Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

UN FLIC (Jean-Pierre Melville/F, I 1972)


Zitat entfällt.

Un Flic (Der Chef) ~ F/I 1972
Directed By: Jean-Pierre Melville

Commissaire Coleman (Alain Delon) von der Pariser Polizei ist ein harter, emotionsloser Knochen, dem jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel recht ist, um an seine Ziele zu gelangen. Aktuell stehen die Dingfestmachung eines berüchtigten Heroindealers (Léon Minisini) sowie die Verfolgung eines Gaunerquartetts an, das eine Bank überfallen und einen der Kassierer erschossen hat. Dass beide Fälle auf seltsame Weise zusammenlaufen werden, kann Coleman nicht ahnen, ebensowenig die Tatsache, dass sein Freund, der Nachtclubbesitzer Simon (Richard Crenna) und die schöne Cathy (Catherine Deneuve) dabei Schlüsselrollen spielen.

Melvilles letzter Film ist zugleich sein desillusioniertester. Das weihnachtliche Paris gleicht nunmehr einer schmutzigen Metropole in monochromen Farben ohne jedwede Wärme oder Empathie. Auch die Sympathien für seine antagonisten verschwimmen zusehends, wobei den Ganoven; den Unangepassten, den Outlaws, immer noch Melvilles hauptsächliche Zuneigung gilt. Ein Spiel Gut gegen Böse hat es in traditioneller Herkömmlichkeit ohnehin noch nicht gegeben bei Melville; diesmal scheinen die Grenzen allerdings noch fließender, was die in "Un Flic" vorgestellte Welt gleichermaßen zu einem höchst trost- und hoffnungslosen Ort werden lässt. Der Flic gleicht einem verbissenen, opportunistischen Hund, der erniedrigt und unfair spielt, um an Informationen zu gelangen und dem Zwischenmenschlichkeit nichts bedeutet. Sein Gegenspieler Simon führt derweil ein trauriges, überaltertes Krimiellenquartett an - einer seiner Freunde (André Pousse), der beim ersten Coup angeschossen wird, muss getötet werden, bevor er die anderen verraten kann, ein anderer (Riccardo Cucciolla) versucht, seinen früheren Lebensstil aufrecht zu erhalten und neigt zur Depression. Simon selbst ist sich dauerhaft bewusst, mit dem Feuer zu spielen und akzeptiert am Ende, doch noch verraten und verkauft, sein moraläquivalentes Schicksal, wobei er den Freitod dem Gefängnis vorzieht. Einzig Cathy, die sich immerhin auch eines Mordes schuldig gemacht hat, lässt Coleman entkommen. Eine angesichts seiner üblichen Berufspraxis wenig nachvollziehbare Entscheidung, vielleicht eine letzte, menschliche Regung eines ansonsten entmenschlichten Rechtsverfechters.

8/10

Jean-Pierre Melville Paris Heist Freundschaft amour fou


Foto

GONE GIRL (David Fincher/USA 2014)


"We caused each other pain." - "That's marriage."

Gone Girl ~ USA 2014
Directed By: David Fincher

Als Amy (Rosamund Pike), die als Buchautorin immens populäre Gattin des Kleinstadtkneipiers Nick Dunne (Ben Affleck) verschwindet, gerät der Ahnungslose ins Kreuzfeuer von Justiz, Medien und Gesellschaft. Weil er eine Affäre mit der Studentin Andie (Emily Ratajkowski) verschweigt, hält ihn plötzlich alle Welt für einen Lügner und bald auch für den Mörder seiner offenbar schwangeren Frau. Ein bald auftauchendes Tagebuch Amys räumt alle verbliebenen Zweifel aus. Doch Amy ist mitnichten tot; sie hat ihr eigenes Verschwinden inszeniert, um sich an Nick für seinen von ihr längst entdeckten Betrug zu rächen und ihm einen gehörigen Denkzettel zu verpassen. Eine Ansprache via TV stimmt sie jedoch wieder um: Jetzt heißt es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen...

"In guten wie in schlechten Zeiten" heißt es im christlichen Ehe-Sakrament und für die Dunnes sind nun letztere angebrochen. Aber volle Lotte. Dem mittelständischen Musterehepaar geht es genau so lange gut in seiner trauten Zweisamkeit, bis er sich in ein Abwechslung versprechendes Abenteuer mit einer drallen, jüngeren Schönheit verrennt. Damit nimmt die - vorübergehende - Zäsur innerhalb ihrer gemeinsamen Existenz ihren verhängnisvollen Ausgang. Denn anders als andere gehörnte Gattinnen besitzt Amy Dunne nicht nur eine vorbildliche, literarisch scharfe Phantasie, sondern verfügt zudem über Ausdauer, Bosheit und, das Wichtigste, eine gehöroge Portion Irrsinn. Die sich als nicht wenig psychopathische Zeitgenossin exponierende Lady weiß, zu instrumentalisieren, besonders fatzkenhafte, reiche Männer, die ihr über ihren Stolz hinaus verfallen. Dass sie am Ende doch bloß eine ordinäre Frau mittlerer Jahre ist, die geliebt werden will, bevor sie nichts mehr vom Leben zu erwarten hat, darf allerdings nicht über ihre Gefährlichkeit hinwegtäuschen.
Abgesehen von dessen eindeutiger formaler Identifizierbarkeit erinnerte mich an "Gone Girl" motivisch betrachtet erstmal wenig an David Finchers Werk. Andererseits ist sein Œuvre mittlerweile wohl heterogen genug, um vordergründige rote Fäden ausmachen zu können. "Gone Girl" jedenfalls nimmt die Institution Ehe aufs Korn und beobachtet, was diese mit ihren Protagonisten bisweilen anzustellen pflegt. Besonders die Dame kommt dabei wenig schmeichelhaft davon, wenngleich die Bemühung des Begriffs 'misogyn' wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt wäre. Dennoch; man entwickelt einen recht leidenschaftlichen Hass auf diese Amy Dunne und ihr zunehmend ausuferndes Ränkespiel, tatsächlich erwartete ich nach dem gezeigten Rosenkrieg noch ein blutiges Finalduell mit umherfliegenden Vasen und Küchenmessern. Doch Fincher belewhrt uns buchstäblich eines Besseren. Zum Ende hin wird "Gone Girl" dann doch nochmal ungeheuer smart, weil so erschreckend wahrhaftig.

8/10

David Fincher Südstaaten Missouri Madness Satire


Foto

LE SAMOURAI (Jean-Pierre Melville/F, I 1967)


Zitat entfällt.

Le Samouraï (Der eiskalte Engel) ~ F/I 1967
Directed By: Jean-Pierre Melville

Jef Costello (Alain Delon), Pariser Auftragskiller, erhält den Auftrag, einen Clubbesitzer zu töten. Die Aktion gelingt, doch die aparte Jazzpianistin Valérie (Cathy Rosier) blickt direkt in Jefs Antlitz. Bei einer späteren Gegenüberstellung, eingefädelt durch den ermittelnden, von Jefs Schuld überzeugten Polizeikommissar (François Périer), leugnet sie jedoch, Jef zu kennen. Sein zuvor sorgfältig zurechtgeschustertes Alibi verhindert schließlich Jefs Verhaftung. Seine Auftraggeber jedoch werden von der Unsicherheit der Situation erfasst: Jef soll sterben, bevor er sie womöglich identifiziert. Doch dreht dieser wiederum den Spieß um und erhält nun, da die Hintermänner scheinbar von seinen Qualitäten überzeugt sind, einen weiteren Auftrag: Er soll Valérie erschießen.

Die (etwas mysteriös anmutende) unkreditierte Romanvorlage zu "Le Samouraï" stammt von einer gewissen Joan McLeod und heißt etwas treffender "The Ronin". Die ja mittlerweile längst weitflächig in die Popkultur eingegangene Bezeichnung "Ronin" beschreibt einen ehrlosen Samurai ohne Feudalherrn, der aus unterschiedlichen Gründen, zumeist jedoch unfreiwllig, seines Dienstes enthoben und zum losen Umherwandern gezwungen ist. Wer als Ronin nicht die rituelle Selbsttötung ("Seppuku") vollzieht, ist zu einer Existenz in Schimpf und Schande verdammt. Mit diesen oberflächlichen Informationen im Hinterkopf erklärt sich, warum die Titulierung "Ronin" sehr viel besser zu Jef Costello passt. Der zunächst noch scheinbar trefflich im Geschäft befindlichen Profikiller wird zur persona non grata - das verlorene Engagement infolge der Weigerung, eine gefährliche Zeugin gleich vor Ort aus dem Weg zu räumen bedeutet einen nicht wieder gut zu machenden Fehler innerhalb des engmaschigen Berufskodex'. Und wer in diesem Metier einmal versagt hat, dessen Ruf ist irreparabel geschädigt, der ist nichts mehr wert. Dabei ist offenbar gerade der schweigsame, traurige Jef Costello ein Gattungsexemplar, das nurmehr für seinen Stand lebt. Wenngleich nach seinem Äußeren zu urteilen stets tadellos gekleidet und gepflegt, gleicht seine "Wohnung" einer leblosen, anonymen Bleibe, bestenfalls funktional und von schmutzigen Wänden umkränzt, frei von jedweden Hinweisen auf eine Persönlichkeit. Sein Mitbewohner ist ein in einem schmucklosen, kleinen Käfig gehaltener Dompfaff, der ihm als unscheinbarer "Wachhund" dient. Seine einzige, desolate Form der Zwischenmenschlichkeit erlebt er bei der Prostituierten Jane (Nathalie Delon), die ihm zwar verfallen ist, die er seinerseits jedoch hauptsächlich für eventuelle Alibistellungen benutzt. Melvilles "Samouraï" (oder Ronin) ist bei aller beinahe monströsen Ikonographie (Jef Costello ist von allen Berufskillern der Filmgeschichte wahrscheinlich derjenige, dessen kultureller Impact am nachhaltigsten währt und der einen ganzen cineastischen Genpool begründete) ein trauriger, armseliger Paranoiiker, der, so berührend sein "Seppuku" am Ende auch ausfällt, tot wahrscheinlich besser dran ist als er es in seinen letzten Lebensjahren war. Das fleisch- und bildgewordene Apokryph des ultimativen Antihelden.

10*/10

Jean-Pierre Melville Paris Profikiller Duell


Foto

LE DEUXIÈME SOUFFLE (Jean-Pierre Melville/F 1966)


Zitat entfällt.

Le Deuxième Souffle (Der zweite Atem) ~ F 1966
Directed By: Jean-Pierre Melville

Nachdem der berüchtigte Gangster Gu Minda (Lino Ventura) aus dem Gefängnis entflohen ist, sucht er nach einer Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen, um sich dort vorerst zur Ruhe setzen zu können. Der emsige Commissaire Blot (Paul Meurisse) heftet sich wie ein Bluthund an seine Fersen. Bevor Gu via Marseille verschwindet, bietet sich ihm eine letzte Chance für einen einträglichen Coup, der um einen wertvollen Platin-Transport kreist. Er steigt auf das Angebot ein, der Überfall gelingt planmäßig. Kurz darauf tappt Gu in eine von Blot gestellte Falle, die ihn dazu bringen soll, seinen Partner Paul Ricci (Raymond Pellegrin) zu denunzieren und die ihn mittels manipulierter Presse öffentlich zum Verräter stempelt. Gu gelingt jedoch ein weiteres Mal die Flucht. Diesmal gilt es, Namen und Ehre reinzuwaschen und sich an Blots Kollaborateur - Pauls Bruder Jo (Marcel Bozzuffi) - zu rächen. Um jeden Preis...

In Melvilles Gangsterfilmen geht es stets um ein kriminelles, nach ordinären gesellschaftlichen Maßstäben moralisch verachtenswertes Individuum, um dessen determiniert verlorenen Hals eine sich immer enger ziehende Schlinge liegt. Jeder seiner Protagonisten wäre eigentlich profiliert, geschickt und vor allem intelligent genug, um sich noch rechtzeitig aus der Affäre ziehen und die Flucht durch die Hintertür antreten zu können, doch unterliegt ebenso jeder von ihnen einem ebenso strengen wie komplexen Ehrenkodex, der den Zuschauer zunächst bangend auf seine Seite zieht, ihm dann aber schlussendlich doch zum Verhängnis wird. Denn sie alle sind ebenso Todgeweihte, deren prädestiniertes Ende wenig zeitliche Flexibilität duldet. So ergeht es auch Gu Minda, von Lino Ventura mit dem ihm eigenen, berühmten Stoizismus verkörpert. Minda ist wahrlich kein Unschuldslämmchen, die vielen Jahre im Milieu und im Gefängnis haben ihn unerbittlich gemacht. Menschenleben bedeuten ihm nicht viel, schon gar nicht, wenn es sich um die von amateurhaften Erpressern, oder noch ärger, um die von Polizisten handelt. Ohne mit der Wimper zu zucken drückt er in diesen Fällen den Abzug. Dass beinahe übermenschlich gezeichneten Antihelden wie ihm dennoch das Handwerk gelegt werden kann, liegt an ihren nicht minder verbissenen Antagonisten. Der Pariser Beamte Blot findet sich dabei von Anbeginn deutlich unsympathischer gezeichnet als der Gangster Gu - ein langweiliger, zynischer, uninteressanter Spießer ohne erwähnenswerte existenzielle Höhen und Tiefen, nur leider höchst begütert in der Wahl seiner Mittel und vor allem am längeren ethischen Hebel befindlich. So rückt sich die Welt am Ende von "Le Deuxième Souffle" mit einem von Kugeln durchsiebten Gu Minda wieder in die graue Stromlinienform zurück - um einen unangepassten, schillernden, aber leider weltfalschen Charakter ärmer.

10/10

Jean-Pierre Melville Heist Flucht Paris Duell Freundschaft


Foto

ADIEU, POULET (Pierre Granier-Deferre/F 1975)


Zitat entfällt.

Adieu, Poulet (Adieu, Bulle) ~ F 1975
Directed by: Pierre Granier-Deferre

Der aufstrebende, aus der Industrie stammende Politiker Lardatte (Victor Lanoux) steht im Zusammenhang mit den Morden an einem jungen, oppositionellen Plakatierer (Eric Legrand) sowie dem ihm zur Hilfe eilenden Polizisten Moitrié (Gérard Hérold), für die einer von Lardattes gedungenen Schlägern, der Kriminelle Portor (Claude Brosset) verantwortlich ist. Der Beginn eines aufreibenden Duells zwischen dem sich unbefleckt gebenden Lardatte und Moitriés Kollegen und Freund Verjeat (Lino Ventura), einem Flic mit höchst eigenwilligen Methoden.

Während Bébel in Henri Verneils "Peur Sur La Ville" anno 75 über den Dächern von Paris herumturnte, um einen verrückten Killer dingfest zu machen, ließ es sein älterer Kollege Lino Ventura in der etwas nordwestlicher gelegenen Hafenstadt Rouen etwas ruhiger angehen: Ihm warfen keine Klischeeverbrecher Knüppel zwischen die Beine, sondern ein korrupter, machtgieriger Populist, dessen größtes Bestreben dahin deutete, sich sämtliche Exektuiv- und Judikativkräfte in die eigene Tasche zu stecken und aus dieser heraus für sich arbeiten zu lassen. Als Verjeat eine öffentlichkeitswirksame Diffamierung Lardattes durch den Vater (Jacques Rispal) des erschlagenen Plakatierers tatkräftig unterstützt, soll er prompt versetzt werden. Doch es bleibt noch immer der Fall Moitrié abzuschließen. Mithilfe seines etwas eigenwilligen, aber höchst loyalen Kollegen Lefèvre (Patrick Dewaere) inszeniert Verjeat eine Korruptionsaffäre um seine Person, die eine unmittelbare Versetzung zunächst unmöglich macht und ihm somit mehr Zeit einräumt. Doch sein Vorgesetzter Ledoux (Julien Guiomar) torpediert beständig weiter Verjeats Ermittlungen, bis sich die Finsterlinge schließlich gegenseitig bekriegen. Als man nun doch auf Verjeats Vermittlungskünste zurückgreifen will, wendet der sich mit einem verächtlichen 'Adieu' ab und zieht seiner Wege.
Der französische Polizeifilm der siebziger Jahre schaute sich hier und da manches von seinen amerikanischen Vorbildern ab, wobei er vielleicht etwas weniger Wert auf Spektakel und Aktion legte wie die italienischen Nachbarn. "Adieu, Poulet" ist dabei ein Schwellenfilm, er vermengt Kühle, Abgeklärtheit und Zynismus, die sich durch Venturas Trenchcoat-Figur personifiziert finden, mit einer eher zukunftsweisenden, jugendlichen Rotzigkeit - inkarniert durch den weitaus impulsiver und beweglicher agierenden (und demnach für die wenigen Actionsequenzen verantwortlichen) Patrick Dewaere. Die Hauptqualität von "Adieu, Poulet" liegt darin, beide Pole hinreichend zu bedienen.

8/10

Pierre Granier-Deferre Francis Veber Duell Rouen Buddy Movie


Foto

THE BEAST WITH FIVE FINGERS (Robert Florey/USA 1946)


"Your mental balance is equal to mine, but don't consider that a tribute to your sanity."

The Beast With Five Fingers (Die Bestie mit den fünf Fingern) ~ USA 1946
Directed By: Robert Florey

Der in einem norditalienischen Städtchen wohnhafte, alternde Starpianist Francis Ingram (Victor Francen) kann seit einem Schlaganfall nurmehr die linke Hand bewegen. Dies tut seinem impressiven Reichtum jedoch keinen Abbruch. Um sich herum hat Ingram ein exklusives kleines Klübchen versammelt: Seine von ihm heißgeliebte Pflegerin Julie (Andrea King), den charmanten Trickbetrüger Conrad Ryler (Robert Alda), der Ingram spezielle Stücke für einhändiges Spiel schreibt, den zwielichtigen Notar Duprex (David Hoffman) und schließlich den Privatsekretär Hilary Cummins (Peter Lorre), einen überaus exzentrischen Zeitgenossen. Als Ingram eines Nachts die Treppe seines Hauses herabstürzt und stirbt, stellt sich die Frage nach seiner beträchtlichen Erbschaft. Diese gedenkt das kurz zuvor abgefasste Testament der überraschten Julie zu, doch die eilends herbeigereisten Vater (Charles Dingle) und Sohn Arlington (John Alvin), Vettern Ingrams, sind da ganz anderer Ansicht. Bald schon gibt es im Haus den ersten Toten. Und alles deutet darauf hin, dass Ingrams Hand sich selbstständig gemacht hat und nun auf Rachefeldzug geht...

Ein gepflegt aus der Rolle fallender, kleiner Genrefilm des vielbeschäftigten B-Filmers Robert Florey. Dieser hatte mit dem ebenfalls mit Peter Lorre besetzten "The Face Behind The Mask" wohl bereits sein mutmaßliches Meisterwerk abgeliefert, doch auch "The Beast With Five Fingers" hält sich recht stabil. Weder handelt es sich bei diesem um ein eindeutiges Werk der Gattung Horror, noch mag man ihn vollends dem Krimi-Genre zurechnen. Schmunzelnder Humor begleitet "The Beast" über weite Strecken wie ein alter Freund und löst seine ansonsten betont gotische Atmosphäre ein wenig ab. Kern und Herstück des Films ist erwartungsgemäß der irre mit den großen Augen rollende Lorre, dem man in seiner Rolle als eher nebenbei tätiger Sekretär und hauptsächlicher Astronom in einer Melange aus Sypathie und Befremdung zugetan ist. Zwar wird von Anfang an kein Hehl daraus gemacht, dass Hilary Cummins nicht mehr alle Nadeln an der Fichte hat, doch welch Irrsinn sich wirklich hinter seiner zuweilen kraus gezogenen Stirn verbirgt, dessen wird man erst zum Ende hin gewahr, nachdem man bereits bereit war, mit ihm an das Übernatürliche zu glauben. Hierin liegt dann auch ein außergewöhnlicher Kniff Floreys: Er macht die (im Übrigen sehr gut getricksten) Wahnvorstellungen Cummins' ohne weitere Erläuterungen zu objektiven Zuschauereindrücken, eine für die damalige Zeit noch recht unerhörte Praxis. Am Ende darf J. Carrol Naish, der zuvor alös emsiger Commissario zu ermitteln hatte, noch einen lustigen Finalgag aufbereiten. Damit fällt dann auch das letzte bisschen präservierter Grusel von dem Film ab. Schadet ihm trotzdem nichts.

8/10

Robert Florey Curt Siodmak Italien Kleinstadt Hand Madness period piece


Foto

MORTE SOSPETTA DI UNA MINORENNE (Sergio Martino/I 1975)


Zitat entfällt.

Morte Sospetta Di Una Minorenne (The Suspicious Death Of A Minor) ~ I 1975
Directed By: Sergio Martino

Im Zuge eines Undercover-Einsatzes macht sich der Mailänder Commissario Germi (Claudio Cassinelli) an die junge Prostituierte Marisa (Patrizia Castaldi) heran - nur um diese kurze Zeit später mit durchschnittener Kehle in ihrer Wohnung aufzufinden. Seine nachfolgenden Ermittlungen mithilfe des Trickganoven Giannino (Adolfo Caruso) führen Germi nicht nur tiefer ins Rotlichtmilieu, sondern auch zu einer längst geklärt scheinenden Kindsentführung, Versicherungsbetrug im großen Stil und schließlich einem Verbund arrivierter Geschäftsmänner, dem der aalgatte Pesce (Massimo Girotti) vorsitzt. In diesem hat Germi bald seinen persönlichen Intimfeind, zumal sein Chef (Mel Ferrer) zwecks Skandalsvermeidung um jeden Preis verhindern will, dass Pesce öffentlich an den Pranger gestellt wird...

Mit "Morte Sospetta Di Una Minorenne" legte Alleskönner Sergio Martino einen ebenso schönen wie ungewöhnlichen Spagat zwischen den drei damals aktuellen Erfolgslinien im italienischen Kriminalfilm vor: Das Stück beginnt wie ein Giallo, verwandelt sich später, nachdem die zuvor mysteriös gehaltene Rolle des Protagonisten Germi sich geklärt hat, in einen Poliziottesco und enthält darüberhinaus latente, an die Rizzo- und Giraldi-Reihen angelehnte Humor-Elemente, die natürlich zumeist im Zusammenhang mit den Auftritten von Germis Sidekick Giannino stehen; darunter eine ebenso actionreich wie komisch inszenierte Verfolgungsjagd mit Ente. Hinzu gesellen sich die Aufklärung einer brutalen Mordserie, für die vordergründig ein Killer mit verspiegelter Sonnenbrille verantwortlich zeichnet, die übliche Dosis Gesellschaftskritik, die hinter den organisierten verbrecherischen Schweinereien die ehrbarsten Gesellschaftsmitglieder der Stadt nebst einer mundtot geschalteten Justiz verortet un ein klein wenig Exolitation. Alles in allem ergibt das einen kleinen Sonderling auf dem großzügig beackerten Areal des mediterranen Thrillers, in dem ganz besonders Claudio Cassinelli zu glänzen weiß. Wie der sich nach einer scheinbar resignierten Fügung in den Lauf der ungerechten Dinge doch noch zum Racheengel aufschwingt, das ist einfach überaus wohlschmeckend.

8/10

Sergio Martino Mailand Giallo Poliziottesco Rache Freundschaft


Foto

SOLAMENTE NERO (Antonio Bido/I 1978)


Zitat entfällt.

Solamente Nero (Blutiger Schatten) ~ I 1978
Directed By: Antonio Bido

Nach Jahren kommt Stefano (Lino Capolicchio), mittlerweile als Universitätsprofessor tätig, auf seine kleine, Venedig vorgelagerte Heimatinsel zurück. sein älterer Bruder Paolo (Craig Hill) ist hier Pastor und von einigen Ortsansässigen wenig gut gelitten. Just mit Stefano Rückkehr beginnt auf dem Eiland eine Mordserie, die wundersamerweise vornehmlich Paolos Gegner betrifft wie den homosexuellen Lebemann Pedrazzi (Massimo Serato) oder den Arzt Aloisi (Sergio Mioni). Zusammen mit der hübschen Künstlerin Sandra (Stefania Casini) versucht Stefano, den Gewaltverbrechen auf den Grund zu gehen. Dabei wird er selbst immer wieder mit anfallartigen Flashbacks, die in seine Kindheit zurückzureichen scheinen, konfrontiert.

Der Giallo hatte seine Hochzeit bereits hinter sich und Argento sich unlängst dem Übersinnlichen zugewandt als "Solamente Nero" kam, eigentlich eine Art kleiner Nachklapp zum Subgenre. Dabei macht Bidos Film sich durchaus gut, nicht zuletzt aufgrund des pittoresken Drehortes, der viel herbstliches, venezianisches Flair bereithält und aufgrund der feinen Besetzung. Selbige hält ein Wiedersehen mit Lino Capolicchio aus Pupi Avatis feinem "La Casa Delle Finestre Che Ridono" bereit und bietet zudem eine wie meist zeigefreudige Stefania Casini (nebst Bauchkettchen - seufz - ) auf, mit Craig Hill einen gestandenen Hollywood-Grandseigneur und mit Massimo Serato ein weiteres, bereits klassisch zu nennendes Kino-Antlitz. Attribute, die nachgerade für sich sprechen und "Solamente Nero" zu einem gehobenen, wenngleich eben recht spät kredenztem Gattungsvertreter küren.

7/10

Antonio Bido Giallo Venedig Serienmord Brüder Madness


Foto

MIO CARO ASSASSINO (Tonino Valerii/I, E 1972)


Zitat entfällt.

Mio Caro Assassino (My Dear Killer) ~ I/E 1972
Directed By: Tonino Valerii

Ein Versicherungsangestellter (Francesco Di Federico) wird, von einem Bagger enthauptet, am Ufer eines Sumpfes vor der Stadt aufgefunden. Der zunächst rätselhaft anmutende Fall führt den ermittelnden Inspettore Peretti (George Hilton) bald zu weiteren Leichen, die, wie sich herausstellt, allesamt in Verbindung mit einem bereits als abgeschlossen geltenden Fall von Kindesentführung in Verbindung stehen: Damals wurde die kleine Stefania Moroni (Lara Wendel) von Unbekannten entführt und nebst ihrem Vater später tot aufgefunden...

Ein eher unspektakulär ausgefallener Giallo, der formale Extravaganzen weitgehend vermissen lässt und sich stattdessen ganz auf die Lösung des von George Hilton zu bearbeitenden, verworrenen Kriminalfalles konzentriert. Tonino Valerii, der beim Western begann und auf diesem Sektor auch seine bleibendsten Arbeiten sowie hauptsächliche Meriten eingefahren hat, liebäugelte nur dieses eine Mal mit dem italienischen Kriminalgenre und verlor sich später in immer selteneren Genrearbeiten, bis er sich Ende der Neunziger ganz vom Film zurückzog. Für seinen unikalen Œuvre-Status kann "Mio Caro Assassino", der sich zudem eines eindringlichen Morricone-Scores rühmt, allerdings von sich behaupten, einen gelungenen Exkurs zu repräsentieren, wenngleich er auf die psychedelischen Farb- und Kameraspiele der schönsten Gialli verzichtet. Unter dem Strich hinterlässt er, mit Ausnahme vielleicht der etwas albernen, an Agatha-Christie-Auflösungen gemahnenden Finalszene, in der Peretti alle Verdächtigen versammelt und den Schuldigen schließlich aus der Reserve lockt, ebenso schnörkelloses wie zufriedenstellendes, mediterranes Thrillerkino.

6/10

Tonino Valerii Giallo Rom Kidnapping Serienmord


Foto

STEREO (Maximilian Erlenwein/D 2014)


"Du bist hier der Böse!"

Stereo ~ D 2014
Directed By: Maximilian Erlenwein

Dem auf dem Lande lebenden Motorrad-Mechaniker Erik (Jürgen Vogel) geht's eigentlich gut: Er hat eine nette Freundin (Petra Schmidt-Schaller) mitsamt süßer Tochter (Helena Schoenfelder) aus einer früheren Beziehung. Doch es ziehen dunkle Wolken auf: Ein Kapuze tragender Mann (Moritz Bleibtreu), den nur Erik sehen und hören kann und der sich als 'Henry' vorstellt, erscheint wie aus dem Nichts und weicht kaum mehr von Eriks Seite. Dieser ist sich nicht sicher, ob er von einer Psychose oder einem Geist heimgesucht wird, sicher ist jedoch, dass er Henry irgendwoher kennt. Als ein Osteuropäer (Mark Zak) auftaucht und Erik etwas von einem gewissen 'Keitel' vorfaselt, begreift dieser zunächst gar nichts. Ein Treffen in einem Berliner Untergrund-Club, zu dem Erik sich bereitwillig lotsen lässt, soll die Wahrheit ans Licht bringen...

So richtig Neues, Innovatives gibt's ja kaum mehr im Kino und daher kann sich selbst die im nationalen Kino grundsätzlich positive Ausnahmeerscheinung eines kernigen Genre-/Gangsterfilms kaum rühmen, eine gänzlich exklusive Geschichte zu erzählen. Ich möchte es vielleicht einmal so formulieren: Wer "A History Of Violence" und "Fight Club" noch halbwegs präsent hat, der wird in "Stereo" höchstwahrscheinlich nicht sein vielleicht lang herbeigesehntes Mindfuck-Heil finden. Wem es derweil genügt, eine nicht immer ganz geradlinige, etwas umständlich erzählte, nichtsdestotrotz jedoch straight abgefasste Gangster- und Rache-Story serviert zu bekommen, der sollte sich einigermaßen gut bedient finden. Freunden von Vogel und Bleibtreu sei "Stereo" darüberhinaus ausdrücklichst ans Herz gelegt, denn die beiden Herren durchdringen mit ihren allgegenwärtigen Personae förmlich den gesamten Film. Dennoch war zumindest für mich die positivste darstellerische Überraschung des Films der Wiener Georg Friedrich, der als gehandicapter Gangsterboss mit herrlichem Schmäh einem jeden Tarantino-Kosmos zur Ehre gereichte. Vielleicht nicht der ganz große Wurf, aber allemal ein Schritt in die richtige Richtung.

7/10

Maximilian Erlenwein Rache Madness Persönlichkeitsstörung Berlin Brüder





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare