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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DAY OF THE DEAD (George A. Romero/USA 1985)


"This is a great, big, fourteen-mile tombstone!"

Day Of The Dead (Zombie 2 - Das letzte Kapitel) ~ USA 1985
Directed By: George A. Romero


Während die Untoten weiter die Erde überrennen, hat sich eine gemischte Gruppe aus Wissenschaftlern und Militärs in einen unterirdischen Bunker in den Everglades zurückgezogen. Regelmäßige Erkundungsflüge mit einem Hubschrauber liefern ebensowenig Ergebnisse wie die ständigen Streitereien zwischen den Interessenskonfliktlern. Die gespannte Situation zeigt bald auch psychische Auswirkungen: Depression, Schizophrenie, Nervenzusammenbrüche und Größenwahn ergreifen von den Belagerten Besitz und provozieren bald eine gewaltsame Lösung der Lage.

Ein Zombiefilm als Kammerspiel wird nicht eben das sein, was nach dem revolutionären "Night" und dem aktionslastigen "Dawn" antizipiert wurde; umso ratloser die ersten Reaktionen auf "Day", die sich zumindest in kleinem Umfang im Laufe der Jahre nach und nach jedoch in verdiente Anerkennung wandelten. Über weite Strecken präsentiert Romero mittels reiner Dialogszenen konsequent die klaustrophobische Situation innerhalb des Bunkers, die sich parallel zum rumorenden Innenleben der Beteiligten von Tag zu Tag verschlimmert. Einzig die zwei aus der Schnittmenge von Waffen- und Forschungsbrüdern herausfallenden Lebenskünstler John (Terry Alexander) und McDermott (Jarlath Conroy), die einzig wegen ihrer unerlässlichen Funk- bzw. Flugkünste geduldet werden, sind in der Verfassung, den gebührenden Überblick zu wahren: In einem kleinen, abgetrennten "Zivilisten-Refugium" harren sie bei gutem Whiskey und guter Freundschaft der zwangsläufigen Eskalation der Dinge, die sowohl der sich zum kleinformatigen Putschisten aufspielende Colonel Rhodes (Joe Pilato) als auch der zunehmend verrückte Dr. Logan (Richard Liberty) provozieren. Für Sarah (Lori Cardille), die einzige Frau in dieser Testosteronhölle, deren Kurzzeitliebhaber Miguel (Antonè DiLeo) zudem nicht mehr mit der Situation fertig wird, bleibt da nurmehr eine letzte Allianzoption.
Was Romeros meisterlichem "Day Of The Dead" im Laufe der Jahre an Unbill widerfahren ist, bringt mich, gelinde gesagt, zum Kotzen. Besonders die Art und Weise, in der die sich einmal mehr als peinlich verständnisentledigt präsentierende, bundesdeutsche Zensurliga nunmehr seit Jahrzehnten mit einem der intelligentesten und wichtigsten Horrorfilme der letzten dreißig Jahre umspringt, ist bezeichnend. Trotz bereits unmöglicher Kürzungen steht das Werk noch immer auf der ewigen Beschlagnahmeliste. Dass das nichts weniger ist als ein weiteres Indiz für kulturellen Hinterwald muss nicht noch extra erwähnt werden.
Mit dem konditionierten, domestizierten Zombie Bub (grandios: Howard Sherman) hat Romero eine der - wenn nicht gar die interessanteste(n) und einprägsamste(n) Figur(en) seines gesamten "Dead"-Zyklus geschaffen, sabbernd, stöhnend, salutierend. So ähnlich stelle ich mir gewisse Staatsanwälte vor.
"Day" steht für mich mittlerweile längst auf einer Stufe mit "Dawn", wenn nicht gar darüber.

10/10

George A. Romero Mad Scientist Militaer Apokalypse Dead-Zyklus Zombies Independent


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SOMETHING WICKED THIS WAY COMES (Jack Clayton/USA 1983)


"Come visit me, sir, if you wish to improve your education."

Something Wicked This Way Comes (Das Böse kommt auf leisen Sohlen) ~ USA 1983
Directed By: Jack Clayton


Die beiden dreizehnjährigen Freunde Will Halloway (Vidal Peterson) und Jim Nightshade (Shawn Carson) registrieren mit Spannung, dass "Dark's Pandemonium Shadow Show", der herbstliche Jahrmarkt, auf dem Weg in ihr Städtchen Green Town ist. Allerdings umgibt eine mysteriöse Spannung gleich die Ankunft des Showgeschäfts. Will und Jim finden bald heraus, dass Mr. Dark (Jonathan Pryce) und sein Adlatus Mr. Cooger (Bruce M. Fischer) nichts Geringeres als zwei dämonische Wesen auf Seelenfang sind, um ihren Jahrmarkt mit neuen "Attraktionen" aufpeppen zu können. Nachdem bereits die ersten Stadtbewohner, gelockt mit der Erfüllung ihrer Herzenswünsche, in Darks Menagerie Einzu gehalten haben, will der Finsterling sich auch Wills an einer alten Schuld knackenden Vater (Jason Robards) unter den Nagel reißen, doch die Jungs lassen das nicht so ohne Weiteres zu.

Basierend auf seinem eigenen Roman, jener ein Bestandteil seiner "Green-Town-Trilogy", verfasste Ray Bradbury höchstpersönlich das Script für dieses hierzulande leider nahezu völlig unbekannte, dunkle Filmmärchen. Das - sofern überhaupt ein passender Terminus - Problematische an der Geschichte um einen dämonischen Seelenfänger, sein gruseliges Etablissement und zwei heldenhafte Halbwüchsige, die ihn aufhalten, liegt ganz einfach darin, dass Schauergeschichten für Kinder in den letzten Jahrzehnten der Behütungspädagogik zunehmend verpönt waren und sind. Insbesondere Claytons (überraschenderweise von Walt Disney produzierte) filmische Umsetzung lässt ganz willkürlich offen, welche Alterseignung man mitbringen sollte, um "Something Wicked" zur Gänze genießen zu können. Für Kinder inhaltlich zu unwegsam, für Erwachsene emotional zu naiv - und damit ein Kandidat der berühmten "Weder-Fisch-noch-Fleisch"-Kategorie - sofern man vergessen hat, wie kindliche Begeisterung funktioniert wenigstens. Tatsächlich ist der Film (dessen formvollendeter Titel auf einem "Macbeth"-Zitat basiert, welches Mr. Halloway, belesener Bibliothekar, angesichts seiner ersten Begegnung mit Mr. Dark skandiert) ein lohnenswertes Wagnis, so man bereit ist, sich auf die magische Mixtur dieses Experiments zwischen emotionaler Naivität und scharfer Intellektualität einzulassen. Satisfaction guaranteed!

8/10

Jack Clayton Ray Bradbury Carnival Freundschaft Kinder


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VALERIE A TYDEN DIVU (Jaromil Jireš/ČSSR 1970)


Zitat entfällt.

Valerie A Týden Divu (Valerie - Eine Woche voller Wunder) ~ ČSSR 1970
Directed By: Jaromil Jireš


Im frühen 19. Jahrhundert: Valerie (Jaroslava Schallerová), ein Mädchen aus der Provinz, bekommt ihre erste Menstruation und die Welt steht plötzlich Kopf: Schein und Sein sind nicht mehr unterscheidbar, Vampire und lüsterne Kirchendiener tauchen auf, Valerie selbst wird der Hexerei bezichtigt und landet auf dem Scheiterhaufen, ihre erste große Liebe (Petr Kopriva) scheint zugleich ihr eigener Bruder zu sein und selbst über ihre bislang sicher geglaubte eigene Herkunft legen sich Schleier der Ungewissheit.

"Valerie" als nur kurz nach dem Prager Frühling entstandenes Spätwerk der tschechoslowakischen New Wave repräsentiert ein leuchtendes Beispiel für das Aufbruchspotenzial der Kunst in einer von Repression gebeutelten Kultur und bereits als solches unbedingt sehenswert. Weibliche Sexualität ist das Thema der bereits in den dreißiger Jahren erschienen surrealistischen Romans von Vítězslav Nezval. Jener bekleidet eine wichtige Vorreiterfunktion innerhalb einer kunstübergreifenden, poetischen Bewegung, die junge Frauen, ihre Geschlechtsreife und ihre ersten Lustempfindungen parallelisiert beziehungsweise mit klassischen Horror- und Schauermotiven kombiniert. Besonders im Film gibt es dafür mittlerweile zahlreiche Beispiele, die von Tourneurs "Cat People" (und natürlich nicht minder Schraders Remake) über Blackburns "Lemora" bis hin zu Jordans "Company Of Wolves" reichen, wobei letzterer, wie ich jüngst lernen durfte, sogar indirekt von "Valerie" beeinflusst ist.
Von Jireš' Film darf man keine stringente Narration erwarten, der Film ist inhaltlich und visuell von reinen Assoziationsketten bestimmt. Seine Bilder bleiben dabei stets zurückhaltend und taktvoll, so dass der Vorwurf ästhetischer Grenzüberschreitung hier erst gar nicht greifen konnte. "Valerie" ist dazu bestimmt, sich haltlos in ihn fallen und die Ratio für eine und eine Viertelstunde brach liegen zu lassen, auf dass man sich ausschließlich an der zwischen romantischer Zartheit und sanfter Beunruhigung oszillierenden Atmosphäre des Films delektiere.

8/10

Sexualitaet period piece Traum Avantgarde Surrealismus Vitezslav Nezval Jaromil Jires


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SWEENEY TODD: THE DEMON BARBER OF FLEET STREET (Tim Burton/USA, UK 2007)


"At last! My arm is complete again!"

Sweeney Todd: The Demon Barber Of Fleet Street ~ USA/UK 2007
Directed By: Tim Burton


Nach fünfzehn Jahren im Exil kehrt der einst von seinem Erzfeind Richter Turpin (Alan Rickman) verleumdete, traurige Barbier Benjamin Barker (Johnny Depp), der sich jetzt 'Sweeney Todd' nennt, nach London zurück. Als er von der verlotterten Gastronomin Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter) erfährt, dass seine Gattin (Laura Michelle Kelly) sichin ihrer Verzweiflung vergiftet hat und seine Tochter Johanna (Jayne Wiesner) nun im Hause Turpins ein Gefangenendasein führt, schwört er blutige Rache nicht nur an dem Richter, sondern an der gesamten Menschheit und wetzt seine scharfen Rasierklingen fortan an Stellen, die dafür eigentlich nicht vorgesehen sind...

Schickes, schwarzhumoriges Grand-Guignol-Musical, das mit den üblichen Stärken Burtons kokettiert, sich dies schon aufgrund seines Wesens auch absolut leisten kann und sich trotz des anfänglich vielleicht etwas gewöhnungsbedürftigen Kommunikationsmittels von Musik und Gesang (in einem nicht-animierten Film) vorzüglich in den künstlerischen Kosmos des Regisseurs eingliedert. In Anbetracht der fraglosen Affinität zu dieser Periode verwundert es sogar, dass dies Burtons erster im viktoriaischen England spielender Film ist, denn in dieser Ära kann sich der Mann einmal mehr zur Gänze austoben. Wie schön auch die neuerliche Vergewisserung, dass Burton an den richtigen Stellen jedwede Form der Zimperlichkeit ablehnt und das Blut zum ersten Male seit dem ganz ähnlich stilisierten "Sleepy Hollow" wieder meterweit (und dabei natürlich grotesk verklärt) spritzen lässt. Die häufig für zwei Singstimmen (mit teils unterschiedlichem Text) geschriebenen Kompositionen von Stephen Sondheim sind dabei von wirklicher Qualiät und erinnern mich in ihrer bewusst naiven Darbietung - besonders im Verhältnis zum deftigen Sujet - nicht selten an die bombastischen Disney-Stücke eines Alan Menken...

8/10

London Tim Burton period piece Rache Splatter Grand Guignol


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SLEEPY HOLLOW (Tim Burton/USA 1999)


"I stand up for sense and justice."

Sleepy Hollow ~ USA 1999
Directed By: Tim Burton


Der jüngst geschlagene, erste Unabhängigkeitskrieg wirft noch seine Schatten, als der zugleich aufklärerische und exzentrische New Yorker Constable Ichabod Crane (Johnny Depp) in das von holländischen Emigranten bewohnte Provinznestlein Sleepy Hollow beordert wird, um dort eine Serie mysteriöser Enthauptungen aufzuklären. Crane, der selbst ein dunkles Kindheitsgeheimnis mit sich herumträgt, und dem Blut und Geister im wahrsten Sinne des Wortes spinneeklig sind, entdeckt, dass er zwar seine persönliche Raison speziell bezüglich des Übernatürlichen etwas überdenken muss, behält aber in dem Punkte recht, dass der Anstifter der Bluttaten ein Mensch aus Fleisch und Blut ist.

Auch wenn im Prolog eigentlich nicht von einem herandämmernden, neuen Millenium, sondern korrekterweise von einem Centennium die Rede sein müsste (unterstellen wir Walkers Script angesichts des Entstehungsjahrgangs des Films einen ganz bewussten Schlenker), findet Burton hier glücklicherweise wieder zur Großmeisterlichkeit zurück, in dieser wunderhübschen kleinen Hommage an die alten Filme von Hammer und Anglo-Amalgamated, in der zwar ungewohnt viel Blut spritzt, jenes aber in dieser beruhigen irrealen, typisch leuchtend-hellroten Färbung, wie man sie noch aus Fishers "Curse Of Frankenstein" und "Horror Of Dracula" kennt. Als Hauptmotivation für dieses so witzige wie finstere Spukgerüst wählte man die klassische Irving-Story um den tatsächlich existenten Ichabod Crane und den kopflosen Geisterreiter eines hessischen Söldners, amerikanisches Kulturgut, von Burton uneingeschränkt prachtvoll adaptiert. Mittlerweile ganz selbstverständlich verwandte visuelle Stilmittel wie spezielle Farbfilter, die dem Bild einen blassen "vintage look" verschaffen, kommen hier bereits recht früh zum Einsatz und verfehlen ihre Wirkung nicht. Der vor wabernden Nebeln, knorrigem Geäst und anderen Schauerelementen nur so strotzende "Sleepy Hollow" besitzt viel von der Atmosphäre zeitgenössischer Stiche und ist infolge dessen ein treffliches Beispiel dafür, mit welcher Detailliebe und Sorgfalt Burton und seine Mannschaft (besonders die bravouröse Kostümistin Colleen Atwood sollte in diesem Zusammenhang Erwähnung finden) zu Werke gehen. Johnny Depp indes schraubt hier wiederum ganz entschieden an seinem persönlichen Mythos herum, als zugleich romantischer, linkischer und tuckiger Antiheld, dem allerlei Missgeschicke zustoßen, der allenthalben in Ohnmacht fällt und aus Angst vor einer Spinne auf einen Stuhl steigt und den Kragen vor den Mund zieht. Natürlich triumphiert er am Ende als Mann des Guten und des Geistes (allerdings nicht ohne die maßgebliche Hilfe seiner zwei neuen Freunde (Christina Ricci, Marc Pickering)). Glorios!

9/10

period piece Splatter Hommage Tim Burton


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EDWARD SCISSORHANDS (Tim Burton/USA 1990)


"Blending is the secret."

Edward Scissorhands (Edward mit den Scherenhänden) ~ USA 1990
Directed By: Tim Burton


Der Kunstmensch Edward (Johnny Dep), der anstelle richtiger Hände Scheren besitzt, kommt aufgrund der Initiative der Avon-Vertreterin Peg Boggs (Dianne Wiest) eines Tages vom Schloss seines verstorbenen Erfinders (Vincent Price), auf dem er jahrelang gehaust hat, in das Haus der Familie Boggs und damit in eine biedere Vorstadtnachbarschaft. Die Hausfrauen der Gegend machen sich allesamt Edwards Talente zu präziser Schnittarbeit mit seinen Scherenhänden zu eigen - zunächst als Gärtner, dann als Hunde- und schließlich als Damencoiffeur. Als eine seiner Anhängerinnen (Kathy Baker) Edward ein eindeutiges Angebot, weiß der Naivling nicht standesgemäß darauf zu reagieren - der Anfang einer Kette unglücklicher Ereignisse.

Tim Burton dürfte einer der wenigen Filmemacher in Hollywood sein, die sich allein durch ihre ihnen grundeigene Signatur, zu der sich bei Burton freilich liebenswerte Infantilie, Märchenhaftigkeit, überzogen-grelle Horrormomente, gotisches Ambiente, LSD-Phantasien und Psychedelia vermischen, eine seltene künstlerische Autarkie erarbeitet haben. Mit einem kaum wechselnden Mitarbeiterstab bereichert er die Filmwelt nun schon seit über zwei Dekaden mit seinen verrückten kleinen Phantastik-Mären, die mal eindeutig, mal zaghafter das von Burton selbst gesetzte Anspruchsmarke erreichen; in jedem Fall aber immer sehenswert oder zumindest diskutabel sind.
Leider habe ich "Beetlejuice" gerade (noch) nicht verfügbar, "Pee-Wee's Big Adventure" erachte ich für halbwegs vernachlässigbar, meine Eindrücke zu "Batman" findet sich in meinen Aufzeichnungen bereits an anderer Stelle. Los also mit "Edward Scissorhands", Burtons ganz persönlicher "Frankenstein"-Variation, die vor allem die Bigotterie amerikanischer suburbs trefflich auskundschaftet und persifliert und damit vor allem in den ersten zwei Dritteln immens komisch gestimmt ist. Die Tragik des vordergründig beliebten, hinterrücks jedoch belächelten und wegen seiner Andersartigkeit gefürchteten Kunstmenschen wird erst im dunkel-traurigen letzten Akt gänzlich ausgespielt, in dem es dann auch kaum mehr zur vorherigen Gelöstheit gereicht. Dass die aufgebrachten Vorstädter ihm nicht sein Schloss unter der Nase anzünden, verdankt Edward allein der Beherztheit seiner großen Liebe Kim (Winona Ryder). Burtons diverse Charakteristika sind hier schon fast zur Gänze zugänglich: Das tiefe Grauen bonbonfarbener Idyllen und, analog dazu, die romantische Melancholie seiner mit dem Tode flirtenden Protagonisten. Dazu Danny Elfmans von hellen Chören getragene Bombastmusik und fertig ist das wunderhübsche Gruselsoufflé, das ja dem bereits in den ersten Karrierejahren, respektive nach "21 Jump Street", ein erstaunliches Händchen für seine Rollenauswahl (er konnte immerhin mit 27 Jahren bereits auf Zusammenarbeiten mit Wes Craven, Oliver Stone und John Waters zurückblicken) beweisenden Johnny Depp ein paar seiner frühesten Meriten eintragen konnte. Und bereits hier heißt es ganz eindeutig: Love it - or leave it.

8/10

Tim Burton Frankenstein Schnee


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FRONTIÈRE(S) (Xavier Gens/F, CH 2007)


Zitat entfällt.

Frontière(s) ~ F/CH 2007
Directed By: Xavier Gens


Im Zuge der Unruhen in den Pariser Banlieues begehen die fünf teils arabischstämmigen Jugendlichen Yasmine (Karina Testa), Alex (Aurélien Wiik), Tom (David Saracino), Farid (Chems Dahmani) und Sami (Adel Bencherif), Yasmines Bruder, einen Überfall. Sami wird durch einen Bauchschuss schwer verwundet und überlebt die Aktion nicht. Mit der Beute fliehen die übrigen Vier Richtung Grenze. Kurz vor deren Überquerung wollen sie die Nacht in einem kleinen, abgelegenen Hotel verbringen. Dies wird, wie sich herausstellt, betrieben von einer Gruppe geistig und psychisch schwer derangierter Faschisten, die hier, unter Vorsitz des geflohenen Altnazis Von Geisler (Jean-Pierre Jorris), allerlei böses und ekelhaftes Zeug anstellen. Nach kurzer Zeit ist nur noch Yasmine am Leben, die der Sippe "trotz ihrer unreinen Herkunft" als neue Stammesmutter dienen soll.

Einer der für ihre durch die Bank ziemlich radikale Anschaulichkeit berüchtigten Vertreter der neuen französischen Horrorwelle und, wie ich meine, beileibe nicht der Schlechteste. Gut, die mit der hausbackenen Geschichte einhergehenden politischen Aphorismen (die verrückten Menschenfresser stehen für die im Aufschwung begriffene nationale Rechte) ist zwar ziemlich platt und plump, aber, meine Güte, besser so ein immerhin hehres soziales Ansinnen verbreiten als gar nicht, oder? Vielleicht haben zwei, drei der gorehounds, die "Frontière(s)" geschaut haben sogar was gelernt dabei. Wäre doch gar nicht mal verkehrt. Außerdem hält sich diese kryptisch-billige Kiste mit der Politik doch halbwegs in Grenzen; im Prinzip ist Gens Film (und möchte selbiges glaube ich im Herzen auch sein) doch bloß hochglänzende, mit bösem Humor angereicherte Neo-Exploitation, samt dem mit ältesten noch bedienten Feindbild der Kulturgeschichte, und am Ende, als es mit Gens ein wenig durchgeht, sogar inklusive 'chicks with guns'.
Zum Rest: Xavier Gens nennt als Vorbilder Hoopers "TCM" und Pasolinis "Salò", wobei zumindest ersterer (und ansatzweise auch dessen Fortsetzung) sich hier mehr als offensichtlich wiederfindet. Nun ja, immerhin kann der Vatter hier noch stehen, laufen, Reden schwingen und seinen SS-Totenkopf polieren. Ansonsten wird geshuttert was das Zeug hält, aber das gehört jawohl mittlerweile zum guten Ton eines Genrefilms und hat mich nach einer Weile auch nicht weiter gestört. Dafür sind die F/X-Shots von einer seltenen Derbheit und teils doch bös intensiv - die Sache mit den Achillesfersen jedenfalls: ayayay! - und haben mich mitunter ziemlich kalt erwischt, was sich rückblickend ja häufig allzu positivierend, vielleicht gar verfälschend, auf das Gesamtbild eines Werks niederschlagen kann. Ich fand mich jedenfalls wohlgenährt und -gesättigt von diesem gemeinen, kleinen Blutshake.

7/10

torture porn Splatter Parabel Banlieue Backwood Exploitation Xavier Gens


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THE WOLFMAN (Joe Johnston/USA, UK 2010)


"Darkness comes for you."

The Wolfman ~ USA/UK 2010
Directed By: Joe Johnston


Der gefeierte Bühnenakteur Lawrence Talbot (Benicio Del Toro) wird in den 1890ern während einer Europatournee von Gwen Conliffe (Emily Blunt), der Freundin seines Bruders Ben (Simon Merrells) angehalten, auf das Familienschloss bei Blackmoor zu kommen; Ben sei unter mysteriösen Umständen von einem wilden Tier angefallen und zerfleischt worden. Nach anfänglichem Zögern reist Lawrence zum Hort seiner Väter und sieht sich nicht nur einer Horde abergläubischer Dörfler gegenüber, sondern auch seinem abgeschottet lebenden Vater Sir John (Anthony Hopkins). Als Lawrence des Nachts Zeuge wird, wie eine wilde Bestie über ein angrenzendes Ziegeunerlager herfällt und auch ihn verletzt, ist die Gewissheit unumstürzlich: Ben und nun auch Larry wurden zu Opfern eines Werwolfs. Allerdings hat Larry die Attacke überlebt...

Bin sehr angenehm überrascht von diesem neuerlichen Studioversuch, einen Relaunch der klassischen Universal-Grusler zu wagen. Nachdem Coppola mit "Dracula" und Brannagh mit "Frankenstein" für Columbia bzw. TriStar die Modernisierung des Gotikhorrors erfolgreich bis brauchbar eingeleitet hatten, kam noch Mike Nichols mit "Wolf" um die Ecke, der von Landis und Dante abgesehen ersten ernstzunehmenden Mainstream-Modernisierung des Werwolf-Mythos, die sich allerdings von einer in fast jeder Hinsicht eher verhaltenen Hausfrauen-Seite präsentierte. Zumindest hab ich ihn so in Erinnerung. Sollte vielleicht mal aufgefrischt werden. Die Universal selbst jedenfalls brachte schließlich mit Stephen Sommers als Heerführer "Die Mumie" samt diverser Fortsetzungen und Ableger sowie "Van Helsing", die aus dem nebligen Spukambiente jeweils eine alberne Geisterbahnfahrt machten, auf Kurs.
Dass ausgerechnet der ansonsten für linientreues Familienentertainment stehende Joe Johnston nun ein solch lyrisches und zugleich deftiges "Wolf Man"-Remake herleiten würde, das zudem mit einer ungesunden Vorgeschichte um diverse Verschiebungen und Umschnitte aufwartet, war sicherlich kaum zu erwarten. Umso erfreulicher das fertige Produkt, eine mit finsterem, altgriechischem Pathos aufwartende Vater-Sohn-Fabel samt ödipalen Konflikten, einer monochrom wabernden, aber unaufdringlich generierten CGI-Nebelwelt, in der das ländliche viktorianische England aussieht wie ein knorriger Vorhof zur Hölle, dem trotz "Underworld" ansehnlichsten Filmwerwolf seit "The Howling" und diversen herben Effekten. Außerdem gefällt die ergänzende Bemühung "realer Mythen" wie etwa die der Person des authentischen Yard-Inspetors Abberline, der bekanntermaßen auch die Whitechapel-Morde untersuchte. Am Positivsten zu vermerken an "The Wolfman" jedoch ist, dass der Film sich und seine Geschichte endlich mal wieder gnadenlos ernst nimmt und keinen Raum lässt für dünne Auflockerungsscherze. Zudem gemahnen Rick Bakers Verwandlungskünste (und nicht nur diese!) an seine eigenen, awardgekrönten für "An American Werewolf In London". Schön!

8/10

Monster Joe Johnston period piece Remake Werwolf D.C. Vater & Sohn


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BARTON FINK (Joel Coen/USA, UK 1991)


"I sure do forget myself sometimes."

Barton Fink ~ USA/UK 1991
Directed By: Joel Coen


Der Theaterautor Barton Fink (John Turturro) wird über das Filmstudio 'Capitol Pictures' von New York nach Hollywood abgeworben. Sein erster Auftrag besteht darin, einen Catcher-Film zu scripten. Einquartiert in ein marodes Belle-Epoque-Hotel, in dem sich infolge der unerträglich schwülen, kalifornischen Hitze die Tapeten von der Wand schälen, steht Barton urplötzlich vor dem kreativen Nichts. Keine Idee, die zu Papier gebracht werden könnte und dazu schleichende Einsamkeit und Depression. Einzig sein fideler Nahbar Charlie Meadows (John Goodman) baut ihn mit seinen Kurzbesuchen etwas auf und auch Audrey (Judy Davis), die Mätresse des versoffenen Autors W.P. Mayhew (John Mahoney), scheint ihm wohlgesonnen. Als eine gemeinsame Nacht mit Audrey in einem entsetzlichen, vor allem jedoch für Barton unerklärlichen Blutbad endet, scheint die Spirale des Wahnsinns sich noch weiter zu beschleunigen...

Ein epochaler Film, dessen wahre Größe ich glaube ich trotz rund dreißigmaliger Betrachtung immer noch nicht ganz zu fassen bekommen habe. Möglicherweise kommt mir die ultimative Erleuchtung ja dereinst auf meinem Sterbebett - da gehört sie angesichts des nekrophagen Humors von "Barton Fink" vermutlich ohnedies hin. Wie die Coens hier virtuos mit Symbolismen, Metaphern und dem echten Unfassbaren hantieren, das sollte man nicht bloß, das MUSS man gesehen haben. Jede Einstellung, jeder einzelne Augenblick, ist sein Gewicht in Gold wert. Eine technische und formale Sorgfalt, die dem allumfassenden Perfektionismus eines Stanley Kubrick ohne Weiteres das Wasser reicht, schleift dieses apokalyptische Kammerspiel endgültig zu einer formvollendeten Kinoplastik. Die Eindrücke brennen sich in Aug und Ohr, seien es der aus seinem Kellerloch kommende Steve Buscemi, Bartons Zimmertür, die beim Öffnen und Schließen ein Geräusch fabriziert wie das Schiebeportal zu einem Schlachthof; der schwitzende John Goodman und sein eiterndes Ohr, Michael Lerner beim Füßeküssen und später in seinem viel zu engen Uniformkostüm; der brennende, meilenlang scheinende Hotelkorridor. Und natürlich das kleine Bild von der Frau am Stand, Symbol für Hoffnung, Träume, Erlösung, Freiheit, das zum Sich-Verlieren einlädt. Oder geht es am Ende doch bloß um eine an Herzinfarkt eingehende Möwe? Entscheiden Sie selbst, aber, um Himmels Willen, entscheiden Sie!

10*/10

period piece Hollywood Film im Film Serienmord Groteske Coen Bros.


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SHUTTER ISLAND (Martin Scorsese/USA 2010)


"You're a rat in a maze."

Shutter Island ~ USA 2010
Directed By: Martin Scorsese


1954 kommt der US-Marshal Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) mit seinem neuen Kollegen Chuck (Mark Ruffalo) nach Shutter Island, einer kleinen Insel, auf der sich Ashecliffe, ein Sanatorium für kriminelle Geisteskranke befindet. Eine Insassin namens Rachel Solando, die hier ist, weil sie angeblich ihre drei Kinder ertränkt hat, soll aus ihrem Zimmer entflohen sein und sich nun irgendwo auf der Insel versteckt halten. Während Teddy und Chuck nach Rachel suchen, mehren sich Hinweise, dass auf der Insel etwas nicht stimmt: Wer ist der obskure Dr. Naehring (Max von Sydow)? Und was ist mit dem anscheinend unaffindbaren Patienten Nr. 67? Könnte es sich bei diesem tatsächlich um Andrew Laeddis (Elias Koteas) handeln, jenen Mann, der als pyromanisch veranlagter Hausmeister das Leben von Teddys Frau (Michelle Williams) auf dem Gewissen hat?

Es ist gut, über "Shutter Island" inhaltlich so wenig als möglich zu wissen, erst dann erschließt sich einem die ganze Wucht und das ganze Drama dieses von Scorsese wiederum formidabel inszenierten Films. Nach dem ersten Sehen darf ich mich als nachhaltig überwältigt bezeichnen von der unermüdlichen Kunstfertigkeit, mit der der Altmeister dieses neuerliche Meisterstück zu Wege gebracht hat. Vieles ist mir gleich in Auge und Ohr gefallen, jenes Oszillieren zwischen der Illustration der Vergangenheit und dem Einsatz modernster technischer Mittel etwa, die so nur ein Filmemacher hinbekommt, der beides selbst erlebt hat und mit beidem virtuos zu hantieren weiß, oder der exzellente, die mysteriöse Atmosphäre von "Shutter Island" entscheidend mittragende und -gestaltende Score von Robbie Robertson.
Reisen in zur Abseitigkeit neigende Psychen im Film finde ich prinzipiell hochinteressant, besonders, wenn sie auf so unangekündigte und subtile Weise praktiziert werden wie hier. Ich mochte im Gegensatz zu vielen anderen, die ihn bloß für ein billiges, im Establishment verankertes Oscarvehikel halten, auch Howards "A Beautiful Mind" sehr, an den mich "Shutter Island" am Ende stark erinnert hat. Die Finalisierung als Duell zwischen konservativer und offener Psychiatriepraxis mit ungesundem Ausgang setzt schließlich einen grandiosen Schlusspunkt. Ein toller, sogar ein überragender Film!

9/10

period piece Martin Scorsese Psychiatrie Dennis Lehane





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