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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CASINO ROYALE (Val Guest, Ken Hughes, John Huston, Joseph McGrath, Robert Parrish/UK, USA 1967)


"Afterwards we can run amok. Or if you're too tired, we can walk amok."

Casino Royale ~ UK/USA 1967
Directed By: Val Guest/Ken Hughes/John Huston/Joseph McGrath/Robert Parrish

Geheimdienstchef M (John Huston) plant, den echten Sir James Bond 007 (David Niven), der sich bereits vor vielen Jahren auf sein Anwesen zurückgezogen hat und dessen neuerliche Popularität lediglich einem vulgären Namensvetter zu verdanken ist, in einer Ära der höchsten Krise seine Nachfolge zu übertragen. Bond lehnt zunächst ab, doch Ms gegrabene Grube tut sich nach oben auf und so wird der alte Meisterspion zu seinem Comeback gezwungen. Diese ist auch dringend erforderlich, denn nicht nur der Meisterspieler und Zauberkünstler Le Chiffre (Orson Welles) schickt sich an, für die Organisation SMERSH ein Riesenvermögenbeim Baccarat an Land zu ziehen, auch Bonds Neffe Jimmy (Woody Allen) alias Dr. Noah ist völlig durchgedreht und plant, einen Virus auf die Menschheit loszulassen, der alle Frauen in blendende Schönheiten verwandeln und jeden Mann über 1,52 m auslöschen soll. Mithilfe seiner leider ziemlich gierigen Kollegin Vesper Lynd (Ursula Andress) und seiner unehelichen Tochter Mata (Joanna Pettet) zieht Bond ins Feld.

Zwei Monate vor der Premiere des fünften offiziellen Bond-Abenteuers suchte die Konkurrenz von Columbia mit einer Parodie aufzutrumpfen, die alles in den Schatten stellen sollte, was die regulären Agententhriller jener Zeit und auch ihre diversen mehr oder weniger gelungenen Epigonen auszeichnete, indem sie selbige einfach ad absurdum führte.
Nun, man kann nur mutmaßen, welche Halluzinogene die Kreativköpfe zu diesem zelluloidgewordenen Irrsinn angestiftet haben, aber davon abgesehen, dass man ihn sicherlich als 'interessant' bezeichnen kann, ist "Casino Royale" eine brutale Nervensäge. Der Film zerfasert völlig im Zuge seiner Maßlosigkeit und der unbedingten Prämisse, jede noch so paradoxe Absurdität im nächsten Moment durch eine noch größere abzulösen. Diverse weit ausholende Szenen sind dem faktisch ohnehin kaum vorhandenen Plot in keinster Weise dienlich, sondern völlig selbsträsonistisch geraten. Der alte Spruch von der linken Hand, die nicht weiß, was die rechte tut, traf daher auch selten so sehr auf ein Kinostück zu wie auf dieses. Fünf nominell vertretene Regisseure und mindestens ebenso viele Autoren warfen ihre Ideen in einen Topf und durften diese auch noch wild durcheinander realisieren, so dass am Ende ein völlig durchgedrehtes Pasticcio herauskam, dem man unter Garantie keinerlei vernünftige Produktionsägide anmerkte. Ob James Bond infolge einer schottischen Beerdigung Boule mit massiven Steinkugeln spielen oder seine Tochter aus einem indischen Ashram herausholen muss, ob selbige in Berlin durch expressionistische Stummfilmkulissen wandeln, Woody Allen kleine Zeichentrick-Atomwölkchen hervorrülpsen oder Bebel mehrfach 'Scheiße' rufen muss - "Casino Royale" ist eines der wenigen wahren manifestierten Äquivalente zu blankem Nonsens.

5/10

James Bond 007 Parodie Schottland Berlin London John Huston Robert Parrish Val Guest Ken Hughes Joseph McGrath Woody Allen Frankreich Casino


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THUNDERBALL (Terence Young/UK 1965)


"Do you mind if my friend sits this one out? She's just dead."

Thunderball (Feuerball) ~ UK 1965
Directed By: Terence Young

Mittels eines komplizierten Planes bringt die Terrororganisation SPECTRE zwei Atomraketen aus einem entführten NATO-Bomber an sich und erpresst damit die britische Regierung. Durch einen besonderen Zufall hat James Bond (Sean Connery) während eines Erholungsaufenthalts in einem südenglischen Sanatorium bereits Wind von der Sache bekommen und ahnt, wo SPECTRE die Raketen versteckt halten könnte: Nämlich in der Nähe von Nassau. Hier nimmt Bond Kontakt zu Domino Derval (Claudine Auger), der Schwester des ermordeten Piloten François Derval (Paul Stassino) auf. Sie wiederum steht im Kontakt mit dem einäugigen Gangster Emilio Largo (Adolfo Celi) - SPECTREs Nr. 2.

"Thunderball" war nach dem bereits in diese Richtung weisenden "Goldfinger" so 'over the top', dass für Folgeprojekte scheinbar keine Luft mehr nach oben blieb. Schon die Prä-Titel-Sequenz, in der Bond in Frankreich mit dem SPECTRE-Mann Jacques Bouvar (Bob Simmons) abrechnet und hernach mithilfe eines Jetpacks entflieht, liefert entsprechende Vorgaben. Richtig wild wird es dann bereits in der sich anschließenden Vorstellung der SPECTRE-Zentrale, in der der Kopf der Gruppe, Ernst Stavro Blofeld, sich wieder einmal nur halsabwärts zeigt, natürlich nicht ohne sein Markenzeichen, der permanent gekraulten, weißen Perserkatze. Die Szenen im Sanatorium, in denen Bond sich vornehmlich mit Largos Helfershelfer Graf Lippe (Guy Doleman) kebbelt, sind dann eher witzig und geben Gelegenheit zu einigen Albernheiten. Der Showdown schließlich ist blanker Irrsinn: Eine Unterwasserschlacht zwischen SPECTRE- und CIA-Agenten, in der sich besonders Bond durch diverse Totschläge hervortut. Dass dem Mann nie jemand vorgeworfen hat, ein passionierter Massenmörder zu sein, ist schon erstaunlich. Die Bahamas derweil werden hier so pittoresk ins Bild gesetzt wie kein Handlungsschauplatz zuvor: "Thunderball" ist rein zufällig auch der erste Panavision-Bond.
Eine Randnotiz in eigener Sache: Claudine Auger ist nach meinem Gusto die bis heute aparteste Bond-Freundin und in dieser Hinsicht absolut ungeschlagen und eigentlich auch kaum bedroht. Eine Frau von wahrhaft astronomischer Physis und Eleganz.

10/10

Terence Young James Bond 007 Karibik Bahamas Atombombe Terrorismus Hai


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GOLDFINGER (Guy Hamilton/UK 1964)


"The julep tart enough for you?"

Goldfinger ~ UK 1964
Directed By: Guy Hamilton

James Bond (Sean Connery) soll direkt nach einer Mission in Lateinamerika den Goldsschmuggler Auric Goldfinger (Gert Fröbe) aufs Korn nehmen, dessen nächste geplante Aktivitäten sich offensichtlich auf ein noch wesentlich größeres Unternehmen fixieren als den bloßen illegalen Edelmetallexport. Bond tastet sich langsam an Goldfinger heran und nachdem er ein paarmal um Haaresbreite den Kopf und andere Dinge eingebüßt hat, findet er endlich um Goldfingers wahre Absichten heraus. Mithilfe von dessen Privatsekretärin Pussy Galore (Honor Blackman) kann Bond jenes Vorhaben verhindern.

Eine Aussage darüber, ob "Goldfinger", wie häufig und gern behauptet, tatsächlich der beste Bond-Film ist, möchte ich momentan lieber noch zurückstellen. Er vereint aber womöglich deutlich nachvollziehbarer als die meisten anderen Beiträge all die Qualitäten und Angriffspunkte, die James Bond von jeher ausmachen: Der finale Schritt in den Comic-/Science-Fiction-Bereich ist jetzt nahezu getan, Bonds obilgatorische Unverletzbarkeit durch sein ironisches Vorgehen noch wesentlich signifikanter als in den beiden Vorgängern. Der Agent hat noch mehr Gelegenheit, sich als Mann von Welt und Geschmack zu profilieren als zuvor, etwa, indem er über teuren Brandy referiert, und erweist sich letzten Endes als eine Art Superheld, die ihre größten Erfolge dem Zufall zu verdanken hat. Auch der Sexismus der Figur erreicht hier einen von vielen noch folgenden Höhepunkten: Schlüsselperson im finalen Schachzug gegen Goldfingers Masterplan ist eine schöne, zunächst widerborstig und eigensinnig gezeichnete Frau, die Bond durch eine 'erzwungene Verführung' umdreht. Spermainjektion als Form der Gehirnwäsche - mal etwas ganz anderes. Gert Fröbe war der erste Widersacher, der Sean Connery darstellerisch geradezu grotesk in die Schranken wies und der sich damit als wahre Herz-/Kreislaufmaschine des Films präsentierte, ganz zu schweigen von der weiteren, von nun an fest zum Repertoire zählenden Personalie: Goldfingers Killer Odd-Job, von dem kompakten Hawaiianer Harold Sakata gegeben, machte auch des Bösewichts Leibwächter zur Karikatur.
Schließlich Bonds legendäres Fahrzeug, der mit allerlei Extras ausgestattete Aston Martin DB5, bis heute nicht nur des Spions schickstes, sondern vermutlich auch sein populärstes und beliebtestes Accessoire aus der Abteilung Q-Branch, das, im Gegensatz etwa zu Roger Moores weit weniger zeitlosem Lotus Esprit, immer wieder reaktiviert wurde und wird.

10/10

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FROM RUSSIA WITH LOVE (Terence Young/UK 1963)


"There's a saying in England: Where there's smoke, there's fire."

From Russia With Love (Liebesgrüße aus Moskau) ~ UK 1963
Directed By: Terence Young

Die Verbrecherorganisation SPECTRE plant neues Unheil: Um an eine russische Dechiffriermaschine Marke 'Lector' zu kommen, soll die Ex-Chefin des sowjetischen Geheimdienstes SMERSH, Rosa Klebb (Lotte Lenya), ihre frühere Untergebene Tatjana Romanova (Daniela Bianchi) anstiften, James Bond (Sean Connery) mittels Aktivierung seiner erotischen Instinkte nach Istanbul zu locken und mit ihr zusamen die Lector aus dem russischen Konsulat zu stehlen. Ohne es zu bemerken, stehen dich die beiden Geheimdienste am Bosporus gegenüber und wähnen sich jeweils im Vorteil. Erst als der SPECTRE-Killer Donald Grant (Robert Shaw) im Zug nach Italien einen Zweikampf gegen Bond verliert, wird der Agent sich bewusst, wer wirklich hinter dem Plan steckt...

Die Welt sollte hier zwar noch nicht gerettet werden, selbst die westliche nicht, aber der Kalte Krieg hielt nun endlich auch filmischen Einzug bei James Bond, sogar nominell in Wort und Buch. Außerdem startete "From Russia With Love" die vielgeliebte Prä-Titel-Sequenz, in der der ebenso furchterregende wie sadistische Donald Grant eingeführt wird, als er beim Training ein maskiertes Bond-Double erledigt. Fürderhin lebt dieser zweite, recht flugs hinterdrein geschobene Bond-Film von seinem im Vergleich zu "Dr. No" nochmals deutlich weiterentwickelten Faible für exotische Schauplätze. Istanbul als Dreh- und Angelpunkt für einen Spionage-Schmelztiegel ist eine erstklassige Wahl, wofür besonders der ortskundige Lebemann Kerim Bey (Perdo Armendáriz) als eine Art Touristenführer steht. John Barrys Musik entwickelt sich ebenfalls merklich. Erstmals ist neben der Ur-Melodie von Monty Norman auch das wunderbare Thema "007" zu hören, von jetzt ab fester Bestandteil in etwa jedem zweiten Bond-Film. Auffällig die nicht wenigen Hitchcock-Parallelen: Der Zug als Schauplatz kriminalistischer Intrige, die Verfolgung eines per pedes Flüchtenden mit Fluggerät.
"From Russia With Love" macht mit seiner stark fluktuierenden Story jedenfalls massig Freude und ist ein noch besserer Film als der Vorgänger.

9/10

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DR. NO (Terence Young/UK 1962)


"East, West - just points of the compass, each as stupid as the other."

Dr. No (James Bond 007 jagt Dr. No) ~ UK 1962
Directed By: Terence Young

Der halbchinesische Atomwissenschaftler und Superverbrecher Dr. No (Joseph Wiseman) versucht mittels des "Toppling"-Verfahrens, die Raketenstarts von Cape Caneveral zu stören. Seine Basis liegt auf der kleinen Insel Crab Key vor der Küste Jamaicas. Nachdem ein britischer Agent (Tim Moxon) ihm auf die Schliche zu kommen droht und Dr. No diesen ermorden lässt, rückt James Bond (Sean Connery) nach. Nach einigen Schwierigkeiten mit Nos Helfershelfern kann er endlich den Drahtzieher kaltstellen und dessen Hauptquartier in die Luft jagen.

Im schnittigen Stil der frühen Sechziger kam der fleischgewordene Mannes- und Männertraum James Bond daher - trotz denkbar ungesunder Lebensweise und von jedem physischen Laster mit Ausnahme illegaler Drogen vereinnahmt war der Agent nicht nur äußerst viril und attraktiv, er durfte auch im Einsatz töten und nutzte diese Option nicht selten und dazu noch recht unwirsch. Dennoch war er in guter, westlicher, kapitalistisch-imperialistischer Mission unterwegs; ein Chauvinist und Snob, promisk bis zum Abwinken und fernab jedweder politischer Korrektheit. So etablierte sich Bond und so lieben ihn seine Anhänger bis heute. Trotz der Langlebigkeit der Reihe sah sich das Franchise interessanterweise stets davor gefeit, ins Fernsehen abzurutschen oder zu bloßem Serienformat zu schrumpfen; dazu gestalteten sich die Missionen des Helden dann doch zu aufwändig und kosmopolitisch und die stilistischen Eskapaden der Filmemacher und Scriptautoren als zu wenig schablonenkompatibel. Der erste Bond-Regisseur Terence Young war möglicherweise der sicherste Handwerker von allen; ein konzentrierter Genrefilmer, der auf die Tube drückte, wenn es nötig war, seinen Figuren und seiner Geschichte jedoch hinreichend Platz zum Atmen ließ. So lässt sich die Funktion von "Dr. No" vor allem als Messlatte und Stichwortgeber der weiteren Serienbeiträge validieren, dem allgemein die Folgefilme und speziell die Filme mit Sean Connery immens viel verdanken. Auch, wenn hier noch nicht alles in Serie gehen soll: Eine Prä-Titel-Sequenz gibt es noch nicht, Q nennt sich noch Major Boothroyd und wird von einem gewissen Peter Burton gegeben, Bonds Gadgets bestehen aus seiner neuen Walther PPK und einem Geigerzähler. Mehr ist nicht. Dafür gibt es wunderbaren Calypso-Sound und regelrechte Nebencharakter-Evergreens wie den abergläubischen Bootsverleiher Quarrel (John Kitzmiller).

8/10

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SKYFALL (Sam Mendes/UK, USA 2012)


"I always hated this place."

Skyfall ~ UK/USA 2012
Directed By: Sam Mendes

Nachdem er kurzzeitig als im Einsatz vermisst und möglicherweise tot gilt, muss James Bond (Daniel Craig) seiner Chefin M (Judi Dench) den Rücken decken. Aus deren früheren Einsatzzeiten in Hong Kong kehrt nämlich der mittlerweile wahnsinnig gewordene Ex-Agent Silva (Javier Bardem) zurück und will sich pikanterweise auis denselben Gründen an ihr rächen, deretwegen nunmehr auch Bond gewisse Ressentiments gegen M hegt: Sie hat ihn einst im Stich gelassen, um die zugrunde liegende Mission nicht zu gefährden. Zunächst kann Silva festgesetzt werden, doch ist sewlbst dies bloß Teil seines perfekt ausgeklügelten Plans zu Ms Vernichtung. Bond sieht nur eine Chance gegen den High-Tech- Terroristen: Er verlagert den Kampfschauplatz ins schottische Hochmoor, zu seinem früheren Familiensitz.

Es gibt also doch noch einen Bond-Freund, irgendwo da oben: "Skyfall" markiert, pünktlich zum 50. Kinojahrestag des Agenten, den besten Film der Reihe seit "Licence To Kill" und somit seit immerhin 23 Jahren: Er macht, und das wäre gleich das Wichtigste, die müden bis beliebigen Brosnan-Auftritte vergessen, bringt endlich und (hoffentlich) endgültig Craig auf Kurs und schafft das, was den beiden ersten Beiträgen mit ihm in der Hauptrolle nicht gelungen ist: Einen Brückenschlag zwischen den vermeintlich tradiert-antiquierten Rahmenbedingungen des klassischen Bond-Kosmos und modernem Genrekino, ohne einem von beiden den Vorzug zu geben oder seine Selbsteflexivität bzw. seinen Retrochic zum Selbstzweck verkommen zu lassen, wie es ja mittlerweile Gang und Gäbe ist in entsprechend verwurzelten Werken. Das Produktionsdesign, ganz besonders die von Licht- und Leuchtspielen durchtränkte Kulisse Shanghais, stellt einen hochästhetischen Traum dar, die Damen sind schön wie lang nicht mehr, Bardems Bösewicht ist von bester alter Schule (die Szene, in der er sein Kieferknochensubstitut entfernt, hat wahren Albtraumcharakter) und Szenen wie die mit den Komodo-Waranen im Casino wären sowieso first class.
Das man sich künftig ohnehin wieder bewährter Validität zu befleißigen gedenkt und Bond mit alten Tugenden für die Zukunft einstielt, kann jemanden wie mich nur glücklich machen. Zudem habe ich jetzt endlich wieder, seit vielen Jahren, die Motivation für eine Komplett-Rückschau gewonnen, worin wohl das größte Verdienst dieses tollen Films liegt. Höchst erfreulich!

8/10

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SWITCHBACK (Jeb Stuart/USA 1997)


"You did a great first move."

Switchback ~ USA 1997
Directed By: Jeb Stuart

Obwohl man ihm den Fall wegen allzu großer persönlicher Involvierung längst entzogen hat, gibt FBI-Agent Frank LaCrosse (Dennis Quaid) nicht auf: Seit ein von ihm gesuchter Serienkiller vor rund einem Jahr seinen kleinen Sohn (Ian Nelson) entführt hat und LaCrosse mit permanenten schriftlichen Hinweisen weiter am Haken zappeln lässt, wird der Abstand zwischen den beiden Erzfeinden stetig geringer. Als der Mörder in Texas auftaucht, ist LaCrosse erneut zur Stelle. Und verfolgt den Verbrecher bis in die verschneite Bergwelt Colorados...

Durchaus erbauliche Melange aus Neo-Western und Serienkiller-Thrill, die durch den Einsatz diverser Nebenfiguren und -schauplätze entscheidend hinzugewinnt. Zudem tut es wohl zu sehen, den ewig liebenswerten Danny Glover einmal in einer solch abgründigen Rolle wider alle Figurenklischees vorgesetzt zu bekommen; hinter seinem brachialen Lachen lässt sich, das finde ich nicht erst seit "Switchback", ohnehin ein heimlicher Psychopath vermuten. Ein wenig nervt die strenge Agenda des Killers, der, wie sich am Ende zeigt und wie man es im Subgenre gewohnt ist, im Grunde jedwedes Geschick lenkt und im Voraus geplant hat. Ohne diesen vordergründigen, ach so cleveren Script-Schachzug, der tatsächlich die Achillesferse des ganzen Geschehens darstellt, wäre Stuarts Film gleich noch eine Latte besser geworden. So langt es immerhin allemal für ein schönes Stück Kurzweil vor gewinnender Naturkulisse.

7/10

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UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING (John Hyams/USA 2012)


"If you remenber it that way, it certainly was."

Universal Soldier: Day Of Reckoning ~ USA 2012
Directed By: John Hyams

Als der einstige Familienvater John (Scott Adkins) aus dem Koma erwacht, erinnert er sich lediglich daran, dass eine Gruppe maskierter Männer nächtens ihn und seine Familie überfallen und seine Frau (Michelle Jones) und kleine Tochter (Audrey P. Scott) ermordet haben. Der Kopf dieser Gewaltverbrecher war offenbar der Unisol Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme) und genau hinter ihm ist John nun her. Über Umwege und mit fast unmerklicher Hilfe von Regierungsagenten nimmt er die Spur von Deveraux auf: Dieser leitet offenbar in den Sümpfen Floridas ein geheimes Versteck, in dem er abtrünnige Unisols um sich schart, um ihnen einen freien Willen zurückzugeben...

Das filmische Äquivalent zu einem Kontrabass. Nach "Universal Soldier: Regeneration" kehrt Petersohn John Hyams erneut in das Universum der Zombie-Soldaten zurück, diesmal, indem er die subjektive Perspektive eines ihrer verbesserten Modelle einnimmt und diesen traurigen Part dem sich ganz gemächlich zum leuchtendsten Stern am DTV-Actionhimmel aufschwingenden Scott Adkins zuschustert. Gebt dem Mann endlich mehr stardom!
Die existenzialistische Subebene des Vorgängers wieder aufgreifend, fährt Hyams genau nach dessen unheilvollem Finale fort. Analog den Unisols hat sich nämlich natürlich auch die Wissenschaft weiterentwickelt. Jede der Kampfmaschinen ist nun beliebig replizierbar, das heißt, man hat es nun in keinster Weise mehr mit Individuen zu tun; selbst mit blind gehorsamen nicht, ab jetzt gibt es nur noch "Versionen". Für die Identifikationsebene zwischen Rezipient und Protagonist mutet dies zunächst schadhaft an, da er sich nicht darauf verlassen kann, ob seine Helden tatsächlich von ihrer geschichtlichen Tilgung gefährdet sind - allein Andrew Scott (Dolph Lundgren) dürfte mittlerweile in seiner mindestens ersten Reinkarnation antreten. Hyams konzeptueller Ansatz der Identitätsverlorenheit jedoch verarbeitet diesen Kniff in brillanter Form. Überhaupt die etlichen literarischen Verweise; von Mary Shelley über Joseph Conrad bis hin zu Philip K. Dick geht die Reise durch Hyams' Einflussbereiche. Der unglaubliche Andrei Arlovski ist auch wieder an Bord, diesmal mit dichtem Vollbart, und trotz Adkins' schwindeln machendem finishing move gehe ich jede Wette ein, dass der auch im nächsten Teil des sich längst verselbstständigenden Franchise wiederkehrt. Für Hyams, sofern er sein Interesse nicht gänzlich anderen Stoffen zuwendet, dürfte es, im Falle einer neuerlichen Zuwendung hin zur Unisol-Saga allerdings schwer werden, sich selbst nochmals zu übertreffen.

9/10

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DRIVING MISS DAISY (Bruce Beresford/USA 1989)


"You know your letters don't you?"

Driving Miss Daisy (Miss Daisy und ihr Chauffeur) ~ USA 1989
Directed By: Bruce Beresford

Atlanta, 1948: Die pensionierte Lehrerin Daisy Werthan (Jessica Tandy) schrottet eines schönen Tages ihren Chrysler. Für ihren Sohn Boolie (Dan Aykroyd), einen erfolgreichen Baumwollfabrikanten, Grund genug, ihr zusammen mit dem neuen Wagen einen Chauffeur aufs Auge zu drücken. Die starrköpfige jüdischstämmige Dame jedoch weigert sich, den farbigen Hoke Colburn (Morgan Freeman), einen zwar ungebildeten, dafür aber umso lebenserfahrenen Mann, als Fahrer zu akzeptieren. Hoke jedoch lernt seinerseits, welche Tasten er bei Miss Daisy anzuschlagen hat, um sich im Laufe der Zeit ihrer Sympathie zu versichern. Ihre kleinen Spleens lernt er zu akzeptieren, ebenso wie sie unmerklich Hokes leise Wahr- und Weisheiten zu schätzen beginnt.

Auch dies ein retrospektiv typischer "Oscar"-Gewinner, mir jedoch einer der liebsten der letzten dreißig Jahre. "Driving Miss Daisy" hat mich schon immer begeistern können, ganz einfach, weil er leises, kluges Entertainment feilbietet. Der Film ist zugleich auch eine schöne, unaufdringliche Reflexion über Klischees und Stereotypen, ihre Entstehung, ihr Wachsen und schließlich ihre Ablehnung, die manchmal auch bloß einer Form von Leugnung aus Selbstschutz gleichkommt. Der Blick durch die interkulturelle Brille via die Inszenierung einer im Grunde dearart erzamerikanischen Dramödie durch einen Australier tut dem Film nebenbei immens gut. Wie die meisten Academy-Lieblinge dieser Zeit trägt sich "Driving Miss Daisy" jedoch vor allem als fabulöses Schauspielerkino, das mich neben all seiner übrigen Multiperspektivik - er erzählt außer von alltäglichem Südstaaten-Rassismus auch von Freundschaft, mentaler Reife, einer typischen Mutter-Sohn-Beziehung und zeitlichem Wandel über die Dekaden - vor allem als gerontologische Studie begeistert.

9/10

Bruce Beresford Rassismus based on play Georgia Südstaaten Familie Senioren ethnics Freundschaft Best Picture


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RAIN MAN (Barry Levinson/USA 1988)


"I'm an excellent driver."

Rain Man ~ USA 1988
Directed By: Barry Levinson

Der windige Autoimporteur Charlie Babbitt (Tom Cruise) ist vor allem mit sich selbst beschäftigt. Als er eines Tages die Nachricht vom Ableben seines von ihm weithin ignorierten Vaters erhält, reist er ungerührt nach Ohio, um das beträchtliche Erbe in Empfang zu nehmen. Doch Pustekuchen; das Vermögen geht an einen Treuhänder mit Sitz in einem Heim für behinderte Menschen. Erbost erfährt Charlie vor Ort, dass er einen wesentlich älteren Bruder namens Raymond (Dustin Hoffman) hat, der hier wohnhaft ist und unter dem 'Autistic-Savant'-Syndrom leidet. Um an sein Geld zu kommen, nimmt Charlie Raymond kurzerhand mit nach Kalifornien. Dort will er eine Pflegeverfügung für Raymond erwirken. Die Reise sorgt jedoch unerwarteterweise dafür, dass sich nicht Charlies Geldbeutel öffnet, sondern seine Augen und sein Herz.

Vermutlich noch immer einer der stärksten Hollywood-Einträge zum Topos 'geistige Behinderung', aufrichtig philanthropisch und liebevoll im Umgang mit seinen Figuren, egal, was die Leute sagen. Tom Cruise, der ja nicht zuletzt aufgrund seines verqueren Privatlebens ein wandelndes Hassobjekt personifiziert, etabliert sich hierin als famoser Schauspieler, von Dustin Hoffman gar nicht zu reden. Für das Krankheitsbild des Autismus brach "Rain Man" seinerzeit eine Kerbe in der Öffentlichkeit frei, die zeigt, welchen gesellschaftlichen Impact Populärkultur zu evozieren vermag.
Andererseits ist es sicher auch leicht, den Film zu hassen, denn er ist bei seinem recht sensiblen Sujet auch äußerst glatt und, wie viele Road Movies, eine unterschwellig stolze Americana. Böse Zungen mögen ihm sogar Durchtriebenheit vorwerfen. Story, Regie, Darsteller und Darstellung sowie der emotionsträchtige Score zielen eindeutig darauf ab, Kritik und Publikum und Preise für sich zu gewinnen. Aber, herrje, dann soll es eben so sein. Ich jedenfalls bin der sicherlich unpopulären Ansicht, "Rain Man" verdient, was er sich erarbeitet hat.

8/10

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