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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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HORSEMEN (JONAS ÅKERLUND/USA 2009)


"Come and see. Come and see... what?"

Horsemen ~ USA 2009
Directed By: Jonas Åkerlund


Der verwitwete Polizist Aidan Brslin (Dennis Quaid) findet vor lauter Arbeit keine Zeit mehr, sich um seine beiden Söhne Alex (Lou Taylor Pucci) und Sean (Liam James) zu kümmern. Aktuell macht ihm eine Gruppe von Serienmördern das Leben schwer, die sich offenbar an den Vier Reitern der Apokalypse orientieren und nebenher auf Suspensionsspiele stehen.

Furchtbar biederer Serienmörder-Quark, nach dessen sehr zweifelhaftem Genuss man Herrn Åkerlund wohl bescheinigen muss, doch nicht der Killer-Regisseur zu sein, den man nach "Spun" noch im Blick hatte. Wobei vermutlich weniger die eigentliche Regieleistung zu bemängeln ist als vielmehr die Tatsache, dass ein verantwortungsbewusster, zudem im Spielfilmfach sehr spärlich arbeitender Regisseur den Auftrag für einen derart unambitioniert erzählte Story überhaupt annimmt. An "Horsemen" ist nämlich rein gar nichts von Reiz, weder die mittlerweile tausendmal gesehene Moralistengeschichte, auf die am Ende natürlich alles hinausläuft, noch die alberne Vorgehensweise der "Horsemen". Wobei "Horsekids" sowieso ein treffenderer Titel gewesen wäre. Dass nebenbei noch ab der Hälfte des Films die am Schluss mit dem üblichen Tusch präsentierte Auflösung für den gewohnheitsmäßigen Beobachter kein Geheimnis mehr ist, passt da auch nur zum Gesamtbild.
Da sind mir ausgewiesene Wildsäue wie die "Saw"-Filme doch wesentlich lieber als dieser "Se7en"/"Kramer vs. Kramer"-Hybrid. Die haben wenigsten noch den Mut zum visuellen Grenzgang.

3/10

Serienmord Jonas Akerlund Chicago Teenager


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TRAINING DAY (Antoine Fuqua/USA 2001)


"My nigga."

Training Day ~ USA 2001
Directed By: Antoine Fuqua


Der junge Police Officer Jake Hoyt (Ethan Hawke) verspricht sich verbesserte Karrierechancen durch eine Bewerbung beim Drogendezernat. Mit seinem neuen Vorgesetzten Detective Harris (Denzel Washington), einer lebenden Legende beim LAPD, soll Hoyt zunächst eine eintägige Probestreife in der Stadt begehen. Rasch bemerkt der unfreiwillige 'Azubi', dass Harris selbst längst jede Grenze zwischen Recht und Unrecht hinter sich gelassen hat und teils skrupelloser vorgeht als die Gangster, die es zu bekämpfen gilt. Als Hoyt dann feststellt, dass er außerdem Teil eines komplexen Plans ist, mittels dessen Harris die ihm gegenüber ungehaltene Russenmafia zu beschwichtigen sucht und zu allem Überfluss in eine Mordfalle gerät, wendet er sich gegen seinen anfangs geachteten Trainer.

Formal betrachtet hervorragender Polizeithriller, deutlich besser als ich ihn in Erinnerung hatte und vor allem mit Fuquas seither um einige weitere bedeutende Arbeiten angewachsenen Œuvre im Hinterkopf außerordentlich sehens- und wiederholenswert. Vor allem in seiner komplexen Zeichnung der Metropole Los Angeles, ihrer chaotischen urbanen Struktur und unübersichtlichen Vielzahl von Vororten und Stadtteilen erweist sich "Training Day" als herausragend; er muss sogar zweifellos zum Kanon der großen L.A.-Filme gezählt werden. Dass die auf einen Tag begrenzte, von großer formaler Strenge geprägte Kriminalgeschichte besonders gegen Ende hin zuweilen recht abenteuerlich konstruiert wirkt, lässt sich angesichts der sonstigen, überragenden Qualitäten von Fuquas Regie verschmerzen. Washingtons ungewohnte Darstellung als korrumpierter, größenwahnsinniger Machtpervertierer, der sich für den ungekrönten König der Stadt hält, ist wahrhaft brillant und lässt einen leicht wehmütig feststellen, dass der Mann viel zu selten den Bösewicht gegeben hat, als der er doch eigentlich um so Vieles interessanter ist.

8/10

Drogen David Ayer Antoine Fuqua Los Angeles


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DARK BLUE (USA, D 2002/Ron Shelton)


"You gotta have some breaks."

Dark Blue ~ USA/D 2002
Directed By: Ron Shelton


Detective Eldon Perry (Kurt Russell) vom LAPD ist seinem direkten Vorgesetzten Van Meter (Brendan Gleeson), einst Kollege und Freund von Perrys Vater, bedingungslos loyal. Zwar ahnt Perry, dass Van Meter einigen Dreck am Stecken hat, würde sich dies jedoch nie eingestehen und lässt sich lieber selbst zum Werkzeug von Korruption und Polizeikriminalität machen. Auch Perrys junger Partner Bobby Keough (Scott Speedman) wird in die gut geölte Unrechts-Maschine des Uniformfilz gezogen. Der rechtschaffene, stellvertretende Polizeichef Arthur Holland (Ving Rhames) steht als Vorkämpfer gegen Van Meter und seine Methoden allein auf weiter Flur - bis Bobby sich entschließt, auszupacken.

Nach einem Treatment von James Ellroy siedelt David Ayer sein Script vor dem historischen Hintergrund der 92er Unruhen in Los Angeles an, die infolge des Freispruchs von vier Polizisten, welche den afroamerikanischen Bürger Rodney King misshandelt hatten, stattfanden. "Dark Blue" steht ganz in der Tradition der kritischen Uniformsystemanalytiker wie Joseph Wambaugh, Sidney Lumet und schließlich auch Ellroy selbst. David Ayer könnte man nun neben Antoine Fuqua durchaus als legitimen Nachfolger jener "klassischen" Polizeichronisten bezeichnen; wie die Pioniere wähnt er die permanente Gefahr des Machtmissbrauchs, die scheinbare Legitimation krimineller Gelüste, die durch die Integration in die heiligen Hallen der Exekutive für viele ihrer Kettenglieder erst zur Selbstverständlichkeit wird und ab und von Zeit zu Zeit einer reinigenden, kathartischen Lektion bedarf. Der an sich einwandfreien Narration gegenüber steht allerdings die leidlich-betuliche und weithin überraschungsarme Inszenierung des Auftragsregisseurs Shelton, dessen wahrscheinlich einziger tragfähiger Film dies ist; die Figurenkonstellation entspricht derweil faktisch jener aus "L.A. Confidential" - Kurt Russell bekleidet eine Art Hybriden aus den Crowe- und Spacey-Rollen, Speedman und Rhames teilen sich im Gegenzug den Pearce-Part und Brendan Gleeson übernimmt 1:1 den Cromwell-Charakter. Einen Originalitätspreis gewinnt "Dark Blue" ergo kaum; absprechen hingegen kann man ihm nicht, dass er auf einer etwas flacheren Ebene spannend bis vorzüglich unterhält, was ja auch nicht immer schlecht ist.

7/10

Ron Shelton period piece David Ayer James Ellroy Los Angeles Korruption


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BROOKLYN'S FINEST (Antoine Fuqua/USA 2009)


"Just don't thank me. You even couldn't if I've had a second to think about what to do."

Brooklyn's Finest (Das Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest) ~ USA 2009
Directed By: Antoine Fuqua


Drei Brooklyner Polizisten am Rande des Nervenzusammenbruchs: Der desillusionierte und einsame Eddie Dugan (Richard Gere) hat nur noch eine Woche bis zur Pensionierung und soll ausgerechnet jetzt noch einen potenziellen Nachfolger einarbeiten; Clarence Butler (Don Cheadle) arbeitet undercover um schneller befördert werden zu können und spürt langsam, dass er seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen ist; Sal Procida (Ethan Hawke) ist Vater einer stets weiterwachsenden Familie, die er dringend in einem größeren und sauberen Haus unterbringen möchte. Weil das Geld fehlt, kommt er auf dumme Gedanken...

Mit den schon vor einigen Dekaden von Altman installierten Mitteln des klassischen Ensemblefilms näherte sich Regisseur Fuqua dem Polizeidrama an und bewerkstelligte einen Genrefilm originärer Schule, wie er so ähnlich auch vor dreißig Jahren hätte entstehen können. Mit hartem Naturalismus und frei von jedweder Art der Auflockerung geht es Fuqua im Gegensatz zu seinen Urahnen Sidney Lumet oder Daniel Petrie weniger um das Aufzeigen eines innerlich faulenden, korrupten Systems sondern darum, Einzelschicksale und das zerstörerische Potenzial dieses vielbespuckten Knochenjobs dramaturgisch auszuloten. Dass dabei vor kleineren Klischees hier und da nicht unbedingt Halt gemacht wird, erschien mir vermschmerzbar angesichts der ansonsten durchaus packend erzählten und am Ende sogar vortrefflich montierten Drei-Ebenen--Plots. Ebenfalls positiv zu vermerken ist die vollmundige Brillanz, mit der sämtliche Akteure ihre Rollen ausfüllen. Besonders Wesley Snopes wäre es zu wünschen, dass er sich langsam wieder aus der DTV-Schiene emporarbeiten kann. Bei solcher Qualitätsarbeit wie in diesem Falle dürfte ihm das eigentlich nicht allzu schwer fallen.

8/10

Antoine Fuqua New York Ensemblefilm


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THE BAD LIEUTENANT: PORT OF CALL - NEW ORLEANS (Werner Herzog/USA 2009)


"What are these fuckin' iguanas doing on my coffee table?"

The Bad Lieutenant: Port Of Call - New Orleans (Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen) ~ USA 2009
Directed By: Werner Herzog


Sechs Monate nachdem Lt. Terence McDonagh (Nicolas Cage) vom New Orleans Police Department die erste Vicodin gegen seine ihn infolge eines übereifrigen Arbeitseinsatzes heimsuchenden Rückenschmerzen eingenommen hat, ist er auf praktisch allem, was unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und macht selbst vor Heroin und Crack nicht Halt. Sein aktueller Fall, die Aufklärung eines Mordes an einigen afrikanischen Migranten im Dealermilieu, wird für ihn zu einem wahren Höllentrip, da er mit diversen privaten Problemen McDonaghs zusammenfällt, die in erster Linie mit seinem zunehmenden Realitätsverlust zu tun haben.

Von Schlangen und Fischen, Alligatoren und Leguanen: Die Parallelen zwischen Abel Ferraras Meisterwerk aus den frühen Neunzigern und diesem zunächst als dessen Remake angepriesenen Film bleiben überschaubar. Beide Stücke küren einen Polizisten zur Hauptfigur, der die Bodenhaftung verloren hat und sie, festgeklemmt zwischen überhöhten Wetteinsätzen und der eigenen Drogensucht, nicht mehr wiederzufinden in der Lage ist. Darin erschöpft sich auch bereits die Identität von Ferrara und Herzog; tatsächlich hat die auffällige Titelanalogie eher etwas mit der Rechteinhabe zu tun, die am Produzenten Edward Pressman hängt. Ansonsten ist von Ferraras finsterer Spirale-Abwärts-/-Schuld-und-Sühne-Parabel nicht viel übrig geblieben; "Port Of Call - New Orleans" begnügt sich damit, seinen Fokus auf ein paar biographische Schlaglichter im Leben eines seine Berufsmoral mit Füßen tretenden Bullen-Junkies zu konzentrieren. Das macht Herzogs Film allerdings keinesfalls schlechter, nur eben ganz anders, und bei all seinen kleinen Verrücktheiten wahrscheinlich auch deutlich realitätsverankerter. Dass nämlich jeder Sünder seine Verfehlungen gleich mit dem Tod zu bezahlen hat, ist vielleicht doch ein obsoletes literarisches, um nicht zu sagen: sakrales Gesetz. Für Lt. McDonagh jedenfalls fügt sich am Ende alles gleich einer vorbeiziehenden Gewitterwolke. Natürlich nur bis zum nächsten Sniff, so ehrlich ist man dann doch mit uns. Für Nicolas Cage, der ihn spielt und der Rollen von einem solchen Format trotz Dauerengagements mittlerweile gerade mal alle vier, fünf Jahre spielt, ist das mal wieder ein kleines Stück überfällig scheinender Rehabilitation und der Film, der wohl zu den besten des letzten Jahres gehört, natürlich ganz der seine.

9/10

New Orleans Werner Herzog Drogen neo noir Suedstaaten


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DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta/BRD 1975)


"Wovor haben Sie'n Angst? Sie sind doch unschuldig."

Die verlorene Ehre der Katharina Blum ~ BRD 1975
Directed By: Volker Schlöndorff/Margarethe von Trotta

Auf einer ausgelassenen Karnevalsfeier lernt die biedere Kölner Hausangestellte Katharina Blum (Angela Winkler) den von der Polizei gesuchten "Anarchisten" und Bankräuber Ludwig Götten (Jürgen Prochnow) kennen. Nach einer romantischen Nacht in ihrer Wohnung steht urplötzlich ein Einsatzkommando der Polizei neben Katharinas Frühstückstisch; Götten ist verschwunden. Die folgenden vier Tage werden für die der Komplizenschaft Verdächtige zur Hölle: Die Beamten, allen voran der Einsatzleiter Kommissar Beizmenne (Mario Adorf), verhören sie auf das Peinlichste und Penibelste und lassen sie minimalste Details ihre Privatlebens preisgeben. Da Beizmenne sich zudem gegenseitig Informationen mit dem schmierigen Sensationsjournalisten Tötges (Dieter Laser) zuschanzt, schmückt Katharina bald die Titelseiten einer großen Tageszeitung und sieht sich böse verunglimpft bis zur Unerträglichkeit.

Zugleich bitterböse Satire und frontale Attacke gegen die polizeistaatlichen Methoden, mit der die bundesdeutsche Justiz und der Springer-Verlag in den frühen siebziger Jahren Hand in Hand gegen die erste RAF-Generation vorgegangen waren. In kafkaesker Tradition stand das fiktive Schicksal der unbescholtenen Bürgerin Katharina Blum dabei als repräsentatives Exempel für die rigorose Praxis insbesondere der Bild-Zeitung, jeder nach Sensation und Aufmacher riechenden Kleinstspur nachzugehen und dabei willfährig bis rücksichtslos die Verleumdungen und Rufmorde bestenfalls peripher beteiligter Personen nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern sogar ausdrücklich zu suggerieren. "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist auch eine wütende Reaktion des Literaten Heinrich Böll auf die ihm durch CDU-Politiker als auch wiederum vom Springer-Konzern zuteil gewordene Titulierung als "geistiger Helfershelfer des Terrors" und Sympathisant der linksradikalen Szene. In "Katharina Blum", dessen Verfilmungsoption Böll bereits während Schreibprozesses Schlöndorff und von Trotta zutrug, verknüpft er die erdrückende soziale Repression des Demokratiestaats mit einer naiven, freilich unerfüllten Liebesgeschichte und dreht dabei der uniformierten Exekutive eines Nase, indem er sie selbst verantwortlich macht für Katharinas Bluttat am Ende (die, wie man erfährt, zudem schnell Nachahmer findet). Die Einkleidung der Geschichte in das rheinische Spektakel des alljährlichen Karnevals (sie spielt sich zwischen dem Vorabend der Altweiberfastnacht und Tulpensonntag ab) bezeichnet noch einen weiteren, schwarzhumorigen Fingerzeig betreffs des versumpfenden deutschen Spießertums, das sich in Scheichskostümierung und Pappnase besäuft, derweil sich nur eine Straßenecke weiter rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeiten ereignen.

10/10

Margarethe von Trotta Heinrich Boell Journalismus Terrorismus Satire Koeln RAF Volker Schloendorff Verhör


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BEVERLY HILLS COP (Martin Brest/USA 1984)


"Police! Move and I'll kill you!"

Beverly Hills Cop ~ USA 1984
Directed By: Martin Brest


Axel Foley (Eddie Murphy) ist Police Detective in Detroit - wo seine unkonventionelle, aber erfolgreiche Arbeitsweise mit zwei zugedrückten Augen toleriert wird. Als eines Abends sein Kinfheitsfreund Mikey Tandino (James Russo) bei ihm auftaucht und nach einer durchzechten Nacht von zwei Killern (Jonathan Banks, Michael Champion) vor Axels Apartment hingerichtet wird, nimmt dieser kurzerhand Urlaub und reist nach Beverly Hills, von woher die Mörder mutmaßlich stammen. Es dauert nicht lange, und Axel wird fündig: Der homosexuelle Kunstmäzen und Kokainschmuggler Victor Maitland (Steven Berkoff), Mikeys frühere Arbeitgeber, steckt hinter dem Schlamassel. Für den Tausendsassa Axel gilt es nun bloß noch, die hiesigen Kollegen für sich zu gewinnen, doch die sind linientreuer als deutsches Bier.

Überlebensgroßes Entertainment, das noch wirklich witzig und gescheit war, freilich im Gegensatz zu dem ganzen unsäglichen, strunzdummen "Bad Boys"-Scheiß, der rund zehn Jahre später jeden Charme vermissen ließ, rein zufällig jedoch aus demselben Produzentenstall stammt. Große Errungenschaften lassen sich eben nur schwerlich imitieren.
"Beverly Hills Cop" war in vielerlei Hinsicht ein Initiationsfilm: Er überführte den mit wenigen Ausnahmen bislang als "strictly for adults" behandelten Copfilm in familientaugliche Sphären, ohne gewisse Grundmotive zu verraten, verschaffte dem SNL-Star Eddie Murphy seine größte Erfolgsplattform im Kino, kreierte damit den ersten schwarzen Megastar im Film und firmierte langen Jahre unter den Top Ten der kommerziell erfolgreichsten Filme. Bis heute charakterisiert er seine Entstehungszeit nicht nur, er prägt sie entscheidend mit. Die noch stark von Disco infizierten Popbeats von Harold Faltermeyer und den ganzen analog musizierenden Bands auf dem Soundtrack (der den puren Song als wesentlichen, stilistischen Gesamtbestandteil als eines der ersten Nicht-Musicals seit "Easy Rider" mitdefiniert), der abgewetzte Kleidungs- und Lebensstil als kontrapunktiver, proletarischer Gegenentwurf zu dem langsam aufkeimenden Yuppie-Ideal hipper Großstädter. Damit einhergehend natürlich auch eine latente Homophobie, die sich allerdings weitaus weniger angsterfüllt gestaltet als es der Begriff impliziert. Jeder "Paradiesvogel" in Beverly Hills ist zugleich nötigenfalls auch eine Triene: Das Galeriefaktotum Serge (Bronson Pinchot), der berühmte Bananenkellner (Damon Wayans) und schließlich der Oberbösewicht und sein Oberkiller, wobei sich der homosexuelle Gestus je nach gesellschaftlicher Stellung wahlweise moderat äußert. Das ist zwar entlarvend für den Film und seine Zeitmentalität, aber ebenso grundehrlich.
Formidabel schließlich die zwei monumental inszenierten Actionszenen, wie es sich gehört eine zu Beginn und eine zum Showdown. Wohltemperiert, geerdet und damit ohne so blasiert zu wirken, wie es heute Usus ist, sind sie entscheidend für das gesamte Tempomaß des Films. Eine prachtvolle Verfolgungsjagd und ein angemessen harter Shoot-out - Herz, was willst du mehr. Maßgeblicher, gediegener, besser kann Mainstreamkino kaum sein.

10/10

Rache Beverly Hills Los Angeles Buddy Movie Detroit Martin Brest car chase Simpson/Bruckheimer


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RISING SUN (Philip Kaufman/USA 1993)


"Business is war."

Rising Sun (Die Wiege der Sonne) ~ USA 1993
Directed By: Philip Kaufman


Während der Fusionsverhandlungen zwischen einer kalifornischen und einer japanischen Microchipgiganten in L.A., die mit der Einweihung eines gigantischen Bürogebäudes des Nakatomi-Konzerns zusammenfallen, wird eine leichtlebige US-Schönheit (Tatjana Patitz) ermordet. Die Ermittlungen werden an den wegen Bestechungsverdachts geächteten Cop Web Smith (Wesley Snipes) und den japanophilen John Connor (Sean Connery) übergeben. Smith und Connor decken eine Industrieverschwörung auf, bei der sie selbst als Strohmänner fungieren sollten.

Die Romane von Michael Crichton markieren in der Majorität so wunderbare wie erzreaktionäre Zeitzeugnisse für die irrationalen Ängste des amerikanischen WASP-Mannes um die 40. In "Jurassic Park" ging es um die Furcht vor den unabsehbaren Auswirkungen von Gen-Manipulationen, in "Disclosure" um die maskuline Phobie betreffs weiblicher Emanzipationsanstrengungen, um nur zwei populäre, etwa zeitgleich fürs Studiokino adaptierte Beispiele zu nennen. "Rising Sun" beziffert die Panik vor der Wirtschaftsmacht Japan, die quasi durch die Hintertür die amerikanische Industrie lahmlegen und übernehmen sollte. Zwar revidiert der Ausgangspunkt der Story schlussendlich insofern den inhaltlichen Kontext, als dass sich die Urheber des delikaten Mordfalls "nur" als die gierigen Handlanger der Firmenbosse entpuppen, der umfassende Grundgedanke der Story bleibt jedoch auch nach dem Film- bzw. Romangenuss omnipräsent.
Es ist stets ein Glück für verfilmte Trivialliteratur, wenn ein geistreicher Regisseur hinter dem Projekt steht; in diesem Falle der von mir sehr geschätzte, aus dem New-Hollywood-Dunstkreis stammende, seine vordergründig populistischen Themen in der Regel mit einer nur schwer greifbaren Süffisanz und Humorkonnexion behandelnde Philip Kaufman. Dass ein Mann, der sich unmittelbar vorher an Milan Kundera und Henry Miller verlustiert hat, nun für eine Crichton-Adaption zuständig ist, spricht Bände. Und tatsächlich bestärkt sich nach und nach der Eindruck, dass die Rollenklischees, die "Rising Sun" durch die Bank bedient, bloß bewusst grobe Überzeichnungen sind: Der in Kampftechniken bewährte, afroamerikanische Machobulle hier, der weise (und weißbärtige) Papa-Gaijin-Schlumpf, der sich asiatischer gibt als Konfuzius und am Ende doch bloß so viel Japan repräsentiert wie die Form seiner Augen, der lebenslustige, sich den Verlockungen des Westens hingebende Yakuza (Cary-Hiroyuki Tagawa), der miese US-Bulle am anderen Spektrumsende (Harvey Keitel), der altehrwürdige japanische Großmogul (Mako), der kriecherische amerikanische Geldsack (Kevin Anderson), der korrupte Politiker (Ray Wise), der schleimige Reporter (Steve Buscemi). Alles drin, alles dran. Wenn man "Rising Sun" als das begreift, was er - zumindest in seiner klugen Filmgenesis - tatsächlich ist, nämlich als bitterböse Satire auf das bedingungslose, amerikanisch-imperialistische Abzielen auf allumfassende Kulturassimilierung, dann ist er hochinteressant. Als vordergründiger Wirtschaftsthriller erreicht er leider nur gehobenes Mittelmaß.

7/10

Philip Kaufman Michael Crichton Verschwoerung Los Angeles


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THE INDIAN RUNNER (Sean Penn/USA 1991)


"The bigger they come, the harder they fall."

The Indian Runner ~ USA 1991
Directed By: Sean Penn


Nebraska, frühe Siebziger: Während Joe Roberts (David Morse) sich als Polizist einen Namen gemacht hat, der nur ein einziges Mal strauchelt, nämlich, nachdem er einen Verfolgten (James Intveld) in Notwehr erschießen muss, führt sein aus Vietnam heimgekehrter Bruder Frank (Viggo Mortensen) das Leben eines Outlaw. Zwar gibt Joe sich alle Mühe ihn zu unterstützen und seine immer wieder hervorsprießenden dunklen Seiten im Zaum zu halten, doch bleibt er darin langfristig erfolglos.

Es gibt nicht viele Filme, die auf einem Song basieren - "The Indian Runner", Sean Penns erste Regiearbeit, markiert genau eine solche Rarität. Er adaptiert den Text von Bruce Springsteens "Highway Patrolman", formuliert ihn aus und ergänzt ihn um einige zusätzliche inhaltliche Details, die als neues Gesamtkunstwerk durchaus das Wohlwollen des Boss evozieren dürften. Der Geist des Stückes bleibt ja durchweg erhalten; die Staubigkeit des Mittelwestens, die Angst vorm Versagen, die Verzweiflung darüber, dass sich der kleine Bruder trotz aller Bemühungen nicht zur Vernunft bringen lässt. Ein wenig "East Of Eden" steckt darin; die alte Mär von den beiden Brüdern, von denen der eine des Vaters Augapfel ist und der andere, jüngere, der unverstandene Rebell. Ein recht bedeutsamer Stoff für ein Regiedebüt, doch Penn bekommt die Sache tadellos in den Griff und präsentiert sogleich eine Arbeit nach Maß, mit einer rührenden (tatsächlich der einzigen respektvollen) Altersrolle für Charles Bronson und aufsehenerregenden Gast-Appearances von Dennis Hopper und Guillermo del Toro. Aus seinen Vorbildern macht Penn keinen Hehl - und widmet den Film verstorbenen Mentoren und Großtätern: John Cassavetes und Hal Ashby.

8/10

Sean Penn period piece Familie Nebraska


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SHUTTER ISLAND (Martin Scorsese/USA 2010)


"You're a rat in a maze."

Shutter Island ~ USA 2010
Directed By: Martin Scorsese


1954 kommt der US-Marshal Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) mit seinem neuen Kollegen Chuck (Mark Ruffalo) nach Shutter Island, einer kleinen Insel, auf der sich Ashecliffe, ein Sanatorium für kriminelle Geisteskranke befindet. Eine Insassin namens Rachel Solando, die hier ist, weil sie angeblich ihre drei Kinder ertränkt hat, soll aus ihrem Zimmer entflohen sein und sich nun irgendwo auf der Insel versteckt halten. Während Teddy und Chuck nach Rachel suchen, mehren sich Hinweise, dass auf der Insel etwas nicht stimmt: Wer ist der obskure Dr. Naehring (Max von Sydow)? Und was ist mit dem anscheinend unaffindbaren Patienten Nr. 67? Könnte es sich bei diesem tatsächlich um Andrew Laeddis (Elias Koteas) handeln, jenen Mann, der als pyromanisch veranlagter Hausmeister das Leben von Teddys Frau (Michelle Williams) auf dem Gewissen hat?

Es ist gut, über "Shutter Island" inhaltlich so wenig als möglich zu wissen, erst dann erschließt sich einem die ganze Wucht und das ganze Drama dieses von Scorsese wiederum formidabel inszenierten Films. Nach dem ersten Sehen darf ich mich als nachhaltig überwältigt bezeichnen von der unermüdlichen Kunstfertigkeit, mit der der Altmeister dieses neuerliche Meisterstück zu Wege gebracht hat. Vieles ist mir gleich in Auge und Ohr gefallen, jenes Oszillieren zwischen der Illustration der Vergangenheit und dem Einsatz modernster technischer Mittel etwa, die so nur ein Filmemacher hinbekommt, der beides selbst erlebt hat und mit beidem virtuos zu hantieren weiß, oder der exzellente, die mysteriöse Atmosphäre von "Shutter Island" entscheidend mittragende und -gestaltende Score von Robbie Robertson.
Reisen in zur Abseitigkeit neigende Psychen im Film finde ich prinzipiell hochinteressant, besonders, wenn sie auf so unangekündigte und subtile Weise praktiziert werden wie hier. Ich mochte im Gegensatz zu vielen anderen, die ihn bloß für ein billiges, im Establishment verankertes Oscarvehikel halten, auch Howards "A Beautiful Mind" sehr, an den mich "Shutter Island" am Ende stark erinnert hat. Die Finalisierung als Duell zwischen konservativer und offener Psychiatriepraxis mit ungesundem Ausgang setzt schließlich einen grandiosen Schlusspunkt. Ein toller, sogar ein überragender Film!

9/10

period piece Martin Scorsese Psychiatrie Dennis Lehane





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Funxton

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