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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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RADIOACTIVE DREAMS (Albert Pyun/USA 1985)


"We now saw the world for what it was: cold and bitter."

Radioactive Dreams ~ USA 1985
Directed By: Albert Pyun


Die beiden vierjährigen Jungs Philip Chandler und Marlowe Hammer werden von ihren Dads (George Kennedy, Don Murray) pünktlich zur Explosion der Bombe in einen Atombunker gesperrt. Fünfzehn Jahre später, ihre Väter haben sie längst verlassen, betreten Chandler (John Stockwell) und Hammer (Michael Dudikoff) staunend die postnukleare Welt, in den Manteltaschen zwei geheimnisvolle Schlüssel. Die Bildung der beiden jungen Männer besteht vornehmlich aus Detektivgeschichten der dreißiger und vierziger Jahre; entsprechend naiv begegnen sie dem Trümmerchaos, das sie nun erwartet. Wilde Punkgangs, Disco-Mutanten, Kannibalen, unterirdisch lebende Monster, aber auch die "klassische" Femme fatale begegnen ihnen und wollen ihnen durchweg jene seltsamen Schlüssel abluchsen.

Was sich nach erstklassigem Trivialtrash der Mid-80s anhört, entpuppt sich als nicht viel mehr denn eine Kinokuriosität aus der Hochperiode der Bombenparanoia. Mit der produktiven Unterstüzung des damals noch präsenten Dino De Laurentiis fertigte der dem Vernehmen nach stets sehr von sich selbst überzeugte Hawaiianer Albert Pyun seinen zweiten Film nach "The Sword And The Sorcerer", diesmal ein echtes Autorenstück, dessen Ideenspanne jedoch weitaus geringer bleibt als sich angesichts des tollen Titels und Poster-Artworks erhoffen lässt. "Radioactive Dreams" erscheint höchst wirr und unausgegoren, jedoch auf eine Weise, die deutlich mehr mit inszenatorischer Nachlässigkeit zu tun hat als mit den angepeilten Noir-Strukturen. Abgesehen von seinem poppigen Grundgedanken scheint Pyun die Muse irgendwann schlicht verlassen zu haben. Somit verbleibt kaum mehr als ein ansätzlich sicherlich gutgemeinter, im Vergleich zu jedem beliebigen Italo-Endzeit-Klopper derselben Periode aber teils überhängend langweiliges filmhistorisches Exponat.
Epilog: Von den jüngst veröffentlichten deutschen DVD-Veröffentlichungen rate ich halbwegs geduldigen Interessierten, Abstand zu nehmen. Das Bildformat ist von 2,35:1 auf 1,78:1 gecroppt und merklich seiner originären Komposition beraubt. Ferner bin ich froh, mir nicht die hoffnungslos überteuerte Soundtrack-Edition geleistet zu haben, denn der grauenhaft beliebige, mit weiblichen Vocals intonierte Achtziger-Pop-Rock dürfte höchstens Kulturmasochisten erfreuen.

4/10

Coming of Age Groteske Albert Pyun Atombombe Apokalypse film noir


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BLACK ANGEL (Roy William Neill/USA 1946)


"What a fine couple we two were..."

Black Angel (Schwarzer Engel) ~ USA 1946
Directed By: Roy William Neill


Die als sehr unangenehm bekannte Society-Schnepfe Mavis Marlowe (Constance Dowling) wird in ihrem Appartement ermordet. Hauptverdächtiger ist der treusorgende Ehemann Kirk Bennett (John Philips), der mit ihr eine Affäre pflegte. Mavis' eigener Ex-Mann, der alkoholkranke Bar-Pianist Martin Blair (Dan Duryea), hat indes einen ganz anderen Verdacht: Er hat noch am Abend von Mavis' Ermordung den windigen Clubbesitzer Mr. Marko (Peter Lorre) in ihrem Hause angetroffen. Zusammen mit Bennetts Frau Catherine (June Vincent), die ihren Mann unbedingt aus der Todeszelle holen möchte, beginnt Martin gegen Mr. Marko zu ermitteln.

Ganz ausgezeichneter film noir, leider inmitten der vielen anderen großen Klassiker dieser Jahre sehr untergegangen. Zu Unrecht: "Black Angel" ist ein kleines Kunstwerk. Schon die erste Einstellung, eine Kamerafahrt an der Fassade von Mavis Marlowes Wohnhaus hinauf und hinein in ihr Appartement weist den Weg - die Story von Neills letztem Film geht verschlungene Pfade. In "Black Angel" geht es darüberhinaus auch um die vernichtende Wirkung des Alkohols. Ein Jahr nach Wilders "The Lost Weekend" wird hier ein weiterer, bedauernswerter Protagonist Opfer seiner pathologischen Sucht und das gleich in mehrfacher Weise. Der notorisch unsympathische Dan Duryea, später vor allem gern für Schurkenrollen in kleineren Western herangezogen, ist als schlaksiger Suffkopp, dessen eiserne Überheblichkeit sich als reine Behauptung entpuppt, eine wahre Fundgrube. Und dann hat der Film neben seiner feinen Kameraarbeit und einigen nett vorgetragenen Songs noch eine absolut unschlagbare Ingredienz: Peter Lorre, einmal mehr als kleine, schmierige Halbweltschabe zu sehen, stiehlt allen und allem anderen die Schau.

8/10

Los Angeles Alkohol Roy William Neill film noir Sucht Cornell Woolrich


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LUFTSLOTTET SOM SPRÄNGDES - DIRECTOR'S CUT (Daniel Alfredson/SE, DK, D 2009)


Zitat entfällt.

Luftslottet Som Sprängdes - Director's Cut (Vergebung - Director's Cut) ~ SE/DK/D 2009
Directed By: Daniel Alfredson

Nur mit knapper Not entgeht Lisbeth Salander (Noomi Rapace) dem Mordanschlag durch ihren Vater (Georgi Staykov) und ihren Halbbruder (Micke Spreitz) und landet schwer verletzt auf der Intensivstation. Die Polizei sitzt ihr jedoch nach wie vor im Nacken, da sie weiterhin als Hauptverdächtige für einen Dreifachmord gilt. Die "Sektion" ist derweil dabei, alle Mitwisser um ihre Existenz, darunter auch Zalachenko, der nur ein paar Zimmer von Lisbeth entfernt liegt, gnadenlos um die Ecke zu bringen. Blomkvist (Michael Nyqvist) hilft Lisbeth derweil von außerhalb: Er macht ihre Akte ausfindig und recherchiert einige Beweise für Lisbeths quasi lebenslange, unflätige Behandlung durch die Staatsbürokratie.

Das Finale der "Millenium"-Trilogie geriert sich etwas ruhiger als die beiden Vorgänger und schwenkt mehr Richtung Drama. Im Kern des Films steht Lisbeths Gerichtsverhandlung, die klären soll, ob ihre Unmündigkeitserklärung und die psychiatrischen Gutachten tatsächlich gerechtfertigt sind. Dabei erfährt man wiederum einige Details aus der unrühmlichen Vergangenheit der Dame, die ihren bizarren Hang zur Finsterromantik, den Lisbeth zur Zeichensetzung besonders während des Prozesses auslebt, denn auch etwas plausibler machen. Ansonsten hat man dem Film jawohl des Öfteren offen zum Vorwurf gemacht, dass er nach den flotten Vorgängern etwas den Fuß vom Gas nimmt, jedenfalls meine ich, mich an Entsprechendes erinnern zu können. Finde derartige Kritik überhaupt nicht gerechtfertigt. Höchstens Lisbeths finales Duell gegen ihren Halbbruder, den blonden Nazi-Roland ist möglicherweise ein wenig zuviel des Guten. Musste aufgrund der location permanent an den "Cobra"-Showdown denken, aber das ist wohl mein persönliches Problem. Resümierend empfinde ich die "Millenium"-Filme wie bereits erwähnt als vortrefflichen Unterhaltungsstoff, der sich zwar abmüht, seinem Publikum gegenüber immer moderat zu bleiben und stets in gesicherten Bahnen verläuft, diese aber auch reichlich auszufüllen weiß.

7/10

Millenium-Trilogie Courtroom Journalismus Daniel Alfredson Stieg Larsson Schweden


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FLICKAN SOM LEKTE MED ELDEN - DIRECTOR'S CUT (Daniel Alfredson/SE, DK, D 2009)


Zitat entfällt.

Flickan Som Lekte Med Elden - Director's Cut (Verdammnis - Director's Cut) ~ SE/DK/D 2009
Directed By: Daniel Alfredson


Als die mittlerweile gesund gestoßene Lisbeth Salander (Noomi Rapace) vom Tod ihrer Mutter erfährt, kehrt sie nach über einem Jahr unter südlicher Sonne zurück nach Stockholm. Dort gerät sie bald in die Schusslinie polizeilicher Ermittlungen, denn ihr ehemaliger Vormund, der schmierige Bjurman (Peter Andersson), ist, ebenso wie ein Journalist (Hans-Christian Tulin) und dessen Freundin, ermordet worden. Dahinter steckt offenbar ein ehemaliges Mitglied einer schwedischen Geheimpolizei, das Lisbeth nur allzu gut kennt: Es handelt sich um ihren Vater Alexander Zalachenko (Georgi Staykov), einen ehemaligen Überläufer aus dem Osten, der nun auf eigene Rechnung Killerjobs übernimmt. Seine Ex-Organisation, die Lisbeths alter Freund Blomkvist (Michael Nyqvist) "Sektion" tauft, sieht dies gar nicht gern. Blomkvist will nun gleichermaßen die brandheiße Story über Ostblock-Mädchenhändler durchboxen und Lisbeth vor der drohenden Gefahr durch ihren eigenen Vater und die Polizei schützen.

Wiederum Spannendes aus der skandinavischen Krimiküche. Nachdem der raue Duktus des ersten Teils sich bereits beim Rezipienten etabliert und gesetzt hat, können die teils unangenehmen physischen Akte dieses Films kaum mehr schockieren. Alfredson setzt wiederum auf eine modisch-schicke Digicam-Ästhetik und müht sich so, dem sozialkritische Nebensujet des Films um böse Mädchenhändler und eine paralegale Armee von SiPo-Veteranen zusätzliches Gewicht zu verleihen. Dabei tritt eine Figur auf, die hart an der Grenze zur Karikatur entlangschlittert; ein (natürlich) deutschstämmiger Riesennazi nämlich, der einen ganz besonderen Segen genießt: Durch eine Nervenkrankheit kann er keinen Schmerz empfinden. Darum wichst der an Frank Zagarino erinnernde, wasserstoffblonde Goliath auch alles und jeden zu Klump, der ihm auch nur im Mindesten doof kommt. Die eigenartigen Familienverhältnisse Lisbeths sowie ihre nebulöse Vergangenheit werden nun endlich erhellt. Das tut ihrer klischierten Zeichnung als kettenqualmende, hackende Gothic-Lesbe mit patentiertem Testikeltritt jedoch kaum einen Abbruch; im Gegenteil. Doch genug gelästert. "Flickan" hält das erzählerische Niveau des Erstlings, bleibt durchweg interessant und es gelingt ihm sogar, sich durch ein gewisses Maß an inhaltlicher Komplexität geringfügig vom Vorgänger zu emanzipieren.

7/10

Millenium-Trilogie Schweden Familie Daniel Alfredson Journalismus Stieg Larsson


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MÄN SOM HATAR KVINNOR - DIRECTOR'S CUT (Niels Arden Oplev/SE, DK, NO, D 2009)


Zitat entfällt.

Män Som Hatar Kvinnor - Director's Cut (Verblendung - Director's Cut) ~ SE/DK/NO/D 2009
Directed By: Niels Arden Oplev


Nachdem verlautbar wurde, dass von den Adaptionen der drei "Millenium"-Filme nach Stieg Larsson auch längere TV-Fassungen erscheinen würden, jene denn auch großspurig als "Director's Cuts" angekündigt, verzichtete ich auf die Beschau der Kinofilme uns führte mir mit einigem Abstand gleich die Fernsehschnitte zu Gemüte. Der Eindruck, den "Män Som Hatar Kvinnor", der erste Teil der Trilogie, nach seiner Erstbeschau bei mir hinterlassen hatte, wurde durch die neuerliche Betrachtung noch vertieft. Besonders der ohnehin nicht fortzuleugnende Glotzencharakter des Films erschien mir noch akuter, nicht zuletzt, da "zu Gunsten" der Fernsehausstrahlung auf das Scope-Format verzichtet wurde und der Film in der Langfassung - ohne sichtbare bildkompositorische Einbußen freilich - im schmaleren 16:9-Breitenverhältnis erscheint.
Ein gutes, wenn nicht sehr gutes TV-Format hat man da, das zu keiner Sekunde nachlässt und seine Geschichte trotz der epischen Länge von nunmehr fast drei Stunden auf Hochtouren entwickelt. Nicht zuletzt aufgrund seiner eher simpel gestrickten, kaum fordernden Narration ein wirklich hervorragendes Antidot für langweilige, scheinbar nicht enden wollende Nachmittage vor der Glotze, zumal es ja noch zwei nicht minder ausgedehnte Sequels gibt.

7/10

Schweden Millenium-Trilogie Journalismus Niels Arden Oplev Stieg Larsson Familie Serienmord


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SHERLOCK HOLMES (Guy Ritchie/USA, D 2009)


"Je ne suis pas pressé."

Sherlock Holmes ~ USA/D 2009
Directed By: Guy Ritchie


Nachdem der Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Robert Downey jr.) und sein Partner Dr. Watson (Jude Law) den mordenden Kultisten Lord Blackwood (Mark Strong) festgenagelt und ins Gefängnis gebracht haben, tut sich eine geräumige Flaute in ihrem Berufsleben auf. Jene nutzt Watson dazu, seine Verlobung mit der hübschen Mary Morstan (Kelly Reilly) zu stabilisieren sowie seinen Auszug aus der Baker Street 221B vorzubereiten und die Holmes zu allerlei exzentrischen Experimenten nötigt. Als Lord Blackwoods Leiche kurz nach der Exekution aus ihrer Gruft verschwindet und Holmes' Verflossene, die Trickdiebin Irene Adler (Rachel MacAdams) aus der Versenkung auftaucht, warten gefährliche neue Herausforderungen auf das Heldenduo.

Mag Ritchies Jüngster auch keineswegs der aufregendste Mainstream-Film des letzten Jahres sein - ein heißer Anwärter auf den bestaussehenden ist er ganz gewiss. "Sherlock Holmes" verwöhnt sein Publikum über die ganze stattliche Distanz mit sepiafarbenen Bildern des viktorianischen London, das, ganz anders als etwa in der vorsätzlich dreckig gestalteten "Ripper"-Verfilmung "From Hell" von den Hughes Brothers, in altehrwürdigem Empire-Glanz erstrahlt. Zwar lässt sich erahnen, dass da eine Menge am Rechner nachbereitet wurde; doch die Aufnahmen von der im Bau begriffenen Tower Bridge oder des Westminster-Palasts sind von höchsten ästhetischen Gnaden und sollten jeden Liebhaber britischer Weltkultur zu begeistern wissen. Der Film selbst mit seiner dürftigen Story und diversen fragwürdigen Dramaturgie-Bausteinen verblasst angesichts seiner formalen Gnade allerdings sehr. Weder mag die deutlich in der Nähe von Alan Moores "League Of Extraordinary Gentlemen" positionierte, um Verschwörung und elitäres Sektierertum kreisende Geschichte ein zufriedenstellendes Maß an Spannung zu suggerieren, noch ist die Neudefinition von Holmes als drahtigem Prügelknaben, der seine Gegner mittels fundierter anatomischer Kenntnisse auf die Bretter schickt, von geringstem Reiz. Weder bereichert Ritchie die Tradition der Rathbone-Filme um einen bemerkenswerten Späteintrag, noch kratzt er am Sockel meiner beiden persönlichen Lieblings-Holmes-Verfilmungen (nämlich Fishers "The Hound Of The Baskervilles" & Clarks "Murder By Decree"). Da aber der Bucheinband nunmal nicht die Qualität seines Inhalts bestimmt, bleibt "Sherlock Holmes" für mich im - wenn auch oberen - Durschnittssegment.

6/10

London Sherlock Holmes England Guy Ritchie Victorian Age Verschwörung


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DEVIL IN A BLUE DRESS (Carl Franklin/USA 1995)


"The only question is are you on top of your trouble or not?"

Devil In A Blue Dress (Teufel in blau) ~ USA 1995
Directed By: Carl Franklin


L.A. 1948: Der farbige Kriegsveteran Ezekiel 'Easy' Rawlins (Denzel Washington) hat soeben seinen Job verloren und bangt um die Abzahlung seiner Hypothek. Da kommt ihm ein scheinbar schneller Job gerade recht. Von dem unsymathischen DeWitt Albright (Tom Sizemore) beauftragt, soll Easy eine im Schwarzenmilieu verkehrende, weiße Lady namens Daphne Monet (Jennifer Beals) finden, da der Bürgermeisterkandidat Carter (Terry Kinney) ein spezielles Interesse an ihr habe. Kaum dass die Dame sich erstmals gezeigt hat, registriert Easy, dass er nur ein zu vernachlässigendes Teilchen in einem boshaften Spiel um Erpressung und politische Ränke ist.

Sehr sympathischer film noir von einem Regisseur, der bereits mehrfach ein Händchen für gutes Krimikino bewiesen hat. Der primäre Reiz der Romanadaption "Devil In A Blue Dress" liegt natürlich darin, die im Prinzip typische Hardboiled-P.I.-Story fast zur Gänze in die afroamerikanische Halbwelt von Los Angeles zu verlegen, ein Milieu also, in das Chandler oder Spillane respektive ihre Helden sich niemals oder höchstens widerwillig hineingetraut hätten. Washington als Ermittler ist eine erwartungsgemäß solide Besetzung für den Privatschnüffler (zunächst) "by accident", dessen Nase schon aufgrund seiner in bestimmten Ecken der Stadt ungern gesehenen Hautfarbe besonders gefährdet ist. Leider blieb es im Kino bislang bei diesem einen Auftritt von Easy Rawlins, derweil er in schriftlicher Form bereits eine ganze Reihe von Fällen zu lösen hatte. Über eine Fortsetzung täte ich mich auch jetzt noch freuen.

8/10

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THE BIG LEBOWSKI (Joel Coen/USA 1998)


"Shomer fucking shabbos!"

The Big Lebowski ~ USA 1998
Directed By: Joel Coen


Los Angeles, 1991. Jeff Lebowski (Jeff Bridges), genannt "Dude", sieht sich einer verhängnisvollen Verwechslung ausgesetzt: Ein paar dämliche Ganoven halten ihn für seinen reichen Namensvetter Jeffrey Lebowski (David Huddleston), dessen leichtlebige Frau Bunny (Tara Reid) selbigem allerhand Kummer bereitet. Dabei würde der Dude doch so gern seine kostbare Zeit darauf beschränken, White Russians zu trinken, hier und da einen Spliff zu verknusen und mit seinen Kumpels Walter (John Goodman) und Donni (Steve Buscemi) zum Bowling zu gehen. Doch die Welt ist ungerecht und der Dude gerät mitten hinein in eine anstrengende Detektivgeschichte, die sich durch den Übereifer des cholerischen Vietnamveteranen Walter nur noch verkompliziert.

Noch eine weitere, prachtvolle Bildmoritat aus dem Hause Coen und mir, wie ja vielen anderen auch, eine ihrer liebsten. "The Big Lebowski", eine Americana für den weltoffenen Späthippie und Hänger, kartographiert das reale Slackertum und schleudert der (nichtamerikanischen) Welt einen lustvoll abgefressenen Mittelfinger entgegen. Von Beschleunigung und Geschwindigkeit hält der Film, wie wie es ohnehin von den Coens gewohnt sind, überhaupt gar nichts; er präsentiert uns im Gegenteil dazu sogar, wie man im Tuckertempo jedes Rennen gewinnt und begnügt sich darüberhinaus nur mit dem Allerhöchsten, bezogen auf jedes einzelne Partikel. Am Schönsten wird es stets, wenn der Dude sich, wieder einmal ausgeknockt, in einem seiner verrückten Bowlingträume wiederfindet, in denen wahlweise viele bunte Sterne, Saddam Hussein, Wikingerwalküren oder Peter Stormare als überdimensional bescherter Kastrator aufkreuzen. Als ob dies nicht genügte, verfügt "The Big Lebowski" über die ultimative Detektivfilmszene: Einer seiner wenigen Geistesblitze ereilt den Dude, als der Pornokönig Jackie Treehorn (Ben Gazzara) in seinem komfortablen Wohnzimmer irgendwas auf den Telefonblock kritzelt, dass es dann anhand der Abdrücke abzupauschen gilt. Was dann dabei herauskommt, ist einer der größten Lacher nicht nur im Coen-Universum, sondern im Universum überhaupt.

10/10

Groteske Farce Golfkriege Freundschaft film noir Vietnamkrieg period piece Americana Los Angeles Coen Bros. Bowling neo noir


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SHUTTER ISLAND (Martin Scorsese/USA 2010)


"You're a rat in a maze."

Shutter Island ~ USA 2010
Directed By: Martin Scorsese


1954 kommt der US-Marshal Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) mit seinem neuen Kollegen Chuck (Mark Ruffalo) nach Shutter Island, einer kleinen Insel, auf der sich Ashecliffe, ein Sanatorium für kriminelle Geisteskranke befindet. Eine Insassin namens Rachel Solando, die hier ist, weil sie angeblich ihre drei Kinder ertränkt hat, soll aus ihrem Zimmer entflohen sein und sich nun irgendwo auf der Insel versteckt halten. Während Teddy und Chuck nach Rachel suchen, mehren sich Hinweise, dass auf der Insel etwas nicht stimmt: Wer ist der obskure Dr. Naehring (Max von Sydow)? Und was ist mit dem anscheinend unaffindbaren Patienten Nr. 67? Könnte es sich bei diesem tatsächlich um Andrew Laeddis (Elias Koteas) handeln, jenen Mann, der als pyromanisch veranlagter Hausmeister das Leben von Teddys Frau (Michelle Williams) auf dem Gewissen hat?

Es ist gut, über "Shutter Island" inhaltlich so wenig als möglich zu wissen, erst dann erschließt sich einem die ganze Wucht und das ganze Drama dieses von Scorsese wiederum formidabel inszenierten Films. Nach dem ersten Sehen darf ich mich als nachhaltig überwältigt bezeichnen von der unermüdlichen Kunstfertigkeit, mit der der Altmeister dieses neuerliche Meisterstück zu Wege gebracht hat. Vieles ist mir gleich in Auge und Ohr gefallen, jenes Oszillieren zwischen der Illustration der Vergangenheit und dem Einsatz modernster technischer Mittel etwa, die so nur ein Filmemacher hinbekommt, der beides selbst erlebt hat und mit beidem virtuos zu hantieren weiß, oder der exzellente, die mysteriöse Atmosphäre von "Shutter Island" entscheidend mittragende und -gestaltende Score von Robbie Robertson.
Reisen in zur Abseitigkeit neigende Psychen im Film finde ich prinzipiell hochinteressant, besonders, wenn sie auf so unangekündigte und subtile Weise praktiziert werden wie hier. Ich mochte im Gegensatz zu vielen anderen, die ihn bloß für ein billiges, im Establishment verankertes Oscarvehikel halten, auch Howards "A Beautiful Mind" sehr, an den mich "Shutter Island" am Ende stark erinnert hat. Die Finalisierung als Duell zwischen konservativer und offener Psychiatriepraxis mit ungesundem Ausgang setzt schließlich einen grandiosen Schlusspunkt. Ein toller, sogar ein überragender Film!

9/10

period piece Martin Scorsese Psychiatrie Dennis Lehane


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BATMAN (Leslie H. Martinson/USA 1966)


"Some days, you just can't git rid of a bomb."

Batman (Batman hält die Welt in Atem) ~ USA 1966
Directed By: Leslie H. Martinson

Die vier Supergangster Pinguin (Burgess Meredith), Joker (Cesar Romero), Riddler (Frank Gorshin) und Catwoman (Lee Meriwether) kidnappen den Nautikforscher Commodore Schmidlapp (Reginald Denny) und reißen sich dessen Erfindung unter den Nagel: Den Dehydrator, eine Maschine, mit der man jedem Lebewesen sämtliche Flüssigkeit entziehen und es in ein Häuflein bunten Staubes verwandeln kann - natürlich nur, solange Bedarf herrscht, danach kann das Opfer auch wieder rehydriert werden. Batman (Adam West) und Robin (Burt Ward) haben alle Hände voll zu tun, dem Kleeblatt des Bösen einen Strich durch die Rechnung zu machen.

"Batman" war damals Teil eines Fox-Werbefeldzugs, der die Serie auch in Übersee populär machen und dort Abnehmer auftun sollte. Der Kinofilm entstand zwischen der ersten und der zweiten Staffel der Reihe und unterschied sich nur insofern von ihr, als dass es eine andere (sehr schicke) Titelsequenz gab und etwas mehr Patte zur Verfügung stand, mit der man unter anderem den "Bat-Copter" und ein "Bat-Boot" kreierte. Ansonsten blühte der Blödsinn weiter vor sich hin.
"Batman" '66 ist ein zweischneidiges Schwert: Für den heutigen Liebhaber der Comics und ihres atmosphärischen Kerns ist diese Variation indiskutabel und erscheint zuweilen wie eine Tortur; andererseits ist sie ein unbedingter Wegbereiter für die Slapstick-Grotesken von Mel Brooks und der ZAZ-Truppe sowie ein maßgeblicher Repräsentant der bonbonfarbenen Sixties-Popkultur, die den Dunklen Ritter eben damals nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt hat. Ergo geht es mir, in dessen meiner Brust, ach, genau diese zwei widerstreitenden Seelen wohnen, dabei trotz wiederholter Betrachtung regelmäßig so, dass ich zunächst nie weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Erfreulicherweise gewinnt zumeist der Nonsensfreund und tobt sich hundert Minuten lang aus, derweil der Batfan sich in den dunklen Schattenbereichen meines Geistes zur Verfügung hält.
Heilige Diversifikation!

6/10

Leslie H. Martinson Batman Comic Superhelden Slapstick Groteske DC





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