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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SWINGERS (Doug Liman/USA 1996)


"Baby, you're money."

Swingers ~ USA 1996
Directed By: Doug Liman

Mike (Jon Favreau), in L.A. wohnhafter, erfolgloser Nachwuchskomiker, versucht seit sechs Monaten, seine an der Ostküste verbliebene Ex-Freundin Michelle zu vergessen. Seine durchgedrehten Kumpels, allen voran der exponierte Trent (Vince Vaughn) mühen sich, ihn dabei nach Leibeskräften zu unterstützen, natürlich nie, ohne spaßmäßig auch selbst auf ihre Kosten zu kommen. Dies führt zu mancherlei Absurditäten.

Wie sehr Doug Liman seinen Miramax-Vorgänger Quentin Tarantino anhimmelt, zeigt sich in vollem Ausmaß eigentlich erst im "Swingers"-Nachfolger "Go", der das hier vorliegende, liebenswert-relaxte Cliquenporträt in eine sich recht grotesk entwickelnde, episodische Ensemblestory mit Drogen und Knarren verwandelt. "Swingers" benötigt derlei Requisiten nicht, Liman mag sich aber nicht verkneifen, "Reservoir Dogs" gleich mehrfach zu zitieren und das war zu dieser Zeit jawohl auch noch eine probate Ehrbekundung. So leben auch seine Protagonisten einen konservierten Lebensstil, ein etwas fatzkenhaftes Forties-Revival, mit Swing, Pomade und alten Wagen. Gefeiert und gezecht wird in stilvollen Läden und Restaurants, wo gleichgesinntes Volk verkehrt und trifft man unfällig doch einmal Vertreter einer anderen Subkultur, wird der ungestüm begonnene Streit schon kurze Zeit später wieder aus der Welt geschafft - die Generation muss zusammenhalten.
Liman und Favreau haben mit "Swingers" eine ganz wunderbare Hommage an die Stadt und ihre fokussierte Personengruppe, nämlich schlecht verdienende Komiker und Schauspieler Ende 20 auf der untersten Karrierestufe Hollywoods, erstellt, die einerseits einem Woody Allen und Barry Levinsons "Diner" viel verdankt, andererseits aber auch ein hervorragendes Beispiel abgibt für die neue Lässigkeit im alternariven amerikanischen Unterhaltungskino, das, in Bezug auf Miramax und die Weinsteins, allerdings gerade dabei war, sich aus ebendieser Ecke herauszuwinden. Egal, der Film ist liebenswert, witzig und - auf gewinnende Art tatsächlich auch das - beschwingt.

8/10

Doug Liman Jon Favreau Las Vegas Los Angeles Freundschaft Nacht


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THAT'S MY BOY (Sean Anders/USA 2012)


"Wassup!"

That's My Boy (Der Chaos-Dad) ~ USA 2012
Directed By: Sean Anders

Überraschenderweise trifft der dreizehnjährige Donny (Justin Weaver) bei den Annäherungsversuchen gegenüber seiner neun Jahre älteren, knackigen High-School-Lehrerin Miss McGarricle (Eva Amurri Martino) voll ins Schwarze: Die Dame verführt den verdutzten Minimacho und eine heiße Affäre folgt. Doch die Sache fliegt auf, Miss McGarricle wird schwanger und muss in den Knast. Donny indes wird ein Star der Massen und vergisst, erwachsen zu werden. 26 Jahre später ist er völlig pleite und es droht ihm eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Da kommt er auf die Idee, seinen mittlerweile zum erfolgreichen Firmenmanager aufgestiegenen Sohn Han Solo (Andy Semberg), der sich aus verständlichen Gründen seiner Herkunft schämt und lieber 'Todd' rufen lässt, wegen der Kohle anzuhauen. Todd ist gerade im Begriff zu heiraten und Donny gibt sich bei der feinen Gesellschaft kurzerhand als alter Kumpel Todds aus. Mühsam rauft er sich mit seinem Sohn zusammen, da entdeckt er, dass dessen Braut (Leighton Meester) eine ziemlich perverse Schlange ist...

Nach all den eher familienfreundlichen Happy-Madison-Produktionen der letzten Jahre nun endlich mal wieder eine etwas fäkaligere Sandler-Komödie, die alle möglichen geschmackvollen Themen von Pädophilie über Gerontophilie über Ejakulatsentsorgung bis hin zum Inzest verhandelt und entsprechend zotig unterhält. Einfach zum Liebhaben. Diverse von Sandlers alten Leibtopoi, die unschlagbare und zugleich extrem ironisierte Liebe zur oberflächlichen Achtzigerkultur (symbolisiert hierin vor allem durch einen Auftritt des verblüffend junggebliebenen Vanilla Ice), der sich zu altern weigernde, regressive Mann in umfassender Mittlebenskrise, der Versagervater, das Erlernen von Verantwortung - man kennt sie alle längst in- und auswendig und doch mag man den Sandman am liebsten gar nicht anders sehen; das kann er und darin ist er ungeschlagener Schwergewichtschamp. Die Songzusammenstellung ist, auch das nach langer Pause endlich mal wieder hervorzuheben, von ausgesuchter Klasse und beinhaltet neben einem beträchtlichen Kontingent an Hairmetal-Klassikern sogar die Replacements. Derlei Einspieler sorgen natürlich immer noch für ein sich zusätzlich einstellendes Hochgefühl beim entspechenden Liebhaber. Sandler weiß das, aber er kalkuliert für seine Fans, die das natürlich wiederum auch so von ihm erwarten und zu schätzen wissen. Alle anderen mögen den Kopf schütteln, auch das ist, speziell in diesem Falle, absolut probat.

7/10

Sean Anders Adam Sandler Dennis Dugan Vater & Sohn Hochzeit Paraphilie Bier


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EARTH (Alastair Fothergill, Mark Linfield/UK, D, USA 2007)


"Wonders."

Earth (Unsere Erde) ~ UK/D/USA 2007
Directed By: Alastair Fothergill/Mark Linfield

Nachtrag: Bereits am letzten Mittwoch habe ich mit meiner dritten Klasse diese Dokumentation im Rahmen der 'Schulkinowochen NRW' im UCI Duisburg gesehen. Ich muss gestehen, dass ich selbst einen anderen, fiktiven Film des Angebots bevorzugt hätte, vielleicht "Tom Sawyer" oder "Krabat", mich jedoch nach den Wünschen meiner KollegInnen gerichtet habe. Im Nachhinein bereue ich das ein wenig. Als beinahe noch interessanter als die mit wahrlich spektakulären Bildern angereicherte Wissensfundgrube, in denen Eisbären, Walrösser, Elefanten, Karibus, Buckelwale und, zu meiner besonderen persönlichen Freude, auch ein Weißer Hai und ihre existenzorientierten, globalen Reisen von Nord nach Süd vorkommen, erwies sich nämlich die Beobachtung des Verhaltens einzelner Kinder. Meine Befürchtungen, dass einige sich nicht eineinhalb Stunden lang auf diesen auf eine doch eher atmosphärische Präsentation bedachten Dokumentarfilm würden einlässen können, bestätigten sich ziemlich rasch. Die meisten, besonders die, die weit von mir entfernt saßen, waren bald mit anderen Dingen beschäftigt, etwa damit, ihre oder anderer Kinder Käppis durch die Gegend zu pfeffern oder zum vierten Mal zur Toilette zu rennen. Meinem aufgestauten Frust habe ich am nächsten Tag mit einem unangekündigten, zwölf Fragen beinhaltenden Multiple-Choice-Test Luft gemacht, der erwartungsgemäß mäßig ausfiel. Angesichts der medialen, häuslichen Gewohnheiten der meisten Kinder, die täglich mehrstündiges Konsolen- und Computerspiel, Facebook und Kinder-Communitys, grelle Animationsserien und teils erwachsene Genrekost beinhalten, war diese einmal mehr ernüchternde pädagogische Erfahrung kaum weiter verwunderlich.
Was nun den Film "Earth" anbelangt, so wird jeder ausgewiesene Freund von Tier- und Naturdokus ihn bestimmt lieben. Mir wäre eine entspanntere Betrachtung lieb(er) gewesen.

8/10

Alastair Fothergill Mark Linfield BBC Afrika Arktis Antarktis Tundra


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THE CAMPAIGN (Jay Roach/USA 2012)


"People are taking this thing entirely out of context."

The Campaign (Die Qual der Wahl) ~ USA 2012
Directed By: Jay Roach

Um ihren Plan, Babypuppenfabriken aus China zur Vermeidung teurer Importwege ins Inland zu verlegen und in Billiglohnarbeit herstellen zu lassen, benötigen die Motch-Brüder Glenn (John Lithgow) und Wade (Dan Aykroyd) eine politische Marionette im Kongress. Diese glauben sie in dem naiven Marty Huggins (Zach Galifianakis) gefunden zu haben und lassen ihn durch den Wahlmanager Wattley (Dylan McDermott) managen - mit Erfolg. Ganz zum Leidwesen des bisher konkurrenzlosen Cam Brady (Will Ferrell), der alles symbolisiert, was an US-Politik verlogen, lobbyistisch, schmierig, scheinheilig und korrupt ist. Die folgende Schlammschlacht zwischen Huggins und Brady ist beispiellos.

Todwitzig wieder, dieses neue Ferrell-Vehikel, das für die Anhänger des großen Komödianten wieder reichlich schmackhaftes Futter bietet. Der brillante Lachsack wird flankiert von einer großartigen Besetzung, der neben den Genannten auch der wunderbare Brian Cox angehört und hat zudem Gelegenheit zu einem eigentlich völlig folgerichtigen Komikeregipfel mit dem fast ebenso tollen Zach Galifianakis, der hier als etwas tuckiger Gutmensch in capraesker Tradition einen heillos übertriebenen Südstaatenakzent pflegt und dessen Darstellung beinahe einer Offenbarung gleichkommt. Ansonsten gibt es wieder das altbekannte Duell zweier Bekloppter, von denen einer Ferrell und der andere faktisch sein Stichwortgeber ist; man liebte es schon in "Talladega Nights", "Blades Of Glory", "Step Brothers" und "The Other Guys" und liebt es in "The Campaign" nicht minder.
Anzumerken wäre vielleicht noch, dass trotz der im Film angelegten, teilweise barschen Denunziation der amerikanischen Politik, ihrer Austragungsformen, ihrer massenmedialen Präsenz und entsprechend auch ihrer Wählerschaften, "The Campaign" sich schlussendlich als so erzamerikanisch-naiv gibt wie man es von ihm erwarten muss. Natürlich gewinnen am Schluss Integrität und Ehrbarkeit und damit die Märchenwelt der US-Kinokomödie, wie sie, zweite Erwähnung, durch Frank Capra einst so zwingend installiert wurde. Dieser letzte Schritt über die Schwelle der Boshaftigkeit und "The Campaign" wäre perfekt geworden. Selbst in dieser versöhnlichen Form aber reicht es noch immer zur goldenen Ablachmedaille.

8/10

Jay Roach Adam McKay North Carolina Satire Politik Will Ferrell Wahlkampf


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LE PROCÈS (Orson Welles/F, BRD, I 1962)


"To be in chains is sometimes safer than to be free."

Le Procès (Der Prozess) ~ F/BRD/I 1962
Directed By: Orson Welles

Josef K. (Anthony Perkins), Angestellter in einer gigantisch-anonymen Bürokratie, wohnhaft in einem gigantisch-anonymen Hochhaus, wacht eines Morgens auf und findet zwei Polizisten (Jean-Claude Rémoleux, Raoul Delfosse), die seine Wohnung durchsuchen und ihm einen Gerichtstermin zustellen. Ohne zu wissen, welchen Deliktes er eigentlich bezichtigt wird, reagiert K. höchst nervös und findet sich von nun an in den Mühlen einer repressiven Justiz wieder, die ihn mal verzweifeln lässt und ihm mal den Anschein der Selbstkontrolle verleiht. Am Ende findet sich K. in seiner eigenen Grube wieder.

"Angeklagt zu sein macht attraktiv," heißt es in Welles' Adaption von Kafkas fragmentarischer Erzählung. Und tatsächlich befasst sich die Geschichte um Josef K. neben diversen anderen Aspekten der ebenso urplötzlichen wie vermeintlich unschuldigen Knechtung durch die Staatsgewalt auch mit ihrem absonderlichsten Nebeneffekt - dem der erotomanen Konnexion. Einige der schönsten Frauen ihrer Zeit - Jeanne Moreau, Romy Schneider und Elsa Martinelli, stellen dem verwirrten, linkisch-schlaksigen K. plötzlich nach, allesamt femmes fatales, die mit der ihn allseits umgebenden Unbill jeweils in paradoxer Verbindung stehen. Und niemand kann ihm helfen - weder sein einzig um die Familienreputation besorgter Onkel (Max Haufler), noch der systemvertraute Advokat Hastler (Orson Welles), noch K.s "Parallelklient Bloch (Akim Tamiroff) noch der exzentrische Künstler (William Chappell), noch der Klerus (Michael Lonsdale). Von dem Moment an, da er in sein Visier gerät, ist K. bereits zum Opfer des Justizapparats geworden.
Welles sagte von "Le Procès", es sei sein persönlichster Film, da er stets einen latenten Schuldkomplex mit sich herumtrage und er sich daher vorzüglich in K.s Lage versetzen könne, der mit seinem Verfangen in die Mühlen der Justiz im Prinzip bloß (s)eine ohnehin tief verwurzelte Angst bestätigt und erfüllt findet. Welles modernisiert zudem Kafkas Fabel und reichert sie um zeitgenössische Technokratisierungs- und Konfliktängste an, indem er K.s Firma von einem gigantischen Computer organisieren lässt und ihn, statt wie im Roman erstechen zu lassen, durch eine gigantische, atombombenähnliche Explosion dahinscheiden lässt. Dabei ist "Le Procès" ferner durchweg eine Liebäugelei mit dem Surrealismus; die Schauplätze, in denen sich anonyme Angestellte wie eine straff geordnete Drohnenarmee durch ihren Arbeitsalltag kämpfen, sich Myriaden Akten und Ordner in wirren Archiven stapeln, Gerichtssäle aussehen wie Theater, Ateliers wie Bretterverschläge und die Stadt wie ein architektonischer Albtraum, abgefilmt vornehmlich in Zagreb und Paris, folgen einer gezielten Irrealis.
Ein anstrengendes, forderndes Filmerlebnis, das die Beschäftigung mit sich jedoch doppelt und dreifach entlohnt.

9/10

Orson Welles Groteske Parabel Justiz Franz Kafka Surrealismus


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POLISSE (Maïwenn/F 2011)


Zitat entfällt.

Polisse (Poliezei) ~ F 2011
Directed By: Maïwenn

Die Auftragsphotographin Melissa (Maïwenn) begleitet einige Monate lang die Abteilung Kinder- und Jugendschutz der Pariser Polizei. Was sie hier zu sehen und hören bekommt, verschlägt ihr nicht selten die Sprache. Ebenso bewegend sind jedoch die Strategien der höchst unterschiedlichen Polizistinnen und Polizisten, mit ihrem Arbeitsalltag umzugehen und fertigzuwerden.

Nicht ganz unkritisch hat man diese dritte Regiearbeit von Maïwenn Le Besco (die ihren Nachnamen, aus welchen Gründen auch immer, stets unterschlagen wissen möchte) beäugt: Allzu populistisch sei ihre Herangehensweise gewesen, die die mitunter schwer täterverachtende, emotionale Polizeiarbeit teils zu glorifizieren scheint und impulsiv bis gewalttätig agierende Staatsdiener zu Helden deklariert. Nun, dem ist zu entgegnen, dass harte, emotional affizierende Polizeifilme sich seit jeher kontroversen Diskursen auszusetzen haben und nicht unbedingt stets als Meinungsmale ihrer Urheber zu werten sind. Zuallererst einmal ist "Polisse" nämlich ein guter Ensemblefilm, der sicherlich Anlass zur Kritik bietet, die ich aber weniger in seiner Mentalität als in formalen Streitpunkten suchen würde. Das Thema und der Umgang finden sich hinreichend sensibel und packend dargestellt, werden trotz aller visuellen Dezenz möglicherweise bei manch einem Erträglichkeitsgrenzen ausloten, zumal der Film gleich zu Beginn bereits verbal in medias res geht. Soweit alles im oberen grünen Bereich. Ansonsten: Maïwenn sieht gut aus, und sie weiß es auch. Oder sie weiß es nicht, oder will es nicht wissen, oder möchte es möglichst oft hören, denn ihre Art, sich selbst zu inszenieren, einerseits hintergründig und zurückhaltend, andererseits jedoch durchaus zentriert und sich wichtig nehmend, lässt darauf schließen. Seit Eastwood habe ich keine(n) FilmemacherIn mehr erlebt, der sich selbst auf eine dermaßen narzisstische Weise ablichtet. Außerdem erscheint mir der wackelige Digicam-Stil einmal mehr als manieristisch. Er ordnet sich zwar weithin der Dramaturgie unter, bleibt aber dennoch omnipräsent. NachwuchsregisseurInnenen scheinen dem Irrglauben zu unterliegen, diese Wahl der Form sei ein Signal für Innovation und Frische. Nö. Trotzdem, "Polisse" ist sehr sehenswert und eine Zier für sein Genre.

8/10

Maïwenn Paris Pädophilie Ensemblefilm


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APPOINTMENT WITH DEATH (Michael Winner/USA 1988)


"I never forget anything: not a name, not a face, not an action."

Appointment With Death (Rendezvous mit einer Leiche) ~ USA 1988
Directed By: Michael Winner

Auf einer Mittelmeer-Kreuzfahrt mit Palästina als Ziel begegnet Hercule Poirot (Peter Ustinov) der leicht betagten Millionenerbin Emily Boynton (Piper Laurie), ihren unter ihrer gehässigen Knute leidenden Kindern und Schwiegerkindern, der eingebürgerten Lady Westholme (Lauren Bacall) sowie der Jungmedizinerin Dr. King (Jenny Seagrove). Bei einer Ausgrabungsstätte in der Wüste findet man Mrs. Boynton schließlich tot vor - vergiftet mit einer Überdosis ihrer Hausarznei Digitalis. Wieder einmal gibt es diverse Verdächtige, aber nur eine Person, die es fertiggebracht hat, einen Mord zu begehen. Für Poirot nur ein mittelmäßig tangierendes Problem.

Nach zwei Kinoauftritten als Hercule Poirot und drei TV-Filmen, in denen er sich ebenfalls als Meisterdetektiv präsentierte, spielt Peter Ustinov seine große Altersrolle in "Appointment With Death" zum endgültig letzten Mal. Diese finale Kino-Reanimation der Christie-Figur ist der Cannon zu verdanken, die mit dem kürzlich leider verstorbenen Michael Winner einen britischen Regisseur unter Vertrag hatte, welcher just auf dem besten Wege war, sich in eine Spätkarriere als B-Regisseur zu verlaufen und für diese Gelegenheit vermutlich nicht undankbar war. Der Schauplatz Israel tat sein Übriges für das Attraktivitätspotenzial bezüglich der Schmiede Golan/Globus. Von den großen Namen der drei vorherigen Poirot-Filme sind nicht mehr ganz so viele vorhanden, dennoch sind die bereits in "Murder On The Orient Express" reüssierenden Lauren Bacall und John Gielgud nochmal zu bewundern. Der Film indes belässt es bei müßiger "Traumschiff"-Atmosphäre, die ihn nicht eben als Reißer ausweist, sondern eher seinen Status als bewegtes, wenngleich etwas staubiges Art-Déco-Kaffeetischbuch zementiert. Dabei macht Winner den bisher entstandenen Filmen alle Ehre, indem er ihre Stilismen und ihren Humor übernimmt, woran natürlich auch und nicht zuletzt der erneut adaptierende Scriptautor Anthony Shaffer seinen Anteil hat.

5/10

Michael Winner Cannon Agatha Christie Hercule Poirot period piece Israel


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EVIL UNDER THE SUN (Guy Hamilton/UK 1982)


"I was wrong about 'cherchez la femme'. It's just got be 'cherchez le fruit'."

Evil Under The Sun (Das Böse unter der Sonne) ~ UK 1982
Directed By: Guy Hamilton

Im Auftrage einer Londoner Versicherungsgesellschaft soll der Meisterdetektiv Hercule Poirot (Peter Ustinov) den Verbleib eines von dem Millioär Blatt (Colin Blakely) als verschwunden gemeldeten Diamanten aufklären. Die vermeintliche Diebin, die Theaterdiva Arlena Marshall (Diana Rigg), findet sich nebst diversen anderen Gästen in einem mondänen Inselhotel vor der Küste Albaniens ein. Jeder der Gäste hat einen privaten Disput mit der arroganten Aktrice und es dauert nicht lange, bis sie dann tatsächlich ermordet wird. Der Diamant jedoch bleibt verschwunden. Poirot lässt seine berühmte Spürnase in Aktion treten...

Nach dem durchweg meisterhaften "Murder On The Orient Express", der mit Albert Finney noch immer den bislang besten Film-Poirot vorzuweisen hat und Ustinovs erster Interpretation des Ermittlers in dem ebenfalls sehr ansehnlichen "Death On Nile" warf der arrivierte Bond-Regisseur Guy Hamilton mit "Evil Under The Sun" den dritten großen Kinoauftritt des exzentrischen Belgiers ins Rennen, sieht man von dem grotesken "The Alphabet Murders" mit Tony Randall ab. In "Evil Under The Sun", der neben Ustinov mit Colin Blakely, Dennis Quilley und Jane Birkin noch drei weitere "Christie-Veteranen" auftreten ließ, ist alles eine Nummer kleiner und bescheidener als in seinen Vorgängerfilmen. Die inszenatorische Kraft und Eleganz eines Sidney Lumet sowie die über alle Maßen grandiose Besetzung eines "Murder On The Orient Express" gehen ihm ebenso ab wie der campige Spaßfaktor von "Death On The Nile", der ja nicht nur einen, sondern gleich mehrere Mordanschläge vorweisen konnte und dabei noch herrlich komisch war. dafür ist die Musik diesmal von Cole Porter und James Mason ist dabei. Ansonsten ein unterhaltsamer Krimi von relativ geringer Markanz, der den Beteiligten mit der mallorquinischen Küste immerhin einen pittoresken Drehort beschert hat.

6/10

Guy Hamilton Agatha Christie period piece Hercule Poirot Albanien Insel Hotel Ensemblefilm


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EYEWITNESS (Peter Yates/USA 1981)


"Whoever killed Long is a hero in my book."

Eyewitness (Der Augenzeuge) ~ USA 1981
Directed By: Peter Yates

Der Vietnamveteran und Hausmeister Daryll Deever (William Hurt) wittert die Chance, endlich seine von ihm seit Langem angehimmelte Lieblings-TV-Journalistin Tony Skolow (Sigourney Weaver) kennenzulernen, indem er ihr vorgaukelt, er wüsste mehr als die Polizei über den soeben passierten Mord an seinem Arbeitsplatz. Ein Asiate namens Long (Chao Li Chi), der seine Finger in teils dunkelsten Geschäften hatte, ist umgebracht worden. Tatsächlich hat Daryll bestenfalls eine Ahnung, wer hinter der Gewalttat stecken könnte; nämlich sein alter Kumpel Aldo (James Woods). Als seine Beziehung zu Tony, die aus reichem jüdischen Elternhaus stammt und eigentlich mit dem zwielichtigen Joseph (Christopher Plummer) liiert ist, sich nach und nach vertieft, ahnt der im siebten Himmel Schwebende nicht, dass er sich in tödliche Gefahr begibt.

"Eyewitness" schlägt Winkelhaken wie ein Karnickel auf der Flucht, bald romantische Liebesgeschichte, bald whodunit, dann die alttypisch hitchcock'sche Mär vom unschuldig Verfolgten, dann wieder Politthriller mit undurchsichtiger Ausprägung. Von allem ein bisschen, aber nichts so ganz. Interessant wird der Film stets dann, wenn er sich Zeit nimmt, Impressionen der Stadt zeigt; wenn Yates gerade mal nicht seiner - ihn offensichtlich selbst nur sekundär tangierenden - Story hinterherzuhecheln braucht und maqßvoll inszeniert. Die zig falsch gelegten Storyfährten interessieren bald auch den Zuschauer kaum mehr und wenn am Ende der Showdown vor ungewöhnlicher Kulisse abgespielt wird, dann ist es einem eigentlich längst egal, wer, warum und weshalb. Dass dabei gute Leute wie Christopher Plummer und Kenneth McMillan faktisch verheizt werden, beäugt man stattdessen mit einigem Bedauern. Immerhin: Die enervierende Szene um Deevers vergifteten und daher tollwütigen Hund Ralph war recht packend. Sauber dressiert, der hübsche Kerl.

6/10

Peter Yates New York Journalismus


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THE FRIENDS OF EDDIE COYLE (Peter Yates/USA 1973)


"Everybody oughta listen to his mother."

The Friends Of Eddie Coyle (Die Freunde von Eddie Coyle) ~ USA 1973
Directed By: Peter Yates

Der alternde Gauner Eddie Coyle (Robert Mitchum) erledigt kleinere Jobs für die wirklich schweren Jungs in und um Boston. Weil er in New Hampshire noch einen Prozess und damit einhergehend eine Verurteilung erwartet, lässt er sich jedoch von dem Schatzbeamten Foley (Richard Jordan) ködern, der Coyle für die Aussicht auf Strafmilderung ein paar Namen entlocken will. Tatsächlich macht derzeit eine Bankräubertruppe um den Gangster Jimmy Scalise (Alex Rocco), für den Coyle Waffen besorgt, Massachusetts unsicher. Dann ist da noch Coyles Lieferant Brown (Steven Keats), für den der ergraute Ganove sowieso nichts übrig hat. Doch Coyle ist nicht der Einzige, der mit den Cops paktiert und vor allem nicht derjenige, der das intrigante Spiel um Verrat und Freundschaft durchschaut...

Mit "The Friends Of Eddie Coyle", vermutlich seinem Meisterstück, schaffte Peter Yates, was bis heute außer ihm nur wenigen gelungen ist: Er transportierte die existenzialistische Kühle der Gangster- und Polizeidramen Melvilles erfolgreich auf neuweltlichen Boden. Boston, die Metropole irischer Einwanderer, dient ihm dabei als Schauplatz für seine messerscharf erzählte, heldenlose Story um einen Personkreis armer Teufel, die allesamt viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um noch Ehr- und Moralbegriffe walten zu lassen. Dabei bleibt die Aggression stets latent, die figuralen Konnexionen nicht immer ganz durchschaubar. Nur eins ist sicher: Robert Mitchum als Eddie Coyle ist so weit weg wie selten von seinem von ihm selbst über Jahrzehnte geprägten maskulinen Archetypus, von Anfang an ist er der große Verlierer des Spiels und wird am Ende sauber und plangemäß abserviert. Ohne jede Melancholie schildert Yates dieses gewissermaßen sogar verdiente Schicksal mit minutiöser, bald dokumentarischer Exaktheit, stets auf dem Punkt und so sicher wie, mit Ausnahme vielleicht von "Bullitt", keinen anderen seiner mir bekannten Filme. Ein großes Werk, wirklich und wahrhaftig.

10/10

Peter Yates Boston Freundschaft Verrat Heist Herbst New Hollywood George V. Higgins





Filmtagebuch von...

Funxton

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