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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BROTHERS KARAMAZOV (Richard Brooks/USA 1958)


"If there is no God, then nothing can be immoral. Everything becomes lawful, even crime. Crime becomes not only lawful, but inevitable."

The Brothers Karamazov (Die Brüder Karamasov) ~ USA 1958
Directed By: Richard Brooks

Ein russisches Dörfchen um das Jahr 1880: Der alternde Patriarch Karamasov (Lee J. Cobb) hat vier Söhne, allesamt von verschiedenen Müttern: den lebenslustigen Soldaten Dimitri (Yul Brynner), den intellektuellen Journalisten Ivan (Richard Basehart), den zutiefst gläubigen Novizen Alexej (William Shatner) und schließlich den illlegitimen, aber stets an des Vaters Seite befindlichen Smerdjakov (Albert Salmi). Zwischen dem Alten und Dimitri bestehen tiefer Hass und leidenschaftliche Abneigung, da der Vater iDimitri sein rechtmäßiges Erbteil der Mutter vorenthält. Der besonnene Alexej kann jedoch immer wieder beruhigend auf die beiden Streithähne einwirken und zwischen ihnen vermitteln. Als der alte Karamasov jedoch die promiske Kneipenwirtin Gruschenka (Maria Schell) zu ehelichen plant und Dimitri sie ihm vor der Nase wegschnappt, eskaliert die Situation. Eines Nachts wird der Senior erschlagen und der leugnende Dimtri steht unter höchstem Tatverdacht.

Diese Verfilmung des letzten Dostojewski-Romans ist eine der prägenden West-Romantisierungen des alten Russland, der sich, zusammen mit "Dr. Zhivago" und "Fiddler On The Roof" durch sein gefälliges, folkloristisches Äußeres und - wer in den Siebzigern und Achtzigern aufgewachsen ist, wird sich erinnern - beständige TV-Wiederholungen tatsächlich maßgeblich für die bürgerliche Vorstellung jenes Zeit- und Lokalkolorits verantwortlich war (und ist). Und wahrhaftig; Yul Brynner als russian lover, Lee J. Cobb als fieser Lustgreis und die ehedem verführerisch schöne Maria Schell, die bereits mit ihrem Lächeln eroitische Tagträume auzulösen vermochte, personifizieren Typen, die aus dem klassischen US-Kino kaum mehr wegzudenken sind. Dass Brooks, ein Filmemacher, der ohnedies längst einmal einer weitflächigen Rekapitulation unterzogen gehörte, aus dem nachdenklich-reflexiven Alterswerk Dostojewskis eine vergleichsweise possierlich geratene, wenngleich flamboyante Hollywood-Soap gemacht hat, ist ihm angesichts des vorzüglich unterhaltenden Resultats nachzusehen.

8/10

Richard Brooks Fjodor Dostojewski Russland period piece Vater & Sohn Brüder Familie Courtroom


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SORRY, WRONG NUMBER (Anatole Litvak/USA 1948)


"Henry! Save me!"

Sorry, Wrong Number (Du lebst noch 105 Minuten) ~ USA 1948
Directed By: Anatole Litvak

Die unbewusst unter starken psychosomatischen Beschwerden leidende Leona Stevenson (Barbara Stanwyck) verbringt ihre Zeit vornehmlich im Bett. Als sie eines Abends ihren Mann Henry (Burt Lancaster) telefonisch nicht erreichen kann und stattdessen ein fremdes Gespräch mitverfolgt, in dem die Ermordung einer Frau durchgesprochen wird, beginnt für sie eine Nacht des Grauens...

Verschachtelter Thriller mit meisterlicher Spannungskurve, dessen Plot zwar reichlich konstruiert wirkt, der aber ohnehin vielmehr als formal ausgeklügeltes Suspense-Experiment Bestand erhält. Das Kommunikationsmedium Telefon fungiert in "Sorry, Wrong Number" gleichermaßen als gewaltiger MacGuffin wie als Todesbote; durch die Gespräche, die Leona von zu Hause aus führt, erschließt sich ihr in einem Geflecht komplexer Rückblenden binnen knapper zwei Stunden erzählter (und runder neunzig Minuten Erzähl-) Zeit die gesamte, bislang erfolgreich ausgeblendete Tragödie ihres Lebens: Als verhätscheltes Einzelkind des Pharmamoguls J.B. Cotterell (Ed Begley) wurde sie zeitlebens zur trotzigen Angstneurotikerin hin konditioniert; die Ehe mit dem aus proletarischem Hause stammenden Henry erweist sich als langjährige, von Leona selbst sukzessive vermasselte Farce, die ihren Gatten von einem zunächst frustrierten, dann depressiven zu einem schließlich kriminellen Versager gestempelt hat. Diese unbewusste Arroganz und Ignoranz hat sie schlussendlich mit dem Leben zu bezahlen. Lucille Fletchers auf einem eigenen Hörspiel basierendes Script spielt dabei geschickt mit den Publikumssympathien; die Stanwyck als neurotisches, egozentrisches Psychowrack macht es einem nicht eben schwer, ihr lauerndes Gealtableben zu akzeptieren, derweil Lancaster als in die Ecke gedrängter Täter mehr Mitgefühl evoziert als die allermeisten beauftragenden Kinomörder. Und dennoch ist das beinhahe hysterische, einem Knall gleichende Finale von einer ihresgleichen suchenden Spannung. Famos.

9/10

Anatole Litvak New York film noir Ehe Telefon


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DESERT FURY (Lewis Allen/USA 1947)


"'Night, Fritzi."

Desert Fury ~ USA 1947
Directed By: Lewis Allen

Die neunzehnjährige Paula Haller (Lizabeth Scott) und ihre Mutter Fritzi (Mary Astor), die ein gut gehendes Spielcasino in Chuckawalla, Nevada besitzt, verbindet eine tiefe Hassliebe. Paula neigt dazu, vor Krisen wegzulaufen und einen postpubertären Fehler nach dem anderen zu machen. Als sie einmal mehr von einer teuren Privatschule geflogen ist, kommt sie zurück nach Hause. Zeitgleich erscheinen die beiden zwielichtigen Gauner Eddie Bendix (John Hodiak) und Johnny Ryan (Wendell Corey) in Chuckawalla. Bendix steht im Verdacht, vor einiger Zeit seine Frau ermordet zu haben, was ihm jedoch vom örtlichen Sheriff Tom Hanson (Burt Lancaster) nie nachgewiesen werden konnte. Außerdem hatte er vor vielen Jahren ein Verhältnis mit Fritzi. Nunmehr verguckt sich Paula in den kalten Filou, was seinem Freund Johnny überhaupt nicht gefällt...

Auch das gibt es: Einen knallbunten film noir in leuchtendem Drei-Streifen-Technicolor; geradezu aufreizend bunt und somit wie ein lebendig gewordener Eklektizismus anmutend. Dennoch; die Stimmung, die "Desert Fury" kreiert, pendelt ganz wunderbar souverän zwischen pulp und camp; Allens Film atmet schwüle Wüstenerotik aus allen Poren. Wer hier was mit wem hatte, wann und warum, das entwickelt sich nach und nach zum einzigen Bestimmungszweck der irrlichternden Präriegestalten. Bendix und Ryan verbindet eine akute Homosexualität, die von Bendix mehr oder minder erfolgreich negiert und lediglich von Ryan als solche anerkannt wird. In solch eindeutiger Form findet man dieses Thema selten im golden age Hollywoods formuliert. Lancasters Hanson, uniformierter Held und reaktionärer Kleinstadtbulle, ist eigentlich der langweiligste, weil spießigste und farbloseste Charakter des Films. Seine breitschultrige Virilität verdeutlicht von vornherein, dass er am Ende als Gewinner aus der Geschichte hervorgehen wird, eine Tazsache, die sich endgültig klärt, als er den dandyhaften, zudem betrunkenen Bendix einmal mühelos zusammenschlägt. Somit ist das vermeintliche happy end zwischen Hanson und Paula eigentlich gar kein richtiges, weil es im Prinzip lediglich trockener Vernunft geschuldet ist, nicht jedoch der lebensstiftenden Libido.

8/10

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THE MIDNIGHT MAN (Roland Kibbee, Burt Lancaster/USA 1974)


"You're unbelievable."

The Midnight Man (Der Mitternachtsmann) ~ USA 1974
Directed By: Roland Kibbee/Burt Lancaster

Jim Slade (Burt Lancaster), Ex-Bulle aus Chicago, musste einige Zeit hinter schwedischen Gardinen verbringen, weil er den Liebhaber seiner Ex-Frau erschossen hatte. Nun ist er auf Bewährung und kommt in der Provinz bei dem befreundeten Ehepaar Quartz (Cameron Mitchell, Joan Lorring) unter. Quartz, als Nachtwächter auf dem hiesigen Campus des Jordan College tätig, wurde erst kürzlich verletzt und so übernimmt Jim dessen Posten. Bald stößt er auf die verstört wirkende Senatorentochter Natalie Clayborne (Catherine Bach), die eine von ihr selbst aufgenommene Cassette für den Psychoanalytiker Prichette (Robert Quarry) vermisst, auf der sich einige intime Geständnisse befinden. Natalie wird kurz darauf erschlagen aufgefunden, die Cassette bleibt verschwunden. Für den lokalen Sheriff (Harris Yulin), der den gestörten Hausmeister (Charles Tyner) in Verdacht hat, ist der Fall klar, doch Slade bohrt tiefer und stößt in ein Wespennest aus Korruption, Perversion und Gewalt.

Einer der zu Unrecht weniger renommierten neo noirs der frühen bis mittleren Siebziger, der inmitten von "Chinatown", "Night Moves" oder "The Long Goodbye" leider sehr untergegangen ist. Dies mag seiner vergleichsweise schmucklosen formalen Aufbereitung zuzuschreiben sein; das Regieteam Kibbee/Lancaster begnügt sich mit einer bedeckten Inszenierung und konzentriert sich ganz auf die kriminalistischen Irrungen und Wirrungen, die der mit zunehmender Laufzeit immer neue Haken schlagende Plot bereithält. Interessant ist die Position des alternden, jedoch keineswegs alten Helden, der hier als uniformierter Nachtwächter vorgestellt wird. Im klassischen film noir wäre der durchaus hartgekochte Jim Slade noch ein verlotterter Privatdetektiv gewesen; hier handelt es sich um einen merklich wenig ausgebrannten Gesetzeshüter, dessen berufliches Feuer trotz mancher Konflikte mit der Staatsgewalt noch immer lodert und der auch vor brachialem Gewalteinsatz nicht zurückschlägt. Umso anschaulicher die recht derben, entsprechenden Spitzen, im Zuge derer Slade ein ihm feindlich gesonnenes Hillbilly-Trio (Ed Lauter, Mills Watson, William T. Hicks) samt Rottweiler zur Strecke bringt. Doch entpuppt sich das in "The Midnight Man" allgemein gezeichnete Weltbild als ein ziemlich fatalistisches: Fast niemand ist, wer oder was er zu sein vorgibt - selbst engste Vertraute und Sympathieträger erweisen sich nach gründlicher Durchleuchtung als verräterisch, korrupt, sexuell abseitig oder schlicht gierig, derweil die anfänglich zwielichtig erscheinenden Individun zumeist harmlos bleiben. Auch dies eine unbedingte Tradition der Gattung.

8/10

Roland Kibbee Burt Lancaster Kleinstadt Verschwörung film noir neo noir South Carolina


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BUNNY LAKE IS MISSING (Otto Preminger/UK 1965)


"I've got a near fatality here."

Bunny Lake Is Missing (Bunny Lake ist verschwunden) ~ UK 1965
Directed By: Otto Preminger

Scheinbar spurlos verschwindet die vierjährige Felicia 'Bunny' Lake (Suky Appleby) an ihrem ersten Tag in einer Londoner Vorschule, kurz nachdem ihre alleinerziehende junge Mutter Ann (Carol Lynley) mit ihr aus den Staaten angekommen ist, um in England bei ihrem Bruder Steven (Keir Dullea), einem erfolgreichen Journalisten, zu leben. Der ermittelnde Superintendent Newhouse (Laurence Olivier) hegt bald seine Zweifel an der offensichtlichen Entführungsgeschichte: Außer Bunny selbst sind nämlich auch sämtliche Dinge und Personalia, die überhaupt beweisen, dass das Kind jemals existiert hat. Als Steven dann einigen Personen gegenüber erwähnt, dass Ann einst als Kind eine imaginäre Spielkameradin mit dem Namen Bunny zu halten pflegte, wird Newhouse noch misstrauischer. Existiert dieses mysteriöse Kind überhaupt in der Realität - oder ist gar ein bloßes Hirngespinst Anns...?

Wer ist hier eigentlich wahnsinnig? Preminger jedenfalls ganz bestimmt nicht; der bewegte sich, zumindest in dramaturgischer Hinsicht, geradezu traumwandlerisch in Hitchcocks Spuren und wählte zur formalen Ausgestaltung einmal mehr sein von ihm zu dieser Zeit großflächig präferiertes, schwarzweißes Scope-Format, dass überaus klare, messerscharfe Schatten und Umrisse ermöglichte. Zusammen mit Ann Lake kommen wir als Fremde nach London, eine recht spleenige Stadt für Außenstehende, mit wahlweise altjungerflichen oder vollends verknöcherten Erzieherinnerinnen in verwunschenen Turmzimmern, versoffenen, aufdringlichen Vermietern, überheblichen Polizisten und kryptischen Puppenmachern (der ewige Petrus Finlay Currie in einem denkwürdigen Miniauftritt).
Im urplötzlich allgegenwärtigen Fernsehen dudeln allenthalben die großartigen 'Zombies' und leiten ganz unmerklich die swingende Phase der folgenden paar Metropolenjahre ein. Dann verschwindet das Töchterchen - wer soll da noch Apetit haben? Aber Preminger verunsichert uns, er macht uns weis, dass Ann Lake möglicherweise unter einer beträchtlichen psychischen Schädigung mysteriösen Ursprungs leidet, nur um am Ende nochmal alles umzuwerfen und ein verstörendes, albtraumhaftes Finale hinterherzusetzen, dass sich auch recht gut an zeitgenössische Horror-Schemata adaptiert.

8/10

Otto Preminger Kidnapping Madness Geschwister London


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GORKY PARK (Michael Apted/USA 1983)


"Girls like screwing foreigners, don't they? It's almost as good as travel."

Gorky Park ~ USA 1983
Directed By: Michael Apted

Im winterlichen Moskauer Gorky Park werden drei Leichen gefunden, die von ihrem Mörder unidentifizierbar gemacht wurden, indem er ihnen die Gesichtshaut abgetrennt hat. Für den Polizeioffizier Arkady Renko (William Hurt) eine harte Nuss: Wer steckt hinter dem eiskalten Verbrechen und was war sein Motiv. Als er tiefer bohrt, stößt Renko auf ein Wespennest aus Korruption und Verrat, auf einen US-Sheriff (Brian Dennehy), der in Moskau auf eigene Faust ermittelt sowie auf den zwielichtigen amerikanischen Pelzhändler Jack Osborne (Lee Marvin).

Tadelloser Thriller, der einem allein aufgrund James Horners unverkennbarer, percussionlastiger Musik sogleich das vertraute Gefühl des 'Nachhausekommens' vermittelt. Vornehmlich in Finnland als Moskau-Substitut gedreht, ist Apted mit "Gorky Park" ein schnörkelloser Genrebeitrag und darüberhinaus sein wahrscheinlich bester Film geglückt, dessen kleiner philosophischer Gehalt, eine Meditation über Sinn und Unsinn von Systemtreue, in den letzten Einstellungen nochmal einen bravourösen Aufschwung nimmt. Doch auch in seiner dichten Schilderung der interfiguralen Entwicklungen, die, mit Aiusnahme der Heldenfigur natürlich, ganz klassisch von der Undurchsichtigkeit in die manchmal unangenehme Luzidität führen, ist der Film beispielhaft inszeniert. Und der große Lee Marvin adelt ihn gleich nochmal mit seinen spärlichen, aber umso heller scheinenden Auftritten.

8/10

Michael Apted UDSSR Russland Moskau Verschwörung Martin Cruz Smith


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LE GRAND RESTAURANT (Jacques Besnard/F 1966)


Zitat entfällt.

Le Grand Restaurant (Scharfe Kurven für Madame) ~ F 1966
Directed By: Jacques Besnard

Im Nobelrestaurant des Monsieur Septime (Louis de Funès) verkehrt vornehmlich die vornehme Gesellschaft; auch Staatsmänner gehen hier ein und aus. Als jedoch eines Abends ein lateinamerikanischer Staatschef (Folco Lulli) mitten aus Septimes Établissment entführt wird, gerät Monsieur in die Bredouille. Immerhin ist es sein Grund und Boden, der für den vermeintlich verbrecherischen Plan Pate zu stehen hatte. Vom Polizeichef (Bernard Blier) zunächst unwissentlich als vorgeschobener Geldbote missbraucht, schlittert Septime von einer unangenehmen Affäre in die nächste.

Eine meiner Lieblingskomödien mit dem großen kleinen Ekel-Choleriker, der hier eine seiner großen Paraderollen ausfüllt als pathologisch perfektionistischer Restaurantchef. Ganz klassisches Satiresubjekt ist Septime das Musterbeispiel des zu piesackenden Opportunisten; einer, der nach oben buckelt und nach unten tritt - seine angestellten Kellner leiden unter seinen groteske Formen annehmenden Mobbereien, derweil der ihm in Statur und Stimmgewalt überlegene Küchenchef (Raoul Delfosse) der einzige ist, der sich nichts von ihm sagen lässt - unter Septimes großer persönlicher Schande allerdings. Besonders die erste halbe Stunde ist voll von goldenen de-Funès-Momenten, seien es seine gloriose Mimik mitsamt ewigem Lippengezische, die Hitler-Parodie ("Musskattnuss, Hörrr Müllerrr!") oder das verrückte Saucieren-Ballett. Wie hier ein kleiner sozialer Mikrokosmos entworfen wird um Septimes Untergebenenschaft, die aus Trantüten, (erfolgreichen) Schleimern und Neidern besteht, das reflektiert großen französischen Humor. Allerdings sind de Funès Mitdarsteller wie etwa der scheel grinsende Paul Prébroist als heimlich süppelnder Sommelier von wahren Gnaden. Oft wurde und wird moniert, dass "Le Grand Restaurant" sich mit später werdender Laufzeit in den Wirren der Kriminalkomödie verliert - mir ist die vorliegende Form in jedem Fall deutlich lieber als ein anderweitig zu befürchtendes, episodisches Verflachen der Restaurantsequenzen. So kenne ich den Film schon ewig und nur so will ich ihn haben.

8/10

Jacques Besnard Louis de Funès Paris Restaurant Gastronomie


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NADINE (Robert Benton/USA 1987)


"It's better to be lucky than smart."

Nadine ~ USA 1987
Directed By: Robert Benton

Austin, Texas 1954: Als die Friseurin Nadine Hightower (Kim Basinger) sich ihre von dem schmierigen Raymond Escobar (Jerry Stiller) angefertigten Aktfotos zurückholen möchte, wird sie zufällig Zeugin, wie dieser ermordet wird. Als ihr dann statt der erhofften Bilder eine Blaupausen für den Bau eines neuen Highways in die Hände fallen, wittert ihr vom Pech verfolgter Noch-Ehemann Vernon (Jeff Bridges) die große Chance auf einen schnellen Dollar. Gar nicht damit einverstanden ist jedoch der Grundstücksspekulant Buford Pope (Rip Torn), der um den wahren Wert der Pläne weiß und dafür auch ohne lang zu fackeln über Leichen geht.

Trotz der großartigen Besetzung ein als eher beiläufig zu wertendes Werk aus Bentons Œuvre, eine kleine Kriminal- und Romatikkomödie mit Mut zur Kürze, mit der der Regisseur ganz offensichtlich sich selbst den Wunsch einer locker-flockigen, altmodischen Gaunerstory in heimatlichen Gefilden erfüllen konnte. Wie man weiß, liebt Benton seinen Herkunftsstaat ebensosehr wie er ein Faible dafür hat, seine Stoffe in jedwede historische Gewänder zu kleiden - dabei gibt es eigentlich gar keinen Grund dafür, "Nadine" in den Fünfzigern spielen zu lassen. Möglicherweise ging es auch ein wenig darum, sich zumindest ansatzweise vom zeitgenössischen Einerlei abzugrenzen. Kim Basinger beweist Humor und nimmt bereitwillig die Tatsache auf die Schippe, dass sie einst selbst eine Fotostrecke im 'Playboy' hatte, aber auch der Rest gibt, wie erwähnt, eine erfrischende Vorstellung ab.

7/10

Robert Benton period piece Ehe


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BODY HEAT (Lawrence Kasdan/USA 1981)


"When it gets this hot, people try to kill each other."

Body Heat (Heißblütig - Kaltblütig) ~ USA 1981
Directed By: Lawrence Kasdan

Ein ungewöhnlich heißer Sommer in Florida: Der kleine, eher mittelmäßig betuchte Anwalt Ned Racine (William Hurt) lernt die Unternehmergattin Matty Walker (Kathleen Turner) kennen und beginnt mit ihr eine stürmische Affäre. Bald zeichnet sich ab, dass Mattys Ehemann Edmund (Richard Crenna) dem Paar mehr und mehr im Weg steht, zumal seine umfangreiche Hinterlassenschaft Ned und Matty einen großzügigen Lebensstil gestatten würde. So fasst man den Plan, Edmund um die Ecke zu bringen und führt diesen auch planungsgemäß durch. Doch Matty treibt ein doppeltes Spiel; mitnichten hat sie es auf eine gemeinsame Zukunft mit Ned abgesehen, sondern will Edmunds Geld viel lieber allein ausgeben. Somit ist ihr nun auch Ned im Wege...

Mit seinem Regiedebüt legte Lawrence Kasdan eine schöne, formal beeinduckend abgeklärte und reife Reminiszenz an die films noirs der vierziger Jahre vor. Wie Bob Rafelsons etwa zeitgleich entstandene Neuverfilmung von "The Postman Always Rings Twice" erkundet auch "Body Heat" den amoralischen Kreislauf aus lüsterner Liaison und Gattenmord, der die Illusion eines störfreien Lebens beinhaltet. Die Figur der Matty Walker findet sich dabei jedoch noch wesentlich deutlicher an der misogynen Typologie klassischer femmes fatales der Schwarzen Serie orientiert als Jessica Langes Interpretation der Cora. Wie einst Brigid O'Shaughnessy, Phyllis Dietrichson oder die Vera aus Ulmers "Detour" handelt es sich bei Matty um eine Dame, die sich ihrer erotischen Ausstrahlung auf sexuell ausgehungerte Männer vollends bewusst ist und diese zu undurchsichtigen, in jedem Falle rücksichtslosen Zwecken einsetzt. Kasdan konnte diese Art von Sex als Waffe 1981 natürlich wesentlich expliziter zum Ausdruck bringen, vermeidet jedoch den drohenden Abstieg in die Vulgarität. Damit ist "Body Heat" filmhistorisch betrachtet ein immens wichtiger, sogar unerlässlicher Brückenschlag für die Gattung 'noir' von der Vergangenheit in die filmische Moderne, der das Genre entsprechend viel verdankt.

8/10

Lawrence Kasdan Florida femme fatale film noir neo noir


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WIR KÖNNEN AUCH ANDERS... (Detlev Buck/D 1993)


"Tut das nötig?"

Wir können auch anders... ~ D 1993
Directed By: Detlev Buck

Die beiden Brüder Rudi, genannt Kipp (Joachim Król) und Moritz, genannt Most (Horst Krause) erben ein Grundstück irgendwo in einem der äußersten Provinzausläufer Mecklenburg-Vorpommerns. Das Problem: Kipp ist imbezil und Patient einer geschlossenen Anstalt für geistig Behinderte, sein Bruder Most, der als Landknecht arbeitet, ist nur unwesentlich intelligenter. Dennoch begeben sich die beiden mit Mosts gedrosseltem alten Hanomag auf große Fahrt in den wilden Osten. Dort treffen sie außer Rockern, Seelenverkäufern, schmierige Polizisten, einem prolligen Viehtransporteur, Schweinen, einem chinesischen Kellner und zwei arroganten Hausfrauen auch den russischen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Deserteur Viktor (Konstantin Kotljarov), der die beiden zunächst entführt um dann mit den Brüdern, nachdem er bemerkt, was mit ihnen los ist, ein schlagkräftiges Trio zu bilden. Als Outlaws bahnt das mit der Kellnerin Nadine (Sophie Rois) zum Quartett erweiterte Trio sich schließlich mit wohlfeilem Einsatz der Kalashnikov den Weg in die Freiheit, die in ihrem Fall jenseits der Ostsee liegt.

Mit der nonchalanten Verve eines Emir Kusturica lieferte Buck, der ja mittlerweile wohl auch zu den Filmemachern gehört, die für hochbudgetierte Erfolgsliteraturadaptionen herangezogen werden, bereits 1993 sein bis heute unerreichtes Meisterwerk ab, eine furztrockene, respektlose und zugleich doch nordisch-warmherzige Satire über das demoskopische West-Ost-Gefälle der Post-Wende. Als holsteinischer Provinzler verfügt Buck jedes moralische Recht sich über die Spleens und Eigenarten seiner "Stammesgenossen" lustig zu machen und das tut er hier ausgiebig. Selbst die Tatsache, dass er zwei geistig eingeschränkte Analphabeten zu den Helden seines Verliererepos macht und zahlreiche Gags auf ihre Kosten gehen lässt, lässt man Buck vorbehaltlos durchgehen, schimmert doch durch das mitunter hochnotkomisch arrangiertee Situationsgeflecht der völlig gehandicapten Kleinclique stets die unabdingbare Liebe zu ihnen als Hauptfiguren. Man genießt zusammen mit Buck, wie sie sich die Drei mit der bewaffneten Hilfe des ebenso braven wie unbarmherzigen Victor und seiner "Pistole" mit der er "aber gut umgehen" kann (Kipp) gegen jede widerfahrene Ungerechtigkeit und Boshaftigkeit zur Wehr setzen und ihre Konten ausgleichen.
Ein Prachtfilm und eine der schönsten deutschen Komödien ever.

10/10

Detlev Buck Provinz Brüder Road Movie Groteske





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Funxton

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