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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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NO MERCY (Richard Pearce/USA 1986)


"Every hooker's got a hard luck story."

No Mercy (Gnadenlos) ~ USA 1986
Directed By: Richard Pearce

Weil man ihm sein hauseigenes Liebchen Michele (Kim Basinger) wegschnappen will, macht sich der Cajun-Gangster Losado (Jeroen Krabbé) höchst persönlich von Louisiana nach Chicago auf, um seinen Nebenbuhler Paul Deveneux (Terry Kinney) vom Angesicht der Erde zu tilgen. Durch Zufall schlittern auch die beiden Cops Eddie Jilette (Richard Gere) und Joe Collins (Gary Basaraba) in die Angelegenheit hinein. Joe wird ebenso wie Deveneux getötet, Jilette verfolgt Losado und Michele bis nach New Orleans, findet die Schöne dort und flieht mit ihr in die Sümpfe. Doch Losado, der große Teile der hiesigen Justiz in der Tasche hat, lässt sich auch davon nicht aufhalten. Mit der inoffiziellen Autorisierung seines Chefs (George Dzundza) und persönlich entflammter Liebe zu Michele macht Jilette schließlich dem brutalen Verbrecher nach hartem Kampf den Garaus.

Zwei der schönsten Hollywood-Stars der Achtziger fanden hier zum ersten und einzigen Mal zusammen, in einem Genrefilm, der große Teile der Gattungshistorie wie aus einem Bausatz plündert und neu zusammenfügt und der schon allein durch die ätherischen Physiognomien der beiden Hauptdarsteller märchenhaft anmutet, ohne jemals echte Originalität oder Eigenständigkeit vorweisen zu können. Gere und Basinger in den besten Jahren - allein das kam einem Versprechen für beiderlei Geschlechter gleich. New Orleans nebst den Sümpfen von Louisiana als zentrallokaler Dreh- und Angelpunkt gaben ja stets eine beliebte Kulisse für Menschenjagden und Verfolgungsszenarien ab; zusätzlichen Zunder erhält das ohnehin erotisch aufgeladene Szenario dadurch, dass Gere und Basinger aneinander zwangsgekettet sind und gar nicht anders können als sich, trotz wechselseitiger Abschätzigkeiten, ineinander zu verknallen. Dabei fangen damit die Probleme erst an. Krabbé - in diesen Jahren häufig in internationalen und Hollywood-Produktion zu Gast und dann zumeist als Antagonist, ist einer der bösesten Bösen des Jahrzehnts. Erst seine lauernde, bedrohliche Aura verleiht "No Mercy" den nötigen Pfiff, denn jeder vernünftige Actionthriller steht und fällt mit seinem Schurken.

6/10

Richard Pearce Chicago Louisiana New Orleans Sumpf Duell Rache Südstaaten


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DILLINGER (John Milius/USA 1973)


"I rob banks for a living, what do you do?"

Dillinger (Jagd auf Dillinger) ~ USA 1973
Directed By: John Milius

Während der Depressionszeit machen Bankräuber wie John Dillinger (Warren Oates) nebst seiner Gang, Pretty Boy Floyd (Steve Kanaly) oder Baby Face Nelson (Richard Dreyfuss) den Mittleren Westen unsicher. Das darbende Volk himmelt die Gentleman mit ihren bleispritzenden Thompsons als Rebellen an, die sich trotz der gestreckten Wirtschaftskrise ein schönes Leben machen, für das FBI, allen voran Agent Melvin Purvis (Ben Johnson), sind jene Gangster bloß Outlaw-Abschaum. Insbesondere der clevere Dillinger avanciert zu Purvis' erklärtem Todfeind, zumal es dem dreisten Gauner immer wieder gelingt, der Staatsgewalt zu entwischen.

Milius' erster Langfilm ist gleich ein Schmuckstück der gleich in Legionsstärke antretenden Depressions-Gangsterfilme der New-Hollywood-Jahre. Als ebenso luftiges wie hartes Pasticcio unterschiedlicher inhaltlicher und stilistischer Einflüsse hat Milius das Glück, mit Warren Oates, dessen Physiognomie tatsächlich der Dillingers ähnelte, einen herrlich charismatischen Titeldarsteller beschäftigen zu können, in seinem Gefolge um Harry Dean Stanton, Geoffrey Lewis und John P. Ryan (leider recht früh per Bauchschuss aus dem Szenario getilgt) kaum minder phantastische Akteure. Ben Johnson, der vier Jahre zuvor in Peckinpahs "The Wild Bunch" noch Oates' Bruder gespielt hatte, gibt hier den deklarierten Antagonisten. Da Dillingers und Purvis' Geschichten historisch und biographisch betrachtet untrennbar miteinander verwoben sind, erhält diese Paarung gleich noch einen zusätzlichen Reiz. Zeitsprünge und -raffungen über die erzählte Zeit zweier Jahre werden gern mit Überschriften und Leitartikeln aus Zeitungen überbrückt, derweil Purvis zusätzlich noch als Off-Erzähler fungiert. Den berühmten Banküberfall von Warsaw und die sich anschließende, endgültige Zersprengung der Dillinger-Bande inszenierte Milius als unglaublich dichtes, zudem technisch bravouröses Kabinettstück des Actiongenres. Spätere Belagerungs-, Shoot-Out- und Verfolgungsszenen werden sich hieran zu messen haben.

8/10

John Milius New Hollywood Great Depression Biopic FBI Duell Indiana Chicago Freundschaft Historie period piece


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KILLING BLUE (Peter Patzak/BRD 1988)


"Ein ganz natürlicher Reflex..."

Killing Blue ~ BRD 1988
Directed By: Peter Patzak

Den versoffenen Berliner Polizisten Alex Glass (Armin Mueller-Stahl) plagen Gewissensbisse, weil er bei einem Einsatz unvorsichtigerweise ein kleines Mädchen angeschossen hat. Umso verbissener hängt er sich in seinen neuen Fall, den Mord an einer jungen Frau (Constanze Saskia Rahn, die im Heroin-Milieu verkehrte. Die Spur führt zu der einschlägig bekannten Unterweltgröße Miskowski (Frank Stallone), mit dem neben der Toten auch die Tochter (Allegra Curtis) des Staatsanwalts Karstens (Michael York), zufällig ein guter Freund von Glass, verkehrt. Als Miskowski jedoch selbst gewaltsam ums Leben kommt, bleibt Glass nur ein letzter Schluss zur bitteren Wahrheit...

Seine kurze Liaison mit der Lisa-Film brachte nach "Der Joker" mit Peter Maffay als rollstuhlbewährtem Bullen diesen dem "Vorgänger" nicht ganz unähnlichen Versuch eines neo noir im Berliner statt im Hamburger Milieu. Michael York kehrte nochmal zurück, wiederum als gewalttätiger Psychopath (den er in diesen Jahren recht oft zu geben hatte) und brachte als internationale Verstärkung Stallone-Bruder Frank nebst TV-Sternchen Morgan Fairchild mit. Ansonsten ist "Killing Blue" vor allem als campige Ausnahmeerscheinung im identitätskriselnden deutschen Kino der Spätachtziger von Interesse. Patzak, der seinem Job von allen Beteiligten noch am ehesten professionell begegnet, inszeniert mit viel Elan gegen das stulle Drehbuch an, das sich vornehmlich von einer hanebüchnen Geschichte mit kausalitätsfernen Wendungen und seltsam unpassenden Stilisierungen der von Mueller-Stahl ordentlich gespielten, nichtsdestotrotz jedoch hoffnungslos fehlbesetzten Hauptfigur getragen findet. Aber angesichts des unterirdischen Spiels von Julia Kent (als Glass' Assistentin) muss man sich über ihre schreiberisches Untalent kaum weiter wundern. Alex Glass derweil ist der inkarnierte Stereotypus des Noir-Polizisten: Unangepasst, frech, in Dosenbier und Zigaretten badend, hobbymäßiger Jazz-Saxophonist, Weiberheld, schnell mit der Knarre bei der Hand und natürlich arschcool. Und eine solche Figur spielt - wohlgemerkt - Armin Mueller-Stahl. Kann sowas gutgehen...?

5/10

Peter Patzak film noir neo noir Berlin Lisa-Film


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FILTH (Jon S. Baird/UK 2013)


"Same rules apply."

Filth (Drecksau) ~ UK 2013
Directed By: Jon S. Baird

Detective Bruce Robertson (James McAvoy) von der Polizei in Edinburgh steht als einer von fünf Kollegen auf der Stufe zur Beförderung. Dazu gilt es jedoch, den publicityträchtigen Mord an einem jungen Japaner (Zack Eisaku Niizato) aufzuklären. Nicht nur, dass Robertson damit aus unerfindlichen Gründen nicht fertig wird, er befindet sich auch sonst auf einem strk abschüssigen Ast: Seine Familie hat ihn verlassen, er ist sexuell frustriert und neigt zu entsprechenden Absonderlichkeiten, er trinkt, nimmt Kokain und Psychopharmaka in rauen Mengen, intrigiert gegen seine Kollegen und verrät sogar seinen Kumpel Bladesey (Eddie Marsan).

Ich habe Irvine Welshs dem Film zugrunde liegenden Roman nicht gelesen und weiß daher nicht, inwieweit Bairds Adaption geglückt ist. Als potenzieller, britisch konnotierter Nachklapp zu Abel Ferraras "Bad Lieutenant", als der sich "Filth" zwangsläufig identifizieren lässt, ist er jedoch wohlgeglückt. Der zwangsläufige Vergleich ergibt zwar erwartungsgemäß, dass Bairds mit viel schwarzem Humor arbeitendes Schurkenstück zwar nicht an Ferraras monolithischem Meisterwerk kratzen kann, als Fallstudie eines Staatsbediensteten jedoch, der seine ihm auferlegten Kompetenzen missbraucht, um sein ohnehin längst zerbrochenes Ego noch weiter in die Selbstzerstörung zu treiben, ist auch "Filth" ziemlich erstklassig. Nach der noch etwas humorig gefärbten ersten halben Stunde, die Robertsons Charakter in einer "Trainspotting"-ähnlichen Stilisierung vorstellt, macht Baird nämlich keine Gefangenen mehr: Mit dem Protagonisten geht es unaufhörlich bergab; Sucht, Niedertracht, Egozentrik und psychische Störungen multipler Kuleur bis hin zur Persönlichkeitsspaltung ergreifen nicht nur von Robertson Besitz, sondern werden auch dem Zuschauer stellvertretend für ihn kredenzt. Ein recht harter Einblick in einen von Schuldkomplexen zermarterten Geist muss man sich da gefallen lassen, mitsamt bösem Abschluss. Letzte Chance: vorbei.

8/10

Jon S. Baird Irvine Welsh Schottland Edinburgh Drogen Alkohol Madness Kokain Groteske Psychiatrie


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PRISONERS (Denis Villeneuve/USA 2013)


"They only cried when I left them."

Prisoners ~ USA 2013
Directed By: Denis Villeneuve

Anna (Erin Gerasimovich) und Joy (Kyla Drew Simmons), die beiden kleinen Töchter der befreundeten Ehepaare Dover und Birch, werden auf offener Straße von unbekannter Hand entführt und verschwinden spurlos. Für den verzweifelten Keller Dover (Hugh Jackman), Annas Dad, steht ohne Umschweife fest, wer die Mädchen verschleppt hat: Der geistig minderbemittelte Alex Jones (Paul Dano), der nach vielen Stunden erfolgloser Vernehmung durch den ermittelnden Detective Loki (Jake Gyllenhaal) wieder freigelassen wird, muss der Täter sein. Keller entführt seinerseits Alex, versteckt und foltert ihn über mehrere Tage mit dem Ziel, etwas über den Aufenthaltsort der Mädchen zu erfahren und erhält tatsächlich immer wieder kleine Hinweise seitens des Jungen, die seine Vermutung, er stecke hinter der Sache, untermauern. Doch die Zeit läuft allen davon...

Ein vergleichsweise kerniger Thriller, der zumindest ein bisschen etwas (nämlich genau so viel, wie es für ein kalkuliertes Mainstream-Publikum zulässig ist) von der in den letzten Jahren durch die Indie-Genre-Welt wehenden Transgressivität der vielen Selbstjustiz-, Rache- und Folterfilme mit in die Multiplexe nimmt. Wer entsprechende Erfahrungen gesammelt hat, für den ist "Prisoners" unter Umständen betreffs seiner Gestaltung kaum mehr als ein kommerziellerer Wurmfortsatz; ich selbst habe von mehreren befreundeten Kinogängern gehört, die meinten, wie 'shocking' und spannend er sei. Die Wahrheit liegt wie immer wohl irgendwo dazwischen. Dem halbwegs mit den narrativen Mechanismen des Erählkinos vertrauten Zuschauer wird recht schnell deutlich, wer der wahre Urheber der den Nukleus vorgebenden Kindesentführung ist (wenngleich dessen - übrigens ziemlich hanebüchen kreierte - Motivation wie gewohnt erst im handelsüblichen Finale erläutert wird). In diesem Punkt ist also nicht viel zu holen. Es lässt sich wohl auch vortrefflich über die, sich zweifellos als solche zu erkennen gebende, Glaubwürdigkeit des Storykonstrukts diskutieren, ebenso wie die scheinbare Notwendigkeit, ein inhaltlich nicht besonders komplexes Kriminaldrama über die Erzähldistanz von zweieinhalb stunden zu schleppen. Aber ich mag ja gar nicht bloß meckern; Villeneuves Film ist insgesamt okay, seine Inszenierung sogar tadellos; er hält einen trotz aller Kritik am Gesamtkonstrukt unentwegt bei der Stange, wähnt sich bloß deutlich wichtiger, als er es letzten Endes wirklich ist.

7/10

Denis Villeneuve Kidnapping Familie Georgia Südstaaten Winter


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DEEP COVER (Bill Duke/USA 1992)


"You oughta kill a man sometime. It's liberating."

Deep Cover (Jenseits der weißen Linie) ~ USA 1992
Directed By: Bill Duke

Zeit seines Lebens hat der Polizist Russell Stevens (Laurence Fishburne) versucht, sich betont diametral zu seinem kriminellen Vater (Glynn Turman) zu entwickeln, der einst einen frühen, gewalttätigen Tod in Russells Beisein sterben musste. Stevens lässt sich heuer vom DEA als Undercover-Cop anheuern, um die führenden Chicano-Verteiler von L.A. dingfest zu machen. Unter dem Namen John Hull nimmt er Tuchfühlung mit dem zugleich als Anwalt tätigen Dealer David Jason (Jeff Goldblum) auf, der seinerseits Verbindungen zu dem Großhändler Barbosa (Gregory Sierra) steht. Nach und nach entwickelt sich Stevens - auch auf ausdrückliche Weisung seines Verbindungsmannes Carver (Charles Martin Smith), zu einer eigenständig funktionierenden Größe im Kokaingeschäft und verliert die Orientierung, zumal der overlord Guzman (René Assa), auf den es Stevens eigentlich abgesehen hat, offenbar von ganz oben beschützt wird.

Stilvoller, spannender Gangsterfilm, im Gefolge des damals noch recht frischen 'New Black Cinema', dem neben Spike Lee, John Singleton oder Mario Van Peebles auch Bill Duke als Regisseur vorsaß. In "Deep Cover" nutzt er die Gelegenheit, Systemkritik, wie sie später von Soderberghs "Traffic" in inhaltlich und formal komplexerer, vor allem aber ungleich aufmerksamer beäugtem Maße hergeleitet wurde, in das Gewand eines auf den ersten Blick unspektakulären Genrefilms zu kleiden. Man lernt sie alle kennen: Vom großen Boss, der unter diplomatische Immunität aus Lateinamerika herbeieilt als es im Geschäft kriselt, bis hin zur Endkonsumentin, die ihr Kind für ein paar Schüsse verkaufen will und sich schließlich den Goldenen Schuss setzt. Von solchen Schicksalen lässt sich Russell Stevens, der längst Gefallen gefunden hat an Geld und Macht, bald nicht mehr betrüben, zumal er längst erkannt hat, dass das Rechtsstaat, dem er als kleines Zahnrädchen zu dienen glaubte, vom Kopf her stinkt und innerlich verfault. Am Ende kann er immerhin seine Seele retten, wobei sich ein väterlicher Ratgeber (Clarence Williams III) erst opfern muss, um ihm Erkenntnis zu verleihen.
Ein im besten Sinne klassischer Undercover-Thriller mit philosophischem Überbau ist Duke mit "Deep Cover" geglückt. Und einen tollen Soundtrack (Michel Colombier) gibt's gratis obendrauf.

8/10

Bill Duke Los Angelese Drogen Kokain Crack undercover


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THE JANUARY MAN (Pat O'Connor/USA 1989)


"I'm going to go home, mix some paint, and try to create something original."

The January Man (Im Zeichen der Jungfrau) ~ USA 1989
Directed By: Pat O'Connor

Um einen seit elf Monaten immer wieder zuschlagenden Serienkiller dingfest zu machen, beordert der New Yorker Bürgermeister Flynn (Rod Steiger) den mittlerweile als Feuerwehrmann tätigen, exzentrischen Profiler Nick Starkey (Kevin Kline) zurück in den Polizeidienst, der einst wegen einer ungeklärten Korruptionsaffäre den Hut nehmen musste. Sewinem Bruder, dem Commissioner Frank Starkey (Harvey Keitel) sowie Captain Alcoa (Danny Aiello), ist Nicks Re-Aktivierung ein Dorn im Auge, nicht so jedoch des Bürgermeisters Tochter Bernadette (Mary Elizabeth Mastrantonio), die sich heftig in Nick verliebt.

Ein höchst eigenartiger Film ist "The January Man", dennoch mochte ich ihn aus naheliegenden Gründen immer recht gern. Wer eine konventionelle Serienkiller-Hatz erwartet, der ist zunächst einmal schiefgewickelt und wird sich nachhaltig enttäuscht finden: Spannend ist O'Connors Film nämlich faktisch gleich null und die obligatorische Konfrontation zwischen Held und Übeltäter am Ende ist zu allem Überfluss eine burleske Farce. Der Serienmörder, der immerhin elf Opfer zu verantworten hat, entpuppt sich trotz vorheriger Geheimnistuerei als geschminkte, bislang uneingeführte Figur, vorheriges Rätselraten und Verdächtigen seitens des Publikums läuft somit frontal vor die Wand. Als Krimi oder gar Thriller ist "The January Man" somit ein lupenreiner Rohrkrepierer, nicht so jedoch als Schauspielerfilm, der über sieben bestens aufgelegte Musterexemplare ihrer Gattung verfügen kann und diese so gut es geht, unter einen Hut bringt. Neben den Erwähnten finden sich noch Susan Sarandon und Alan Rickman als exzentrischer Maler ein, letzterer im Zuge einer figural betrachtet vollkommen redundanten Vorstellung, der im Prinzip nichts zum Plot beiträgt, mit Ausnahme seiner reinen Präsenz. Da es sich jedoch um Alan Rickman handelt und dieser in jenen Tagen zu den coolsten Darstellern des Planeten zählte, nimmt man einen solch überflüssigen Luxus nur umso lieber mit. Nein, "The January Man" ist kein Genrefilm, nötigenfalls kann man ihn als "Genrefilm" bezeichnen, "der keiner ist". Aber gerade in seiner lässig dargebrachten Enttäuschung von Erwartungshaltungen gefällt er mir.

7/10

Serienmord Pat OConnor New York Norman Jewison


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THE PLACE BEYOND THE PINES (Derek Cianfrance/USA 2012)


"Not since Hall and Oates has there been such a team."

The Place Beyond The Pines ~ USA 2012
Directed By: Derek Cianfrance

Der lose vor sich hin lebende, umhervagabundierende Kirmesschausteller Luke Glanton (Ryan Gosling), bekannt für seine waghalsigen Motorradstunts, wird Vater ohne es zunächst zu wissen. Als er zufällig von der Geburt seines Söhnchens Jason (Anthony Pizza) erfährt, drängt er sich der eigentlich funktionalen Patchworkfamilie um Jasons Mutter Romina (Eva Mendes) und deren Lebensgefährten Kofi (Mahershala Ali) auf. Er will für Jason ein guter, treusorgender Vater werden. Lukes Weg dies zu erreichen besteht jedoch darin, Banken mit seinem Kumpel Robin (Ben Mendelsohn) auszurauben. Dabei wird er eines Tages von dem Streifencop Avery Cross (Bradley Cooper) gestellt und von ihm aufgrund seiner Nervosität erschossen. Gegenüber Romina und ihrem Baby hat Avery zwar ein schlechtes Gewissen, andererseits jedoch alle Hände voll damit zu tun, seine korrupten Kollegen anzuprangern.
Fünfzehn Jahre später begegnen sich Lukes und Averys Söhne Jason (Dane DeHaan) und AJ (Emory Cohen) in der High School und entwickeln eine oberflächliche Freundschaft. Jason ist nie darüber hinweggekommen, seinen richtigen Vater nicht kennengelernt zu haben, derweil AJ gegen seinen mittlerweile als Bezirksanwalt hochangesehenen Vater aufbegehrt. Als Jason erfährt, wer der unbescholtene Avery Cross wirklich ist, entschließt er sich zur Rache.

Ein zwei Generationen umfassendes, komplex aufgebautes Beziehungsstück zweier sich schicksalsbedingt immer wieder tangierender Vater-/Sohn-Paare. Narrativ wagt Cianfrance dabei den Kniff, die Erzählperspektive gleich zweimal komplett zu verlagern und den Film so in drei sich klar voneinander abgrenzende Akte aufzuteilen: Zunächst berichtet "The Place Beyond The Pines" von dem unsteten Luke, einem bildungsfernen, aber durchsetzungsbewussten Proleten, der seine Ziele, so er denn ersteinmal welche hat, mit eherner Sturheit verfolgt. Als ihm die ihm zuteil werdende Ablehnung seiner Kindesmutter bewusst wird - die natürlich auf seine bisherige Anpassungsverweigerung zurückgeht - empfindet er sein Weiterleben als überflüssig und wählt eine Art 'passiven Freitod' durch den noch recht naiven, unerfahrenen Polizisten Avery. Lukes Erschießung bedingt einen beispiellosen Karriereaufstieg, der über die tödliche Ergreifung jenes gesuchten Motorrad-Bankräubers über die Aufdeckung einer sich im Filz suhlenden, durch und durch korrupten Polizeiabteilung geradewegs hinein in das Büro des Staatsanwalts führt. Doch Averys Karrierebesessenheit rächt sich - sein eigener, vernachlässigter Sohn AJ (widerlich: Cohen) liebäugelt mit diversen Betäubungsmitteln und lernt, ganz zu Averys persönlichem Unwillen, Lukes Sohn Jason kennen. Die sich daraus entspinnende, eher oberflächliche Freundschaft führt über Umwege fast zu einer erzwungenen, späten Sühne Averys, dessen schlussendlich jedoch aufrichtig geäußertes Bedauern für allseitigen Frieden sorgt. Jason kann in die Fußstapfen seines Vaters treten.
Wirklich gepackt hat mich dieses unterhaltsame Hyperdrama nicht, dafür sorgen unumstößlich bereits die geradezu feinsensorisch nach ihrem hohen Unsympathielevel gecasteten Darsteller. Gosling trifft sicherlich eine stets gute Rollenauswahl und mag mit seinem kultivierten Stoizismus ein ordentlicher Schauspieler sein, persönlich sehe ich in ihm mit jedem weiteren Film mehr und mehr einen möchtegerncoolen Schönling mit Schlafzimmerblick und Babygesicht. Bradley Cooper sehe ich lieber als Komödianten, der verkaterte Spinner wie den aus "The Hangover" spielt, DeHaan scheint mir ein legitimer DiCaprio-Nachfolger, neben der analogen Physiognomie passt auch zu ihm besser der Fiesling als der Romantiker und zu Emory Cohen (Brusttoupetträger oder Frühreifer?) habe ich mich ja oben schon geäußert. Weit und breit also niemand zum Gernhaben, dem Film, der irgendwo im Niemandsland zwischen respektabel und sülzköpfig umherirrt, ganz ähnlich.

6/10

Derek Cianfrance Heist Vater & Sohn Familie New York Drogen Rache


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SHARKY'S MACHINE (Burt Reynolds/USA 1981)


"You all right, partner?" - "Of course not, you asshole. I'm shot."

Sharky's Machine (Sharky und seine Profis) ~ USA 1981
Directed By: Burt Reynolds

Nachdem bei der Verfolgung eines Pushers (John Arthur) ein Busfahrer erschossen wurde, wird Atlanta-Cop Tom Sharky (Burt Reynolds) zur Sitte versetzt. Dort werden er und seine Kollegen mit der Observierung der Edelhure Dominoe (Rachel Ward) betraut. Sharky verliebt sich unbekannterweise in die Schöne, die Kontakte zu dem hohen Politiker Hotchkins (Earl Holliman) und einem obskuren Geschäftsmann namens Scorelli (Vittorio Gassman) pflegt. Als Dominoe vermeintlich erschossen wird - tatsächlich handelt es sich bei dem Opfer um ihre Mitbewohnerin Tiffany (Aarika Wells) - setzt Sharky alles an die Identifizierung der Übeltäter. Da wird er gewahr, dass die Ahnungslose doch noch am Leben ist - und somit eine wertvolle Kronzeugin gegen Scorellis Menschenhandelsorganisation.

Reynolds' dritte Arbeit als Regisseur ist zugleich seine beste, ein ebenso eigenbrötlerisches wie stilsicheres Stück Schwellenkino zwischen den Dekaden. "Sharky's Machine" verbindet hervorstechende Elemente aus beiden Welten der Siebziger und Achtziger; den angeschmuddelten Blick auf das Copdasein, wie ihn die wichtigen Gattungsbeiträge des Vorjahrzehnts pflegten und die gewalttätige Comicaction der herandämmernden Dekade. Sharky tritt mit seinen titelgebenden Partnern, die eigentlich doch bloß als Staffage für seinen ikonischen Alleingang herhalten müssen, weil er nämlich im Alleingang am effektivsten arbeitet, gegen übermächtige Gegner an; korrupte, wenngleich stützende Systempfeiler, mit deren Festsetzung durch den kleinen Vice-Squad-Cop ein Stück urbane Sozietät wegbrechen wird. Sharky wird verraten und gefoltert, kämpft gegen zwei brutale Chin-Killer (Dan Inosanto, Walter Levy) und gegen einen drogenpsychotischen Henry Silva, jener als overfiend ohnehin bekanntlich ein kommender, elementarer Mosaikstein des Achtziger-Actionkinos. Dabei nimmt sich Reynolds, der Regisseur alle Zeit der Welt für die Schilderung dder aufkeimenden Beziehung zwischen Cop und Callgirl (wobei er uns die Beschau von Rachel Wards aparter Auslage leider schuldig bleibt), reminisziert den klassischen film noir, direkt und vor allem Premingers "Laura" und scheint überhaupt stets Herr der Lage. Toller, sogar ganz toller Film.

9/10

Atlanta Georgia Burt Reynolds Prostitution Duell Menschenhandel


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THE EXORCIST III (William Peter Blatty/USA 1990)


"I think the dead should shut up, unless there's something to say."

The Exorcist III ~ USA 1990
Directed By: William Peter Blatty

Fünfzehn Jahre nach dem seltsamen Fall um das anscheinend besessene Mädchen Regan MacNeil und den anschließenden Tod des Paters Damien Karras (Jason Miller) verbindet den damals ermittelnden Lt. Kinderman (George C. Scott) und den ebenfalls mit der Sache verbundenen Pater Dyer (Ed Flanders) eine tiefe Freundschaft. Da geschieht Seltsames: Obschon ein von den Medien "Gemini-Killer" getaufter Serienkiller (Brad Dourif) bereits vor Jahren hingerichtet wurde, werden neuerlich in und um Georgetown Morde nach genau seinem Tatschema verübt. Auch Dyer wird während eines Krankenhausaufenthalts eines seiner Opfer. Kinderman untersucht das Verbrechen tief getroffen vor Ort und stößt im geschlossenen psychiatrischen Trakt auf einen Patienten, der Pater Karras sehr ähnlich sieht, zugleich jedoch von sich selbst behauptet, der Gemini-Killer zu sein. Als Kinderman herausfindet, zu was der eingesperrte Mann fähig ist, ist es fast schon zu spät.

Erstaunlich geschlossenes Zweitsequel, das von den wirren Anti-Konzeptionen Boormans sehr weit entfernt ist und an dessen Statt einen sauberen Bodyswitch-Horror-Plot vorlegt, nur, dass darin eben die Charaktere aus dem thematisch nur marginal anverwandten Original-"Exorcist" bemüht werden und dessen Romanautor Blatty es sich nicht nehmen ließ, seinen Folgeroman "Legion" zu einem ordentlichen Script aufzubereiten und selbst zu verfilmen. Wenngleich auch Blatty niemals die naturalistische Intensität erreicht, welcher Friedkin dereinst so erfolgreich schwarze Schwingen verlieh, so ist sein Film doch zumindest von einer zwingenden Eindeutigkeit beseelt und, anders als Boormans Erst-Sequel, an sich selbst als taugliches Genre- und Erzählkino interessiert. War bei Boorman noch vordringlich von Pater Merrin die Rede, derweil Pater Karras komplett ausgespart wurde, verhält es sich in "The Exorcist III" genau umgekehrt: So bedingt auch die offensichtlich von einiger Sympathie geprägte Beziehung zwischen Kinderman, Karras und im weiteren Sinne auch Vater Dyer förmlich das Wiederaufgreifen dieser interessanten Figuren. George C. Scott beerbt Lee J. Cobb in vollem Umfang, Ed Flanders ist kein großartiger Ersatz für William O'Malley - aber er scheidet ja auch recht früh wieder aus. Ansonsten gibt es einige wenige unheimliche Momente und den üblichen spiritistischen Mummenschanz mitsamt höllischem Tangens, der mir persönlich ja immer wieder massiv Laune macht.

8/10

William Peter Blatty Dämon Serienmord Sequel Freundschaft Kirche Washington D.C. Exorzismus





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Funxton

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