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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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FOOTLOOSE (Herbert Ross/USA 1984)


"I thought I was alone." - "Not in this town. There's eyes everywhere."

Footloose ~ USA 1984
Directed By: Herbert Ross

Als Teenager Ren (Kevin Bacon) in das Nest in Utah kommt, in das es ihn und seine Mom (Frances Lee McCain) nach deren Scheidung verschlägt, traut er zunächst Augen und Ohren nicht: Laute Popmusik gilt als verpönt, Tanz und Disco sind sogar gesetzlich untersagt. Vorreiter dieser erzkonservativen Christen-Bewegung ist der hiesige Reverend Moore (John Lithgow), dessen Sohn dereinst bei einem Autounfall nach der Disco verstarb. Moores Tochter Ariel (ori Singer) rebelliert derweil gegen ihren Dad, wo sie nur kann und findet in Ren genau das, was sie und die übrigen Jugendlichen der Stadt brauchen: Einen coolen Typen, der genug Mumm besitzt, den Mund aufzumachen.

Eine Art "Saturday Night Fever" für Provinzjugendliche, zusammengenommen immerhin auch eine recht zahlungskräftige Zielgruppe, die für das damals auf solche Filme spezialisierte Studio Paramount zu einem mehr als achtbaren Erfolg heranreifte. Der noch relativ unbekannte Kevin Bacon ergänzte das gerade im Etablieren befindliche 'Brat Pack' um ein neues Gesicht, das so ziemlich alles personifizierte, was orientierungsbedürftige Jugendliche in den mittleren Achtzigern verehrten: Ein Typ mit eigenem Klamotten- und Frisurstil, kein idealtypischer Schönling, aber ein markanter Kerl mit Geschmack, der sich bewegen kann, coole Tapes im Radio hat und nicht nur flotte Sprüche schwingt, sondern auch was in der Birne hat, Vonnegut kennt und ganz ohne eigenes Zutun im Mittelpunkt des Geschehens landet.
Und genau da wird Ross' Film zum Paradoxon: Er warnt vor Bigotterie, Konservativismus und Tradierung, mahnt, dass der ewig Gestriggläubige schnell dem Stillstand und damit dem Bösen zu verfallen droht. Einmal fangen Moores Gesinnungsgenossen an, öffentlich Bücher zu verbrennen und der entsetzte Geistliche erkennt, welche Dämonen er da gerufen hat. Doch: Befreit die Jugend sich selbst von ihrem Spießerjoch? Nein, eine Lichtgestalt muss her, ein Messias, ein Rocker aus Chicago. Der alte Götze wird von einem neuen ersetzt, das hat fast schon die satirische Dimension einer "Simpsons"-Episode. Nur, dass sich "Footloose" sehr wohl völlig ernst nimmt und ganz offensichtlich auch noch gefällt im engmaschigen Gatter seiner ominösen Lösungsvorschläge. Und damit ist er letzten Endes zu ebendem geworden, was er wohl zu sein wünschte: Dem filmischen Äquivalent zu einem Kenny-Loggins-Song.

5/10

Herbert Ross Musik Tanz Kleinstadt Utah Kirche


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DIE TOTENSCHMECKER (Ernst Ritter von Theumer/BRD 1979)


"Es gibt wos zu feiern, also hol wos zum saufn!"

Die Totenschmecker ~ BRD 1979
Directed By: Ernst Ritter von Theumer

Eine durchaus wohlhabende Bauernfamilie haust auf einer bayrischen Alm. Allerdings besteht das ländliche Heimat-Idyll bloß vordergründig: Der patriarchalische Gutsherr (Peter Jacob) führt ein strenges Regime und zwei seiner Söhne (William Berger, Herb Andress) wetteifern bereits um ihr Erbteil, derweil der dritte, geistig behinderte Sohn Franz (Klaus Fuchs), jedem bloß Angst einjagt. Die Jüngste, Tochter Anna (Maria Beck), ist hier ganz offensichtlich falsch aufgehoben, was deutlich wird, als sie sich in einen Zigeunerjungen (Sony Kaikoni) verliebt, der mit seiner Sippe in der Nähe campiert. Dem fahrenden Volk schlägt die ganze Verachtung der Bauersfamilie entgegen und bald kommt es zu exzessiven Gewalttaten, die jedoch gegen die Initiatoren zurückwallen.

Von Theumers Film blickt auf eine interessante Umtitelungsgeschichte zurück: Nach dem Originaltitel "Das Mädchen vom Hof", der mir durchaus respektabel scheint, wurde er unter anderem als "Der Irre vom Zombiehof" und "Die Totenschmecker" wiederaufgeführt - gelinde gesagt irreführende Benennungen. Zombies oder Ghouls gibt es nämlich keine in von Theumers (der hier übrigens unter dem urgermanischen Heimatfilmerpseudonym 'Richard Jackson' firmiert) schlichtem Almheuler, wohl aber ein paar Irre, wobei sich mittlerer Titel wohl auf Klaus Fuchs als blaubemannten, geifernden Inzestidioten kapriziert. Bei näherem Hinsehen hat man dann auch ganz schnell heraus, dass "Die Totenschmecker" eigentlich einen Western mit niederbayrischem Dialekt und vor pittoresker Bergkulisse markiert; ein wenig erinnert er zu gleichen Teilen an "The Unforgiven" oder "The Broken Lance", in denen ebenfalls die Hauptmotive 'Xenophobie' und 'Dynastiewechsel' tonangebend sind. William Berger schließlich in einer der Hauptrollen, ein Veteran des genreübergreifenden Italoploiters, bürgt für ein gewisses Maß cineastischen Klassizismus'.
Als ein Stück bundesrepublikanischen Dunkelkinos aus der Mottenkiste wiederentdeckens- und somit sehenswert.

6/10

Ernst Ritter von Theumer Bayern Zigeuner Inzest Familie


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BRUTE FORCE (Jules Dassin/USA 1947)


"Nobody ever really escapes."

Brute Force (Zelle R 17) ~ USA 1947
Directed By: Jules Dassin

Im Westgate-Hochsicherheitsgefängnis herrschen menschenunwürdige Zustände. Schuld daran trägt Oberaufseher Munsey (Hume Cronyn), vor dessen diabolischer Entschlossenheit selbst der Direktor (Roman Bohnen) buckelt. Oberflächlich präsentiert sich Munsey als großer Humanist, doch insgeheim intrigiert er gegen die Gefangenen, setzt Spione unter falschen Versprechungen ein, treibt verzweifelte Insassen in den Suizid und greift auch schonmal zur Folter. Für Joe Collins (Burt Lancaster) gibt es daher nur eine Lösung: Ausbruch.

"Brute Force" steht im Kanon der Knastfilme ganz oben, antizipiert er doch entscheidende Motive und Inhalte, die die Gattung bis heute verwendet. Mit einer besonders im Hinblick auf seine Entstehungszeit rigorosen Härte zeichnen Brooks und Dassin die Hoffnungslosigkeit des Gefängnisalltags für Langzeitinsassen. Längst sind ihre Taten gesühnt und spielen ohnedies keine Rolle mehr für ihre Existenz, hier, in diesem abgeschotteten Paralleluniversum, geht es einzig ums Überleben sowie darum, einen Rest psychischer Stabilität zu wahren. Für die Gewaltigen, wie Aufseher Munsey (man traut Cronyn kaum zu, dass er eine solch diabolische Seite herauszukehren imstand war), stellt indes das Verführungspotenzial der Macht die größte Gefahr dar. Die Verlockung, Macht über andere zu besitzen, körperlich Überlegene, gewalttätige Männer, korrumpiert Munseys Persönlichkeit und lässt ihn schließlich zum Minidiktator reifen. Am Ende steht eine tiefschwarze Conclusio: Es ist, wie es ist und wird sich absehbar nicht ändern.

10/10

Jules Dassin Richard Brooks Gefängnis film noir


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DETACHMENT (Tony Kaye/USA 2011)


"We're failing."

Detachment ~ USA 2011
Directed By: Tony Kaye

Der von einer trüben Vergangenheit heimgesuchte Vertretungslehrer Henry Barthes (Adrien Brody) kommt an eine Brennpunkt-High-School am organisatorischen Scheideweg. Während Barthes sich alle Mühe gibt, seinen Schülern ein respektabler Lehrer zu sein, lernt er außerhalb der Bildungsanstalt die junge Prostituierte Erica (Sami Gayle) kennen und müht sich damit ab, ihr Schutz und Geborgenheit zu geben, derweil sein Großvater (Louis Zorich) in einer betreuten Wohnstation vor sich hin siecht.

Der 'substitute teacher' ist in den USA ein dauerhafter Beruf. Die Kollegen tingeln im Lande umher und springen für einen kurz- bis mittelfristigen Zeitraum für dauerhaft erkrankte Lehrkräfte ein, um sich daraufhin einer neuen Schule zuzuwenden. Was sich bei uns zulande 'Vetretungspool-Lehrer' schimpft, bildet hier lediglich eine Zwischenstation auf dem Karriereweg zu Festeinstzellung und Verbeamtung. Nicht so in Übersee - für Henry Barthes, der ebendiesen besonderen Berufszweig ausfüllt, erweist sich seine Stellung als privates Basisproblem, denn das, was er braucht, kann ihm gerade diese Art der Berufsausübung nicht geben: Stabilität und Kontinuität.
Wer sich "Detachment" aussetzt, sollte gewappnet sein: Ein finstererer Film ist mir seit langem nicht untergekommen. Das von Scriptautor Carl Lund und Tony Kaye transportierte Weltbild ist ein nachgerade fatalistisches; in ihrem hier vorgestellten Mikrokosmos sind Philanthropen und Altruisten die zur Höchststrafe Verurteilten in einer gleichgültigen Realität. Als "Belohnung" für ihr Engagement bekommen die Großherzigen noch permanente Ohrfeigen von allen seiten; Bindungsangst und Einsamkeit sind die privaten Folgen. Henry Barthes steht mittendrin im Brennpunkt. Seine Mutter (Reagan Leonard) hat dereinst Selbstmord begangen, höchstwahrscheinlich, weil sich ihr Vater an ihr vergangen hat. Für den alten Mann, der sich seinen Frevel (zu Recht) selbst nie vergeben konnte, bildet Henry derweil den letzten Draht zum Leben. Die junge Erica ist durch ihre Karriere emotional abgestumpft und Henrys Engagement für sie führt nur zu weiteren Problemen, da eine dauerhafte Freundschaft keine Lösung darstellen kann. In der Schule findet sich ein zwischen hochneurotisch, repressiv und resignativ umheroszillierendes Kollegium. Die langjährige Schulleiterin (Marcia Gay Harden) wird zwangsretiriert, weil sie, so versichert man ihr, in ihrem Beruf versage, der älteste Kollege (James Caan) kokettiert damit, von Psychopharmaka abhängig zu sein, die Berufsberaterin (Lucy Liu) verzweifelt jeden Tag ein Stückchen mehr und Mr. Wiatt (Tim Blake Nelson) steht kurz vorm Durchdrehen. Natürlich muss sich "Detachment" den Vorwurf gefallen lassen, hier und da zu überzeichnen - soviel Unbill tritt wohl niemals am Stück auf. Aber: Er ist auch ein unbestechliches Sammelsurium der Wahrheiten und des ungeschönten Realismus. Vieles von dem, was ich in "Detachment" gesehen habe, habe ich in meiner noch relativ jungen Lehrerkarriere bereits selbst in ähnlicher Form erlebt, trotz der anderen Schulform und trotz der sich unterscheidenden Bildungsstandards. Im Grunde stechen wir, die Spezies Lehrer, doch alle in einem riesigen globalen Sack, in dem, unentwegt mit dem Knüppel drauf eingedroschen, früher oder später jeder mal erwischt wird. Insofern: Danke an Tony Kaye für seinen überaus empathischen Film.

9/10

Tony Kaye Schule Lehrer Freundschaft


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THE SLENDER THREAD (Sydney Pollack/USA 1965)


"I care."

The Slender Thread (Stimme am Telefon) ~ USA 1965
Directed By: Sydney Pollack

Der Psychologiestudent Alan Newell (Sidney Poitier) volontiert nebenbei bei der Telefonseelsorge. Eines Abends ruft dort die völlig verzeifelte Inga Dyson (Anne Bancroft) an und eröffnet dem konfusen Alan, sie habe soeben eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Da sie ihm weder ihren vollen Namen noch ihren Aufenthaltsort mitteilen möchte, muss Alan jedwedes Geschick aufwänden, um Inga am Telefon zu halten, damit die Telefongesellschaft ihren Standort ermitteln kann. Glücklich über einen verständigen Zuhörer erzählt sie ihm ihre Geschichte...

Grandioses Kinodebüt mitsamt meisterlich verschachtelter Chronologie von einem noch hungrigen Sydney Pollack, höchst stilvoll und kompetent inszeniert und sich empfehlend für das bereits im Trüben keimende New Hollywood. Ungeachtet der mittlerweile überall gängigen Farbkamera nutzt Pollack für sein Kammerspiel betont schmuckloses Schwarzweiß (Loyal Griggs) und zu dessen Untermalung ebenso treibende wie gefühlvolle Klänge von Großmeister Quincy Jones. Anne Bancroft ist ausgezeichnet in ihrer Porträtierung einer zutiefst verzweifelten Frau und fügt dem Erstarken naturalistisch gezeichneter femininer Figuren auf der Leinwand ein entscheidendes Exempel hinzu. Telly Savalas, stets mit gewaltiger Zigarre im Bild als Poitiers nicht minder engagierter Chef zeigt sich ausnahmsweise in einer durchgängig sympathischen Darstellung und Seattle als ungewohnter Schauplatz für einen Studioproduktion tut sein Übriges, um diesen für seinen Zeitkontext ungewöhnlichen Film zu etwas Besonderem zu machen.

9/10

Sydney Pollack Seattle Telefon Psychiatrie Echtzeit


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THE POWER OF ONE (John G. Avildsen/USA, AU, F 1992)


"To have a brain is not a sin, but to have a brain and not use it, that is a sin."

The Power Of One (Im Glanz der Sonne) ~ USA/AU/F 1992
Directed By: John G. Avildsen

Der englischstämmige P.K. (Stephen Dorff, Guy Witcher, Brendan Deary) wächst im zunehmend von Buren kontrollierten Südafrika der dreißiger und vierziger Jahre auf. Schon früh ein Waisenkind, hat er das Glück, unter der Führung einiger weiser Mentoren zu gedeihen, als da wären der deutsche Intellektuelle 'Doc' (Armin Mueller-Stahl), der Häftling Geel Piet (Morgan Freeman), P.K.s Schullehrer St. John (John Gielgud), der Boxlehrer Gilbert (Dominic Walker) und schließlich sein gleichaltriger Freund Gideon (Alois Moyo). Von all diesen Männern lernt P.K. - unter vielen schweren Verlusten freilich - Respekt für Leben und Natur, sich gegen Hass und Rassismus zu wenden und alles zu geben für Bildung, Liebe und Freundschaft.

Eine von Avildsens vielen Außenseiterballaden, die wie immer einen jungen Kämpfer zum Protagonisten hat, der sich, hier stimmt es einmal wieder ganz exakt, durchzuboxen lernt. Der polithistorische Hintergrund des von der Geißel der Apartheid gebeugten Südafrika unter der erstarkenden Burenherrschaft gibt dafür einiges her, zumal sich hier mit der Hauptfigur P.K. ein Brite aufgestellt findet, der unter der rigorosen Aggression der selbsternannten 'Afrikaaner' auf eine ähnlich segregative, wenngleich abgeschwächte Weise zu leiden hat wie die dunkelhäutigen Ureinwohner der Region, die sich gern mit den in Europa wütenden Nazis auf eine Stufe stellen. So auch P.K.s ewiger Erzfeind Botha (Daniel Craig), der dem Jungen seit frühester Jugend nachstellt.
Hier und da von einer gewissen Naivität und dramaturgischen Schlichtheit ist "The Power Of One" zwar ein simpel erzählter Film, einer jedoch, dessen Konsumierbarkeit man ihm nicht zum Vorwurf machen darf. Im Gegenteil. In der Sekundarstufe könnten und sollten aller Ehren werte Werke wie dieses zum bildnerischen Kanon zählen.

8/10

John G. Avildsen period piece Biopic Südafrika Apartheid Coming of Age


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THE RAINMAKER (Joseph Anthony/USA 1956)


"Believe me, Lizzie. You ARE ugly."

The Rainmaker (Der Regenmacher) ~ USA 1956
Directed By: Joseph Anthony

Bill Starbuck (Burt Lancaster) tingelt auf seinem bunten Pferdewagen durch den Mittelwesten und verkauft den naiven Kleinstädtern dort allerlei wirkungslosen Firlefanz gegen die widrigen Witterungsverhältnisse, vor allem jedoch Phantasie und Hoffnung. Als er auf die Rancher-Familie Curry trifft, den verwitweten, liebevollen Vater H.C. (Cameron Prud'Homme), seinen ältesten, besserwisserischen Sohn Noah (Lloyd Bridges), dessen jüngeren, einfältigen Bruder Jim (Earl Holiman) und ihre altjungferliche Schwester Lizzie (Katharine Hepburn), schafft er es binnen weniger Stunden, neue Ordnung in deren verfilzte Beziehungsinteraktionen zu bringen. Und am Ende fällt sogar der versprochene Regen.

Die alte Mär von der zunächst unmöglichen scheinenden Gangbarkeit zwischen Wahrhaftigkeit und Träumerei arbeitet Nashs klassisches Stück in liebenswerter Weise und leuchtendem VistaVision auf. Eine von Lancasters großen Paraderollen bildet die Figur des Bill Starbuck, jener selbstherrliche, breit grinsende und umherhüpfende Scharlatan, dessen Betrügereien und Eulenspiegelein seinen Opfern wesentlich wohler tun als sie im Nachhinein zuzugeben bereit sind. Starbucks selbstgebastelte Ideen von Tornadoschutz und Regenzauber funktionieren zwar bestenfalls nur zufällig, vermitteln ihren Konsumenten jedoch zumindest ein mittelfristiges Gefühl von Verständnis und Geborgenheit. Vor allem erkennt Starbuck die Menschen hinter ihrer Fassade. Der streng schwarzweiß und numerisch denkende Rationalist Noah erregt sogleich sein Mitleid, derweil dem leicht dümmlichen, aber frisch verliebten Firlefanz Jim all seine Sympathie zuwandert. Die vertrocknete Lizzie erlebt bei ihm erstmals ein Gefühl des Begehrtwerdens und der Weiblichkeit, womit auch sie sich schlussendlich gerettet und aus ihrem depressiven Trauertal geführt findet. Die Saat für die Zukunft ist gesät, passend dazu findet sich die ausgedorrte Erde Utahs bald neu aufgelockert. Weltverbesserungskino deluxe.

8/10

Joseph Anthony N. Richard Nash based on play period piece Familie Geschwister Utah Erwachsenenmärchen


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FATHER OF THE BRIDE (Vincente Minnelli/USA 1950)


"I was wrong. I figured without the wedding."

Father Of The Bride (Vater der Braut) ~ USA 1950
Directed By: Vincente Minnelli

Für den gesetzten Familienvater Stanley T. Banks (Spencer Tracy) entwickelt sich die Hochzeitsplanung seiner Tochter Kay (Elizabeth Taylor) zur nervlichen Zerreißprobe. Nicht genug damit, dass sein Augapfel plötzlich erwachsen ist und ihre eigene Existenz auf die Beine stellt, muss er als Brautvater auch noch die Ausrichtungskosten übernehmen und sein Haus für sämtliche Feierlichkeiten zur Verfügung stellen. Alsbald droht ihm die Sache über den kopf zu wachsen, doch als er realisiert, dass er für Kay insgeheim noch immer der Größte ist und bleibt, kann er sich zufrieden zurücklehnen.

Herzlich-charmanter Comedy-Klassiker mit einer Paraderolle für den großen Spencer Tracy. Etliche witzige (und sehr wahre) Einfälle wie Stanleys misslungener Martini-Empfang machen den im Hinblick auf seine Inszenierung eher betulich wirkenden Film innerhalb des Genres zu einem Ereignis. Mit liebevoller Ironie verballhornt das Script die Pseudonöte des suburban American bourgeois, beschränkt geradezu wohltuend die Weltschmerz auf seinen vorstädtischen Mikrokosmos und versichert dem Zuschauer, dass auch intrafamiliäre Liebe in Überdosen verabreicht zu gefährlicher Überzuckerung führen mag.
Minnelli besaß ein spezielles Händchen für Komödien mit trockenem Unterbau, davon zeugt neben "Father Of The Bride" auch der etwas später entstandenere "Designing Woman", letzterer sogar ganz erheblich. Der Meister hätte sich auf diesem Gebiet noch verstärkter aktivieren sollen.

8/10

Vincente Minnelli Ehe Familie Hochzeit midlife crisis Satire


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HEISSES PFLASTER KÖLN (Ernst Hofbauer/BRD 1967)


"Exquisit und exklusiv - des ist unser Motto!"

Heißes Pflaster Köln ~ BRD 1967
Directed By: Ernst Hofbauer

Der Zuhälter Paul (Arthur Brauss) bekommt gleich in mehrerlei Hinsicht kalte Füße: Der übereifrige Staatsanwalt Stauffer (Richard Münch) strebt eine Revisionsverhandlung gegen Pauls wegen Mordes verdächtigen Bruder (Jos Hartmann) an und der Wiener Poldi kommt mit seinem Tross nach Köln, um Pauls Pferdchen vom Strich weg abzuwerben und in seinem Edelpuff zu beschäftigen. Derweil treibt das marodierende Teeniemädchen Vera (Monika Zinnenberg) ihr Unwesen in der Stadt und Stauffers Sohn Ernst (Claus Ringer) schwebt wegen seiner hübschen Freundin Susanne (Doris Kunstmann) auf Wolke 7.

Orientiert an einigen echten Vorfällen im ehedem zeitgenössischen "Chicago am Rhein", in welchem Ende der Sechziger Zuhälter wie der tatsächlich Todesdrohungen gegen einen verfeindeten Staatsanwalt ausstoßende Toni Dumm (oder, wie er besser bekannt ist, Dummse Tünn) zu den heimlichen urbanen Größen zählten, klöppelten Hofbauer und die Münchener LISA-Film dieses schon semilegendäre Kolportage-Produkt über die sittenwidrigen Vorgänge im Mittwesten der Bundesrepublik zusammen: Ja, nicht nur in Hamburg und Frankfurt waren die Nächte lang (respektive heiß), auch bei uns am Rhein ging's hoch her. Das kölsche Fremdenverkehrsamt sah es dabei gar nicht gern, dass ausgerechnet die Bayern ihr rheinisches Frohsinnsmekka so verunglimpften und die hauseigene Großstadt als dermaßen verworfenes Sündenbabel zeichneten. Die Herren von der Lokalreklame hatten offensichtlich keinen Sinn für Humor, denn die - natürlich filmdramaturgisch hübsch zurecht gebogene und verzerrte - Rotlichtwelt des Films reizt gewiss zu mancherlei schäbigem Grinsen. Wenn die Zuhältergangs jeweils zu dritt gegeneinander antreten und Rainer Basedow sein Vis-à-vis Herbert Fux mit "Du Frankenstein!" beschimpft, dann bleibt freilich kein Auge trocken. Außerdem demonstriert uns die hübsche Bilderbuch-, äh, Bildungsbürgerjugend, dass es immer noch Wege und Hoffnung gab - auch dies schon damals.

7/10

Ernst Hofbauer Köln Kiez Prostitution Sleaze Lisa-Film


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AMERICAN ME (Edward James Olmos/USA 1992)


"Welcome to the clika, carnal!" - "Por vida, ese, por vida."

American Me (Das Gesetz der Gewalt) ~ USA 1992
Directed By: Edward James Olmos

Montoya Santana (Edward James Olmos), einer der führenden Chicano-Drogenbosse Kaliforniens, blickt während eines weiteren Gefängnisaufenthalts, den er eigentlich gar nicht selbst zu verschulden hat, auf sein verpfuschtes Leben zurück. Geboren als Vergewaltigungresultat während einer Sauftour von Navy-Matrosen hat sein nomineller Vater (Sal Lopez) ihn nie wirklich annehmen oder akzeptieren können. Diese fehlende Liebe macht sich früh bemerkbar: Als Jugendlicher (Panchito Gómez) gerät Santana in die keimende Gangszene von East L.A., landet bald darauf im Knast und passt sich nicht nur zur Gänze den dort vorherrschenden Strukturen an, sondern bestimmt diese in entscheidender Weise mit. Nachdem er seinen ersten Mord infolge einer an ihm vollzogenen Vergewaltigung begangen hat, landet Santana in Folsom und wird dort zum Anführer der Chicano-Gruppe 'EME'. Er verbringt lange Jahre im Gefängnis und organisiert ein mächtiges Drogennetz, das relativ mühelos seine Kanäle zwischen 'draußen' und 'drinnen' zu bewirtschaften weiß. Als Santana nach vielen Jahren freigelassen wird, erkennt er, dass seine emotionale Entwicklung irgendwann mit 15 Jahren stehengeblieben ist und er sich kaum an die Außenwelt zu adaptieren lernt. Als er anfängt, Menschlichkeit und Mitgefühl zu zeigen, steht er bei seinen einstigen carnales auf der Abschussliste.

Taylor Hackfords "Bound By Honor" ist ein großes, episches Werk über die komplexen Vorgänge zwischen der gefängnisinternen und -externen Gangkriminalität im Milieu der Chicanos von Los Angeles, das sich über mehrere Jahrzehnte sozialer und individueller Entwicklungen erstreckt. Dabei war "Bound By Honor" nicht der erste Film, der dieses Thema behandelte - ein Jahr zuvor kredenzte der intraethnisch stets hochengagierte Edward James Olmos den nicht minder brillanten "American Me", der im Schatten des großen Nachfolgers bis dato immer etwas unterzugehen scheint.
"American Me" hat es insofern etwas "leichter" als Hackfords Film, als dass er nicht drei parallele Geschichten zu erzählen hat, sondern sich mit einer begnügt - der des Machers und Organisators, des zum Soziopathen erzogenen Schwerstkriminellen. Olmos verleiht diesem eigentlich undefinierbaren Gewaltverbrecher ein besonnenes Charaktergesicht. Bei ihm wird Santana zum Menschen, zum Antihelden und zu einer, zumindest ansatzweise nachvollziehbaren, Persönlichkeit. Weit weniger schmucklos und glanzvoll inszeniert als "Bound By Honor" (der sich ungeachtet dessen trotzdem auch stark an Olmos' Vorbild orientiert) präferiert "American Me" den schonungslosen Weg, ist hässlich und brutal, ohne sich je exhibitionistisch zu geben, mit pseudodokumentarischen Zügen garniert und wirkt allein denzufolge besonders zum erwartbaren Ende hin schwer affizierend. Eines der Meisterwerke seines Jahrzehnts. Sollte man, zumindest bei entsprechender Neigung zu solchen Stoffen, gesehen haben.

10/10

Edward James Olmos Gefängnis ethnics Los Angeles Drogen Biopic





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Funxton

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