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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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AND NOW THE SCREAMING STARTS! (Roy Ward Baker/UK 1973)


"The truth, please!"

And Now The Screaming Starts! (Embryo des Bösen) ~ UK 1973
Directed By: Roy Ward Baker


England im späten 18. Jahrhundert: Der blaublütige Lehensherr Fengriffen (Ian Ogilvy) bringt seine junge Braut Catherine (Stephanie Beacham) mit auf das Familiengut. Kaum dort angekommen, hat Catherine grauenhafte Visionen von einer sie verfolgenden, abgetrennten Hand und einem merkwürdigen Geist mit leeren, blutigen Augenhöhlen. Der sinistre Holzfäller Silas (Geoffrey Whitehead) macht Catherine noch zusätzlich Angst. Als sich dann herausstellt, dass die nächtliche Vergewaltigung, die sie schon als Phantasie abgetan hat, mitnichten ein Traum war, beginnt Catherine endgültig zu verzagen. Kann der eilends aus London herbeigerufene Nervenarzt Dr. Pope (Peter Cushing) Aufklärung besorgen?

Hübsches Gruselstück von Amicus, ausnahmsweise mal kein Episodenfilm, aber wie gewohnt mit dem hohlwangigen Peter Cushing in vorderster Front. Wobei seine Nennung an der Besetzungsspitze eigentlich ein Etikettenschwindel ist, denn Cushing taucht erst in der 48. Filmminute auf. Ähnliches gilt für seine vermeintlichen Mitprotagonisten Herbert Lom und Patrick Magee, die jeweils nur kurz bzw. in einer Rückblende zu sehen sind. Die eigentlichen Hauptparts geben stattdessen die in einer Art historischen "Rosemary"-Reprise zu sehende, aus Leibeskräften kreischende (insofern passt auch der Titel des Films maßgetreu) Beacham mitsamt ihrem bebenden Dekolleté und natürlich der arme Ian Ogilvy, der hier nach "The Witchhunter General" erneut den Verstand verlieren und mit einer Axt herumbeserkern muss. Am Vorzüglichsten gefallen hat mir das Interieur des englischen Grafschaftslandsitzes. Ganz genau so ein Haus mit identischer Innenausstattung möchte ich auch gern haben, wenn ich mal groß bin!

7/10

period piece Roy Ward Baker Fluch


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THE FLESH AND THE FIENDS (John Gilling/UK 1960)


"I'm just responsible to my very own consciousness."

The Flesh And The Fiends (Der Arzt und die Teufel) ~ UK 1960
Directed By: John Gilling


Edinburgh in den 1820ern: Der renommierte Mediziner Dr. Knox (Peter Cushing) ist ein ausgesprochener Zyniker seiner Zunft. Vor dem Tode pflegt er keinerlei Respekt und beschäftigt somit diverse Leichenräuber, die ihn auf illegale Weise mit frischen "Versuchsobjekten" beliefern, da üblicherweise nur exekutierte Verbrecher für medizinische Experimente verwendet werden dürfen. Als die beiden Tagelöhner William Burke (George Rose) und William Hare (Donald Pleasence) auf Knox aufmerksam werden, beginnen sie, ihm die Körper just Verstorbener zu bringen. Dass es sich um Mordopfer von Burke und Hare handelt, spielt für Knox zunächst keine Rolle, da für ihn der Zweck die Mittel heiligt. Erst ein spätes Schlüsselerlebnis führt ihn auf den Pfad der Tugend zurück.

Wundervolle Kino-Adaption der berühmten West-Port-Mordserie, in deren Zuge die beiden skrupellosen Mörder Burke und Hare insgesamt siebzehn Personen töteten, um aus ihren Leichen Profit schlagen zu können. Bereits 1945 war der Fall als "The Body Snatcher" von Robert Wise innerhalb des neunteiligen Schauerzyklus von Val Lewton für die RKO produziert worden, in einem nicht minder prächtigen Film. Allerdings stand diesem vornehmlich Robert Louis Stevensons fiktionalisierende Kurzgeschichte vor, die die Knox-Affäre nah ihrem Ende weiterspinnt. Bei Gilling, der seine teils gewagten, buchstäblich labyrinthischen Schwarzweißbilder in edles, breites Scope einfasst, kommt allerdings mit deutlicher Vehemenz der ethische Aspekt um Knox' (zumindest historisch betrachtet) beinahe tragischen Werdegang zum Tragen. Für Cushing, der soeben in den ersten großen Hammer-Filmen zu Ruhm gelangt war, stellte die Rolle des Dr. Knox eine Art Gratwanderung zwischen seinen zwei vorherigen Medizinern dar: Dem kühlen, aber im Zeichen des Guten agierenden Professor Van Helsing und dem wahnsinnigen, über jede Moral hinwegsehenden Victor Frankenstein. In Knox' Fall gewinnt, etwas anders als es die Tatsachen diktieren, am Ende das Berufsethos: Er wird zu einer Art heldenhaftem Pionier der medizinischen Progression und, nach einer kurzen Phase der Abwendung, auch für seine Studenten wieder der Doktorvater nach Herzenslust. Der tatsächliche Knox konnte nach den Gerichtsprozessen um ihn herum nicht weiter erfolgreich lehren noch praktizieren und musste schließlich nach England gehen.

9/10

Serienmord Historie period piece Edinburgh Schottland West-Port-Morde John Gilling Medizin


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THE CREEPING FLESH (Freddie Francis/UK 1973)


"I've got to get hold of that skeleton somehow."

The Creeping Flesh (Nachts, wenn das Skelett erwacht) ~ UK 1973
Directed By: Freddie Francis


England in den 1890ern. Der Anthropologe Professor Hildern (Peter Cushing) kehrt von einer Forschungsreise in Neu-Guinea zurück. Mitgebracht hat er das gewaltige Skelett eines seltsamen Frühwesens, hinter dem Hildern nichts weniger als die Überreste einer irdischen Manifestation des reinen Bösen vermutet. Wenn man nur wüsste, wie man die Blutzellen des Wesens neutralisieren könne, so Hilderns Theorie, könnte man das Böse in der Welt ausrotten. Doch Hildern hat noch weitere, privatere Probleme: Seine Frau (Jenny Runacre) ist einst dem Wahnsinn verfallen und kürzlich in der Nervenheilanstalt seines Bruders (Christopher Lee) verstorben. Nun befürchtet der Professor dieselbe Entwicklung bei seiner liebreizenden Tochter Penelope (Lorna Heilbron). Und tatsächlich - als Penelope die Wahrheit über ihre Mutter erfährt, dreht sie durch.

Ganz hervorragender, später Brit-Grusler, der die ewigen "brothers in goth" Cushing und Lee nochmal von ihrer besten Seite zeigt, eine wohlig-schaurige viktorianische Atmosphäre kreiert und es sogar schafft, diverse verschiedene Handlungsstränge, die bei Amicus in ein Episoden-Korsett gezwängt worden wären, plausibel in seinen Handlungsrahmen einzufassen. Am Ende gibt es einen absolut klassischen Plottwist, der sowohl in der Horrorliteratur als auch im Genrefilm Schule gemacht hat.
Auf Cushing dürfte sein Filmpart indes wenig erbaulich gewirkt haben: Nur zwei Jahre zuvor war seine Frau Helen verstorben - wie man weiß, eine schreckliche Zäsur innerhalb Cushings späterer Biographie. Die Tränen der Verzweiflung, die er im Film über das Foto seiner toten Gattin vergießt, sind somit wohl mutmaßlich von traurig-authentischer Natur; umso größer der Kloß im Halse des geneigten Zuschauers. Wie dem auch sei, "The Creeping Flesh" ist wirklich und wahrhaftig sehr wunderbar und ganz bestimmt einer meiner Lieblingshorrorfilme seiner 'Subkategorie'.

8/10

London Brueder Madness period piece Psychiatrie Freddie Francis


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THE FOOD OF THE GODS (Bert I. Gordon/USA 1976)


"Nature will rebel. It's gonna be one hell of a rebellion."

The Food Of The Gods (Die Insel der Ungeheuer) ~ USA 1976
Directed By: Bert I. Gordon


Der Footballspieler Morgan (Marjoe Gortner) will für ein paar Tage auf einer kleinen Insel vor Neuengland ausspannen. Dort wird sein Kumpel Davis bei der Jagd im Wald von monströsen Wespen attackiert. Auf der nahegelegenen Farm des alten Ehepaars Skinner (Ida Lupino, John McLiam) findet Morgan die Ursache für den Riesenwuchs: Die Skinners fabrizieren aus einem obskuren, mußigen Weißfluss, der aus ihrem Boden sickert, ein Hühnerfutter, das es in sich hat - nicht nur das Federvieh auf dem Hof ist mannshoch, auch Würmer und Ratten, die davon genascht haben, wachsen zu gigantischen Ausmaßen. Zusammen mit dem Geschäftemacher Bensington (Ralph Meeker), seiner Sekretärin Lorna (Pamela Franklin) und dem jungen Elternpaar Rita (Belinda Balaski) und Thomas (Tom Stovall) muss sich Morgan gegen das Monsterrattenpack zur Wehr setzen.

Eher stupid als stupend, und zudem recht weit weg von dem angeblich adaptierten H.G. Wells. Monstermacher Bert I. Gordon, der in den Siebzigern bei der AIP ein kurzfristiges Zuhause gefunden hatte, konnte hier erneut seiner prägenden Obsession für Riesenviecher aller Art nachgehen. Die Miniatur- und Projektionseffekte sind dabei mal mehr, mal weniger gut gelungen, in jedem Falle aber echte Hingucker. Warum der mit seinem Predigerwahn ohnehin beknackte Marjoe Gortner grundsätzlich einer der ersten ist, die mir beim Stichwort "unsympathische Schauspieler" einfallen, lässt sich anhand "The Food Of The Gods" eindrucksvoll feststellen. Der Kerl ist wirklich ein höchst unangenehmer Patron, selbst wenn er den Helden mimen soll. Ralph Meeker und Ida Lupino finanzieren sich ihren nächsten Arzttermin und fühlen sich sonst offenbar merklich fehl am Platze. Die eigentlichen Stars sind eben die Riesenbiester, allen voran die Albino-Oberratte, die wohl nicht von ungefähr an den seligen Ben erinnert.

5/10

Insel H.G. Wells Bert I. Gordon Trash Monster Belagerung Tierhorror


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HUMANOIDS FROM THE DEEP (Barbara Peeters, Jimmy T. Murakami/USA 1980)


"Boy, looks like we got us some problem here."

Humanoids From The Deep (Das Grauen aus der Tiefe) ~ USA 1980
Directed By: Barbara Peeters/Jimmy T. Murakami


Sie haben spitze Zähne, scharfe Krallen, riechen nach Fisch und sind alles andere Kostverächter: Mit den mutierten, mit Algen bedeckten Amphibienwesen aus den Untiefen des Pazifik ist überhaupt wenig Gutkirschenessen. Das bekommen besonders die Einwohner des nordkalifornischen Fischerstädtchens Noyo zu spüren, in deren Gefilden sich ein skrupelloser Konsrvenfabrikant angesiedelt hat, der mit den folgenden, unseligen Ereignissen in Verbindung zu stehen scheint. Nachdem die Lachspopulation merklich zurückgegangen ist, wird man bereits stutzig, dann werden plötzlich sämtliche Hunde abgeschlachtet und schließlich verschwinden die ersten Menschen. Die Wissenschaftlerin Dr. Drake (Ann Turkel) und die Fischer Jim Hill (Doug McClure) und Johnny Eagle (Anthony Pena) entdecken die furchtbare Wahrheit. Fischmenmschen kommen an die Oberfläche, um sich mit Memschenfrauen zu paaren und so ihre Evolution voranzutreiben. Dabei findet gerade das alljährliche "Salmon Festival" statt, zu dessen Anlass die gesamte Stadtbevölkerung auf den Beinen ist. Doch die Leute von Noyo brauchen keine Nationalgarde, sie erledigen ihr "Monsterproblem" in bester amerikanischer Hausmanier ganz allein.

Das nennt man dann wohl 'exploitation at its best'. "Humanoids From The Deep", stark beeinflusst von "Creature From The Black Lagoon", "Orca", "The Prophecy" und "Alien", ist sozusagen quintessenzieller Corman, in dem TV-Darsteller zweiter Hand, schleimige Kreaturen, blutige Monsterattacken und scharf geschnitte, entkleidete Damen sich die Klinke in die Hand reichen. Dabei ist zu vernehmen, dass zumindest die Regisseurin zunächst gar nicht von ihrem "Glück" wusste: Diese fertigte nämlich einen nach klassischen Maßstäben durchaus stimmigen und stilbewussten Monsterfilm namens "Beneath The Darkness", der thematisch zwar dem Endresultat glich, in dem die Vergewaltigungen durch die Ungeheuer jedoch bestenfalls als Schattenriss visualisiert wurden. Corman wollte jedoch einerseits deutliche inhaltliche Straffungen und andererseits expliziteren Sex. So musste 2nd-Unit-Regisseur James Sbardellati diverse Tittenszenen nachfilmen und einmontieren lassen, die sich in ihrer recht dreisten Zeigefreudigkeit dann auch merklich vom Rest des Films abheben. Allerdings dürfte die gute Mrs. Peeters so ziemlich die einzige sein, die sich daran störte, denn so, wie er jetzt aussieht, ist "Humanoids From The Deep" trotz höchst eingeschränkter Produktionsmittel in seiner Gewichtsklasse weithin perfekt und eine absolute Spaßgranate vor dem Herrn. Permanent passiert irgendetwas Aufregendes, es wird kein Klischee ausgelassen und nebenbei noch chargiert, dass sich die Balken biegen. Spritti Vic Morrow, der das Dosenbier in eine Kaffeetasse stellt um sein Helles per Henkel trinken zu können, stellt noch eine zusätzliche Bereicherung dar. Erlesener Billigstoff, sozusagen mit Katergarantie.

7/10

Kalifornien Monster Roger Corman Jimmy T. Murakami Barbara Peeters


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THE DEAD ZONE (David Cronenberg/USA 1983)


"The ice is going to break!"

The Dead Zone ~ USA 1983
Directed By: David Cronenberg

Der Lehrer Johnny Smith (Christopher Walken) liegt infolge eines schweren Autounfalls fünf Jahre im Koma. Nachdem er wieder erwacht ist, bemerkt er an sich das "Zweite Gesicht", eine Fähigkeit, die sich bereits vor dem Unfall latent zeigte, nun jedoch vollends ausgereift ist. Wenn Johnny jemanden berührt, erfährt er wahlweise dessen tiefste innere Geheimnisse oder kann etwas über die Gegenwart und die Zukunft des betreffenden Individuums sagen. Zeitgleich mit der Ausprägung seiner PSI-Kräfte verschlechtert sich allerdings auch Johnnys Gesundheitszustand. Nachdem er mehreren Menschen das Leben retten und einen Serienmörder (Nicholas Campbell) stellen konnte, gerät Johnny zufällig an den populistischen Politschreihals Greg Stillson (Martin Sheen), der, das sieht Johnny in einer Vision, dereinst den Dritten Weltkrieg auslösen wird. Für Johnny gibt es nurmehr einen Weg: Stillson um jeden Preis aufzuhalten.

Mehr als "Videodrome" ging nicht: Nach Cronenbergs sechs kanadischen Produktionen wurde endlich auch Hollywood auf den Genius aus dem Norden aufmerksam und engagierte ihn in der Person des Produzenten Dino De Laurentiis' unmittelbar nach "Videodrome" für die nächste, erfolgversprechende King-Adaption. Cronenberg zog es dann allerdings vor, allen Erwartungen und Prognosen ein Schnippchen zu schlagen und fertigte ein luzid erzähltes, mit Ausnahme einer einzigen Einstellung nahezu unblutiges und stilles Winterdrama um einen Hellseher wider Willen, der seine buchstäblich unfällig gewonnene Gabe keinesfalls als eine solche wahrnimmt. Christopher Walken, ohnehin einer der Größten, ist wiederum perfekt in der Rolle dieses einsamen Provinzhelden, der sein Schicksal als prophylaktischer Retter der Nation liebend gern gegen eine beschauliche Existenz mit seiner Liebsten (Brooke Adams) eintauschen würde. Diese hat es jedoch, ähnlich wie eine Soldatenfrau, die jahrelang vergeblich auf ein Überlebenszeichen ihres Mannes wartet, vorgezogen, auf Johnny zu verzichten und stattdessen ausgerechnet einen blassen Politjünger Stillsons zu ehelichen. So ist "Dead Zone" auch eine Reflexion über schicksalhafte Determination: Johnny Smith, der den unverbindlichsten amerikanischen Namen trägt, den man sich vorstellen kann, ist eine Art übersinnlicher Heilsbringer des Kalten Krieges, einer, der auf Kosten jedweder persönlicher Bedürfnisse die Menschheit retten muss und dafür von ihr gekreuzigt wird.

9/10

Serienmord Kalter Krieg David Cronenberg Winter PSI Castle Rock Stephen King


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VIDEODROME (David Cronenberg/CAN 1983)


"I live in a highly excited state of overstimulation."

Videodrome ~ CAN 1983
Directed By: David Cronenberg


Max Renn (James Woods), Intendant des kleinen Torontoer Fernsehsenders Civic-TV, ist stets auf der Suche nach der großen Programmsensation. Als ihm das abgefangene Signal eines Pittsburgher Piratensenders namens "Videodrome" zugespielt wird, frohlockt Max: Authentisch wirkende Folter und Gewalt gibt's da zu sehen, auf ihn höchste Faszination ausübend. Max gerät gleich nach seinem ersten Videodrome-Erlebnis in einen Strudel aus Visionen und Halluzinationen. Tatsächlich verbirgt sich hinter Videodrome eine Art Techno-Anarchisten-Zelle unter dem Vorsitz des sich offiziell als Optiker gebenden Barry Convex (Leslie Carlson), die Max zum Botschafter und Verbreiter ihrer Videosuggestion ausersehen hat und ihn außerdem zum willenlosen Attentäter macht. Doch es gibt noch eine Gegenseite: "The New Flesh", die den zum organischen Videorecorder gewordenen Max kurzerhand umprogrammiert und ihn gegen die Leute von Videodrome ins Feld schickt.

Absolute Cronenberg-Königsklasse, ein Film, der immer größer und toller wird, desto öfter man ihn sieht und den man daher gar nicht oft genug sehen kann. Von allen dramaturgischen Zwängen befreit und losgelöst von jedweder erzählerischen Konvention ist der Filmemacher und Autor David Cronenberg seiner eigenen künstlerischen Philosophie vermutlich nie wieder so nahe gekommen wie mit "Videodrome". Hier sind es keine verrückten Mediziner oder Pharmakologen, die für den totalen "body horror" verantwortlich sind - hier kommt das Grauen nirgends anders her als aus uns selbst, autosuggestiv, als einzig probates Strafmaß für unseren zivilisatorischen, pathologischen Voyeurismus. Wer sie schätzt, die Mattscheibengewalt, sie als sexuelles Stimulanz benötigt und ferner bereit ist, sie mit anderen zu teilen, der macht sich zum verdienten Sklaven: Max Renn wird zum Brutalitäts-Junkie, zum willfährigen Folgeleister seiner eigenen Halluzinationen und schließlich, in letzter Konsequenz, zum Instrument politischer Gewalt. Eine unerbittlichere Kritik an den Massenmedien gab es seit "Videodrome", wenn überhaupt, nurmehr selten.
In einer Phalanx befindlich mit "Network" und "Natural Born Killers", den großen TV-Dystopien der Nachbardekaden, wobei "Videodrome" nicht nur chronologisches Zentrum dieser "Trilogie", sondern vielleicht ihr wichtigstes, elementarstes Mosaikstück ist.

10/10

Kanada Toronto David Cronenberg Video Splatter Fernsehen Paraphilie Terrorismus Satire


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RABID (David Cronenberg/CAN 1977)


"Free at last!"

Rabid (Der Überfall der teuflischen Bestien) ~ CAN 1977
Directed By: David Cronenberg


Nach einem schweren Motorradunfall wird die junge Rose (Marilyn Chambers) in einer nahe gelegenen Klinik von dem Schönheitschirurgen Dr. Keloid (Howard Ryshpan) operiert. Kelod hat ein brandneues Verfahren für Hauttransplantate entwickelt, bei dem die betreffenden Partien genetisch modifiziert werden. Einige Wochen später erwacht Rose aus dem Koma und spürt sogleich eine Änderung an sich: Unter der linken Achsel ist ihr eine ominöse Hautöffnung gewachsen, in der sich ein giftiger Stachel verbirgt. Jener hat die Funktion, unglückseligen Menschen ihr Blut auszusaugen - von nun an Roses einzige Nahrungsquelle. Zwar sterben Roses Opfer nicht sogleich, sie werden jedoch nach kurzer Inkubationszeit tollwütig und infizieren weitere Personen. Innerhalb kurzer Zeit wird Montreal von einer Seuche überrannt, die die unwissende Rose verursacht hat...

Every rose has its thorn - für die Rose in seinem zweiten Langfilm holte sich David Cronenberg die Porno-Aktrice Marilyn Chambers, nachdem die Erstwahl Sissy Spacek nicht zur Verfügung stand. Wieder geht es um den Fluch von Medizin und Pharmazie, bei Cronenberg zwei unselige Wissenschaftszweige, die nicht die gewünschte Erlösung, sondern den großflächigen Tod bringen. Wie schon in "Shivers", in dem die Parasitenopfer zu sex maniacs werden, ist dieser Topos auch hier deutlich sexuell konnotiert: unschwer erkennbar symbolisiert Roses Achselöffnung eine Art Zusatzvagina und der darin enthaltene, pulsierende Stachel eine Extra-Klitoris, vielleicht auch einen dem Körper zunächst unangemessen erscheinenden Penisersatz. Mit diesem brisanten neogynen Arsenal geht die von ihrem Softi-Freund Hart (Frank Moore) offensichtlich sexuell schwer unterforderte Rose auf Beutefang. Ihre Opfer sind dabei entweder von ihr erotisch angezogen (wollen sie vergewaltigen oder zum Sex nötigen) oder werden offensiv von ihr umgarnt und dann tödlich umarmt. Eine kaum verklausulierte Sex-Pandemie, hinter deren Ausmaßen sich jede Syphilis verstecken kann, ist die unausweichliche Folge dieser merkwürdigen Promiskuitätsform. Eines von Roses Opfern (Terry Schonblum) läuft mit einer Freud-Biographie durch die Gegend und beteuert, sie wisse "gar nicht, was sie davon halten" solle. Well, let it speak for itself.

9/10

Kanada Madness Weihnachten Montreal David Cronenberg Splatter Virus Medizin Vampire


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FROM DUSK TILL DAWN (Robert Rodriguez/USA 1996)


"I suck!"

From Dusk Till Dawn ~ USA 1996
Directed By: Robert Rodriguez


Die beiden Bankräuber Seth (George Clooney) und Richard Gecko (Quentin Tarantino) fliehen, eine immense Blutspur hinterlassend, in Richtung mexikanische Grenze. Um diese unerkannt überqueren zu können, kidnappen sie den verwitweten Ex-Prediger Jacob (Harvey Keitel) und seine beiden Kinder (Juliette Lewis, Ernest Liu). Auf der anderen Seite der Grenze wollen die Geckos in einer Bar namens 'Titty Twister' die Wartezeit auf ihre El-Rey-Connection Carlois (Cheech Marin) verkürzen. Jener Schuppen entpuppt sich als Vampirnest und die folgende Nacht als lang und blutig.

Damals im Kino war "From Dusk Till Dawn" ein ziemlich prägendes Erlebnis, da Werke mit einem vergleichbaren Gore-Impact, dazu ungekürzt, zu dieser recht sauberen Filmperiode eine relative Rarität darstellten. Insofern gab es massig Anlass zum Feiern und Lachen, auch deshalb, weil die Pfade, auf denen Rodriguez' und Tarantinos erklärtes Reminiszenezenkino noch bei weitem nicht auf so breitgetretenen Pfaden wandelte, wie es heute ein Film Marke "Machete" zu tun pflegt. Dennoch muss wohl jeder aufrichtige Freund von "From Dusk Till Dawn" zugeben, dass die Erkenntnis der "Masche" sich im Laufe der letzten fünfzehn Jahre doch zunehmend aufgedrängt hat. Mancher Spruch scheint ausgelutscht bis Feuerland, mancher Vampireffekt tradiert und albern. Dennoch bildete das hier eine gewisse Pionierleistung mit ihrer wahrhaft traumhaften Exploitation-All-Star-Cast bis in kleine Nebenrollen, einem buchstäblichen Schwanzduell zwischen den Blutskonkurrenten Tom Savini und Greg Nicotero und ganz gezielt direkt übernommenen Einstellungen aus bereits manifesten Kultfilmen wie "Up!" oder "The Thing". Trotzdem, die Zeiten, da ich mir "From Dusk Till Dawn" mindestens einmal die Woche anschauen konnte, sind mit meinem Älterwerden passé geworden. Eigentlich ganz gut so, wie ich just feststellen konnte.

7/10

Hommage Robert Rodriguez Mexiko Quentin Tarantino Alkohol Texas Vampire Splatter Kidnapping


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MOTHER'S DAY (Darren Lynn Bousman/USA 2010)


"I hate disco!"

Mother's Day ~ USA 2010
Directed By: Darren Lynn Bousman


Drei Einbrecher (Patrick John Flueger, Warren Kole), einer davon (Matt O'Leary) schwer verletzt, wollen sich nach einem missglückten Bankraub in ihrem alten Haus verschanzen, wissen jedoch nicht, dass es bereits vor einigen Jahren verkauft wurde. Nunmehr wohnt dort das Yuppie-Ehepaar Beth (Jaime King) und Daniel Sohapi (Frank Grillo), welches gerade einige Gäste zu einer Party im Hause hat. In punkto Demütigung, Folter und Drangsale also massig zu tun für die Gangster, besonders, als deren geistesgestörte Mutter (Rebecca De Mornay) dort eintrifft...

Der Titel ist derselbe, zwei der Hauptfiguren heißen Ike und Addley. Und sie haben eine Mutter mit seltsamen Vorstellungen häuslicher Regelpflege. Jede weitere Ähnlichkeit mit Charles Kaufmans satirischem Splatter-Klassiker ist rein zufällig und vermutlich noch nichtmal gewollt. Der 10er-"Mother's Day" bietet nurmehr völlig abgeschmacktes, kalkuliertes und konventionelles Terrorkino für einen oberflächlichen Filmabend zwischen Popcorn und Handy. Liest sich reaktionär? Ist aber verdammt wahr, denn Bousman und sein noch recht unbeschlagener Autor Scott Milam interessieren sich weder dafür, dem renommierten Original jedwede Ehre zu erweisen, noch legen sie Wert auf das Mindeste eines jeden Spannungsfilms: Glaubwürdigkeit. Nahezu jede im Film auftretende Person verhält sich dermaßen dämlich und irrational, dass ihr zumeist kurzfristig folgender Filmtod zur Erlösung geriert. Ohnehin ist einem, ein kapitaler Missgriff für ein sich diesem Horror-Subgenre zurechnendes Werk, recht schnell egal, was mit den Geiseln geschieht, da jeder einzelne von ihnen ein Arschloch ist, das ich sofort und ohne zu zögern von meiner persönlichen Freundesliste streichen würde angesichts einer ähnlichen Situation. Mann, mit welch personellem Gesocks man sich so herumschlagen muss im neumodischen Kino. Glaube ferner kaum, dass man hier eine schwarze Ethik-Studie im Sinn hatte, wobei, wenn Bousman seine "Saw"-ähnlichen Entscheidungs- und Kausalitätssituationen auffährt (und davon hat's gleich mehrere), kann man sich dessen auch nicht mehr sicher sein. Vor rund zwanzig Jahren gab's mal einen mediokren Krimi von Curtis Hanson, der hieß "The Hand That Rocks The Cradle" und hatte die De Mornay in einer ganz ähnlichen Rolle, was mich clevererweise dazu veranlasst, "Mother's Day" eher als ein inoffizielles Sequel von selbigem denn als Remake zu betrachten.
Dann ebbt der Ärger über das Gebotene auch gleich wieder etwas ab, und man kann ganz entspannt dem phänotypischen Sadismus des Horror-Aficionados stattgeben, den es ja doch immer wieder freut, wenn das Fleischermesser sein entseeltes Futter bekommt. Mjam.

4/10

Familie Remake Terrorfilm Darren Lynn Bousman Kidnapping Home Invasion





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Funxton

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