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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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BLOOD DINER (Jackie Kong/USA 1987)


"Come to our big party!"

Blood Diner ~ USA 1987
Directed By: Jackie Kong


Die beiden grenzdebilen Brüder und Köche Michael (Rick Burks) und George (Carl Crew), die in ihrem Imbiss vorzugsweise frittierte Menschenteile anbieten, wollen mithilfe ihres nurmehr als Gehirn mit Augen vorhandenen Onkels (Drew Godderis) eine uralte Totengöttin namens Shitaar wieder ins Leben zurückrufen. Zu diesem Zwecke bedarf es eines flugs zusammengenähten Körpers und einer zünftigen kannibalistischen Blutorgie. Doch die Cops sind den beiden Spinnern bereits auf den Fersen.

"Blood Diner" bewegt sich neben der überdeutlichen Reminiszenz an H.G. Lewis' "Blood Feast" in seiner inhaltlichen und formalen Ausrichtung in etwa parallel zu den Troma-Werken und ähnlichem Underground-Zeug dieser Zeit Marke "Street Trash". Zu den Höhepunkten jener lustvoll-geschmacklosen Kinowelle lässt sich Jackie Kongs kleines Ekelpaket allerdings nicht zählen. Die Gags sind einfach schon zu doof und dermaßen gaga, dass sie sich bestenfalls des Laufens nicht mächtigen Säuglingen erschließen dürften. Die formalen Schwächen - ob aus echtherzigen Anarchie-Zugeständnissen oder reiner Schlampigkeit installiert - sind haarsträubend und bei klarem Verstand kaum zu ertragen. Normalerweise gehöre ich ja ganz und gar nicht zur Etepetete-Fraktion, die an dieser Einstellung herummäkelt und über jenen Anschlussfehler raunzt, aber irgendwo muss es auch mal gut sein. Na ja, manche Einfälle, vornehmlich die sich in irgendwelchen bescheuerten Bandauftritten manifestierenden musikalischer Natur, zünden auch. Ein Streifen klassischen BABA-Zuschnitts (BABA = Bitte Ausschließlich Bedröhnt Anschauen).

4/10

Groteske Splatter Jackie Kong Independent Trash Underground


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THE FISHER KING (Terry Gilliam/USA 1991)


"Forgive me."

The Fisher King (König der Fischer) ~ USA 1991
Directed By: Terry Gilliam


Der ultrazynische New Yorker Radiotalker Jack Lucas (Jeff Bridges) fällt in ein tiefes Loch, als einer seiner Anrufer (Christian Clemenson) einen von Jacks "Ratschlägen" allzu wörtlich nimmt und ein Massaker in einem Café anrichtet. Jack zieht sichaus der Öffentlichkeit zurück und trifft eines Tages auf den Penner Parry (Robin Williams), der ihm das Leben rettet. Parry stellt sich als Witwer eines der Café-Opfer (Lisa Blades) heraus, der durch den gewaltsamen Tod seiner Frau eine tiefe Psychose erleiden musste. Jack, vom schlechten Gewissen befallen, fühlt sich für Parrys Schicksal verantwortlich und verhilft ihm, sozusagen aus Entschädigungsgründen, zu einer Romanze mit der schüchternen Lydia (Amanda Plummer). Doch damit beginnen Parrys Probleme von Neuem...

Nach den "Münchhausen"-Querelen nahm Gilliam zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Filmregisseur den Auftrag eines Majors entgegen und machte "The Fisher King" für TriStar. Obwohl das Script nicht von ihm selbst stammt, könnte dieser Film, einer seiner schönsten übrigens, kaum gilliamesker sein. Bestes Futter für den Auteur-Theoretiker. Bizarre Figuren zwischen Wahn und Warmherzigkeit, das bereits in "Monty Python And The Holy Grail" abgearbeitet schienene Gralsmotiv und der übliche, verquere Humor paaren sich mit einer ansonsten recht erdverbundenen, existenzialistischen Geschichte, die im Gegensatz zu den bisherigen (und späteren) monströsen, umwälzenden Visionen Gilliams beinahe kammerspielartig erscheint. Letztlich geht es ja um nichts anderes als um einen zynischen Misanthropen, der nach seiner größten Fehlleistung erst Buße tun muss, um sich aus seinem selbstmitleidigen Egozentrismus-Sumpf wieder befreien zu können. Dass nebenbei noch ein berittener, roter Feuerdämon mitten in Manhattan, verballhornte Pornofilm-Titel ("Ordinary Peepholes", "Creamer vs. Creamer"), ein Massenwalzer mitten in der Grand Central Station und Tom Waits als philosophierender Penner vorkommen, ist ganz gewiss nichts Besonderes, sondern liegt bloß in der Natur der Sache. Wir befinden uns schließlich in einem Gilliam. Einem echten, aber bitteschön.

10/10

Heiliger Gral New York Terry Gilliam Freundschaft Obdachlosigkeit Madness Psychiatrie Erwachsenenmaerchen


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CALIFORNIA SPLIT (Robert Altman/USA 1974)


"Everybody's named Barbara."

California Split ~ USA 1974
Directed By: Robert Altman


Die zwanghaften Zocker Bill (George Segal) und Charlie (Elliot Gould) lernen sich am Pokertisch kennen und entdecken unvermittels ihre Seelenverwandtschaft. Beide schätzen die existenziellen Unverbindlichkeiten, verabscheuen Kontrolle und Planung und bevorzugen eher das leichte Sichtreibenlassen. Eine gemeinsame und ausgesprochen gewinnträchtige Fahrt ins Spielerparadies Reno lässt Bill über sich und sein Leben reflektieren.

Ein weiterer wunderbarer Altman aus dem bereits der seichten Abendämmerung anheim fallenden New Hollywood. So lässig und lakonisch wie eh und je lässt er seine beiden Patrone aufschlagen, beobachtet sie, wie sie zeitweilig gemeinsam und ohne den anderen ein paar Tage durch- und überleben, ohne irgendwelche moralischen Zwangsbehauptungen aufzustellen oder sich sonstwie in das Geschehen einzumischen. Zwar lernt man die beiden, insbesondere Bill, im Zuge der 105 Erzählminuten recht gut kennen, tendenziöse Urteile und Analysen bleiben einem jedoch erspart. Das Ganze wirkt eher wie ein lebenserfahrenes Bukowski-Poem, nur dass es hier eben weniger um Alkohol geht. Trocken, undramatisch, straight. Besonders der wie immer sehenswerte und bei Altman sowieso stets zur Höchstform aufgelaufene Elliot Gould macht aus "California Split" eine unbedingt sehenswerte, kanonische Spielerstudie. Meisterlich.

9/10

Robert Altman New Hollywood Spieler Poker Freundschaft Bonvivant Gluecksspiel


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THE ADVENTURES OF BARON MUNCHHAUSEN (Terry Gilliam/UK/BRD 1988)


"It's all logic and reason now. Science, progress, laws of hydraulics, laws of social dynamics, laws of this, that, and the other. No place for three-legged cyclops in the South Seas. No place for cucumber trees and oceans of wine. No place for me."

The Adventures Of Baron Munchhausen (Die Abenteuer des Baron Münchhausen) ~ UK/BRD 1988
Directed By: Terry Gilliam


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, zur Zeit der Aufklärung: Eine nicht näher bezeichnete, mitteleuropäische Küstenstadt wird von einem aufgebrachten türkischen Sultan (Peter Jeffrey) und dessen Armee belagert. Zur gleichen Zeit gastiert innerhalb der Stadtmauern der Theaterimpresario Henry Salt (Bill Paterson) und lenkt die Bewohner mittels leichter Unterhaltung von den Gedanken an ihr unvermeidliches Ende ab. Eine seiner Komödien dreht sich um den Lügenbaron Münchhausen und dessen Abenteuer. Eines Abends platzt der Baron (John Neville) persönlich in eine von Salts Vorstellungen, empört sich über deren vermeintlichen Realitätsverdrehungen und erzählt eine angeblich wahre Geschichte, die zufällig davon handelt, wie eine von einem türkischen Sultan belagerte Stadt von ihm und seinen Freunden (Eric Idle, Charles McKeown, Jack Purvis, Winston Dennis) befreit wurde...

Gilliams "Brazil"-Nachfolger verbuchte seinen nachhaltigen Bekanntheitsgrad vor allem als legendärer Budgetsprenger. Wie schon nach der Fertigstellung der letzten Arbeit musste das Ex-Python-Mitglied zermürbende Grabenkämpfe betreffs seiner künstlerischen Vision mit Verleihern und Produzenten austragen; diesmal legte ihm neben den studio executives, dem frühzeitig abgesprungenen Arnon Milchan sowie einer sich verprellt fühlenden britischen Filmversicherungsgesellschaft der Karlsruher Finanzmeister Thomas Schühly diverse Steine in den Weg. Schühly trieb es soweit, dass er am Ende zu Erpressungszwecken die Filmdosen stahl, um von Columbia seine Gage zu erhalten. Die wiederum bösen Rivalitäten führten dazu, dass "Münchhausen" nur sehr unzureichend promotet wurde und bei einem für damalige Verhältnisse riesigen Budget an den Kassen unterging wie das Seeungeheuer, aus dessen Bauch Münchausen und seine Mitstreiter sich mittels einer Prise Schnupftabak befreien. Das alles einem unzureichend gestalteten viralen Marketing zuzuschreiben wäre jedoch verlogen; Gilliam macht schlicht keine Filme für die breite Masse und im Grunde war (und ist) es aus rein kommerzieller Warte Wahnsinn, den Mann zur Verwirklichung seiner überbordernden Visionen knappe 40 Millionen Dollar verpulvern zu lassen. Für Gilliam-Freunde ist "Münchhausen", wie auch "Time Bandits" und "Brazil" eine große Fabel über den Wert geistiger Freiheit in Zeiten strenger Logik, ein Hochgenuss, ein manchmal infernalisches, schwarzes Märchen, das trotz seiner vordergründig kindlichen Aufmachung auch bizarre und finstere Motive wie einen schwarzen Todesengel (der auf der Jagd ist nach Münchhausens 'spirit' und damit nach der Essenz aller Märchen und Geschichten), ein verrücktes Mondehepaar oder rollende Sarazenenköpfe nicht ausspart. Physikalische Gesetzmäßigkeiten interessieren Gilliam indes genausowenig wie seine Titelfigur - wenn unser Erdtrabant von hier aus wie eine Sichel ausschaut, dann muss er wohl auch eine sein.
Eigentlich ist es doch so: Gilliam und Münchhausen sind ein- und desselben Geistes Kinder, große Geschichtenerzähler und Unterhalter, Könige ihrer eigenen Welten.

9/10

Kinder Groteske Parabel Maerchen Terry Gilliam Historie Megaflop


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TRAINSPOTTING (Danny Boyle/UK 1996)


"Would Sir care for a starter of some garlic bread perhaps?" - "No, thank you. I will proceed directly to the intravenous injection of hard drugs, please."

Trainspotting ~ UK 1996
Directed By: Danny Boyle


Die Geschichte des jungen Edinburgher Arbeitersprösslings Renton (Ewan McGregor) und seiner Kumpels Spud (Ewen Bremner), Sick Boy (Johnny Lee Miller), Begbie (Robert Carlyle) und Tommy (Kevin McKidd). Renton, Spud und Sick Boy sind heroinabhängig. Die Droge bildet wie bei jedem Junkie ihren zentralen Lebensinhalt und fordert von jedem von ihnen hohe Tribute. Als man schließlich in London selbst eine große Menge Stoff verdealt, entscheidet sich Renton für den Absprung.

Angefixt durch "Shallow Grave" fühlte ich mich sozusagen genötigt, mir nach langer Pause endlich auch einmal wieder Boyles Zweit- und Hauptwerk anzuschauen. "Trainspotting" ist ja in Rekordgeschwindigkeit zu einem emblematischen Film der neunziger Jahre geworden und darf wohl als einer der maßgeblichen popkulturellen Einflüsse seiner Zeit gelten. Tatsächlich ist dieser sein Status alles andere als unberechtigt; Boyle demonstriert ein absolutes Höchstmaß an inszenatorischer Konzentration, präsentiert zur Visualisierung des Rauschs und seiner Folgen traumhafte Regieeinfälle und bewältigt den naturgemäß kaum zu bewältigenden Spagat zwischen dem glaubwürdig dargestellten Porträt einer Subkultur und der für das Sujet unumgänglichen pädagogischen Warnung, indem er die Hölle der Sucht - so paradox das klingen mag - so nüchtern zeigt wie irgend möglich. Dass H nicht unmittelbar in die physische bzw. soziale Verwahrlosung führt, über kurz oder lang aber doch brutale Folgen für Leib und Leben mit sich bringt, weiß ein jeder, dass es aber sage und schreibe Spaß machen kann, dabei zuzusehen, ist allein Boyles Verdienst.
Was nach vierzehn Jahren noch bleibt von "Trainspotting", ist eigentlich all das, was ihn auch damals schon ausmachte: Das Bild eines überwältigend präzis und sorgfältig gemachten Films, bis hin zu seiner einmaligen Songauswahl von einer alles durchdringenden Stimmigkeit, von der 99% aller Filmemacher bloß träumen können.

10/10

Danny Boyle Heroin Drogen Subkultur Schottland Popkultur Teenager


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SHALLOW GRAVE (Danny Boyle/UK 1994)


"Victory is the same as defeat. It's giving in to destructive competitive urges."

Shallow Grave (Kleine Morde unter Freunden) ~ UK 1994
Directed By: Danny Boyle

Auf der Suche nach einem vierten WG-Mitglied stoßen die Edinburgher Freunde Alex (Ewan McGregor), Juliet (Kerry Miller) und David (Christopher Eccleston) auf den integer scheinenden Hugo (Keith Allen). Dieser jedoch stirbt gleich in der ersten Nacht nach seinem Einzug, anscheinend an einer Überdosis illegaler Betäubungsmittel. Der Koffer voll Banknoten, den er bei sich hat, wollen die drei Untervermieter allerdings nur ungern der Polizei übergeben und entscheiden sich daher, Hugos Leiche unkenntlich zu machen und verschwinden zu lassen. Trotzdem haben sie bald die Polizei und zwei brutale Gauner (Peter Mullan, Leonard O'Malley) auf dem Hals. Zudem fängt David an, durchzudrehen und Juliet hegt geheime Ausstiegspläne. Alles läuft aus dem Ruder.

Danny Boyles erste Kinoregie steht ganz in der Tradition diverser schwarzer Komödien, die um die Mitte der neunziger Jahre entstanden und sich mit der fachgerechten Entsorgung von Unfalleichen sowie den Folgen für deren pietätlose Urheber befassten. Trotz ihrer regelmäßig geschmacksentgleisten Erscheinung erwiesen sich jene Filme nur allzu häufig als in guter alter Noir-Tradition stehende Moralreflexionen, da es den als unbedarft in die Narration eingestiegenen Protagonisten gegen Ende in der Regel schlecht erging - göttliche, psychologisch-ethische oder höchst irdische gesetzliche Instanzen machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Hier hat zumindest ein Teil des Trios gut lachen, selbstverständlich derjenige, der die wenigsten Übervorteilungsgedanken gegen seine Freunde hegt und erst ganz am Ende mit kühler Cleverness auf deren Meutereien reagiert. Boyles unkonventioneller Stil, der im "Shallow Grave" - Nachfolger "Trainspotting" in voller Blüte erstrahlen wird, beginnt sich bereits hier zu entfalten: Eine zu beatlastiger, elektronischer Musik synchrone Montage, Zeitraffer und eine insgesamt rotzfrech wirkende dramaturgische Basis, die sich selbst in der Inszenierung niederschlägt. Nichtsdestotrotz sollen seine nachfolgenden Arbeiten mitunter noch wesentlich besser werden.
All in all reicht "Shallow Grave" immer noch zu einem sehr pflegeleichten Minikrimi, dessen tragende Figuren nach fünfzehnjähriger Pause aber doch stark zeitverwurzelt und im Nachhinein bisweilen unsympathisch auf mich gewirkt haben. Aus deren bornierter Mitbewohner-Selektierungs-Maschinerie würde ich mich glaube ich schon freiwillig extrahieren...

7/10

Schottland Danny Boyle neo noir Schwarze Komödie Madness WG


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POPEYE (Robert Altman/USA 1980)


"Eat that spinach!"

Popeye ~ USA 1980
Directed By: Robert Altman


Der schlagkräftige Matrose Popeye (Robin Williams) kommt in das kleine Städtchen Sweethaven, wo er die staksige Olive Oyl (Shelley Duvall) und den üblen Gauner Bluto (Paul L. Smith) kennenlernt, überraschend zum Papa eines Findelkinds wird un endlich seinen lang gesuchten Vater Poopdeck Pappy (Ray Walston) wiederfindet.

Starke Nerven sind gefragt für jene wagemutigen Zuschauer, die sich unerschocken an diesen gewagten Hybrid aus Mainstream- und Experimantalkino zu wagen trachten. Sind schon die alten King Features-Cartoons um den naserümpfenden Spinatgenießer Popeye und seine bescheuerte Bagage kein ausgesprochenes Hirnfutter, so hält Altmans Film noch einige zusätzliche Absonderlichkeiten bereit, die sich in einigen bizarren Musicalnummern und den gleichfalls ungewöhnlichen und malerisch schönen maltesischen set pieces ausdrücken. Manchmal ist der ganze Blödsinn sogar richtig lustig. Und trotz des für ihn halsbrecherisch scheinenden Sujets verzichtet Altman nie auf seine üblichen Erkenneungsmerkmale wie lange Weitwinkelschwenks und garantiert so, dass dieses ansonsten jeder rationalen Einordnung a priori spottende Stück Kino stets gut als das seine erkennbar bleibt.

6/10

Comic Groteske Farce Robert Altman Megaflop


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FREUDE AM FLIEGEN (Franz Josef Gottlieb/BRD 1977)


"Geh' ohne Angst in den Fick!"

Freude am Fliegen ~ BRD 1977
Directed By: Franz Josef Gottlieb


Die ihre sexuelle Mündigkeit ziemlich prüde betrachtende Silvia Bergmann (Corinne Cartier) leidet unter ihrem langweiligen Freund Kurt (Michel Jacot) und hält alles, was mit wahrer Befriedigung oder Promiskuität zu tun hat, für Teufelswerk. Erst die Lektüre des Behelfsbuchs "Freude am Fliegen" und ihre Liebe zu dem ausgesprochenen Filou Jörg (Gianni Garko) bringen Silvia schließlich von ihrer strengen Linie ab.

Sumsen ist buper! Die später unter dem wesentlich unpassenderen Titel "Sylvia - Im Reich der Wollust" LISA-Produktion indes kann heute nurmehr wenig begeistern. Eigentlich liegt der einzige Grund, den sich im Gegensatz zu späteren Nachtzüglern noch viel zu wichtig nehmenden Schmarren anzusehen, in der wohlgestalteten Figur, pardon, Person Olivia Pascals, die darüberhinaus leider nur wenige Auftritte spendiert bekommt. Der geneigte Europloitation-Fan freut sich derweil noch mehr über Auftritte von "Sartana" Gianni Garko in einer seiner vier appearances unter Spezi Gottlieb in deutschen Tittenlustspielen sowie Supertranse und Franco-Muse Ajita Wilson, mit der Garko später ein fachgerechtes Poppfestival zünden darf. Die zwei wichtigsten Ingredienzien für diese Art Film fehlen jedoch: unausgegorener Schwachsinn und fetziger Discosound. Damit ist "Freude am Fliegen" summa summarum leider eine Nullnummer.
Immerhin konnte ich feststellen, dass mir jetzt nur noch "Griechische Feigen" und "Heiße Kartoffeln" fehlen, dann habe ich den Kanon der deutschen Disco-Komödie beisammen. Juch-he.

3/10

Franz Josef Gottlieb Disco-Komödie Lisa-Film


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BAD BIOLOGY (Frank Henenlotter/USA 2008)


"We two belong together."

Bad Biology ~ USA 2008
Directed By: Frank Henenlotter


Der New Yorker Kunstphotographin Jennifer (Charlee Danielson) macht ihre anatomische Besonderheit, eine siebenfache Klitoris zu besitzen, nicht eben wenig zu schaffen. Ihr Bedarf nach koitalen Kontakten ist nämlich dementsprechend hoch und die dazu auserkorenen Partner überleben den Beischlaf zumeist nicht, weil Jennifers ekstatische Orgasmen sich bisweilen sehr ausufernd gestalten. Zudem gebiert sie stets rund zwanzig Minuten später ein unfertig augebildetes Freakbaby, das jeweils zurückgelassen oder in der nächsten Mülltonne entsorgt wird. Doch es gibt Hoffnung für Jennifer in Form eines potenziell perfekten Gegenparts: Batz' (Anthony Sneed) primäres Geschlechtsmerkmal als 'Penis' zu bezeichnen, käme einer Beleidung für alle Penisse dieser Welt gleich. Das etwa einen halben Meter des Raumes beanspruchende, ungeschlachte und vor allem widerlich hässliche Riesenteil führt nicht nur ein trotziges Eigenleben, sondern ist zudem unersättlich, was seine Befriedigung angeht. Eines Tages macht Batz' Pimmel sich dann selbstständig und geht auf Weiberjagd in Manhattans Upper-Class-Apartments, derweil Jennifer Batz ausfindig gemacht hat und ihm ihre Zuneigung gesteht - leider mit etwas Verspätung...

Siebzehn Jahre nach seiner letzten Regiearbeit "Basket Case 3" kommt der New Yorker Undergroundfilmer Frank Henenlotter also doch nochmal mit einer lang erwarteten, weiteren Geschmacklosigkeit um die Ecke. Das Erfreulichste gleich vorweg: Henenlotter hat nichts verlernt, sein bizarrer Humor lässt noch immer den instinktiv arbeitenden Körperregionen den Vortritt. Seine eigenartige Vorliebe für phallische Extremitäten spiegelt sich nach wie vor in obskuren, per stop-motion animierten Knetkreaturen wider - Batzens Schwanz beispielsweise könnte auch ein Cousin zweiten Grades von des fiesen kleinen Pusherwurms Elmer aus "Brain Damage" sein. Doch auch sonst bleibt das Meiste beim Alten, sieht man vielleicht von Henenlotters bisher unentdecktem Interesse für Hip-Hop ab: "Bad Biology" bietet, wie das komplette bisherige Oeuvre des Regisseurs, kompromissloses, abseitiges Independent-Kino, das jedoch stets einen gewissen Sinn für Anstand und Ästhetik wahrt und nie vollends in die gefährlich lockende Selbstzweckhaftigkeit ausufert. Trotz aller seiner streitbaren formalen Merkmale erzählt "Bad Biology" primär noch immer eine tragische Romanze und die Geschichte zweier unglücklicher Großstadt-Individuen, denen ihre jeweilige, brisante Physis einen Strich durch alle auch nur annähernd konventionellen Lebensentwürfe macht. Als Film ist das, Henenlotters Signatur eben, natürlich nicht für jeden gemacht, aber doch ein mutiges Stück Kino und für grundsätzlich Genreinteressierte zumindest einen Blick wert.

8/10

Monster Independent Underground Bohème New York Frank Henenlotter


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BRAZIL (Terry Gilliam/UK 1985)


"An empty desk is an efficient desk."

Brazil ~ UK 1985
Directed By: Terry Gilliam


In einem nicht näher bezeichneten totalitären Staat des vergangenen Jahrhunderts, der allerdings frappierend einem dystopischen England gleicht, entdeckt der unbedeutende Büroangestellte Sam Lowry (Jonathan Pryce) die Fehleranfälligkeit des Systems, für das er buckelt. Statt eines freischärlenden, des Terrorismus verdächtigten Heizungsingenieurs (Robert De Niro) wird ein braver Familienvater in die grausamen Verhörmühlen des Großen Bruders Mr. Helpmann (Peter Vaughan) gezwängt. Zusammen mit der sich rebellisch gebenden Jill (Kim Greist) begehrt Sam zugleich gegen die ihn umfangenden systemischen und matriarchalischen Diktaturen auf - und scheitert jeweils kläglich.

Gilliams Meisterwerk, ein ungeheuer vielschichtiges, monströses, zugleich enthusiastisches und grausiges Horrorszenario über die Macht der Träume und das, was einem letztlich niemand stehlen kann: Das tief verborgene, innere Selbst. "Brazil", entstanden im Orwell-Jahr 1984, führt in zugleich satirischer und höchst glaubwürdiger Weise die Schrecken eines absoluten Überwachungsstaats vor Augen, in dem die menschliche Population nicht mehr zu leben, sondern nur noch zu funktionieren hat. Die emotionale Wahrheit hat hier längst jeglichen Wert verwirkt, alles verkommt zu verlogener Hörigkeit einer grotesken Obrigkeitsidee. Gut hat es hier nur, wer "jemanden kennt", so wie Sams fürchterliche Mutter (Katherine Helmond), ein Vorzeigeprodukt der unter überreifen Damen hochaktuellen Verjüngungschirurgie. Allein durch ihren Einfluss, respektive den von Sams bereits verstorbenem Vater, fällt der kleine kafkaeske Held die Treppe des innersystemischen "Erfolges" herauf bis ins "Ministerium für Informationenwieder-beschaffung". Ein paar Etagen höher findet sich hier auch Sams alter Freund Jack Lint (Michael Palin), oberster Verhörspezialist und Folterknecht von Mr. Helpmann, der, innerlich und äußerlich blutbesudelt und -berauscht, seine eigene Familie nicht mehr identifizieren kann. Dem armen Sam ist schlussendlich immerhin eine romantische Liebesnacht mit seiner Jill vergönnt, bevor er selbst auf Lints Stuhl sitzt und ihm nur noch die Flucht in die (Un-)Tiefen seiner eigenen Traumwelt bleibt, so tief hinab freilich, dass ein Wiederhervorkommen unmöglich ist. "He's got away from us", bleibt es Mr. Helpmann, dem heimlichen (und unheimlichen) obersten Kopf des vielgliederigen Bürokratiestaats, da nur noch mit höhnischem Bedauern zu konstatieren. Der bittere Sieg des kleinen Mannes.

10*/10

Zukunft Parabel Farce Traum Dystopie Terry Gilliam Satire Terrorismus





Filmtagebuch von...

Funxton

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