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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ALMOST FAMOUS (Cameron Crowe/USA 2000)


"I didn't invent the rainy day, man. I just own the best umbrella."

Almost Famous ~ USA 2000
Directed By: Cameron Crowe

San Diego, 1973: William Miller (Patrick Fugit) ist erst 15 und versucht, sich verzweifelt aus den Klauen seiner vereinnahmenden Mutter Elaine (Frances McDormand) zu lösen. Seine momentan größte Liebe verdankt William seiner großen Schwester (Zooey Deschanel), die Elaine bereits aus dem Hause getrieben hat: Die zur Rockmusik. Da William zudem gern schreibt, kombiniert er seine zwei Leidenschaften und landet fix bei einem Angebot vom Rolling Stone Magazine, einen Artikel über Black Sabbath zu schreiben. Daraus wird über Umwege eine Tourgeschichte über Sabbaths Vorband Stillwater, die William zum größten Gram seiner Mutter auf deren folgender Konzertreise quer durch die Staaten begleitet. Dabei lernt William die Höhen und Tiefen des kriselnden Rock-Biz kennen und verliebt sich in das Groupie 'Penny Lane' (Kate Hudson), welches jedoch vornehmlich Augen für den Stillwater-Gitarristen Russell Hammond (Billy Crudup) hat...

Autobiographisch gefärbtes Meisterwerk des Musikjournalisten und Filmemachers Cameron Crowe, der seine innige Liebe zum Rock mit "Almost Famous" so unbestechlich vorgetragen hat wie es möglicherweise keinem anderen auteur je geglückt ist. Dem Film wohnt dieselbe, leichtfüßige Magie inne, die schon "Singles" bevölkerte - bittersüße Emotionalität trifft auf schwere Gitarren. In diesem Falle allerdings nicht immer. Mit dem erotischen Erwachen William Millers wird, ebewnso wie der gesamte Ton des Films, auch die Hintergrundmusik zunehmend leiser. So ist neben den multiplen Facetten, mit denen Crowe über die damalige Rockwelt in den USA berichtet, als Heavy Metal, ebenso wie die meisten anderen populärmusikalischen Subgenres gemeinhin noch nicht definiert und die entsprechenden Grenzen überhaupt noch sehr viel fließender waren, Crowes (natürlich höchstpersönlich getroffene) Songauswahl reinste, gegossene Poesie. Wenngleich Stillwater, die als fiktionaler Ersatz für die Allman Brothers herhalten, keine echte Band waren oder sind ("ihre" Songs stammen von Peter Frampton), spiegeln sie perfekt Lebens- und Zeitgefühl von damals wieder, soweit ein später Geborener wie ich sich das zumindest vorzustellen vermag. Ein musikalisches Tagebuch jener umwälzenden Zeit ist "Almost Famous", dazu eine der schönsten Coming-of-Age-Storys des jüngeren Kinos, die Traumwelten und Wahrheiten liebevollst diametralisiert.

10/10

Cameron Crowe period piece Road Movie Freundschaft Musik Journalismus Coming of Age Mutter & Sohn Kalifornien Band D.C. Drogen LSD


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THE LITTLE FOXES (William Wyler/USA 1941)


"I hope you die soon! I'll be waiting for you to die!"

The Little Foxes (Die kleinen Füchse) ~ USA 1941
Directed By: William Wyler

Die Familie Hubbard, verfilzter Südstaatenadel, der noch stolz die alten Traditionen pflegt, befindet sich im Jahre 1900 auf dem endgültigen weg zum moralischen Verfall. Die im Zentrum der Familie stehenden drei Geschwister Regina (Bette Davis), Oscar (Carl Benton Reid) und Ben (Charles Dingle) wollen, um sich finanziell zu sanieren, gemeinsam einen Vertrag mit einem Chicagoer Baumwollfabrikanten abschließen. Zudem sollen Reginas Tochter Alexandra (Teresa Wright) und Oscars dümmlicher Sohn Leo (Dan Duryea) - immerhin Cousine und Cousin ersten Grades - verheiratet werden. Zur Finanzierung der geschwisterlichen Pläne bedarf es jedoch eines großen Kapitalzuschusses, den Reginas herzkranker Ehemann Horace (Herbert Marshall) in Form seiner Inhaberobligationen stellen müsste. Dieser wird zu jenem Zwecke von Alexandra aus der Kur geholt, weigert sich jedoch zur Vergabe der Investition. Daraufhin organisieren Ben und Oscar mit Leos Hilfe den vorübergehenden Diebstahl von Horaces Wertpapieren, den dieser jedoch entdeckt...

Noch so ein große Südstaatentragödie, die exemplarisch demonstriert, welch wundervoll dramatisches Potenzial Land und Leute doch inne hatten - und noch haben! Ungebrochen akuter Rassismus, Inzucht, Standesdünkel, Intrige, Familienlügen und Gier, verstecken sich hinter schnöder Oberflächlichkeit, Altehrwürdigkeit und wohlfeilem Benehmen. Bette Davis lässt sich hier in einer ihrer vordringlichsten Rollen zu bewundern als nicht mehr ganz taufrische southern belle, hinter deren Stirn sich Heimtücke und Eigennutz verbergen. Gegen Ende, als ihr ungeliebter, todkranker Gatte ihre Hilfe benötigt, lässt sie ihn mittels schlichter Unterlassung, den blanken Wahnsinn in den riesigen Augen, über Umwege verrecken und benutzt dann noch seinen Tod, um ihre Brüder zu erpressen. Ökonomisch steht sie damit zwar hervorragend da, doch Tochter Alexandra, die sie zu guter Letzt doch noch durchschaut hat, bahnt sich nun endlich den Weg zu ihrem libertären Hofmacher David Hewitt (Richard Carlson) und Regina steht alleine da, um eines Tages vermutlich exakt so zu enden wie Davis' alter ego Charlotte Hollis in Aldrichs "Hush...Hush, Sweet Charlotte", vereinsamt, verrückt und keifend auf ihrem altehrwürdigen Plantagensitz.

8/10

William Wyler Georgia Südstaaten based on play Lillian Hellman Familie Geschwister Coming of Age period piece Satire


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CITIZEN X (Chris Gerolmo/USA 1995)


"Together, you make a wonderful person."

Citizen X ~ USA 1995
Directed By: Chris Gerolmo

Rostow, UdSSR 1982: Der Gerichtsmediziner Viktor Burakov (Stephen Rea) wird urplötzlich von der lokalen Miliz zum Hauptermittler in einem Fall mehrerer im Wald gefundener Leichen ernannt. Früh ist Burakov davon überzeugt, es mit einem Serienmörder zu tun zu haben, doch während ihn sein Gönner Oberst Fetisov (Donald Sutherland) unterstützt und deckelt, torpediert ihr Vorgesetzter General Bondarchuk (Joss Ackland) sämtliche Untersuchungen, zum einen, um die Staatsräson nicht zu gefährden - im sozialistischen Sowjet-Gefüge darf es so etwas wie einen geisteskranken Schwerverbrecher nicht geben - und zum anderen, um seine eigene Homosexualität zu verschleiern. So wird Bukarov angehalten, seine Ermittlungen auf das Schwulenmilieu zu konzentrieren. Derweil mordet sich der schwer gestörte Angestellte Andrej Chikatilo (Jeffrey DeMunn) trotz einer zwischenzeitlichen Verhaftung unbehelligt weiter durchs Leben. Erst nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs können Bukarov und Fetisov Chikatilo dingfest machen. Er wird in 52 Fällen des Mordes verurteilt und im folgenden Gewahrsam erschossen.

Seine Fernseh-Herkunft bekommt "Citizen X", der sich mit dem Sujet um Andrej Chikatilo eines der berüchtigsten Serienmörders des vergangen Jahrhunderts annimmt, ausnehmend gut. So wird nämlich deutlich weniger Wert auf Kolportage und hohle Oberflächlichkeiten gelegt als es bei einem Leinwandstück möhlicherweise der Fall gewesen wäre und stattdessen eine teils von dokumentarischer Strenge geprägt, nüchterne Zusammenfassung der Ereignisse wiedergegeben. Einer ebensolchen bedarf es das Thema, wie sich rasch erweist, auch. Der Fall Chikatilo ist tatsächlich voll von Reizen für ein exploitatives Genrestück: Nicht nur weist die Persönlichkeitsstruktur des multiplen Mörders etliche im profiling zum Quasiklischee gereifte Facetten auf (Chikatilo ist impotent, Päderast, und ein schwächliches, graues Staatsmitglied mitsamt Parteiausweis, das im Kollektiv kaum weiter auffällt), auch seine Vorgehensweise ist grausamer, als es sich Scriptfantastereien auszudenken mögen. Chikatilo vergewaltigt seine teilweise unter zehn Jahre alten Opfer, verstümmelt ihre Genitalien, isst Teile von ihnen und masturbiert dazu. Dass der Film sich schon notgedrungen entsprechende visuelle Details erspart und sein Hauptaugenmerk Bukarovs unermüdlicher Arbeit widmet, zeichnet ihn am Ende aus und lässt ihn eben nicht als eine ordinäre Serienkiller-Gesichichte unter Vielen dastehen, sondern als hellsichtige Kritik am verlogenen Sowjet-Idealismus.

8/10

Chris Gerolmo TV-Film Serienmord UDSSR Russland Rostow Historie HBO Biopic


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BELLES ON THEIR TOES (Henry Levin/USA 1952)


"We're getting bigger."

Belles On Their Toes (Im Dutzend heiratsfähig) ~ USA 1952
Directed By: Henry Levin

Nach dem plötzlichen Tod Frank Sr.s müssen die Gilbreths lernen, ohne den stets als Familien-Rückgrat fungierenden Vater auszukommen. Besonders für Mutter Lillian (Myrna Loy) ist es nicht leicht, sich als Ökonomin in einer von Männern dominierten Berufswelt zu behaupten. Derweil blühen die drei älteren Mädchen, Ann (Jeanne Crain), Ernestine (Barbara Bates) und Martha (Debra Paget) zu für die Junggesellenwelt attraktiven Damen auf...

Gleich der in der Gegenwart spielende Anfang, der Lillians Jüngste bei der College-Abschluss-Ehrung zeigt und von dem aus "Belles On Their Toes" als Rückblende erzählt wird, versichert uns, dass diesmal alles gut bleibt. Wurde der Vorgänger noch durch das abrupte, aufrüttelnde Wachmacher-Ende bekränzt, erfreut sich die Großfamilie Gilbreth diesmal durchweg stabiler Gesundheit - einen glimpflich verlaufenden Autounfall Lillians ausgenommen. Wir bekommen wesentlich mehr von dem versoffenen, aber unverzichtbaren Hausfaktotum Tom (Hoagy Carmichael) zu sehen, der mit der flotten Debra Paget sogar eine musikalische Einlage präsentieren darf und bekommen Jeffrey Hunter als Anns künftigen Göttergatten kredenzt. Dass all das zu Gänze weder Clifton Webbs Absenz noch den leiseren Humor des Vorgängers ausgleicht, ist hinnehmbar. "Belles On Their Toes" markiert eine simple, aber liebenswerte Fortsetzung.

6/10

Henry Levin Familie New Jersey Sequel


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SLAP SHOT (George Roy Hill/USA 1977)


"I tried to capture the spirit of the thing."

Slap Shot (Schlappschuss) ~ USA 1977
Directed By: George Roy Hill

Die "Charlestown Chiefs", ein Eishockey-Team, repräsentieren wie kaum eine andere Mannschaft das zunehmende Schmuddel-Image ihrer Sportart. Auf dem Feld wird vornehmlich geprügelt und weniger gespielt - exakt das, was die Zuschauer sehen wollen. Als der alternde Trainer und Mitspieler Reggie Dunlop (Paul Newman), dem das Team alles ist, erfährt, dass sie am Saisonende aufgelöst werden soll, unternimmt er alles, um die Chiefs wieder ins Gespräch zu bringen und damit verkaufsattraktiv zu machen.

Der brillante "Slap Shot" gehört in jenes Pantheon großer, bärbeißiger US-Sportfilme der Siebziger, in dem sich auch "The Longest Yard", "Rocky", "The Bad News Bears", "North Dallas Forty" oder der dystopische "Rollerball" tummeln, allesamt ja lakonische Milieustudien, die, mal mehr, mal weniger ernst amerikanische Gewinnerträume wahr werden lassen oder wahlweise karikieren. Auch Hills Film gestattet sich bei aller bitteren Satire ein gutes Ende für die bekloppte Truppe um Reggie Dunlop, allesamt weichgeklopfte, misogyne Proleten, die so ziemlich alles repräsentieren, was dem Semi-Profisport seine schlechte Reputation einfährt: Zwar werden die Chiefs von der fürchterlich hochnäsigen Besitzerin (Kathryn Walker) doch noch verkauft; sämtliche Spieler erhalten jedoch hochdotierte Anschlussverträge. Somit findet auch dieses grandiose Underdog-Drama seinen verdienten Ausgang.

9/10

Kleinstadt George Roy Hill Eishockey Freundschaft Satire


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THE PAPER (Ron Howard/USA 1994)


"You do have a problem, Henry. But it's your problem."

The Paper (Schlagzeilen) ~ USA 1994
Directed By: Ron Howard

Ein halsbrecherischer Tag für Redakteur Henry Hackett (Michael Keaton) von der Postille "The New York Sun": Er hat ein Vorstellungsgespräch für eine deutlich besser bezahlte Stelle bei der Konkurrenz vom "Sentinel", seine hochschwangere Frau Martha (Marisa Tomei) bekommt eine pränatale Sinnkrise und zwei Kids (Vincent D'Arbouze, Michael Michael) aus der Bronx sollen als offizielle Sündenböcke für einen Mafiamord herhalten - eine Schweinerei, der Henry unbedingt auf den Grund gehen will. Parallel zu ihm muss Henrys Chef Bernie (Robert Duvall) akzeptieren, dass er Prostatakrebs hat und die emsige Alicia (Glenn Close) sich ihrer Berufsdepression stellen.

24 Stunden im Leben dreier New Yorker Zeitungsredakteure gaben Ron Howard den Basisstoff für einen seiner schönsten Filme. Mit "Parenthood" hatte der Regisseur bereits hinreichend Erfahrungen im Ensemblefach gesammelt und konnte diese neuerlich für den atmosphärisch sehr ähnlich gelagerten "The Paper" einsetzen: Eine wiederum exzellente Besetzung stand ihm zur Verfügung für seine achterbahnartige Melange aus komischen und dramatischen Wendungen, die jedoch garantiert nie zu trübselig wird, um das Publikum mit grauem Realismus zu konfrontieren.
Am Ende markiert einmal mehr ein neugeborenes Baby das ebenso simple wie umwälzende Sinnbild für den Wert des Weitermachens und jedes der drei vormaligen Krisenopfer hat einen gehörigen nach vorn Schritt getan. Howard inszeniert dies mit der ihm eigenen, gepflegten Hektik, einer nur höchst selten pausierenden Kamera und all seinen sonstigen, liebenswerten Spleens.

8/10

Ron Howard New York Zeitung Journalismus Ensemblefilm Ehe Freundschaft Krebs Sommer


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BORN AMERICAN (Renny Harlin/USA, FIN 1986)


"Sleep, my little friend. You deserve a better world."

Born American ~ USA/FIN 1986
Directed By: Renny Harlin

Die drei jungen amerikanischen Freunde Savoy (Mike Norris), Mitch (Steve Durham) und K.C. (David Coburn) bereisen Europa. In der finnischen Provinz, in die sie zum Jagen gekommen sind, sitzen sie aus einer bierseligen Laune heraus auf der verhängnisvolle Idee auf, aus reinem Jux die sowjetische Grenze zu überschreiten, hinter der sie sich dann prompt verirren. In einem nahe gelegenen Dorf hält man sie für die Mörder eines erst kurz zuvor getöteten Mädchens und es kommt zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, bei der sich das Trio gegen flugs anrückende Militärs zur Wehr setzen muss. Man wird gefasst und landet in einem desolaten Gefängnis. Mitch verfrachtet man in den Trakt mit den Verrückten, der schwer verletzte K.C. wird von einem Mitgefangenen "erlöst". Savoy trifft auf den geheimnisvollen 'Admiral' (Thalmus Rasulala), einen politischen US-Gefangenen im Besitz vieler brisanter Geheimnisse um CIA und KGB. Mit seiner Hilfe soll Savoy aus jenen gräulichen Mauern und zurück über die Grenze fliehen.

Sein Langfilmdebüt, ein wütendes, offen populistisches Pamphlet gegen das damalige "Reich des Bösen", brachte Renny Harlin erwartungsgemäß zunächst nur wenige Freunde auf liberaler Seite ein. In einer mehr oder weniger eindeutigen Replik auf und zu Alan Parkers "Midnight Express" ließ Harlin die Söhne von Chuck Norris und James Coburn in russische Gefangenschaft geraten, deren Methodik die Menschenrechte dem Vernehmen nach ebenso mit Füßen trat wie die türkische weiter südlich. Wer hier keine Beziehungen oder einen übermächtig starken Willen besitzt, der ist unausweichlich zum Tode verdammt; sei es durch Kälte, Hunger, äußere Gewalt oder, am Wahrscheinlichsten, das schiere Abdriften in den Wahn.
Mike Norris als Savoy Brown (toller Rollenname) wird gleich von Beginn an als besonnenster und stärkster des Freundetrios charakterisiert, der Grund, warum er auch als einziger am Leben bleibt. Die kick moves hat er sich beim berühmten Papi abgeschaut und auch der zielsichere Umgang mit der Uzi und anderem Feuerwerk deutet auf dessen stramme häusliche Erziehung hin.
Ansonsten scheinen mir die durchaus ambitionierte, zu einiger Dramatik neigende Inszenierung und das vergleichsweise tendenziöse Script nicht immer in homogener Weise zu arbeiten; man glaubt häufig zu spüren, dass Harlin doch mehr wollte, als er es letztlich zu formulieren im Stande war. Nichtsdestotrotz ein beachtliches Zeitporträt auf Augenhöhe mit Milius' gesinnungsgenössischem "Red Dawn".

5/10

Renny Harlin Finnland Helsinki Russland Kalter Krieg Gefängnis Flucht UDSSR


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THE BROTHER FROM ANOTHER PLANET (John Sayles/USA 1984)


"White folks get stranger all the time..."

The Brother From Another Planet (Der Typ vom anderen Stern) ~ USA 1984
Directed By: John Sayles

Ein äußerlich wie ein Afroamerikaner aussehendes Alien (Joe Morton) crasht auf der Flucht vor zwei intergalaktischen Polizisten (David Strathairn, John Sayles) vor Ellis Island ins Wasser. Der stumme, mit Heilungs- und Reperaturkräften ausgestattete Außerirdische kann sich bis nach Harlem retten und findet dort unter anderem in der Kneipe von Odell (Steve James) sowie in Person des Sozialarbeiters Sam (Tom Wright) neue Freunde. Er lernt die New Yorker Polizeimethoden kennen, eine abblätternde Souldiva (Dee Dee Bridgewater), einen jamaikanischen Dope-Priester (Sidney Sheriff jr.), Obdachlosigkeit und den Fluch der Heroinsucht. Am Ende solidarisieren sich all seine Freunde und Bekannten gegen die Astrocops.

Mustergültiges Filmemachen aus der stets willkommenen Unangepasstheits-Schublade; von John Sayles autark sowie für ein Taschengeld inszeniert und doch einer der wichtigsten mir bekannten New-York-Filme. Mindestens so schwarz wie bei einem frühen Spike-Lee-Joint (auch wenn jener auf eine solche - weiße - Einschätzung vermutlich spucken würde) nutzt Sayles die Perspektive des Extraterrestriers, um den alltäglichen (und -nächtlichen) Irrsinn der Manhattaner Urbanität zu illustrieren. Berühmte New Yorker Akteure wie Giancarlo Esposito, Fisher Stevens oder Josh Mostel sind in Kleinstrollen als Verhaftungsopfer, Kartentrickser und Straßenverkäufer zu bewundern und runden Sayles' nahezu durchweg brillante, kaleidoskopartig gefasste Szenenanordnung ab. Einzig in den wenigen Aktionsszenen, deren Inszenierung ihm offenbar so fern liegt wie jede sonstige Form von Hektik auch, schwächelt der Meister. Hier wird's dann ungebührlich ungelenk bis albern. Aber: damit kann man, angesichts des formidablen Rests, überaus gut leben.

9/10

John Sayles Independent New York Harlem ethnics Heroin Aliens Rassismus Freundschaft Satire Drogen Marihuana


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THE KING AND I (Walter Lang/USA 1956)


"Death is not worse pain than an empty life."

The King And I (Der König und ich) ~ USA 1956
Directed By: Walter Lang

Im Jahre 1861 kommt die britische Lehrerin Anna Leonowens (Deborah Kerr) an den Hof des Königs von Siam (Yul Brynner), um dessen Kinderschar die abendländische Kultur näher zu bringen. Doch auch der König selbst benimmt sich in vielerlei Hinsicht wie ein unreifes Kind, lebt seine Egomanie und Mysoginie, obschon sich hinter seinem oberflächlichen Getue ein eigentlich liebenswerter Mensch verbirgt, den es Anna im Laufe der Zeit sogar herauszuschälen gelingt.

Diese Kino-Adaption von Walter Lang ist die berühmteste der Biographie Anna Leonowens durch Margaret Langdon und des sich später anhängenden Broadway-Musicals von Rodgers und Hammerstein. Bereits zehn Jahre zuvor hatte es eine (unmusikalische) Variation von John Cromwell gegeben, die bislang letzte kam 1999 von Andy Tennant - wiederum ohne Songs und Tanz. Die Rolle des Königs Mongkut bildete Yul Brynners Karrierestamm und verfolgte ihn von 1951, als er den Part erstmalig auf der Bühne gab, über die vorliegende Verfilmung, für die Brynner den Oscar erhielt, eine kurzlebige TV-Sitcom von 1972 bis hin zu zahlreichen weiteren Bühneninszenierungen, von der er die letzte 1985, vier Monate vor seinem Krebstod, durch seine unnachahmliche Performance bereicherte. Über 34 Jahre hinweg prägte Brynner somit jenen fiktionalisierten König Mongkut, doppelt so lang, wie der reale Monarch dereinst auf dem Thron saß.
Wie verwachsen Brynner mit seiner Leibrolle war, lässt sich an diesem bunten, sämtliche schönen und campigen Attribute von Hollywood-Musicals in sich vereinenden Leinwandstück ablesen. Der sonst häufig so ernste, mimisch wie gestisch eher karg auftretende Darsteller bringt hierin einen Mut zu Humor und offener Theatralik auf, die sich nur als Kompensation für seine sonstige Arbeit interpretieren lässt. Er lacht und singt, schwitzt und springt. Deborah Kerr, wenngleich liebenswert wie je und natürlich das eigentliche figurale Zentrum des Films, muss dagegen beinahe zwangsläufig verblassen. Was von "The King And I" in dieser Fassung bleibt, ist vor allem ihr verlockend zuckriger, bunter Kitsch in Scope und ihre untadelige, progressive Botschaft an all die echten und falschen Monarchen der Welt. Et cetera, et cetera, et cetera.

8/10

Walter Lang Rodgers & Hammerstein Thailand Bangkok period piece Freundschaft Musik Erwachsenenmärchen Historie


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THE GLASS MENAGERIE (Irving Rapper/USA 1950)


"How beautiful it is and how easily it can be broken."

The Glass Menagerie (Die Glasmenagerie) ~ USA 1950
Directed By: Irving Rapper

Tom Wingfield (Arthur Kennedy) lebt zusammen mit seiner Schwester Laura (Jane Wyman) und ihrer Mutter Amanda (Gertrude Lawrence) in einem kleinen Appartment in St. Louis. Tom arbeitet in einer Schuhfabrik und kann seine schriftstellerischen Ambitionen nur schwerlich ausleben. Zudem leidet er unter den Zeteranfällen und dem ewigen Bessergewisse Amandas, vor dem der Vater, ein Matrose, bereits vor vielen Jahren ausgerückt ist. Auch Tom plant, zur See zu fahren. Laura ist hingegen ein stilles, sensibles Mädchen. Sie hat einen Klumpfuß, weswegen sie völlig in sich gekehrt ist und ihr Aufmerksamkeitshauptmerk ihrer Sammlung von Glastierchen widmet. Eines Abends kommt dann Toms fröhlicher Arbeitskollege Jim (Kirk Douglas) zum Essen, in dem Amanda bereits den potenziellen Bräutigam für Laura wittert...

Williams-Klassiker, der, zumal von stark autobiographischen Zügen getragen, recht repräsentativ für das Werk des großen Dramatikers daherkommt: Eine dysfunktionale Familie mit matriarchalischer, ausgebrannter, aber doch zäher Südstaatenkokotte an der Spitze, die ihre fragilen Kinder in den Wahnsinn zu treiben droht. Amanda ist eine rechte southern belle vom alten Schlage, extrem desensibilisiert, ewig spitz daherredend, unbequeme Wahrheiten ignorierend und stets mit einem unpassend guten Ratschlag zur Stelle. Darunter leiden ihre erwachsenen Kinder, die lediglich zu gleichen Teilen aus Pflichtgefühl füreinander und einer gewissen Bequemlichkeit bei ihr bleiben und die Amanda stets versucht, in bestimmte Rollen zu pressen. Tom ist der Ersatzvater, der für Mütterlein und Schwesterchen rundum zu sorgen hat (und der seine ihm tatsächlich gar nicht zukommenden Part nur allzu gern in massig Bourbon ertränkt); Laura eine höchst fragile, freigeistige Seele, die Amanda gern als robotende Stenotypistin sähe und sie nebenbei unbedingt unter der Haube wissen will. Am Ende schaffen es - in Rappers Filmversion - beide, sich von der sanften Tyrannei der Mutter loszustrampeln.
Williams' Vorlage endet freilich nicht ganz so optimistisch Tom und Laura trennen sich im Streit und Williams impliziert, dass keineswegs Lauras Emanzipation, sondern eher ihr endgültiges Zerbrechen die Folge jenes schicksalsschweren Abends ist. Entsprechend unglücklich war er mit Rappers Adaption, die, zumindest nach Williams' Dafürhalten, keinen guten Leumund verdiente.
Ich mag den Film sehr und denke, dass gerade sein Mut zum Verzicht auf Nihilismus und schwere Tragödie ihm - und das meine ich denkbar positiv - einigen pädagogischen Wert verleiht, der ihn nicht zuletzt zu guter Schullektüre macht. Dass die Intention des Urhebers verwässert wird, ist freilich höchst streitbar.

9/10

Irving Rapper Tennessee Williams Südstaaten St. Louis Missouri based on play Familie Geschwister Mutter & Tochter Mutter & Sohn





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Funxton

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