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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LONE STAR (John Sayles/USA 1996)


"Forget the Alamo."

Lone Star ~ USA 1996
Directed By: John Sayles

Sam Deeds (Chris Cooper), sheriff des texanischen Grenzstädtchens Frontera, bekommt es mit der eigenen Familienhistorie zu tun als mitten in der Wüste das Skelett des früheren, von allen gefürchteten Gesetzeshüters Charlie Wade (Kris Kristofferson) gefunden wird. Der einsame Sam, der nach einer langen Zeit außerhalb erst vor Kurzem wieder zurück nach Frontera gekommen ist, muss sich nunmehr dräuenden Fragen betreffs seiner eigenen Vergangenheit und Identität stellen, die noch eine ganze Reihe weiterer Einwohner der Stadt tangieren.

Meisterhaft gescripteter und montierter Ensemblefilm von John Sayles, der sich gleichermaßen als Polizeifilm und Neo-Western begreift, eine südstaatliche Kleinstadt mit all ihren totgeschwiegenen Geheimnissen porträtiert und mittels aller bedurften Gleichmut ein komplexes Beziehungs-Mosaik entwirft. Sayles belegt, dass die alten, geschichtsimmanenten Fragen betreffs Wahrheit und Legende so lange nicht zur Gänze beantwortet werden können, wie alle möglichen kleinen, staubigen Nester im Lande ihre ganz speziellen Pioniersagen um des Fortbestandes Willen benötigen. Somit steht "Lone Star" auch in direkter Ahnenreihe von Fords "The Man Who Shot Liberty Valance", in dem es genau wie in Sayles' Film um Lug, Trug und Vergangenheitsbewältigung in Form bewusster Geschichtsklitterung geht. Darüberhinaus verhandelt der Auteur noch auf höchst integre Art ethnische Platzbestimmungen, die an der Grenze Texas/Mexiko als ein Thema immerwährender Aktualität erscheinen: Indianer, Mexikaner, Weiße, Schwarze und deren Nachkömmlinge, teils längst nicht mehr ohne Weiteres einer Kultur zuzuordnen, finden sich oftmals in einen Frontalzusammenprall mit längst obsoleten Feindbildern involviert. Daraus, dass es neue Hoffnung und Arrangements mit dem Früher geben muss, um weitermachen zu können, macht Sayles keinen Hehl; selbst, wenn dies erst der Bewältigung moralisch höchst prekärer Slalomkurse bedarf.

10/10

John Sayles Grenze Texas Mexiko Ensemblefilm Rassismus Südstaaten ethnics


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FROM NOON TILL THREE (Frank D. Gilroy/USA 1976)


"But... I AM Graham Dorsey!"

From Noon Till Three (Zwischen zwölf und drei) ~ USA 1976
Directed By: Frank D. Gilroy

Vor der Nacht eines geplanten Banküberfalls hat Graham Dorsey (Charles Bronson), Mitglied der ansonsten durchweg eher unterbelichteten Bowers-Gang, einen unangenehmen Albtraum, in dem er und der Rest des Quintetts von den Bürgern der Stadt aufs Korn genommen und zusammengeschossen werden. Als sich am nächsten Tag sein Pferd einen Huf bricht, ist für ihn klar, dass er aus der Sache raus muss. Dabei kommt ihm die schöne Witwe Amanda Starbuck gerade recht: Während die übrige Truppe sich dem Coup widmet, bleibt Dorsey bei Amanda. Eine stürmische, nur drei Stunden währende Liaison bahnt sich zwischen den beiden an. Bald darauf erfährt man, dass Bowers (Douglas Fowley) und die anderen tatsächlich gefasst wurden und ihrer Hinrichtung harren. Die romantisch veranlagte Amanda nötigt Dorsey förmlich dazu, seine Freunde herauszuhauen, wenngleich dieser eigentlichen keinen Pfifferling für diese gäbe. Unterwegs tauscht er die Identität mit einem Wander-Zahnarzt (Howard Brunner) und wird kurzerhand für Scharlatanerie verknackt, während der Zahnarzt erschossen wird. Dessen Leiche präsentiert man der geschockten Amanda, die einige Zeit später ein zum weltweiten Kult-Bestseller avancierendes Buch über ihre kurze Romanze veröffentlicht. Als Dorsey ein Jahr später aus dem Knast kommt, will ihn niemand mehr erkennen, am wenigsten Amanda...

Heute bin ich angetreten, um für dieses viel zu wenig beachtete Meisterwerk endlich einmal eine längst überfällige Lanze zu brechen: Im Geiste von Fords großmächtiger Geschichtsallegorie "The Man Who Shot Liberty Valance" und Penns brillanter Satire "Little Big Man" stehend, inszenierte der als Regisseur eher unbekannte Frank D. Gilroy einen auf eigenen Schriften basierenden Film, in dem der mündlich und medial hyperromantisierte Westen schlussendlich zu einem reinen Tollhaus im wahrsten Wortsinne wird. Darüber hinaus ist "From Noon Till Three" das schönste cineastische Geschenk an die vielköpfige Partnerschaft der Eheleute Bronson/Ireland. Von deren spürbar knisternden und vor allem aufrichtigen Zuneigung füreinander lebt Gilroys Film in der ersten Hälfte, nur um ihr dann in der zweiten gleichermaßen einen herzzereißenden Arschtritt zu versetzen. Danach ist es Bronson im Alleingang vorbehalten, sein eigenes Image zu demontieren. Wo die nach Trivialitäten lechzende Öffentlichkeit einen hochgewachsenen, schneidigen Schurken vom Schlage eines Rhett Butler vor Augen hat, erscheint dieser gedrungene Zausel mit slawischer Einwanderer-Physiognomie und flucht wie ihm die Schnauze gewachsen ist. Vergangenheit und Verklärung haben, mit ein wenig Unterstützung durch die Zeit, die Realität längst überholt und singuläre Momente, zumal ohnehin von etwas absurder Gestalt, lassen sich nicht mehr revitalisieren. Liebe und Romantik sind nur fadenscheinige Valenzen ohne jegliche Wirklichkeitsverankerung.
Am Schluss, nachdem Graham Dorsey der ihn mit Gewalt ignorierenden Welt zum letzten Mal den Mittelfinger präsentiert hat, sperrt man ihn wie einen "eingebildeten Napoleon" in die geschlossene Psychiatrie. Dort, in einer Art letzten Sackgasse der Wahrheit, akzeptiert man ihn, heißt ihn freudig willkommen und weiß längst um seine Identität. Vermutlich sind es sogar Billy The Kid, Jesse James, Wild Bill Hickok und John Wesley Hardin, die ihn hier schon im weißen Kittel erwarten. Und möglicherweise sind auch Liberty Valance und Ransom Stoddard dabei.

9/10

Frank D. Gilroy Satire Parabel Heist


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THE RARE BREED (Andrew V. McLaglen/USA 1966)


"It's time to stop dreamin' and live for this day."

The Rare Breed (Rancho River) ~ USA 1966
Directed By: Andrew V. McLaglen

Der Cowboy Sam Burnett (James Stewart) begleitet die frisch aus England eingereiste Martha Price (Maureen O'Hara) und ihre Tochter Hilary (Juliet Mills) quer durch Texas zur Ranch des verfilzten Viehzüchters Bowen (Brian Keith). Martha will den Traum ihres verstorbenen Mannes erfüllen und eines seiner Herford-Rinder, den kapitalen Bullen Vindicator, mit amerikanischen Tieren kreuzen, um so eine neue Züchtung auf den Markt zu bringen. Nachdem Burnett anfänglich eher Zweifel an den Plänen der Witwe hegt und sogar mit finsteren Elementen paktiert, schlägt er sich auf Marthas Seite und lässt sich schließlich selbst als Rancher nieder.

Nach dem - wahrscheinlich eher unfällig so gelungenen - "Shenandoah" die zweite von insgesamt vier Kooperationen zwischen McLaglen und Stewart und zugleich ein gänzlich typisches Werk des Regisseurs. Breites Routinement, fehlende Risikobereitschaft, sich zwischen formalistische Stühle zu setzen und eine immens angepasste Art des Filmemachens. Mit einem Filmemacher wie McLaglen an der quantitativen Spitze war es kein Wunder, dass der klassische Hollywood-Western sich angesichts des allerorten bemühten, neo-naturalistischen Note selbst zum Aussterben verurteilen musste. Ein derart affirmatives Kino wirkte zu dieser Zeit bereits schlicht wie trotziger Anachronismus. Doch genug gelästert. Immerhin besitzt "The Rare Breed" auch seine netten Seiten. Zu denen zählen der lebende MacGuffin des Herford-Bullen, der irgendwie deutlich rühriger daherzukommen scheint als all seine humanen Mitspieler; Brian Keith, der die mit Abstand schönste Rolle abbekommen hat und sich anfänglich wie ein zeitversetzter Normanne aufführen darf; Jack Elam als leider viel zu kurz angebundener Mini-Bösewicht und die forsche Juliet Mills, die als frisches Jugendelement jedem der alten Westerner eine lange Nase dreht. Das war's dann aber auch so ziemlich.

6/10

Andrew V. McLaglen Texas


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THE RIDE BACK (Allen H. Miner/USA 1957)


"I can do my own killin'."

The Ride Back (Der Ritt zurück) ~ USA 1957
Directed By: Allen H. Miner

Sheriff Chris Hamish (William Conrad) hat den Auftrag, den flüchtigen, wegen Mordes gesuchten Halbmexikaner Roberto Kallen (Anthony Quinn) zu verhaften und zurück über die Grenze nach Scottsville zu eskortieren, um ihn dort vor Gericht stellen zu lassen. Kallen lässt sich relativ widerstandslos festnehmen, nutzt jedoch schon bald jede sich bietende Gelegenheit, dem verbissenen Hamish zu entfliehen. Als sie einer marodierenden Gruppe Apachen begegnen, die sie zu verfolgen und unter Beschuss zu nehmen beginnen, verschärft sich die Lage für beide Männer und wird sogar noch brenzliger, als sie ein verwaistes Mädchen (Ellen Hope Monroe) mitnehmen.

Eines der vielen kleinen, unbesungenen Meisterwerke des Genres. Joseph Biroc installiert die Kamera nur selten auf Augenhöhe, sondern filmt vornehmlich im Winkel; von oben nach unten oder umgekehrt; je nach der gegenwärtig zu verortenden Lage der Figuren. Und höchstens bei Ford wirkte ein schwarzweißer Himmel blauer.
Produziert von Robert Aldrichs Gesellschaft "Associates & Aldrich" (als einziger Film, den der Regisseur nicht selbst inszeniert hat) und unter Mitwirkung vieler von dessen Stammmitarbeitern, kam ein exzellenter, minimalistischer Western zustande, der sich trotz einiger harter Sequenzen gegen Ende als von einer zutiefst humanistischen Gesinnung geprägt zeigt und der nach einer ungewissen Entwicklung seiner Antagonisten dieselben am Ende ein unerwartetes Lehrgeld zahlen lässt. Am Schlusspunkt der Reise der beiden steht nämlich nichts weniger als die Geburt einer merkwürdig anmutenden, leicht lädierten dreiköpfigen Familie, zusammengewachsen durch einen starken äußeren Ereignisdruck und die möglicherweise widerrationale, innere Gewissheit, in seinen Gegenübern gute Menschen vor sich zu haben. Aus derselben Prämisse - unter Verwendung anderer lokaler und inhaltlicher Elemente - hat Francis Veber dreißig Jahre später die thematische Variation "Les Fugitifs" gemacht, dem nur zwei Jahre später das wesentlich schwächere, wiederum von Veber inszenierte US-Remake "Three Fugitives" nachfolgte. Am Ende sind die beiden Kampfhähne und ihr zartes Küken also doch wieder im guten, alten Amerika angelangt.

9/10

Allen H. Miner Robert Aldrich Mexiko Freundschaft Road Movie Oscar Rudolph


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DOC (Frank Perry/USA 1971)


"Mr. Holliday, I want to be like you." - "Get the damn lost."

Doc ~ USA 1971
Directed By: Frank Perry

Auf dem Weg zu seinem alten Freund Wyatt Earp (Harris Yulin), als Marshal i Tombstone tätig, lernt der Ex-Zahnarzt, Spieler, Trinker und Schwindsüchtige John "Doc" Holliday (Stacy Keach) die Hure Kate Elder (Faye Dunaway) kennen und nimmt sie mit in die Stadt. Dort wird er umgehend Zeuge der Familienfehde zwischen den Earps und den verlotterten Clantons, die Wyatt über kurz oder lang blutig zu beenden gedenkt. Doc steht zwischen den Fronten, zumal er sich mit dem achtzehnjährigen Kid (Denver John Collins), einem Mitglied aus Ike Clantons (Mike Witney) Bande, anfreundet. Parallel bemüht er sich um den Aufbau einer bürgerlichen Existenz mit Kate, muss am Ende jedoch sein Scheitern eingestehen und zugeben, dass er zu lange seinen verlotterten Lebensstil gepflegt hat, um jetzt damit aufzuhören.

Nicht ganz so elegant und schwermütig wie Altmans im gleichen Jahr erschienener Endzeit-Western "McCabe & Mrs. Miller", dafür jedoch mit authentischen Charakteren bestückt, ist "Doc" vor allem ein Film über eines: Das Scheitern. Das Scheitern des ehrbaren Versuchs, schmutzige Historie in aufgeklärten Zeiten zu verkleistern, das Scheitern der Liebe, das Scheitern der Abstinenz, das Scheitern, seine Natur zwanghaft negieren zu wollen. "Doc" ist ein eiskalter Nestbeschmutzer. Er räumt auf mit dem Gerücht, dass Wyatt Earp und Doc Holliday unbefleckte Helden waren; unter dem Schirm New Hollywoods verwischt er Schwarz und Weiß zu undeutlich konturierten Schattierungen von Grau. Wyatt Earp wird geoutet als Spießer und politischer Emporkömmling, der ein schlechter Faustkämpfer war und ein unfairer Opportunist. Holliday derweil präsentiert man als notorisch Süchtigen, nach Alkohol, Poker, Opium und Mord, unfähig, sich in seinen letzten Lebensjahren noch zu etwas anderes zu entwickeln als zu einem Bettlägrigen. Kate Perry - zauberhaft gespielt von Faye Dunaway - ist seine letzte Chance. Und er weigert sich standhaft, sie zu ergreifen. Stattdessen nimmt er einem Jungen das Leben. Am Ende schmoren sie alle. In der Hölle. Abblende.

9/10

Frank Perry Wyatt Earp Historie Arizona Freundschaft New Hollywood


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BREAKHEART PASS (Tom Gries/USA 1975)


"There's more ways to pacify Indians than shootin' holes in them."

Breakheart Pass ~ USA 1975
Directed By: Tom Gries

Ein Militärzug ist auf dem Weg nach Fort Humboldt, um die dort durch eine grassierende Diphterie dezimierte Besatzung wieder aufzufüllen und Hilfsgüter mitzubringen. Im Zug befindet sich außerdem der Gouverneur Fairchild (Richard Crenna). An einem unterwegs liegenden Bahnhof steigen noch Marshal Nathan Pearce (Ben Johnson) und der soeben von ihm verhaftete Falschsspieler John Deakins (Charles Bronson) zu. Zwei Offiziere verschwinden indes spurlos. Bei der Weiterfahrt ereignet sich noch eine ganze Kette von vorgeblichen Unglücksfällen, die sich bald darauf als gezielte Anschläge herausstellen. Fürderhin ist Deakins mitnichten der Gauner, der er zu sein vorgibt, sondern ein verdeckt ermittelnder Secret-Service-Agent auf der Spur eines verschwundenen Waffenarsenals. Und in Fort Humboldt wartet keinesfalls die Diphterie, sondern der berüchtigte Killer Levi Calhoun (Robert Tessier) mitsamt seinen indianischen Verbündeten.

Schnörkellos guter Western-Krimi nach einem Roman und Script des ehedem beliebten Herrenromanautoren Alistair MacLean. Für Jill Ireland ergab sich mit der Rolle einer unschuldigen Offizierstochter eine weitere Gelegenheit zum Spiel an der Seite ihres Göttergatten, und auch sonst beherbergt "Breakheart Pass" eine bemerkenswerte Phalanx an Charakterköpfen, die noch heute als vorrangige Leinwandrepräsentanten jener Tage in den Köpfen präsent sind: Ed Lauter, Charles Durning, David Huddleston, Bill McKinney. Lauter spielt hier allerdings ausnahmsweise mal keinen Unsympathen, sondern den Sidekick des Helden. Was "Breakheart Pass" sonst noch von seinen Artgenosdsen abhebt, ist der konzentrierte, gleichfalls ungewöhnliche Handlungsschauplatz: Ein Zug auf dem Weg durch die gebirgige, verschneite Ödenei der Rockies, nur selten durchbrochen von inhaltlichen Schwenks zum von Unholden (Tessier mit dickem Rauschebart ist eine echte Schau!) besetzten Fort Humboldt. Ähnlich wie in Lumets meisterhafter Star-Menagerie "Murder On The Orient Express" gilt es hier, mittels detektivischen Geschicks auf jenem räumlich stark beschränkten Terrain einen oder mehrere Mörder dingfest zu machen. Be- und untermalt wird das Ganze durch die pointierte Fotografie Lucien Ballards sowie von einem herorragenden Goldsmith-Score und ist handwerklich durchweg unprätentiös gearbeitet, wie ein stabiler Eichentisch vom Schreiner nebenan. Ich bin mir übrigens zu neunundneunzig Prozent sicher, dass der ziemlich zu Beginn von Tessier per Kopfschuss erledigte Soldat am Telegraphen der junge Sam Elliott ist. Leider ließ sich dies nicht eindeutig verifizieren.

8/10

Tom Gries Nevada Idaho Gebirge Zug Indianer Verschwörung Alistair MacLean undercover


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DIRTY DINGUS MAGEE (Burt Kennedy/USA 1970)


"It's the Code of the West."

Dirty Dingus Magee (Der schärfste aller Banditen) ~ USA 1970
Directed By: Burt Kennedy

Nachdem der lustige Gauner Dingus Magee (Frank Sinatra) seinen alten, etwas langsamen Kumpel Hoke (George Kennedy) wiedergetroffen und ausgeraubt hat, will dieser Genugtuung. Von der Puffmutter Belle (Anne Jackson) lässt sich Hoke kurzerhand zum Sheriff machen und versucht, Dingus mit allerlei legalen und illegalen Methoden hiner Schloss und Riegel zu bringen. Dieser hat jedoch noch weitaus größere Probleme, da sich die schnieke Häuptlingstochter Anna (Michele Carey) in ihn verguckt hat und ihr Papa Verrückter Mokassin (Paul Fix) sie flugs unter der Haube und außerdem Dingus' Flinte zum Tausch haben will. Allerlei turbulente Verwicklungen, in die sogar der gesuchte Bandit John Wesley Hardin (Jack Elam) gezogen wird, sind die Folge.

Wie ausgebrannt einstmals gut beschäftigte Filmemacher wie Burt Kennedy um das Jahr 1970 waren, als New Hollywood voll im Kommen begriffen und die alten Routiniers sich abgeschrieben fanden, demonstrieren wenige Filme so eindringlich wie die flaue Parodie "Dirty Dingus Magee". Nachdem Kennedy seine größten Erfolge als Scriptautor für Budd Boetticher feiern konnte, fing er Mitte der Sechziger irgendwann selbst an, Western zu inszenieren. Diese standen meist in einem betont komischen Kontext und ließen von der einstigen Grandezza des Genres kaum mehr etwas durchblicken; dennoch war brauchbarer Stoff wie "The Rounders" oder "The War Wagon" darunter, für den ihm zumeist noch mittlerweile angegraute Altstars beisprangen. "Dirty Dingus Magee" jedoch bildet einen Tiefpunkt: Frank Sinatra in der Titelrolle ist ein übler Witz - so übel, dass er danach erstmal für zehn Jahre von der Leinwand verschwand. Er wird über seine alberne Vorstellung und vor allem die oberbescheuerte Perücke hinreichend entsetzt gewesen sein. Doch ist Ol' Blue Eyes nicht der einzige Faux-pas des Films: Kennedys Regie ist uninspiriert, gelangweilt, klamaukig und schlicht mies. Der Film hat so gut wie keinen Stil und setzt auf Zoten statt auf Humor. Westernfreunde mögen sich wahlweise an den Auftritten vormaliger standards wie Harry Carey jr., Albert Dehner, Paul Fix oder Jack Elam erfreuen - oder sich auch ebensogut entsetzt abwenden. Mit Ausnahme seiner mageren filmhistorischen Relevanz erscheint "Dirty Dingus Magee" jedenfalls noch heute als eine einzige ärgerliche und weithin verzichtbare Peinlichkeit.

3/10

Burt Kennedy Parodie Bordell Kavallerie Duell Indianer New Mexico


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ACROSS THE WIDE MISSOURI (William A. Wellman/USA 1951)


"They lived hard and they played hard."

Across The Wide Missouri (Colorado) ~ USA 1951
Directed By: William A. Wellman

Colorado in den 1830ern: Der Trapper Flint Mitchell (Clark Gable) lernt beim jährlichen Treffen der 'mountain men' zum 4. Juli die schöne Kamiah (María Elena Márques), Tochter eines Schwarzfuß-Häuptlings (Nipo T. Strongheart), kennen und verspricht sich von der umgehend stattfindenden Hochzeit mit ihr einige Vorteile bei der im folgenden Jahr geplanten Biberjagd im Indianergebiet. Bald schon lernt Mitchell das mutige Mädchen, das ihn und viele seiner Freunde sicher über die Gebirgspässe in die Jagdgründe ihres Großvaters Bear Ghost (Jack Holt) geleitet, jedoch aufrichtig und von Herzen lieben. Dem alle Weißen hassenden Ironshirt (Ricardo Montalban) ist die häusliche Niederlassung der Trapper in seinem Gebiet derweil ein Dorn im Auge, Konflikte sind vorprogrammiert. Als Bear Ghost stirbt, wird Ironshirt zum neuen Häuptling und führt hernach einen noch unerbittlicheren Krieg gegen die weißen Eindringlinge.

Wenn dieses Meisterwerk wie berichtet lediglich das Fragment eines größeren Ganzen darstellt, welch astronomischer Film blieb uns dann vorenthalten?
Western über Trapper gibt es einige, aber Wellmans "Across The Wide Missouri" dürfte selbst in dieser angeblichen Rumpfform noch immer der ausbalancierteste und schönste unter ihnen sein. Gleich zu Beginn wird man umgehend mit dem seltsamen, leicht verrückt wirkenden Milieu der mountain men konfrontiert; todesmutige Kerle in Lederkluft und mit Pelzmützen, mit ungepflegten, verfilzten Bärten und von den langen Phasen der Einsamkeit leicht sonderbar geworden. Einige Franzosen sind darunter, zwei Schotten und eben der typische Angloamerikaner Flint Mitchell, dem ein zünftiges Besäufnis unter guten Kumpels anfänglich noch weit wichtiger ist als irgendeine romantische Hochzeitsnacht mit einer Squaw. Doch angesichts María Elena Márques' zauberhaftem Spiel nimmt man Clark Gable seine flotte Domestizierung gern ab. Nach der Figureneinführung geht der Film dann ins Universale: Gewaltige Landschaftsaufnahmen der Gebirgswelt und satter grüner Täler gibt es zu sehen; ein Areal, das sich nicht um seine paar kleinen Menschlein und deren Nöte schert. So lässt die Blutfehde nicht lange auf sich warten, und sie nimmt sich im Finale wenig versöhnlich aus. Wie schon Daves' ein Jahr älterer "Broken Arrow" hält Wellmans Film für die gemischtfarbige Beziehung von Rot und Weiß kein glückliches Ende bereit und erzielt damit eine recht bittere Konsequenz: Dieses uralte, in Fels und Stein gehauene Land ist noch nicht reif für ein vorurteilsfreies Miteinander.
Wellmans unbd Talbot Jennings' Urfassung wurde von der MGM-Chefetage übel mitgespielt - vieles wurde weggekürzt und zusammengestrichen sowie, des angeblich besseren Verständnisses wegen, durch den jetzt hörbaren Off-Kommentar von Mitchells erwachsenem Filmsohn mit der Stimme von Howard Keel ergänzt. Wellman soll die Betrachtung dieses Gerippes das Herz gebrochen und er sich in der Folge von dem Film distanziert haben. Dennoch ist das, was "Across The Wide Missouri" bis heute darstellt und symbolisiert, eines der vorrangigen Genrewerke und von herzensbrecherischer Bittersüße.
Daher trotz aller Vorbehalte neben "Westward The Women" Wellmans Schaffens-Nonplusultra, sozusagen mein persönliches Fait accompli.

9/10

William A. Wellman Colorado Indianer Trapper Belagerung period piece


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SHENANDOAH (Andrew V. McLaglen/USA 1965)


"If we don't try we don't do. And if we don't do, why are we here on this Earth?"

Shenandoah (Der Mann vom großen Fluss) ~ USA 1965
Directed By: Andrew V. McLaglen

Virginia, 1864: Der verwitwete Famer Charlie Anderson (James Stewart), Vater von sechs Söhnen und einer Tochter, hält aus Prinzip keine Sklaven und sich und seine Familie stoisch aus dem Kriegsgeschehen heraus. Wenngleich er von der konföderierten Armee und seinen Nachbarn misstrauisch beäugt wird, entpuppt sich seine kriegsfeindliche Haltung als äußerst bodenständig und weithin effektiv. Zumindest hat Anderson nicht den Verlust eines oder mehrerer Söhne zu beklagen. Als jedoch sein in einer Soldatenuniform spielender Jüngster Boy (Phillip Alford) von Unionssoldaten gefangen genommen und verschleppt wird, sieht sich Anderson gezwungen, zum Teil des Bruderkriegs zu werden. Zusammen mit vieren seiner Söhne und seiner Tochter Jennie (Rosemary Forsyth) zieht er los, um Boy zurückzuholen. Diese Aktion wird ihn viele Verluste und viel Schmerz kosten.

"Shenandoah" ist einer von McLaglens wichtigsten und schönsten Filmen, dessen Geist und Bedeutungskraft weit über das übliche inszenatorische Routinement des Regisseurs hinausragen. Nicht nur als Western, sondern auch als Antikriegsfilm und als Charakterporträt eines verzweifelt Strampelnden funktioniert "Shenandoah" ganz ausgezeichnet. Dies wird besonders gegen Ende deutlich, als ein desillusionierter Familienvater am Grab seiner Frau, zweier verlorener Söhne und einer Schwiegertochter einsehen muss, dass die Gewalt über die Geschicke einer Familie längst nicht bei ihrem Patriarchen verbleiben kann. Stewart musste in vielen seiner dramatischen Rollen ein entsetztes, geschocktes und trauriges Gesicht aufsetzen - hier jedoch rollen Tränen. Besonders bitter erscheint die Sequenz, dass der komplette, grundsätzlich durchaus positiv zu wertende Aktionismus, den Anderson im Laufe der Geschichte an den Tag legt, völlig nutzlos und ineffektiv bleibt. Gerade das aber verleiht "Shenandoah" zugleich eine Lebensweisheit, die man nur äußerst selten im Hollywoodkino, und gerade im Western findet. "The Wild Geese" ist und bleibt mein Lieblingsfilm von McLaglen, aber mit dieser jüngsten von mittlerweile sehr vielen Sichtungen rückt "Shenandoah" ein gutes Stück auf.

9/10

Andrew V. McLaglen Virginia Sezessionskrieg Familie Farm


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DESTRY RIDES AGAIN (George Marshall/USA 1939)


"All I want is to be a cowboy and to wear my own pants!"

Destry Rides Again (Der große Bluff) ~ USA 1939
Directed By: George Marshall

Da der krumme Saloonbesitzer Kent (Brian Donlevy) den vormaligen Sheriff des lockerlebigen Städtchens Bottleneck kurzerhand beseitigen ließ, wird der alte Säufer Washington "Wash" Dimsdale (Charles Winninger) zum neuen Amtsinhaber gekürt. Dieser lässt fortan den Schnaps Schnaps sein und besorgt sich mit dem jungen Tom Destry (James Stewart) erstmal einen "in Aufräumarbeiten erfahrenen" Assistenten. Umso größer Washs Enttäuschung und die allgemeine Belustigung, als Destry auftaucht und nichtmal einen Revolver trägt. Die Tingeltangelsängerin Frenchy (Marlene Dietrich) wirft dennoch ein interessiertes Auge auf den durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Destry...

"Destry Rides Again" ist innerhalb von nur sieben Jahren bereits die zweite Adaption der Geschichte um den unkonventionellen Gesetzeshüter Tom Destry, der in der Erstverfilmung von Tom Mix gespielt wurde. Später gab es dann noch eine Variation mit Audie Murphy. George Marshalls Version mit der Dietrich und Jimmy Stewart gilt gemeinhin als die beste und schönste und liefert einen weiteren elementaren Beitrag zum Western-Superjahr 1939, in dem fast jedes der großen Studios mindestens einen maßgeblichen Genrebeitrag ins Rennen warf. "Destry Rides Again" quillt über vor Glamour und Eleganz (die er vornehmlich der selten schöneren Marlene Dietrich verdankt) und läuft trotz seines Status als "Westernkomödie" niemals Gefahr, albern zu werden (im Grunde enthält er auch nicht mehr comic relief als jeder Errol-Flynn-Western). Im Gegenteil ist er ein Musterbeispiel an dialogischer Coolness - wie "die Luft da oben" sei fragt die angesichts Stewarts Größe sichtlich beeindruckte Dietrich ihn bei der ersten Begegnung und entgegnet ihm später, als er sagt, er wolle sie nicht beim Abendessen stören, dies sei ihr Frühstück. Natürlich war Hollywoods decency damals noch nicht ganz reif für soviel nachtschwärmerisches Selbstbewusstsein und ebensowenig durfte der Charakter der Frenchy mit ihren einmal begangenen Sünden davonkommen - wenngleich man sie am Ende zwangsläufig lieben muss. Also stirbt sie den (angemessen flamboyant inszenierten) Heldentod und Jimmy heiratet ein spießiges Bürgermädchen. Kinorealität anno 39, nichtsdestotrotz hochklassig.

9/10

George Marshall Poker Saloon





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Funxton

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