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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DE BEHANDELING (Hans Herbots/B 2014)


Zitat entfällt.

De Behandelig (Die Behandlung) ~ B 2014
Directed By: Hans Herbots

Mit der Jagd auf einen geisteskranken und gewaltbereiten Kinderschänder, der nicht nur seine jungen Opfer, sondern auch deren Eltern nachdrücklich leiden lässt und der in Kontakt mit einem organisierten Untergrundnetzwerk pädophiler Verbrecher steht, erlebt der belgische Polizist Nick Cafmeyer (Geert Van Rampelberg) zugleich eine Reise in die eigene, traumatische Vergangenheit: Im Kindesalter ist sein Bruder Björn von einem Päderasten, wahrscheinlich Nicks Nachbar Ivan Plettinckx (Johan van Assche), gekidnappt worden und seither nie mehr aufgetaucht. Weder konnte Plettinckx jemals die Entführung nachgewiesen noch Björns Leiche gefunden werden. Möglicherweise lebt er noch; zudem ergeht sich Plettinckx in höhnischen Versteckspielen mit Cafmeyer. Dennoch gilt es, zunächst, den "Troll" zu fangen, jenen geisterhaften Kinderschreck, der über Wände gehen kann und der stets "von oben kommt"...

Atmosphärisch und ansatzweise auch mental in der Tradition von all den abseitigen Genrestücken der letzten Jahre und Jahrzehnte, von "Se7en" über Stieg Larssons "Millenium"-Trilogie respektive deren Verfilmungen, "Srpski Film", "Prisoners" und der ersten Staffel "True Detective", steht dieser junge belgische Thriller, der vielleicht auch ein Stück weit zur nationalen Trauma-Bekämpfung dient, nachdem das kleine Land sich von den schrecklichen Ereignissen um Marc Dutroux und seinen wohl doch recht umfassenden "Interessenzirkel" nie wirklich erholen konnte. "De Behandeling" erfordert demgemäß einiges an Ertragenspotenzial. Was die Autorenphantasie hier um den völlig durchgedrehten Serientäter, der neben seinen abartigen Neigungen gleich noch ein paar weitere entsprechende Charakteristika aufweist - er ist impotent, (berechtigterweise, wie suggeriert wird) sozial isoliert, fettleibig, sabbert, stottert und experimentiert mit Pisse, um seine Privattheorie der seine Manneskraft verdrängenden, weiblichen Toxine zu verifizieren -, aus dem sprichwörtlichen Hut zaubert, ist schon abscheulich. Ein wahrer Untermensch also, den "De Behandeling" sich da neben einigen anderen "Szene"-Individuen da als Feindbild ausgesucht hat und von dem im Nachhinein alles Mögliche behauptet werden kann - nur nicht, als Objekt einer halbwegs differenzierten Figurenausarbeitung gedient zu haben.
Immerhin taugt Herbots Film zu dem, was er im Mindesten auch sein soll, nämlich als ordentlicher Nägelkauer, dessen Erzählzeit wie im Fluge vergeht und der besonders zum Finale hin, das dann auch nur semi-happy ausklingt, ein hohes Spannungsmaß aufrecht erhält. Auch, wenn's zunächst widersprüchlich anmuten mag: ebenso kompetent wie dumm.

6/10

Hans Herbots Pädophilie Belgien Home Invasion


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THE JUDGE (David Dobkin/USA 2014)


"Everyone wants Atticus Finch until there's a dead hooker in a bathtub."

The Judge (Der Richter - Recht oder Ehre) ~ USA 2014
Directed By: David Dobkin

Als seine Mutter stirbt, kommt der in Chicago arbeitende Staranwalt Hank Palmer (Robert Downey Jr.) nach vielen Jahren der Absenz zurück in seine Geburtsstadt in Indiana, wo sein Vater Joseph (Robert Duvall) noch immer als Richter tätig ist. Die Heimreise entwickelt sich zu einem Trip zu diversen, ungeklärten Sollbruchstellen in der Vergangenheit. Hank und sein Dad sind nämlich nicht gut aufeinander zu sprechen, seit Hank einst als Jugendlicher im Rausch einen Autounfall verursacht hat, der die Baseball-Karriere seines älteren Bruders Glen (Vincent D'Onofrio) zunichte machte. Palmer Sr. verurteilte den Filius daraufhin zu einer Jugendgefängnisstrafe, was dieser nie verwunden hat. Urplötzlich muss Hank nun seinen Vater vor Gericht verteidigen, da dieser angeklagt wird, mutwillig einen früheren Verurteilten (Mark Kiely) überfahren zu haben. Der Alte kann sich jedoch an nichts erinnern - offenbar ein Nebeneffekt seiner öffentlich geheimgehaltenen Chemotherapie, mit der er seinen Darmkrebs im Zaum hält.

Ein biederes, überraschungsarm und vorhersehbar gescriptetes Vater-/Sohn-Drama im Gerichtsmilieu. Die Figuren entsprechen aus etlichem Artverwandtem bekannten Stereotypen und selbst die Besetzung des in vielerlei Hinsicht an die Grisham-Adaptionen erinnernden Films nimmt sich standesgemäß aus: Sowohl Downey Jr. als auch Duvall waren bereits in Altmans "The Gingerbread Man" zugegen und sind mit entsprechender Erfahrung ausgestattet. Damit nicht genug: Schon nach den ersten paar Minuten lässt sich auch mit geringer Kenntnis vermeintlicher hollywoodscher Erfolgsmechanismen der gesamte Verlauf des Films ganz gezielt herbeiorakeln: Sohn und Vater sind infolge eines lange zurückliegenden Streits zerstritten und müssen sich angesichts aktueller Ereignisse zusammenraufen; man lernt sich neu kennen und sogar lieben, der Opa lernt endlich sein reizendes Enkelkind (Emma Tramblay) kennen; der gelackte Yuppie erfindet sich neu, wenn er seinen inkontinenten Vater säubert und somit für diesen Verantwortung übernimmt. Am Ende ist alles wieder in harmonischem Einklang und der Filius bereit, die erbfolge eines Dads anzutreten. So weit, so bekannt.
Im Prinzip macht einzig die (allerdings auch) gewohnheitsmäßig bravouröse, manchmal mutige Vorstellung des exzellenten Robert Duvall "The Judge" sehenswert. Diese kann man dafür allerdings kaum hoch genug bewerten.

5/10

David Dobkin Courtroom Vater & Sohn Brüder Familie Krebs Indiana Chicago Rache


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CRIMINAL LAW (Martin Campbell/USA 1988)


"Hi Mom. Killing babies again?"

Criminal Law (Der Frauenmörder) ~ USA 1988
Directed By: Martin Campbell

Für den Yuppie-Anwalt Ben Chase (Gary Oldman) zählt einzig seine Erfolgsbilanz: Dass er dabei oftmals Monster und Schwerstkriminelle verteidigt, gehört eben zum Geschäft und kann zumeist erfolgreich ausgeblendet werden. Als Ben jedoch gewahr wird, dass sein jüngster Klient, der aus reichem Elternhause stammende Martin Thiel (Kevin Bacon) tatsächlich die Frau umgebracht hat, für deren grausamen Mord er auf der Anklagebank saß und von Ben erfolgreich verteidigt wurde, gerät er in einen herben Gewissenskonflikt. Plötzlich wird die Karriere zur Nebensache und die moralische Entscheidung darüber, inwieweit es überhaupt vertretbar ist, den mittlerweile zum Serienmörder aufgestigenen Thiel weiter zu vertreten, zu Bens Hauptumtrieb. Als auch seine neue Freundin Ellen (Karen Young) in tödliche Gefahr gerät, gibt es für Ben nurmehr eine Lösung...

Recht ausufernd erzählter Courtroom-Thriller, der sich qualitativ der in den Achtzigern grassierenden, legionären Masse des Subgenres angleicht. Mit Oldman und Bacon treten zwei damals noch sehr unverbrauchte Darsteller in den Ring, deren Beziehung zueinander sich zunehmend komplex gestaltet: Während Martin Thiel, der seit frühester Jugend ein schweres Trauma mit sich herumschleppt und zu dessen Tilgung nunmehr gezielte Opfer auswählt, in seinem Verteidiger eine Mischung aus Vertrauensperson und Marionette wähnt und augenscheinlich auch homoerotische Avancen in ihre einseitig belastete Bindung legt, gerät umgekehrt Thiel für den von seinem Antagonisten eigentlich kaum minder faszinierten Ben Chase zu einer berufsethischen Zerreißprobe. Der hedonistische Yuppie sieht sich vor die Wahl gestellt: Diesen extrem renommierten Fall gewinnen und einer ebenso erfolgreichen moralentleerten Karriere als gewissenloser Teufelsadvokat entgegen gehen oder zum Selbstjustizler werden, der seinen Mandant verraten muss, um die Gesellschaft vor ihm zu schützen. Es ist primär den Hauptakteuren und Campbells ihnen schadlos zuspielender Inszenierung zu verdanken, dass aus dieser eigentlich wenig innovativen Konstellation überdurchschnittlich spannendes Unterhaltungskino werden konnte.

7/10

Martin Campbell Courtroom Serienmord Madness


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GRIZZLY (David Hackl/USA, CA 2014)


"Welcome home."

Grizzly (Red Machine - Hunt Or Be Hunted) ~ USA/CA 2014
Directed By: David Hackl

Nach einer siebenjährigen Gefängnisstrafe wegen Totschlags kehrt Rowan (James Marsden) in sein Heimatstädtchen zurück. Dort ist sein älterer Bruder Beckett (Thomas Jane) nach wie vor Deputy und schlecht auf Rowan zu sprechen. Doch dieser hat einen konkreten Grund, hier zu sein: Mary (Mariel Belanger), die Frau seines alten Kumpels Johnny (Adam Beach), hat ihn hergerufen, um ihr zu helfen. Johnny hat sich offenbar einer Gruppe Bärenwilderer angeschlossen, die bereits seit Tagen in den Wäldern verschollen sind. Der Grund dafür zeigt sich bald - ein riesiger Grizzly läuft Amok und tötet jeden Menschen, der ihm über den Weg läuft. Rowan und Beckett und auch der fanatische Bärentöter Douglas (Billy Bob Thornton) machen sich, zunächst alle unabhängig voneinander, auf den Weg in das undurchdringliche Waldstück 'Grizzly Maze', um den Killer unschädlich zu machen.

Ich bin ja ein Fan von Killer-Grizzlys seit William Girdlers bislang unerreichtem Original, das seinerseits eigentlich bereits ein Plagiat darstellte. Wo Girdler Spielbergs "Jaws" nacheiferte, wagt David Hackl doch tatsächlich das Unglaubliche und versetzt nach über 30 Jahren Michael Andersons ebenfalls sehr schönen "Orca" in das Milieu der Rocky Mountains. Der titelgebende Bär ist nämlich auf einem Rachefeldzug gegen das Raubtier Mensch, nachdem das böse Wilderer-Trio seine Gefährtin mitsamt ihren Jungen dahingeschlachtet hat. Und auch ein Pendant für Richard Harris gibt es: Billy Bob Thornton als eine Art Käpt'n Ahab unter den Grizzly-Jägern dieser Welt!
Angesichts der erwartbar immens löchrigen Story und der kostengünstigen Präsentation des Films (am Ende gibt es eine dermaßen beschissen aussehende CGI-Feuersbrunst, dass ich mich ernsthaft fragte, ob ich da lediglich eines workprint ansichtig war) mutet es schon recht unglaublich an, welch darstellerische Prominenz-Power dieses Abschreibungsobjekt veredelte: Neben den bereits Erwähnten finden sich noch die nach wie vor überaus ansehnliche Piper Perabo (in einer albernen Rolle als taubstumme Naturliebhaberin) und Scott Glenn ein; nicht zu vergessen der unverwüstliche Filmbär Little Bart, Nachfolger des gleichnamigen Originals, das zu seinem Lebensende eine exklusivere Filmographie auf dem pelzigen Nacken hatte als manch menschlicher Star. Dass diese selbst jedem Hollywood-Großprojekt zur Ehre gereichende, natürlich auch etwas überreife Besetzung ausgerechnet einem kleinen Tierhorrorfilm zur Verfügung stand, zeugt möglicherweise von einer neuerlichen Präambel-Verschiebung im Schauspiel-Karussel: "Man muss nehmen, was man kommt - auch wenn es stinkt, ein bisschen." (Helge Schneider)

5/10

David Hackl Tierhorror Bär Jagd Brüder


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FRIDA (Julie Taymor/USA, CA, MEX 2002)


"I just want your serious opinion."

Frida ~ USA/CA/MEX 2002
Directed By: Julie Taymor

Nach einem fast tödlich verlaufenen Busunfall lernt die junge Mexikanerin Frida Kahlo (Salma Hayek) während ihrer langen, qualvollen Genesung, ihre Emotionen in Zeichnungen und Malerei zu kanalisieren. Kurz darauf lernt sie den von ihr insgeheim bereits länger bewunderten Künstler Diego Rivera (Alfred Molina) kennen. Neben ihrer politischen Aktivität als Kommunisten lernt sich das ungleiche Paar bald lieben und übersteht einige schwere Krisen, doch Diegos stete Promiskuität, deren Gipfel sich in einer Liebesnacht mit Fridas Schwester Christina (Mía Maestro) manifestiert, treibt sie wieder fort von ihm. Als Frida und Diego dem flüchtigen Leo Trotzki (Geoffrey Rush) Schutz und Asyl gewähren, finden sie wieder zueinander und heiraten ein zweites Mal. Doch Fridas Gesundheit verschlechtert sich zusehends...

Ich fand Julie Taymors Biopic schon immer ganz wunderbar, besonders, weil es solch ein immenses Savoir-vivre versprüht und mit Salma Hayek und Alfred Molina zwei wahrhaft leidenschaftlich aufspielende Hauptdarsteller vorweist, die es in dieser Kombination scheinbar mühelos vermochten, bereits einen ganzen Film allein zu tragen. Hinzu kommt, qua krönender Höhepunkt, Taymors nicht minder fabelhafte Art (im ursprünglichen Wortsinne) der Inszenierung, die mittels kraftvoller Farbgebung und vor allem etlicher wunderschön arrangierter tableaux vivants Fridas ebenso zärtliche wie niederschmetternde Kunst zu filmischem Leben erweckt. Wenngleich auch hierin Vieles nicht immer streng authentisch wiedergegeben wird, so begreift man doch die Motivation der Titelfigur, zweifelsohne einer der größten Frauen des 20. Jahrhunderts, ihr Leben so zu gestalten und zu pflegen, wie sie es tat. Frida Kahlo musste so viele furchtbare Niederschläge hinnehmen, darunter jenen entsetzlichen Unfall im Alter von nur 18 Jahren, der ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen wird: nahezu omnipräsente Schmerzen, Fehlgeburten, später die Amputation eines Unterschenkels sind die un- und mittelbaren Folgen; dazu Diegos unsteter Lebenswandel, der ihr gleich mehrfach das Herz bricht, dass man nur voller Bewunderung sein kann für die scheinbar unerschöpfliche Stärke, mit der diese Frau ihre gleichfalls viel zu kurze Biographie beschritt.

10/10

Juliey Taymor period piece Historie Mexiko New York Malerei Bohème Ehe Unfall Alkohol Paris


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TOWN WITHOUT PITY (Gottfried Reinhardt/USA, D, CH 1961)


"Take her and leave this town, as quick as you can, and never come back!"

Town Without Pity (Stadt ohne Mitleid) ~ USA/BRD/CH 1961
Directed By: Gottfried Reinhardt

Eine bayrische Kleinstadt lebt vor allem von den vor Ort kasernierten G.I.s, die ihren Sold gern in den wenigen hiesigen Bars und mit den zwei, drei Nutten vor Ort verprassen. Als ein Soldatenquartett (Robert Blake, Richard Jaeckel, Frank Sutton, Mal Sondock) im Suff die sechzehnjährige Karin Steinhof (Christine Kaufmann) vergewaltigt, fliegt das Verbrechen umgehend auf und die vier uneinsichtigen Männer landen vorm Militärgericht. Dieses will an ihnen ein Exempel statuieren und eine Verurteilung zum Tode erwirken, was ihr rasch herbeieilender Verteidiger Major Garrett (Kirk Douglas) jedoch tunlichst verhindern möchte. Da alle Welt gegen ihn zu arbeiten scheint und insbesondere der um sein gesellschaftliches Renommee fürchtende Vater (Hans Nielsen) des Opfers Garretts Strategie torpediert, bleibt dem Anwalt keine andere Wahl, als Karin vorzuladen und öffentlich bloßzustellen, um die Schuld der Angeklagten abzumildern. Für das nach wie vor verwirrte Mädchen hat Garretts verzweifeltes Vorgehen jedoch katastrophale Folgen.

Dieser durchaus gelungene Versuch, deutsches Kolportagekino mit schneidig-sozialkritischem Hollywood-Gerichtsfilm zu verknüpfen, trug dank Gottfried Reinhardts Inszenierung, die mit einigem Geschick beiderlei auf den ersten Blick unvereinbare Richtungen abdeckt, recht genießbare Früchte. Das bereits dem Namen nach als Milieuschilderung angelegte Drama, welches das damals grassierende, schwer wie kalter Zigarettenqualm in den bundesdeutschen Wohnzimmern hängende Wirtschaftswunder-Biedermeiertum anprangerte, weiß besonders durch den Einsatz internationaler Schauspiel-Prominenz für sich einzunehmen: Mit Kirk Douglas in der Hauptrolle des gewieften, aber unerbittlichen Advokaten, die seiner ohnehin oftmals kritisch gezeichneten Heldentypologie einen weiteren, janusköpfigen Meilenstein hinzusetzte, gibt es bereits hinreichend verströmtes Hollywood-Flair, der weitere Einsatz von E.G. Marshall oder Robert Blake tut sein Übriges dazu. Der von niemand Geringerem als Dimitri Tiomkin komponierte und von Gene Pitney gesungene Titel-Schmachtfetzen sorgt dafür, dass der akustische Niederschlag des Films sich auch nach Tagen nicht verflüchtigen mag und dass demzufolge auch die vielen Profilbilder von einem erschütterten Kirk Douglas oder einer sich vor Qual windenden Christine Kaufmann im Gedächtnis bleiben.

8/10

Gottfried Reinhardt Kleinstadt Vergewaltigung Courtroom


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POLLOCK (Ed Harris/USA 2000)


"I AM nature!"

Pollock ~ USA 2000
Directed By: Ed Harris

Die letzten fünfzehn Jahre im Leben des Actionpainters Jackson Pollock (Ed Harris) im Schnelldurchlauf: Seine Heirat mit der Künstlerin Lee Krasner (Marcia Gay Harden), seine Entdeckung durch die Galersistin Peggy Guggenheim (Amy Madigan), die Findung seines persönlichen Malstils, seine selbstzerstörerischen Tendenzen, sein schwerer Alkoholismus, später seine Trennung von Peggy und die Liaison mit Ruth Kligman (Jennifer Connelly), die seinem nicht ganz unfreiwillig herbeigeführtem Unfalltod vorausgeht.

Als abstrakter Künstler gelingt es Jackson Pollock noch heute, die Meinungen über Malerei und ihr Wesen in tiefe Lager zu spalten, wobei die sich unverständig Gebenden häufig bloß, wie das ja oftmals ist, eine allzu geringe Beschäftigungsfrequenz mit Künstler und Werk vorzuweisen haben. Speziell Pollocks Technik des drip painting, bei dem mit dem Pinsel scheinbar wahllos Farbe auf Leinwand geklatscht wird und dabei Sprenkelmuster entstehen, ist für Kontroversen gut. Dass Ed Harris Pollock begriffen hat, darf man nach dem Genuss seines Regiedebüts indes stark vermuten. Er zeigt den Maler als ebenso narzisstisches wie psychotisches Individuum, das, insbesondere im Gefolge heftiger Saufexzesse, immer wieder die Anbindung an die Realität verliert; in dem tief drin eine höllische Wut schlummert, die sich durch seine Kunst in kraftvoller Weise sublimiert findet. Dass Pollock im Privatleben über weite Phasen hinweg unmöglich, wenn nicht gar ein ausgesprochener Kotzbrocken sein konnte, verschweigt der Film ebensowenig wie sein Versagen in familiären Dingen. Hier liegt also der glückliche Fall einer keineswegs unkritisch konnotierten Heldenverehrung vor, die sich tendentiöser Kommentare sowohl bezüglich des Künstlers als auch bezüglich seiner Arbeit enthält. Insofern hätten wir hier den Glücksfall eines Biopic. Dass Harris noch nicht der Regisseur ist, der er sein müsste, um "Pollock" zur vollendeten Perfektion zu führen, ist in diesem Zusammenhang beinahe unwichtig. Was zählt ist das, was da ist. Und das ist, wie es ist, große Kunst.

9/10

Ed Harris Malerei New York period piece Biopic Bohème Alkohol


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PENNY SERENADE (George Stevens/USA 1941)


"When that happens to two people, there's nothing left."

Penny Serenade (Akkorde der Liebe) ~ USA 1941
Directed By: George Stevens

Während Julie Adams (Irene Dunne) dabei ist, ihre Sachen zu packen, um sich auch häuslich von ihrem Mann Roger (Cary Grant) zu trennen, hört sie die alten Schellackplatten und erinnert sich dabei an die Stationen ihrer Ehe: Wie sie Roger einst kennen und lieben lernte, ihn Hals über Kopf heiratete und ihm, seiner Stellung als Auslandskorrespondent in Japan entsprechend, nachzog, wie ein Erdbeben ihre Träume kommenden Nachwuchses vorzeitig beendete, Rogers Selbstständigkeit mit der Eröffnung eines kleinen Tageblatts, die schwierige Adoption der kleinen Trina (Eva Lee Kuney), deren plötzlicher Tod im Schulkindalter und schließlich die Entfremdung des Paars in seiner Trauer voneinander. Es scheint keine Möglichkeit mehr zu geben, sich noch einmal zusammenzuraufen...

"Penny Serenade", das ist nicht nur der Titel eines der im Film vorgestellten Songs, sondern gewissermaßen auch bedeutungsvoll für die von Schicksalsschlägen nur so gebeutelte Geschichte von Roger und Julie Adams: eine "kleine Groschenmusik", ein Kitschständchen, gerade recht für all die dunstfreudigen Tränendrüsen dieser Welt.
Inmitten ihrer rosig erblühenden Screwball-Karrieren schoben Dunne und Grant (der sich ja nie zu schade war für ein bisschen Ernsthaftigkeit hier und da), die zuvor bereits mehrfach Seite an Seite gespielt hatten, diesen Schmachtfetzen ein, der zwar hier und da auch ein Plätzchen für auflockernden Humor ließ (etwa, wenn das Paar mithilfe von Rogers altem, von Edgar Buchanan gespielten Freund Applejack lernt, wie man ein Baby korrekt versorgt), insgesamt jedoch von viel mehr Fürchterlichem als Schönem berichtet. Dass jedoch auch ein solches Drama wohlfeilen Eskapismus vor der (Welt-)Kriegsrealität zu bieten imstand ist, dafür tragen Stevens' sichere Hand im Umgang mit Sujet und Darsteller-Ensemble Sorge. Qualitätskino.

8/10

George Stevens Ehe Adoption Japan Kind


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MAN ON FIRE (Élie Chouraqui/ I, F 1987)


"Guys like us ain't got nobody in the world... but not us."

Man On Fire ~ I/F 1987
Directed By: Élie Chouraqui

Der frühere CIA-Mann Creasy (Scott Glenn) lebt nach unguten "Geschäftserfahrungen" nunmehr von der Hand in den Mund. Sein Kumpel David (Joe Pesci) organisiert ihm einen Posten im Personenschutz in der Nähe von Mailand. Er soll Samantha (Jade Malle), die zwölfjährige Tochter eines wohlhabenden Geschäftsehepaars (Paul Shenar, Brooke Adams) im Auge behalten. Aus dem zunächst unangenehmen Job wird eine Lebensaufgabe: als das Eis einmal geschmolzen ist, werden Sam und Creasy, beide einsame Seeleninsulaner, dicke Freunde. Als Sam dann von einer Gruppe übler Ganoven entführt wird, und Creasy schwer angeschossen wird, sieht dieser rot und schießt sich den Weg bis zu dem Mädchen frei.

Leider waren Scott Glenns spärliche Gehversuche im Genre nie von dem verdienten Erfolg gekrönt; während einige seiner eher muskulös physiognomierten Kollegen im reaktionären Actionfilm der Achtziger sich zumindest im B-Film-Sektor eine geregelte fanbase erwirtschafteten, blieben für den eher nachdenklichen Akteur bestenfalls Krümelreste übrig. "Man On Fire" bildete einen der wenigen Fälle, in denen Glenn für eine Hauptrolle vorgesehen war und diese mit seinem stillen Stoizismus dann ganz vortrefflich ausfüllte. Chouraquis Rachefilm ist vielleicht einer der finstersten seines Umkreises, er zeigt ein Kaleidoskop gebrochener Typen, deren Existenz wahlweise desolat oder bemitleidenswert verläuft. Wo sich zumindest für die beiden Protagonisten Creasy und Sam ein nicht ganz unproblematischer Ausweg in Form einer unerfüllbaren Vater-Sohn-Beziehung, möglicherweise auch einer unmöglichen Liebesgeschichte eröffnet, fährt bald die äußere Gewalt durch kriminelle Umtriebe dazwischen. Das Mädchen wird entführt, später andeutungsweise auch vergewaltigt und bleibt nach seinem offenbar nicht eben kurzem Martyrium psychisch verkrüppelt zurück; der bereits vorgeschädigte Profikiller kann zwar seine selbstauferlegte Mission, das Kind zu finden und zurückzuholen, erfüllen; jedoch nur um den Preis des rücksichtsloser Vigilanterie, die mit einigen Folterungen und Hinrichtungen einhergeht, ebenjenen Methoden also, denen er eigentlich längst abgeschworen hatte. Wie es mit den beiden weitergehen wird, bleibt offen; ein "geregeltes" happy end jedenfalls hält "Man On Fire" bewusst nicht bereit.
In seiner konsequent vorgetragenen Geschichte um sich schmerzlich erfüllende Zwangswege entpuppt sich der formal eher karge Film als ein kleiner, diskursiver Meilenstein des dunklen Actionthrillers, dem bis heute viel zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde und von dem ich mir endlich eine adäquate Heimedition wünsche.

8/10

Élie Chouraqui Freundschaft Mailand Italien Rache Kidnapping


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LUST FOR LIFE (Vincente Minnelli/USA 1956)


"To have to say 'I love you' would break my teeth."

Lust For Life (Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft) ~ USA 1956
Directed By: Vincente Minnelli

Das Leben des niederländischen Malers Vincent van Gogh (Kirk Douglas): Seine bescheidenen Anfänge als Hilfsprediger in der Borinage, später seine ersten Versuche als Künstler, sein Fortgang nach Paris, wo er die großen Künstler dieser Zeit kennenlernt, darunter Paul Gauguin (Anthony Quinn), der ihm ein guter, kritischer Freund wird. Als er sich von seinem Bruder Theo (James Donald) ausgehalten fühlt, geht van Gogh in die Provence, nach Arles, wo er unter der Last der ihn umgebenden Sinneseindrücke zu zerbrechen droht. Erst der ihm nachfolgende Gauguin bringt etwas Stabilität in van Goghs Leben, doch als auch er die Unmöglichkeit erkennt, mit van Gogh ein ruhiges Miteinander zu führen und seinen Wegzug ankündigt, erleidet der Instabile einen schweren Zusammenbruch, der in einen längeren Psychiatrie-Aufenthalt mündet. Selbst nach seiner Entlassung findet van Goghs gequälte Sehle jedoch keine Ruhe.

Mit Miklos Roszas gewaltiger Musik unterlegt, erinnert "Lust For Life" manchmal an die pompösen Monumental- und Bibelfilme jener Tage; ein Eindruck, der sich allerdings jeweils sehr schnell wieder verflüchtigt. Möglicherweise ist dies mein Lieblingsfilm von Minnelli, wie ich überhaupt Künstler- und speziell Maler-Biopics stets sehr gern mag. Selbst unter diesen ist "Lust For Life" allerdings noch ein Glücksfall. Der Film schafft es, die fragile Psyche eines Künstlers, der sich unter permanenter Unzufriedenheit mit sich selbst aufreibt, transparent zu machen. Wer selbst einmal eine schwere psychische Episode durchlebt hat oder gar an einer dauerhaften Erkrankung leidet, der wird Kirk Douglas' zwingendes, an völlige Identifikation grenzendes Porträt jenes besessenen, manchmal naiven und doch brillanten Genies beängstigend authentisch finden. "Lust For Life" nimmt sich als ebenso inspirierend wie mitreißend aus; er leistet das, was Film im besten Falle leisten kann - er wühlt auf und frisst sich in seinen Zuschauer hinein, und das mit unablässiger Kraft und Nachhaltigkeit. Wenn Theo die Briefe seines Bruders vorliest und dessen Arbeitseifer und Motivation verbal rezitiert, dann erahnt man welche Beweggründe diesen Mann durch sein kurzes, rastloses Leben getrieben haben, und auch, warum er ihm ein so frühes Ende gesetzt haben wird.
Ich hatte erst vor wenigen Tagen ein kurzes, aber (wie immer) sehr fruchtbares Pausengespräch mit dem an meiner Schule tätigen, spanischstämmigen Kunstpädagogen David, der auch Filme sehr liebt, besonders die von Buñuel und Pasolini. Wir unterhielten uns über Kinobiographien berühmter Künstler und dass diese es oft versäumen würden, historisch und chronologisch exakt vorzugehen, Details auszusparen oder hinzuzufügen und mit Zeit- und Ort-Einheiten mitunter sehr nachlässig umgingen. Ob ihn als Kunstbeflissenen das stören würde, fragte ich. Und mit seinem starken spanischen Akzent versicherte mir David, dass er Filme sehe, um im besten Falle großes Kino zu bekommen und nicht, um sich auf Allgemeinwissensbasis weiterzubilden. Dafür solle man dann lieber ein Buch zur Hand nehmen. Das fand ich sehr beeindruckend und vor allem: sehr wahr!

10/10

Vincente Minnelli Malerei Belgien Frankreich Paris Provence Psychiatrie Madness Freundschaft Brüder Bohème George Cukor Niederlande Biopic





Filmtagebuch von...

Funxton

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