

DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta/BRD 1975)
von Funxton ·
24 August 2010
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"Wovor haben Sie'n Angst? Sie sind doch unschuldig."
Die verlorene Ehre der Katharina Blum ~ BRD 1975
Directed By: Volker Schlöndorff/Margarethe von Trotta
Auf einer ausgelassenen Karnevalsfeier lernt die biedere Kölner Hausangestellte Katharina Blum (Angela Winkler) den von der Polizei gesuchten "Anarchisten" und Bankräuber Ludwig Götten (Jürgen Prochnow) kennen. Nach einer romantischen Nacht in ihrer Wohnung steht urplötzlich ein Einsatzkommando der Polizei neben Katharinas Frühstückstisch; Götten ist verschwunden. Die folgenden vier Tage werden für die der Komplizenschaft Verdächtige zur Hölle: Die Beamten, allen voran der Einsatzleiter Kommissar Beizmenne (Mario Adorf), verhören sie auf das Peinlichste und Penibelste und lassen sie minimalste Details ihre Privatlebens preisgeben. Da Beizmenne sich zudem gegenseitig Informationen mit dem schmierigen Sensationsjournalisten Tötges (Dieter Laser) zuschanzt, schmückt Katharina bald die Titelseiten einer großen Tageszeitung und sieht sich böse verunglimpft bis zur Unerträglichkeit.
Zugleich bitterböse Satire und frontale Attacke gegen die polizeistaatlichen Methoden, mit der die bundesdeutsche Justiz und der Springer-Verlag in den frühen siebziger Jahren Hand in Hand gegen die erste RAF-Generation vorgegangen waren. In kafkaesker Tradition stand das fiktive Schicksal der unbescholtenen Bürgerin Katharina Blum dabei als repräsentatives Exempel für die rigorose Praxis insbesondere der Bild-Zeitung, jeder nach Sensation und Aufmacher riechenden Kleinstspur nachzugehen und dabei willfährig bis rücksichtslos die Verleumdungen und Rufmorde bestenfalls peripher beteiligter Personen nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern sogar ausdrücklich zu suggerieren. "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist auch eine wütende Reaktion des Literaten Heinrich Böll auf die ihm durch CDU-Politiker als auch wiederum vom Springer-Konzern zuteil gewordene Titulierung als "geistiger Helfershelfer des Terrors" und Sympathisant der linksradikalen Szene. In "Katharina Blum", dessen Verfilmungsoption Böll bereits während Schreibprozesses Schlöndorff und von Trotta zutrug, verknüpft er die erdrückende soziale Repression des Demokratiestaats mit einer naiven, freilich unerfüllten Liebesgeschichte und dreht dabei der uniformierten Exekutive eines Nase, indem er sie selbst verantwortlich macht für Katharinas Bluttat am Ende (die, wie man erfährt, zudem schnell Nachahmer findet). Die Einkleidung der Geschichte in das rheinische Spektakel des alljährlichen Karnevals (sie spielt sich zwischen dem Vorabend der Altweiberfastnacht und Tulpensonntag ab) bezeichnet noch einen weiteren, schwarzhumorigen Fingerzeig betreffs des versumpfenden deutschen Spießertums, das sich in Scheichskostümierung und Pappnase besäuft, derweil sich nur eine Straßenecke weiter rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeiten ereignen.
10/10
Margarethe von Trotta Heinrich Boell Journalismus Terrorismus Satire Koeln RAF Volker Schloendorff Verhör
Die verlorene Ehre der Katharina Blum ~ BRD 1975
Directed By: Volker Schlöndorff/Margarethe von Trotta
Auf einer ausgelassenen Karnevalsfeier lernt die biedere Kölner Hausangestellte Katharina Blum (Angela Winkler) den von der Polizei gesuchten "Anarchisten" und Bankräuber Ludwig Götten (Jürgen Prochnow) kennen. Nach einer romantischen Nacht in ihrer Wohnung steht urplötzlich ein Einsatzkommando der Polizei neben Katharinas Frühstückstisch; Götten ist verschwunden. Die folgenden vier Tage werden für die der Komplizenschaft Verdächtige zur Hölle: Die Beamten, allen voran der Einsatzleiter Kommissar Beizmenne (Mario Adorf), verhören sie auf das Peinlichste und Penibelste und lassen sie minimalste Details ihre Privatlebens preisgeben. Da Beizmenne sich zudem gegenseitig Informationen mit dem schmierigen Sensationsjournalisten Tötges (Dieter Laser) zuschanzt, schmückt Katharina bald die Titelseiten einer großen Tageszeitung und sieht sich böse verunglimpft bis zur Unerträglichkeit.
Zugleich bitterböse Satire und frontale Attacke gegen die polizeistaatlichen Methoden, mit der die bundesdeutsche Justiz und der Springer-Verlag in den frühen siebziger Jahren Hand in Hand gegen die erste RAF-Generation vorgegangen waren. In kafkaesker Tradition stand das fiktive Schicksal der unbescholtenen Bürgerin Katharina Blum dabei als repräsentatives Exempel für die rigorose Praxis insbesondere der Bild-Zeitung, jeder nach Sensation und Aufmacher riechenden Kleinstspur nachzugehen und dabei willfährig bis rücksichtslos die Verleumdungen und Rufmorde bestenfalls peripher beteiligter Personen nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern sogar ausdrücklich zu suggerieren. "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist auch eine wütende Reaktion des Literaten Heinrich Böll auf die ihm durch CDU-Politiker als auch wiederum vom Springer-Konzern zuteil gewordene Titulierung als "geistiger Helfershelfer des Terrors" und Sympathisant der linksradikalen Szene. In "Katharina Blum", dessen Verfilmungsoption Böll bereits während Schreibprozesses Schlöndorff und von Trotta zutrug, verknüpft er die erdrückende soziale Repression des Demokratiestaats mit einer naiven, freilich unerfüllten Liebesgeschichte und dreht dabei der uniformierten Exekutive eines Nase, indem er sie selbst verantwortlich macht für Katharinas Bluttat am Ende (die, wie man erfährt, zudem schnell Nachahmer findet). Die Einkleidung der Geschichte in das rheinische Spektakel des alljährlichen Karnevals (sie spielt sich zwischen dem Vorabend der Altweiberfastnacht und Tulpensonntag ab) bezeichnet noch einen weiteren, schwarzhumorigen Fingerzeig betreffs des versumpfenden deutschen Spießertums, das sich in Scheichskostümierung und Pappnase besäuft, derweil sich nur eine Straßenecke weiter rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeiten ereignen.
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Margarethe von Trotta Heinrich Boell Journalismus Terrorismus Satire Koeln RAF Volker Schloendorff Verhör