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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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IM ANGESICHT DES VERBRECHENS (Domink Graf/D 2010)


"Jeder bekommt, was ihm zusteht."

Im Angesicht des Verbrechens ~ D 2010
Directed By: Dominik Graf

Ein vermeintlicher Routineeinsatz führt die beiden Berliner SEK-Beamten Marek Gorsky (Max Riemelt) und Sven Lottner (Roland Zehrfeld) in einen Sumpf aus Verbrechen, Korruption und tief verwurzelten Traumata. Besonders für Marek, deutsch-russischer Jude, wird der folgende Großeinsatz gegen die Ostblockmafia und einen von ihr groß angelegten Zigareteenschmuggel zu einer Reise in die eigene Identität und Vergangenheit.

Domink Grafs vom WDR coproduzierte, zehnteilige Miniserie weist, von ein paar TV-typischen Unerlässlichkeiten abgesehen, genau jene Qualität auf, die die großen "Cops-vs.-Gangsters"-Movies des Kinos von Walsh über Melville und Friedkin bis hin zu Mann seit jeher auszeichnen. Mittels epischer formaler und inhaltlicher Anlagen entwerfen Graf und sein Autor Rolf Basedow, die zusammen bereits die Fernsehfilme "Hotte im Paradies" und "Eine Stadt wird erpresst" entwickelt haben, ein großes Charakter-Kaleidoskop, in dessen Zuge neben den Prota- und Antagonisten noch zahlreiche Nebencharaktere Platz finden. Neben der Weiterentwicklung des narrativen Hauptstrangs, der sich mit Mareks und Svens Polizeiarbeit befasst, widmet sich jede Episode noch einer schicksalhaften Fügung in der Vita einer der weiteren Figuren, seien es Mareks Schwester Stella (Marie Bäumer) und ihr höchstselbst im Milieu verankerter Ehemann Mischa (Misel Maticevic), der russische Killer Sokolov (Georgii Povolotskyi), Mischas Konkurrent Joska (Marko Mandic), der moralisch zutiefst verkommene Unternehmer Lenz (Bernd Stegemann) oder der korrupte Kollege Hollmann (Uwe Preuss). Die Geschichte jedes einzelnen dieser Charaktere findet sich sorgfältig und detailliert ausgearbeitet in einer erzählerischen Breite, die Kino eben in der Regel nicht zu leisten vermag. Wer mich kennt, weiß, dass ich von Fernsehserien in der Regel Abstand halte - im Falle einer einem einzelnen auteur vorbehaltenen, von Anbeginn so kompakt angelegten, wohlstrukturierten und vor allem in einem luziden erzählzeitlichen Rahmen situierten Reihe bin ich jedoch gern bereit, Ausnahmen zuzulassen. Mit gar wohltuendem Effekt, wie sich erwies.

9/10

TV-Serie Russenmafia Kiez Kokain Berlin Dominik Graf Prostitution Menschenhandel


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HOTTE IM PARADIES (Dominik Graf/D 2003)


"Det is' det wahre Leben."

Hotte im Paradies ~ D 2003
Directed By: Domink Graf


Hotte (Misel Maticevic), ein kleiner Berliner Zuhälter, staunt nicht schlecht als sein "Kollege" Detta (Oliver Stritzel) ihm sein Pferdchen Jenny (Nadesha Brennicke) zu überaus günstigem Kurs weitervermittelt. Jenny ist das Bild einer attraktiven Frau, nur hat sie leider "nich mehr alle Tassen im Schrank". Dass da was Wahres dran ist, merkt Hotte bald buchstäblich am eigenen Leib und auch sonst läuft es eher ungünstig für ihn. Die Rolex und das heißgeliebte Jaguar-Cabrio jedenfalls müssen alle paar Tage in Zahlung gegeben werden. Als Hotte dann auch noch sein Herz für Gestrauchelte entdeckt, wird es richtig übel für ihn...

Grandiose Milieustudie über die kleinen Kiezhengste, die gerne auf dicke Hose machen und mit den Zweihundertern wedeln, dabei jedoch aufgrund ihres gnadenlosen Umfeldes stets um Leib und Leben fürchten müssen. Graf gelingt es durch diverse Gestaltungsmittel hervorragend, dieses unstete Leben abzubilden; gefilmt ist das Ganze mit einer stinknormalen Videokamera, was das Publikum zunächst womöglich glauben macht, es habe da ein billiges Unfilmchen vor sich, durch die dennoch hervorragende Kameraarbeit, ein ungeheures Auge für Details und einen traumhaften Schnitt jedoch zum vorgesehenen Ziel führt: Authentizität. Auch dank Maticevics großartiger, lebebsechter Performance ist man spätestens ab Minute 5 voll drin in Hottes kleiner Welt und will da auch so schnell nicht wieder heraus, zumal ihn und uns ja glücklicherweise die Mattscheibe trennt.

9/10

Kiez Berlin Kokain Dominik Graf TV-Film Prostitution


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TATORT - GEBROCHENE BLÜTEN (Hajo Gies/BRD 1988)


"Der Verdächtige ist verstorben." - "Wie?! 'Verstorben' wie 'tot'?"

Tatort - Gebrochene Blüten ~ BRD 1988
Directed By: Hajo Gies


Schimanski (Götz George) und Thanner untersuchen einen vermeintlichen Amokläufer-Mord an dem Tanzschulenbesitzer Prinz. Bei dem Täter handelte es sich offenbar um einen Ostasiaten. Als dieser dann auch noch ermordet aufgefunden wird, wird den Ermittlern schnell klar, dass hinter Prinz' Tod wesentlich mehr steckt als ein unfälliger Totschlag. Schimanski wird das Gefühl nicht los, dass die Witwe (Renate Krößner) von Prinz wesentlich mehr weiß als sie sagt...

Einer der besten "Tatort"-Filme mit Schimanski und Thanner, trotz seines unsäglichen, von Dieter Bohlen komponierten und von Chris Norman geträllerten Titelsongs ("Broken Heroes") immer wieder gern gesehen, wegen seines witzigen Untertons, wunderbarer Szenen wie einer Großrazzia im Rotlicht-Milieu mit anschließenden, völlig chaotischen Verhören an Prostituierten aller Kuleur, einem zeitweilig hoffnungslos überforderten Thanner (hier erkennt man ganz prägnant, warum dies Feiks Lebensrolle war), der nicht schlecht staunt, als ein flotter Hüpfer sich mit bürgerlichem Namen als "Theo" vorstellt, einem verdatterten Schimmi samt Filmriss nach durchzechter und durchvögelter Nacht und einem ganz großen Brüller: Während einer Beschattungsaktion quatscht Schimanski Thanner über Umwege dessen Fritten ab. Selten wurde die herzige Hassliebe zwischen den beiden knuffigen Kommissaren so pointiert dargestellt. Herrlich.

8/10

Ruhrpott Hajo Gies Schimanski TV-Film Tatort


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THE STING (George Roy Hill/USA 1973)


"If this thing blows up, the Feds will be the least of our problems!"

The Sting (Der Clou) ~ USA 1973
Directed By: George Roy Hill


Joliet, 1936: Die kleinen Trickbetrüger Johnny Hooker (Robert Redford) und Luther Coleman (Robert Earl Jones) nehmen versehentlich einen Geldboten (James Sloyan) des mächtigen New Yorker Gangsterbosses Doyle Lonnegan (Robert Shaw) aus - was dieser sich nicht gefallen lässt. Nur wenige Stunden später ist Luther tot und Johnny auf der Flucht. Im Süden von Chicago trifft er auf Henry Gondorff (Paul Newman), den ungekrönten Meister aller Abzocker. Zusammen mit ihm will sich Johnny auf subtile Weise an Lonnegan rächen und ihn dort treffen, wo's am meisten schmerzt: Bei seiner Geldbörse.

"The Sting", erst auf den dritten Blick als Sequel zu "Butch Cassidy & Sundance Kid" identifizierbar, wäre wohl das, was am Ehesten als einen 'Evergreen' bezeichnet. Primär durch inflationäre TV-Einsätze eingemeindet in den Kulturkanon der Bevölkerung, innig geliebt, hundertfach genossen und bald unwillkürlich auswendig gelernt. Der große Twist am Ende, bei dem selbst der Zuschauer genarrt wird, ist längst keiner mehr, weil sowieso ein jeder darum weiß. So entblättern sich im Laufe der Jahre und des wachsenden Liebgewinnens erst die anderen, eigentlichen Qualitäten des Films, ganz abseits von der Tatsache, dass er schmerzlich perfektes Erzählkino feilbietet. Obschon die Depressionsära im Umfeld von New Hollywood häufig anzutreffen ist - mit "The Sting" schufen Hill und Davd S. Ward womöglich das ultimative 'period piece', auf verblüffende Weise in seiner authentischen Reproduktion von Lokal- und Zeitkolorit und dabei doch zumindest betreffs einer winzigen Facette ein Puristengreuel - die Ragtime-Musik, die den Score bestimmt, war anno 36 längst schon wieder aus der Mode.

10/10

George Roy Hill Chicago Freundschaft period piece New Hollywood Great Depression


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THE CHASE (Arthur Penn/USA 1966)


"Did you hear...? Bubber Reeves escaped!"

The Chase (Ein Mann wird gejagt) ~ USA 1966
Directed By: Arthur Penn


Eine kleine Stadt irgendwo im Süden. Der Filz der Jahrhunderte lässt sich, diverser Strampeleien der Einwohner zum Trotze, nicht abschütteln. Der reiche Bankier Val Rogers (E.G. Marshall) ist der ungekrönte König der Gegend und hat, auch wenn dieser es nie zugeben würde, selbst den ansonsten vorbildlichen Sheriff Calder (Marlon Brando) in der Tasche. Der hiesige, traditionelle Rassismus schwankt zwischen latent und offensiv, die Idee der sexuellen Revolution wird derweil brutal missverstanden und die Zeit vertreibt man sich mit feucht-fröhlichen Wochenend-Gelagen. In diese explosive Stimmung platzt die Nachricht, dass der junge Tunichtgut Bubber Reeves (Robert Redford) mal wieder aus dem Gefängnis ausgebrochen und möglicherweise auf dem Wege Richtung Heimat ist. Und eine kleine Lynch-Party ist genau das, was den Stadtbewohnern zum ultimativen Amüsement noch fehlt...

Eines der trefflichsten und zugleich erschütterndsten filmischen Porträts über den Süden der USA, auf Augenhöhe mit den Gesellschaftsdramen von Williams. Dekadenz und Neureichtum übermannen hier jede menschliche Regung, die Menschen sind fast durchweg hassens-, um nicht zu sagen verabscheuenswert in ihrer bequemen Kleingeistigkeit. Penn entwickelt für seine zwischen Burleske und bierernstem Drama angesiedelte Theateradaption eine rein ästhetisch betrachtet verführerische Bildsprache mit Scope und leuchtenden Farben, die den oberflächlichen Glanz jener mittelalterlichen Gesellschaft perfekt einfängt und es dem Rezipienten zumindest zu Beginn ein wenig erschwert, sich einen Begriff von jenem sozialen Mikrokosmos zu machen. Auf topographische Angaben verzichtet "The Chase" bewusst, um seine kritische Allgemeingültigkeit nicht zu verspielen. Dem US-Publikum und auch der Kritik ist Penns Film wie viele selbstkritische Werke der Kinogeschichte (ewiges Musterbeispiel: "Heaven's Gate") bis heute verhasst, dabei handelt es sich um eine seiner brillantesten Arbeiten.

9/10

based on play Menschenjagd Arthur Penn Lynchjustiz Suedstaaten Rassismus


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DIE TODESGÖTTIN DES LIEBESCAMPS (Christian Anders/BRD 1981)


"Kuck mal, wie die auf mir rumhüpft... los, kipp' ihr mal 'nen Cocktail ins Gesicht, damit sie sich ein bisschen abkühlt!"

Die Todesgöttin des Liebescamps ~ BRD 1981
Directed By: Christian Anders


Eine Sektenführerin (Laura Gemser), die ihre Untertanen nur mit "Die Göttliche" anreden, hat auf Zypern ein Liebescamp aufgebaut, in dem sich das oberste Credo aus permanenter Promiskuität sowie wikingerhaften Tischsitten zusammensetzt. Wer nicht mehr zum Rudelbums bereit ist, bekommt umgehend die Siebenschwänzige zu spüren, bis er oder sie sich eben wieder fügsam zeigt. Abtrünnige werden nur zum Schein entlassen und ein paar hundert Meter weiter von Tanga (Sascha Borysenko), dem bulligen Leibwächter der Göttlichen, in eine geheime Erdspalte geschubst. Der jüngste Plan der bereits kritisch von den internationalen Behörden beäugten Göttlichen besteht darin, sich die Tochter (Simone Brahmann) eines wohlhabenden US-Senators (Bob Burrows) gefügig zu machen, um sich mittels deren umfassendem Erbteil wieder gesundstoßen zu können. Dazu benutzt sie ihren in Sachen Kung Fu nicht inkompetenten Hohepriester Dorian (Christian "Ein Griff wie ein Schraubstock" Anders), der sich jedoch unsterblich in die eigentlich eher mittelmäßig aussehende Jungfer verknallt und mit ihr durchzubrennen plant. So lässt die Göttliche aber nicht mit sich umspringen!

Die zweite der beiden in speziellen Kreisen zu Legenden avancierten Regiearbeiten des Schlagersängers und späteren Lichtgurus Christian Anders, der sich selbst einst gern zu einem Zwischenwesen aus blondgelocktem Liebhaber, Martial-Arts-Experten und Sangesstar zu stilisieren pflegte. Thematisch orientiert der spätere Verschwörungstheoretiker sich am seinerzeit kosmopolitisch heißen Eisen des Sektenführers Jim Jones mitsamt Jonestown und dem "Peoples Temple", nominell bereits für zwei andere Sparproduktionen benutzt. Dass Anders' Sprechstimme tonal eher untauglich fürs Publikum sein muss, wird ihm sein Agent oder sonst ein Unverblendeter gesteckt haben, jedenfalls ließ der verhinderte Meisterautor sich von Heiner Lauterbach nachsynchronisieren, was irgendwie eine ziemlich lustige Kombi ergibt.
Für "Die Todesgöttin des Liebescamps" holte sich der später auch als 'Lanoo' bekannte Gammelbarde noch die in Sachen Softsexfilm erfahrenen D'Amato-Veteranen Laura Gemser und Gabriele Tinti mit an Bord, die die natürlich sichtlich brav gestellten Kopulationsszenen mit ihrer Wohlgestalt aufwerten mussten. Zumindest bei der Gemser klappt das, was mich anbelangt, auch fraglos. Ihr kompakter Haussklave Sascha Borysenko dürfte eifrigen Talkshow-Zuschauern noch als der kleine Schuhschrank mit dem lustigen Schnäuzer in Erinnerung sein, der in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern in diversen Nachmittagssendungen seine Künste als Prügel-Stuntman zur Schau stellte. Der Mann ist tatsächlich unfassbar untalentiert und scheint darüberhinaus noch stolz darauf zu sein, dass seine ihm ureigene Körperhaltung verhindert, dass die Ellbögen jemals seinen Torso berühren. Permanent dick eingeölt und bekleidet mit einem Röcklein, wie es ihrerzeit Steve Reeves oder Mark Forest als Herkules zu tragen pflegten, lässt er seine Brustmuskeln spielen und steht ansonsten funktionsbefreit in der Szenerie herum wie eine fleischfarbene Statue. Das reicht alles für ganz viel "Käse mit Arsch", wie meine Tante Elke derlei "Qualitätsstoff" gern zu nennen pflegt und ist sicherlich für jeden Exploitation-Freund sowie auch den etwas spezifizierter Ausschau haltenden Fan deutscher Sex-Klamotten sicherlich von unbedingter Verpflichtung.

5/10

Zypern Sleaze Europloitation Trash Christian Anders


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ON THE WATERFRONT (Elia Kazan/USA 1954)


"You wanna hear my philosophy of life? Do it to him before he does it to you."

On The Waterfront (Die Faust im Nacken) ~ USA 1954
Directed By: Elia Kazan


Hoboken, New Jersey: Der Ex-Boxer Terry Malloy (Marlon Brando) arbeitet als Schläger für den korrupten Hafengewerkschaftsboss Johnny Friendly (Lee J.Cobb). Terrys älterer Bruder Charley (Rod Steiger) ist Friendlys rechte Hand und Advokat. Als mit seiner unbewussten Hilfe eines Tages einer von Friendlys Klienten zu Tode kommt, beginnt der bis dahin erstarrte Terry erstmals aufzuhorchen. Mit der Unterstützung eines couragierten Paters (Karl Malden) und Edie (Eva Marie Saint), der Schwester des Ermordeten, beginnt er, gegen Johnny Friendly und seine Gangsterbande aufzubegehren.

Ein Meilenstein im amerikanischen Kino ist "On The Waterfront", da er als eine der ersten Studioproduktionen nahezu völlig auf Romantisierung und althergebrachte Klischees verzichtet und stattdessen trotz mancher expressionistischer Stilisierung ganz bewusst wie on location gedrehtes cinéma verité daherkommt. Kazan scheut sich nicht, pausenlos Dreck, Armut und Unbehagen abzubilden. Seine Figuren sehen mit Ausnahme der, besonders inmitten von Ruß unjd Kälte ätherisch anmutenden (und im Film freilich jungfräulichen) Eva Marie Saint aus wie vom Leben geschundene Individuen; vernarbt, unrasiert, desillusioniert, traurig. Brando, dessen Darstellung später als archetypisces method acting gelten sollte, spielt seinen Terry Malloy nicht, er lebt ihn - und scheint die anderen, kaum minder großartigen Schauspieler gleich mit in seinen Realismusstrudel zu reißen. Dass "On The Waterfront" permanent seinen nachdrücklichen Ruf nach sozialer Gerechtigkeit lauthals und als allgemeingültiges Credo herausposaunt, wirkt hier nebenbei ausnahmsweise nicht geheuchelt, sondern in höchstem Maße glaubhaft.

10/10

New Jersey Armut Hafen Elia Kazan Gewerkschaft


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MANHATTAN MURDER MYSTERY (Woody Allen/USA 1993)


"Jesus. Claustrophobia and a dead body - a neurotic's jackpot!"

Manhattan Murder Mystery ~ USA 1993
Directed By:


Mithilfe des Nervenkitzels infolge der betont amateurhaften Aufklärung eines Mordfalls in ihrer Nachbarschaft gelingt es dem New Yorker Ehepaar Larry (Woody Allen) und Carol Lipton (Diane Keaton), sein marode Ehe wieder zu kitten.

Allen legt sich selbst einmal mehr ein Feuerwerk an klugen Gags in den schmalen Mund, das jedem Comedy-Gourmet auf der Zunge zergehen muss. Seine lediglich an der oberflächliche vorhandene Kriminalgeschichte ist voll von inhaltlichen und formalen Seitenhieben in Richtung des film noir und der nouvelle vague und selbstverständlich ebenso angefüllt mit Autoreflexionen. Dass Allen trotz differierender Namen und beruflicher Tätigkeiten immer wieder dieselbe mythische Kunstfigur zum Besten gibt, ist nichts neues; ebensowenig die Tatsache, dass seine Nebendarsteller letzten Endes bloß Allens amüsante Mixtur aus Selbstkarikatur und Egomanie stützen. Wesentlich interessanter sind da die kleinen, alibihaften Ausbruchs- und Öffnungsversuche - ein Handicam-Spirenzchen hier, kleine Montage-Fisimatenten dort. Hauptsache, die Leute bekommen zumindest ein bisschen das Gefühl von Frische suggeriert. Dass ich mich von Allen stets gern auf den Arm nehmen lasse, habe ich glaube ich mal erwähnt. Für mich ist der Mann ein ewiges Garant für rundum intelligent ausgefüllte Kurzweil.

8/10

New York Ehe Woody Allen


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TATORT - DER POTT (Karin Hercher/BRD 1989)


"So nich!"

Tatort - Der Pott ~ BRD 1989
Directed By: Karin Hercher


Kommissar Schimanski (Götz George) ist bald nur noch ein halber Ermittler: Thanner (Eberhard Feik) hat sich vom BKA abwerben lassen und geht nach Bonn, um an einem Krisenprojekt zum Polizeiverhalten bei Großkundgebungen teilzunehmen. Derweil wird ein über eine halbe Million Mark schwerer Klingelbeutel von Hochfelder Stahlgewerkschaftern geraubt und kurz darauf ein Vorstandsmitglied der Gewerkschaft ermordet aufgefunden. Als Zeitpartner nimmt sich Schimanski den ortskundigen Jo Wilms (Thomas Rech), dem bisweilen allerdings mehr am Erhalt seines Stadtteils als an der Polizeiarbeit zu liegen scheint.

Für mich ganz persönlich ist dieser "Tatort" besonders interessant, weil viele der Drehorte, wenn überhaupt, bloß einen Steinwurf von meiner Arbeitsstätte entfernt liegen und die grau verputzten Hausfassaden trotz zwanzig Jahren zeitlichem Abstand und trotz der Massen an im Film zu sehenden Transparenten unverwechselbar als "Hochfelder Barock" identifizierbar sind. Wenn "Der Pott" als Kriminalfilm auch wenig mehr denn business as usual abgibt - einer der betreffs seines sozialen Erbes beseeltesten Ruhrgebiets-Tatorte, wie der bewusst zweideutig gewählte Titel bereits verrät, ist er ganz bestimmt. Zahlreiche Schauspielurgesteine aus der Region, darunter Willi Thomcyk, Michael Brandner, Ludger Pistor und Jochen Nickel geben sich in kleinen bis größeren Nebenparts ein Stelldichein; Rio Reiser, wenn auch fern von Berlin, tritt als Gast und Arbeitersoli an, um ein paar Songs zum Besten zu geben. Das repräsentiert natürlich ein um Einiges hochklassigeres Songwriting als etwa das von und zu Westernhagen oder Chris Norman.

7/10

Ruhrpott Karin Hercher Schimanski TV-Film Tatort


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ANGEL FACE (Otto Preminger/USA 1952)


"I can't exist without you!"

Angel Face (Engelsgesicht) ~ USA 1952
Directed By: Otto Preminger


Der Ex-Rennfahrer, Kriegsveteran und Sanitäter Frank Jessup (Robert Mitchum) lernt bei einem Einsatz die wohlhabende Familie Tremayne kennen: Den ungeschäftigen Autor Charles (Herbert Marshall), seine zweite Ehefrau Catherine (Barbara O'Neil) und Charles Tochter aus erster Ehe, Diane (Jean Simmons), in die Frank sich verliebt. Diane ist krankhaft eifersüchig auf ihre Stiefmutter und versucht erfolglos, Frank in ein Mordkomplott betreffs Catherine zu verwickeln. Als sie eines Tages selbst ihre Pläne durchsetzt, stirbt unfällig auch Dianes Vater und sie und Frank kommen vor Gericht. Der Tod des Ehepaars wird schließlich als Unfall behandelt. Doch Diane kommt mit ihrer Schuld nicht zurecht, zumal Frank sie mit ihrer Depression im Stich zu lassen droht...

Premingers heute als meisterlich bezeichneter film noir galt für seinen Produzenten Howard Hughes damals als Abschreibungsobjekt: Hughes ließ seinem Regisseur, der eigentlich bereits sein Desinteresse an der Inszenierung dieser Herzschmerz-Story bekundet hatt, sämtliche Freiheiten und wollte darüber hinaus der Simmons, die damals mit Stewart Granger verheiratet war und sich als immun gegenüber den Nachstellungen des exzentrischen Geldsacks erwies, nachträglich eins auswischen. Als eine kuriose Analogie zu Hughes eigener kleiner Filmkatastrophe "The Outlaw", in die der 'Aviator' Unmengen an Zeit und Talent investiert hatte, wurde dieser von vornherein so stiefmütterlich behandelte, psychologische Kriminalfilm zum Klassiker. Die Attribute lassen allerdings auch wenig anderes zu -; Mitchum und Simmons zählen zu den großen unglücklichen Liebespaaren des film noir und Premingers häufig des Nachts spielende Szenen halten besonders auf Seiten der formidablen, neurotisch aufspielenden Simmons nachhaltig tiefe Abgründe bereit. Falls Sie auf der Suche nach Erlösung sind, suchen Sie bitte woanders.

8/10

film noir Howard Hughes Otto Preminger Amour fou





Filmtagebuch von...

Funxton

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