist. Und der versoffene, aber bei seinen Schülern beliebte Alex Jurel (Nick Nolte), der zumindest immer halbwegs den Überblick behalten hat, soll abgesägt werden.

"Teachers" hat stets viel Kritik einstecken müssen: Für ein realistisches Porträt des amerikanischen Schulsystems sei er zu unrealistisch, für eine Satire zu grell, für eine Komödie sei er zu düster, für ein Drama zu albern. Alles Blödsinn, wenn man mich fragt. Die Zustände, die in "Teachers" angeprangert werden, sind in ihrer radikalen Darstellung möglicherweise nicht repräsentativ, aber an den entsprechenden Schulen auch heute noch akut und keineswegs so überzogen, wie uns manch gutgläubiger Feuilletonist vielleicht weismachen möchte. Gut, es mag nicht alle Tage vorkommen, dass ein Lehrer (Royal Dano) im Unterricht verstirbt und wegen dessen gewohnt lahmer Schnarchdidaktik zunächst niemand etwas davon merkt. Auch, dass eine Polizei-Razzia zum Unfalltod eines Schülers (Crispin Glover) führt, mag eher der Seltenheit anheim gestellt sein. Aber da ist "Teachers" dann eben wieder ganz bitterböse Satire, hier und da vielleicht geschmacklos, möglich. Aber nichtsdestotrotz von eminenter Klugheit und Hellsichtigkeit beseelt.

8/10

Ohio Schule Arthur Hiller Satire


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THE HORSEMAN (Steven Kastrissios/AU 2008)


"Just to feel..."

The Horseman ~ AU 2008
Directed By: Steven Kastrissios


Nachdem seine Tochter ins Rotlichtmilieu abgerutscht ist und dort einen Herointod sterben musste, ist der Arbeiter Christian (Peter Marshall) nur an einem interessiert: Sämtliche der Beteiligten zur Strecke zu bringen. Seine einzige Spur besteht in einer Pornocassette, auf der Christians Tochter in stark benebeltem Zustand zu sehen ist. Produzent, Regisseur, Darsteller - niemand entkommt Christians blutigem Rachefeldzug.

Australien als Setting für einen Selbstjustiz-Thriller erscheint ja eher ungewöhnlich, doch ähnlich wie in "Lantana" bleiben die Schauplätze eher anonym und lassen für den durchschnittlichen Westeuropäer nur wenig Rückschlüsse auf ihren Ablichtungsort zu. Auch durch die farbentleerte HD-Kamera wirkt "The Horseman" blass und grau, jedoch keinesfalls leblos. Die atmosphärische Tristesse dient dazu, den psychischen Zustand Christians zu untermauern, der nach dem gewaltsamen Tod seiner Tochter zum Borderliner geworden ist und nurmehr einzig für eine irrationale Rache lebt, die betreffs ihrer Motivation bis zum Schluss ebenso fragwürdig bleibt wie ihre unverhältnismäßige Praxis. Dies unterscheidet "The Horseman" zugleich von anderen Vigilantenfilmen: Christian ist kein Held, er ist der schlimmste Psychopath von allen Figuren, denen man in "The Horseman" begegnet, und es sind wahrlich einige gemeingefährliche Individuen darunter. Dass die Rettung einer jungen Ausreißerin (Caroline Marohasy) am Ende auch für Christian eine Art Rettung bedeutet, ist vermutlich der glücklicherweise sehr subtil eingesetzten, biblischen Symbolik des Films geschuldet. Anyway, toller Film.

8/10

Australien Transgression Steven Kastrissios Rache


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ROLLING THUNDER (John Flynn/USA 1977)


"Why do I always get stuck with crazy men?" - "Cause that's the only kind that's left."

Roling Thunder (Der Mann mit der Stahlkralle) ~ USA 1977
Directed By: John Flynn


Die beiden Piloten Charles Rane (William Devane) und Johnny Vohden (Tommy Lee Jones) kehren nach sieben Jahren Kriegsgefangenschaft in die USA zurück. Man sieht es ihnen nicht gleich an, aber ihre furchtbaren Erlebnisse haben sie innerlich zerbrochen. Das Leben daheim hält weitere unangenehme Überraschungen bereit. Zunächst eröffnet Charles' Frau Lisa (Lisa Blake Richards) ihm, dass sie ihn verlassen wird. Dann werden die Ranes von einer Gang übler TexMex-Gangster unter der Führung des sachmierigen "Fettauge" (James Best) überfallen, die Charles' rechte Hand verstümmeln und Lisa und Charles' Sohn (Jordan Gerler) erschießen. Nach einiger Zeit wieder gebesen trägt Charles nun eine Stahlklaue als Prothese und macht sich auf die Suche nach Fettauge. Johnny unterstützt ihn bei der letzten großen Schlacht.

Knüppelharter Heimkehrerfilm aus einer Zeit, da diese Unterabteilung des Vietnam-Genres noch gering bevölkert war. Dass sich aus "Rolling Thunder trotz des Selbstjustiz-Plots kein simpel strukturiertes, unreflektiertes "Death-Wish"-Plagiat gerierte, dafür sorgt das ebenso kluge wie karge Script Paul Schraders, das die Ausgebranntheit vieler Vietnam-Heimkehrer widerspiegelt. Auch vom verlorenen Krieg als nationales Trauma berichtet der Film; der bloße Gebrauch des Wortes 'Vietnam' etwa scheint tabu, ständig ist nur von 'drüben' die Rede. Man ignoriert, übergeht, schweigt tot - wiederum auf Kosten der depressiven Veteranen. Somit ist Ranes Racheaktion weniger ethische Notwendigkeit als vielmehr eine insgeheim willkommene Gelegenheit, weiterzumachen, wieder etwas zu fühlen. Und eine neue Mission, die es erfolgreich zu erfüllen gilt.
Zusammen mit den später entstandenen "Who'll Stop The Rain" und "Cutter's Way" ergibt "Rolling Thunder" somit eine thematisch eng verwandte, vortrefflich postulierte Veteranen-Anthologie zwischen allen Genre-Stühlen, die später dann fortgeführt wurde von politisch eindeutiger formuliertem Kino wie "The Exterminator" und den "First Blood" - Filmen.

8/10

Rache Texas John Flynn Mexiko Vietnamkrieg Veteran


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HOTTE IM PARADIES (Dominik Graf/D 2003)


"Det is' det wahre Leben."

Hotte im Paradies ~ D 2003
Directed By: Domink Graf


Hotte (Misel Maticevic), ein kleiner Berliner Zuhälter, staunt nicht schlecht als sein "Kollege" Detta (Oliver Stritzel) ihm sein Pferdchen Jenny (Nadesha Brennicke) zu überaus günstigem Kurs weitervermittelt. Jenny ist das Bild einer attraktiven Frau, nur hat sie leider "nich mehr alle Tassen im Schrank". Dass da was Wahres dran ist, merkt Hotte bald buchstäblich am eigenen Leib und auch sonst läuft es eher ungünstig für ihn. Die Rolex und das heißgeliebte Jaguar-Cabrio jedenfalls müssen alle paar Tage in Zahlung gegeben werden. Als Hotte dann auch noch sein Herz für Gestrauchelte entdeckt, wird es richtig übel für ihn...

Grandiose Milieustudie über die kleinen Kiezhengste, die gerne auf dicke Hose machen und mit den Zweihundertern wedeln, dabei jedoch aufgrund ihres gnadenlosen Umfeldes stets um Leib und Leben fürchten müssen. Graf gelingt es durch diverse Gestaltungsmittel hervorragend, dieses unstete Leben abzubilden; gefilmt ist das Ganze mit einer stinknormalen Videokamera, was das Publikum zunächst womöglich glauben macht, es habe da ein billiges Unfilmchen vor sich, durch die dennoch hervorragende Kameraarbeit, ein ungeheures Auge für Details und einen traumhaften Schnitt jedoch zum vorgesehenen Ziel führt: Authentizität. Auch dank Maticevics großartiger, lebebsechter Performance ist man spätestens ab Minute 5 voll drin in Hottes kleiner Welt und will da auch so schnell nicht wieder heraus, zumal ihn und uns ja glücklicherweise die Mattscheibe trennt.

9/10

Kiez Berlin Kokain Dominik Graf TV-Film Prostitution


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THE RIGHT STUFF (Philip Kaufman/USA 1983)


"Request permission to relieve bladder."

The Right Stuff (Der Stoff aus dem die Helden sind) ~ USA 1983
Directed By: Philip Kaufman


Der Durchbruch der Schallmauer am 14. Oktober 1947 durch den Air-Force-Piloten Chuck Yeager (Sam Shepard) ebnet den USA den Weg in das Raumfahrtzeitalter. Aus dem Wunsch, den Weltraum zu "erobern" wird bald ein Konkurrenzkampf mit den Russen um den ersten Mann im All. Schließlich gibt die US-Regierung das von deutschen Raketenwissenschaftlern mitentwickelte "Mercury"-Programm in Auftrag, für das sieben Elite-Piloten (Ed Harris, Dennis Quaid, Scott Glenn, Fred Ward, Lance Henriksen, Scott Paulin, Charles Frank) ausgebildet werden.

Formvollendetes Epos um die Anfänge der Raumfahrt, von Philip Kaufman keineswegs zur pathetischen US-Heldenmär aufgebauscht, sondern mit einer feinen ironischen Note versehen, die eine latente formelle Distanz zum Geschehen garantiert. Dabei präsentiert sich Kaufman jedoch nicht als plumper Nestbreschmutzer; die Faszination, mit der er sich seines Sujets annimmt, bleibt zu jeder Sekunde präsent - nur begeht er eben glücklicherweise nicht den verlockenden Fehler, sich in einem Meer unkritischer Heldenverehrung zu suhlen. Für die ehrgeizigen Heroen der Luft ist es kein Leichtes, vor der Öffentlichkeit zu bestehen. Der äußere Druck durch Politik und die globale Situation, aufdringliche Journalisten, psychische Unebenheiten, Ehekrisen unterminieren die nach außen hin vorgetragene Standfestigkeit der Männer. Neben den von einem zuweilen transzendenten Zauber getragenen Bildern von Caleb Deschanel verdankt Kaufman somit auch viel seinem Ensemble, das von damals noch unbekannten Schauspielern personifiziert wurde und heute als glorreiche Starbesetzung durchgeht. Glenn, Ward, Harris, Quaid, Donald Moffat, John P. Ryan oder Jeff Goldblum spielen sich, im Wissen an etwas Großem teilzuhaben, den Allerwertesten ab.

9/10

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SAVAGE (Brendan Muldowney/IE 2009)


"You know, you got a problem, Paul."

Savage ~ IE 2009
Directed By: Brendan Muldowney


Der freie Dubliner Fotojournalist Paul Graynor (Darren Healy) wird eines Abends auf offener Straße von zwei Jugendlichen überfallen, misshandelt und verstümmelt. Nachdem er, oberflächlich geheilt, das Krankenhaus wieder verlassen hat, brechen seine seelischen Narben immer wieder auf: Tinnitus, Panikattacken, Angstzustände und Impotenz werden zu ständigen Begleitern. Ein Selbstverteidigungskurs, regelmäßige Besuche im Fitnessstudio und eine Psychotherapie bringen nicht die erwünschten Resultate. Irgendwann entschließt sich Paul stillschweigend dazu, dass nur Rache die Antwort sein kann. Als er zusätzlich noch aggressionsfördernde Steroide erwirbt, kommt es zur Katastrophe.

"Savage" bildet zusammen mit "Eden Lake" und "Harry Brown" so etwas wie eine neuenglische Reaktionärs-Trilogie, zumindest, wenn man "Savage als originär irischstämmiges Werk als gewissermaßen auch britisches Kulturartefakt zu betrachten bereit ist. In allen drei Filmen geht es jedenfalls im weitesten Sinne um die zunehmend besorgniserregenden Zustände der nationalen Jugend, die ihre Perspektivlosigkeit und Langeweile in offene Gewalttätigkeit kanalisiert und dabei zugleich eine potenzielle Welle der Gegengewalt provoziert. Jene erscheint fast noch weniger greifbar und unkontrollierbarer, weil sie nicht aus sozialen Missständen, sondern aus blanker innerer Wut heraus gebiert, als psychische Reaktion.
Muldowneys Film widmet sich dabei deutlich intensiver als die beiden anderen gennanten der psychischen Situation des Opfers. Paul Graynor wird von Beginn an als introvertierter, einsamer Mensch charakterisiert, den ein brutaler, physischer Angriff schließlich mit brachialer Gewalt über eine möglicherweise ohnehin bereits hauchdünne Grenzlinie stößt. Es ist, als würde "Savage", so unwohl er mit seinen teils schwer erträglichen Bildern auch mundet, am Schluss aus vollster Brust ausrufen: "Diesmal habt ihr den 'Richtigen' erwischt, ihr Wichser, also wundert euch nicht, gottverdammt!" Das macht den Film und seine Sicht der Dinge durchaus diskutabel, die Wahl seiner Mittel aber hebt ihn letzten Endes kaum über das Niveau der vielen anderen aktuellen revenge movies hinaus.
Zurück bleibt schließlich ein mit einer finsteren Weltsicht ausgestattetes Drama, das mit Dublin immerhin eine eher kleine Metropole, in der man als Kenner der Stadt nicht unbedingt den Anfang vom Ende wähnen würde, zum Schauplatz macht.

7/10

Transgression Madness Rache Irland Brendan Muldowney Dublin





Filmtagebuch von...

Funxton

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