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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LA CASA SPERDUTA NEL PARCO (Ruggero Deodato/I 1980)


Zitat entfällt.

La Casa Sperduta Nel Parco (Der Schlitzer) ~ I 1980
Directed By: Ruggero Deodato


Der verrückte Frauenmörder Alex (David Hess) und sein unterbelichteter Kumpel Ricky (Giovanni Lombardo Radice) landen per Zufall auf einer Manhattaner Snobistenparty und zeigen der hochtrabenden Sozialelite, was sie von deren widerwärtiger Arroganz halten.

Im Vergleich zu dem ja sehr visuell angelegten "Cannibal Holocaust" lässt sich "La Casa Sperduta Nel Parco" von einem eher psychologischen Terror tragen, der ferner auch noch weitaus subtiler arbeitet und greift als in den unmittelbaren Vorbilden "Last House On The Left" und "L'Ultima Treno Della Notte". "La Casa" findet sich dann eher in der Nähe zu Baldis kurz zuvor entstandenem "La Ragazza Del Vagone Letto", in dem ebenfalls das Terrormotiv einer drangsalierten Gruppe von bourgeoisen Hochnasen mit unpassenden Softsex-Elementen angereichert wird und der physische Gewaltfaktor im Prinzip am Boden bleibt. David Hess als Alex liegt - so suggeriert uns Deodato - gar nicht mal so verkehrt, wenn er die Society-Schnepfen auf der Party als unbefriedigte Emanzen abtut - der "Beweis" findet sich in der Koitusszene mit der ausnehmend hochmütig gezeichneten Lisa (Annie Belle), die durch ihre wohlfeil getarnten Lockrufe maßgeblich mitverantwortlich gemacht wird für Alex' Ausraster und sich als von seinen Liebeskünsten im "Upstairs-Séparé" durchaus angetan zeigt.
Es gibt zwar Prügel und ein paar handelsübliche Demütigungen hier und da, wirklich zu Tode kommt am Ende aber nur einer - und dabei handelt es sich (natürlich) um den verklausulierten Sozialrebellen und proletarischen Aufbegehrer, der abermals gegen die Privilegierten verliert. Eine seltsam verdrehte Katharsis. Dass dieser, für das italienische Genrekino dieser Zeit keinesfalls untypische und seine Wurzeln im Spaghetti-Western findende, gesellschaftspolitische Aspekt hier per Holzhammer vorgetragen wird, kann man sich bereits im Vorhinein denken und schmecken muss es einem glücklicherweise auch nicht.
Ein wenig unpassend zu dem anfänglich eingeleiteten Bild von Manhatten wirkt freilich die Architektur der unzweifelhaft in Italien gefilmten Villa. Dafür haut die perfekt zum Film passende, schmierige deutsche Synchronisation um Manfred Lehmann und Lutz Mackensy, die, so vermute ich, zwischen der Vertonung von zwei Pornos angefertigt wurde, alles von der Platte. David Hess als Urvater aller Haustyrannen macht seinem Ruf wieder mal alle Ehre. Seine in vordringlicher Zeitlupe zelebrierte Mimesis als ihn der entscheidende Pistolenschuss ins manneskräftige Zentrum ereilt, ist jedenfalls denkwürdig.

6/10

Ruggero Deodato Nacht Yuppie New York Terrorfilm Europloitation Serienmord


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RISING SUN (Philip Kaufman/USA 1993)


"Business is war."

Rising Sun (Die Wiege der Sonne) ~ USA 1993
Directed By: Philip Kaufman


Während der Fusionsverhandlungen zwischen einer kalifornischen und einer japanischen Microchipgiganten in L.A., die mit der Einweihung eines gigantischen Bürogebäudes des Nakatomi-Konzerns zusammenfallen, wird eine leichtlebige US-Schönheit (Tatjana Patitz) ermordet. Die Ermittlungen werden an den wegen Bestechungsverdachts geächteten Cop Web Smith (Wesley Snipes) und den japanophilen John Connor (Sean Connery) übergeben. Smith und Connor decken eine Industrieverschwörung auf, bei der sie selbst als Strohmänner fungieren sollten.

Die Romane von Michael Crichton markieren in der Majorität so wunderbare wie erzreaktionäre Zeitzeugnisse für die irrationalen Ängste des amerikanischen WASP-Mannes um die 40. In "Jurassic Park" ging es um die Furcht vor den unabsehbaren Auswirkungen von Gen-Manipulationen, in "Disclosure" um die maskuline Phobie betreffs weiblicher Emanzipationsanstrengungen, um nur zwei populäre, etwa zeitgleich fürs Studiokino adaptierte Beispiele zu nennen. "Rising Sun" beziffert die Panik vor der Wirtschaftsmacht Japan, die quasi durch die Hintertür die amerikanische Industrie lahmlegen und übernehmen sollte. Zwar revidiert der Ausgangspunkt der Story schlussendlich insofern den inhaltlichen Kontext, als dass sich die Urheber des delikaten Mordfalls "nur" als die gierigen Handlanger der Firmenbosse entpuppen, der umfassende Grundgedanke der Story bleibt jedoch auch nach dem Film- bzw. Romangenuss omnipräsent.
Es ist stets ein Glück für verfilmte Trivialliteratur, wenn ein geistreicher Regisseur hinter dem Projekt steht; in diesem Falle der von mir sehr geschätzte, aus dem New-Hollywood-Dunstkreis stammende, seine vordergründig populistischen Themen in der Regel mit einer nur schwer greifbaren Süffisanz und Humorkonnexion behandelnde Philip Kaufman. Dass ein Mann, der sich unmittelbar vorher an Milan Kundera und Henry Miller verlustiert hat, nun für eine Crichton-Adaption zuständig ist, spricht Bände. Und tatsächlich bestärkt sich nach und nach der Eindruck, dass die Rollenklischees, die "Rising Sun" durch die Bank bedient, bloß bewusst grobe Überzeichnungen sind: Der in Kampftechniken bewährte, afroamerikanische Machobulle hier, der weise (und weißbärtige) Papa-Gaijin-Schlumpf, der sich asiatischer gibt als Konfuzius und am Ende doch bloß so viel Japan repräsentiert wie die Form seiner Augen, der lebenslustige, sich den Verlockungen des Westens hingebende Yakuza (Cary-Hiroyuki Tagawa), der miese US-Bulle am anderen Spektrumsende (Harvey Keitel), der altehrwürdige japanische Großmogul (Mako), der kriecherische amerikanische Geldsack (Kevin Anderson), der korrupte Politiker (Ray Wise), der schleimige Reporter (Steve Buscemi). Alles drin, alles dran. Wenn man "Rising Sun" als das begreift, was er - zumindest in seiner klugen Filmgenesis - tatsächlich ist, nämlich als bitterböse Satire auf das bedingungslose, amerikanisch-imperialistische Abzielen auf allumfassende Kulturassimilierung, dann ist er hochinteressant. Als vordergründiger Wirtschaftsthriller erreicht er leider nur gehobenes Mittelmaß.

7/10

Philip Kaufman Michael Crichton Verschwoerung Los Angeles


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ARLINGTON ROAD (Mark Pellington/USA 1999)


"Boom."

Arlington Road ~ USA 1999
Directed By: Mark Pellington


Michael Faraday (Jeff Bridges), Professor für amerikanische Geschichte an der Washingtoner Uni, Terrorismus-Experte und Witwer mit zehnjährigem Sohn (Spencer Treat Clark) findet seinen Neuen Nachbarn Oliver Lang (Tim Robbins) und dessen Familie zunächst durchaus sympathisch, bis das Ungeheuerliche für ihn Gestalt annimmt: Lang, der in Wirklichkeit William Fenimore heißt, ist ein Terrorist, der bereits mehrere verheerende Bombenanschläge zu verantworten hat und jetzt etwas in der Hauptstadt plant.

Ganz spannender Paranoia-Thriller, der natürlich dann am besten ist, wenn er sich als Vexierspiel für Michael Faradays angegriffene Psyche verkauft und das blinde Umhertaumeln zwischen Gewiss- und Unsicherheit illustriert, mittels dessen der Gute seine Verdachtsmomente verfolgt. Als dann irgendwann klar ist, in welche Richtung der Hase läuft, wird "Arlington Road" bis zur wiederum überraschenden Klimax zum konventionellen, jedoch stets unterhaltsamen Genrefilm.
Der aus dem Videoclip-Segment kommende Pellington kann dabei kaum verhehlen, dass er als Regisseur ein oberflächlicher Arbeiter ist, der zwar über die nötige fachliche Kompetenz verfügt, jedoch weder so tief in die zugrunde liegende Geschichte eintauchen kann, das sie wirklich greifbar wird, noch dass er vermutlich jemals einen echte eigene Signatur als Filmemacher entwickeln wird. Das Meiste verdankt er seinen exzellenten Hauptdarstellern, speziell einem selten diabolischen Tim Robbins.

7/10

Terrorismus Washington D.C. Mark Pellington Vorort


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SHUTTER ISLAND (Martin Scorsese/USA 2010)


"You're a rat in a maze."

Shutter Island ~ USA 2010
Directed By: Martin Scorsese


1954 kommt der US-Marshal Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) mit seinem neuen Kollegen Chuck (Mark Ruffalo) nach Shutter Island, einer kleinen Insel, auf der sich Ashecliffe, ein Sanatorium für kriminelle Geisteskranke befindet. Eine Insassin namens Rachel Solando, die hier ist, weil sie angeblich ihre drei Kinder ertränkt hat, soll aus ihrem Zimmer entflohen sein und sich nun irgendwo auf der Insel versteckt halten. Während Teddy und Chuck nach Rachel suchen, mehren sich Hinweise, dass auf der Insel etwas nicht stimmt: Wer ist der obskure Dr. Naehring (Max von Sydow)? Und was ist mit dem anscheinend unaffindbaren Patienten Nr. 67? Könnte es sich bei diesem tatsächlich um Andrew Laeddis (Elias Koteas) handeln, jenen Mann, der als pyromanisch veranlagter Hausmeister das Leben von Teddys Frau (Michelle Williams) auf dem Gewissen hat?

Es ist gut, über "Shutter Island" inhaltlich so wenig als möglich zu wissen, erst dann erschließt sich einem die ganze Wucht und das ganze Drama dieses von Scorsese wiederum formidabel inszenierten Films. Nach dem ersten Sehen darf ich mich als nachhaltig überwältigt bezeichnen von der unermüdlichen Kunstfertigkeit, mit der der Altmeister dieses neuerliche Meisterstück zu Wege gebracht hat. Vieles ist mir gleich in Auge und Ohr gefallen, jenes Oszillieren zwischen der Illustration der Vergangenheit und dem Einsatz modernster technischer Mittel etwa, die so nur ein Filmemacher hinbekommt, der beides selbst erlebt hat und mit beidem virtuos zu hantieren weiß, oder der exzellente, die mysteriöse Atmosphäre von "Shutter Island" entscheidend mittragende und -gestaltende Score von Robbie Robertson.
Reisen in zur Abseitigkeit neigende Psychen im Film finde ich prinzipiell hochinteressant, besonders, wenn sie auf so unangekündigte und subtile Weise praktiziert werden wie hier. Ich mochte im Gegensatz zu vielen anderen, die ihn bloß für ein billiges, im Establishment verankertes Oscarvehikel halten, auch Howards "A Beautiful Mind" sehr, an den mich "Shutter Island" am Ende stark erinnert hat. Die Finalisierung als Duell zwischen konservativer und offener Psychiatriepraxis mit ungesundem Ausgang setzt schließlich einen grandiosen Schlusspunkt. Ein toller, sogar ein überragender Film!

9/10

period piece Martin Scorsese Psychiatrie Dennis Lehane


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THE DOMINO PRINCIPLE (Stanley Kramer/USA, UK 1977)


"How long has this been going on?"

The Domino Principle (Das Domino Komplott) ~ USA/UK 1977
Directed By: Stanley Kramer


Der in San Quentin einsitzende Scharfschütze und Vietnam-Veteran Tucker (Gene Hackman) erhält von dem geheimnisvollen Regierungsbeamten Tagge (Richard Widmark) ein verführerisches Angebot: Gegen seine Freilassung soll er einen Auftrag für irgendeine supergeheime Behörde übernehmen. Tucker geht, besonders der Aussicht wegen, endlich seine Frau (Candice Bergen) wiederzutreffen, darauf ein. Bald jedoch stellt er fest, dass er zum Spielball innerhalb einer brisanten Verschwörung geworden ist, deren Hintermänner nicht nur äußerst skrupellos agieren, sondern Tucker als Zahnrädchen bereits vor vielen Jahren eingeplant haben.

Die Idee von The Domino Principle", die kafkaeske Ausgangssituation eines blind umhertaumelnden Helden und geheimer Verschwörungsaktionen, die die Geschicke der Welt aus dem Schatten heraus leiten, ist bestimmt keine schlechte. Allein ihre Realisation - wohlgemerkt ist dies die letzte Regiearbeit des großen Stanley Kramer - hapert. Dabei sieht auf den ersten Blick alles so vielversprechend aus: Eine formidable Besetzung, illustre Schauplätze und die traditionelle Verankerung bei den großen Paranoia-Thrillern dieser Dekade, zu denen Gene Hackman selbst als Abhörspezialist in Coppolas "The Conversation" ja einen der besten Beiträge lieferte. Doch "TheDomino Principle" fehlt es an Elementarem: Weder vermag die Dramaturgie, Spannung zu evozieren, noch löst der Film seine Prämisse als Actioner ein. Im Gegenteil zieht sich alles bald ereignislos dahin, bleibt vorhersehbar und erschöpft sich in wenigen Momenten der Vorhersehbarkeit. Kramer ist, wie viele seiner Kollegen, die um diese Zeit ihre letzten Filme ins Kino gebracht haben, schlag nach bei Sturges, Zinneman, Hawks, Wilder, Aldrich, Siegel etc., bisslos und ausgelaugt geworden und scheint beinahe bereitwillig Platz machen zu wollen für die Nachfolgegeneration. Schade. So ist "The Domino Principle" auch kein wirklich schlechter Film, sondern schlicht ein müder.

6/10

Paranoia Stanley Kramer Gefaengnis Verschwoerung Mexiko


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SRPSKI FILM (Srdjan Spasojevic/CS 2010)


Zitat entfällt.

Srpski Film (A Serbian Film) ~ CS 2010
Directed By: Srdjan Spasojevic


Um seine Familie finanziell absichern zu können, geht der für seine Standhaftigkeit berühmte Ex-Pornodarsteller Miloš (Srdjan Todorovic) auf das so verlockende wie seltsame Angebot des offenbar wohlhabenden Vukmir (Sergej Trifunovic) ein: Einen pornographischen Film auf höchster Kunstebene will dieser schaffen; einen, der nichts weniger abbilden soll als das Leben selbst. Ein Exposé oder gar Script existiert nicht, der etwas misstrauische Miloš nimmt angesichts der ihm in Aussicht gestellten, astronomischen Gage jedoch trotzdem an. Schon nach den ersten paar Drehtagen entdeckt Miloš, dass er einem gefährlichen Psychopathen aufgesessen ist und will kündigen - doch der Teufel besteht nunmal auf die gänzliche Erfüllung mit ihm abgeschlossener Verträge...

"Srpski Film" ist eines der leuchtendsten Beispiele für bakterielles - Verzeihung - virales Internet-Marketing der unfreiwilligen Sorte, auf dass ich (ich muss es zähneknirschend zugeben) selbst ziemlich entflammt ansprang und es nun mit dem vorliegenden Bericht fortpflanze. Empört und entsetzt viele Aussagen betreffs des Films - eine Wichsvorlage für Perverse sei er, die am besten aus dem Verkehr gezogen gehörte, so die einen. Andere glauben, ein sensationelles kleines Kunstwerk aus filmisch benachteiligter Region gesehen zu haben. Nicht minder interessant die emotionalen Reaktionen: da ist zu lesen, wie schwarzhumorig der Film doch sei und dass die Effekte ja jederzeit als solche erkennbar wären; überhaupt rege das Ganze mehr zum Lachen an als dass es schockieren könne. Dann wird moniert, dass die innerpolitischen Implikationen ein Witz seien und dem Renommee der Region alles andere als zuträglich, nachdem unflätiger Stoff wie die beiden "Hostel"-Filme die slawischen Teile Europas bereits aufs Heftigste diskreditiert hätten. Wie meistens bewegt sich die Wahrheit irgendwo dazwischen, zumindest was mich und meine Eindruckswelten anbelangt. Zunächst einmal erreicht der Darstellungsradius tatsächlich Sphären, in die der kommerzielle Spielfilm bislang selten vorgestoßen sein dürfte, so er sie überhaupt jemals angekratzt hat. Natürlich sind die betreffenden Szenen des im Ganzen nicht nur außerordentlich professionell und stilsicher gefertigten, sondern zudem ästhetisch erlesenen Films bewusst provokant und zweckmäßig angelegt und ganz eindeutig Teil einer mit dem Entsetzen Business treibenden, spekulativen Art des Filmemachens. Es obliegt wie immer jedoch dem Verantwortungs- und Aufgabenbereich des mündigen Rezipienten, ob und in welcher Form er sich davon blenden, instrumentalisieren oder affizieren lässt. Die meisten "abgehärtet" erscheinenden respektive der Inszenierung abseitige Komik unterstellenden Reaktionen wirken auf mich jedenfalls eher wie rührende Selbstschutzgestaden denn wie authentische Gleichgültigkeitsbekundungen. Es verhält sich wohl so: wer mit dem Genre vertraut ist und bisher dessen Auswürfe ertragen konnte, ohne den Blick abzuwenden, der wird jedenfalls auch mit "Srpski Film" fertig werden, irgendwie. Immerhin transportiert das Werk einen gewichtigen Teil des Wesens radikaler Kunst: Es taugt vortrefflich (und natürlich vorsätzlich) dazu, Diskussionen zu entfachen. Im Bereich des transgressiven Kinos ist Spasojevics Film aus vielerlei Gründen eine Entdeckung und der vielversprechende Regisseur jemand, den man gewiss im Auge behalten sollte. In jedem Falle lohnt es sich, eigene Impressionen walten zu lassen.

7/10

Skandalfilm Splatter Srdjan Spasojevic Parabel Serbien Film im Film torture porn Transgression Snuff


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ILSA, THE TIGRESS OF SIBERIA (Jean LaFleur/CAN 1977)


"Tomorrow, every single of you cries will remind you of this very minute!"

Ilsa, The Tigress Of Siberia (Ilsa - Die Tigerin) ~ CAN 1977
Directed By: Jean LaFleur


Sibirien, 1953: Ilsa (Dyanne Thorne) befehligt im Namen der stalinistischen Diktatur ein Gulag irgendwo inmitten der unendlichen Weiße. Wer nicht pariert, wird ihrer gefräßigen Tigerin Sasha zum Fraß vorgeworfen oder mittels zweier Eislöcher in einem See "kielgeholt", bis er steif gefroren ist. Des Nachts lässt sich Ilsa bei hinreichend Wodka von ihren "Kosaken" durchorgeln, dass kein Auge trocken bleibt. Als Stalin stirbt, brennt Ilsa mit das Lager nieder und flieht nach Kanada. Dort trifft sie, zwanzig Jahre später zur Unterweltkönigin gereift, Andrei Chirukin (Michel-René Labelle) wieder, ehemaliger Konterrevolutionär und besonders aufsässiger Gefangener, der einst sogar Sasha mit einer Schaufel den Schädel zertrümmert hat. Beide haben noch eine Rechnung miteinander zu begleichen...

Der Kanadier LaFleur übernahm für diesen "Ilsa"-Film das Regiezepter von Don Edmonds - eine Entwicklung, die dem Franchise keineswegs schadet. Die sich erst nach zwanzigjähriger Pause vervollkommnende Erzählspanne ist keine schlechte Idee, ebensowenig wie der Einfall, Ilsa zu einer Art weiblicher Mixtur aus Fu-Manchu und Dr. Mabuse zu kultivieren, die gnadenlos die Herrschaft über die Montrealer Rotlichtbezirke einfordert. Sogar der Bereich Science Fiction wird gestriffen, denn Ilsa hat den "Ordinator" erfunden, eine Maschine, die die tiefsten, unterbewussten Ängste ihrer Opfer sichtbar machen und in lebensechte Halluzinationen umwandeln kann. Mithilfe einer Art sowjetischer Delta Force kann Andrei jedoch seiner tiefsten Angst - der Kastration - in letzter Sekunde entgehen und Ilsa zur Strecke bringen - leider endgültig, denn hernach ward sie wirklich nie mehr gesichtet.
Der letzte Film der Reihe ist mit einigen kruden Einfällen, die denen der ersten beiden Teile in nichts nachstehen, nochmal ein echter Hingucker geworden. Dadurch, dass LaFleur auf die aus "She Wolf" und "Harem Keeper" gewohnte zeitliche und lokale Hermetik verzichtet und das langsam ermüdende Sadismus-Motiv mit einer Rache- und Gangstergeschichte verquickt, in der ausnahmsweie sogar mal die Sowjets die Helden sein durften, ist dem Unterhaltungsfaktor mehr als dienlich.
Außerdem möchte ich gern nochmal eine Lanze brechen für die grandiose Berliner Synchronisation der beiden letzten "Ilsas" ("She Wolf" wurde aus naheliegenden Gründen nie offiziell in Deutschland gezeigt): Neben Brandt-Gattin Ursula Heyer, die eine kongeniale Stimme für Dyanne Thorne mitbringt, hört man so ziemlich alles, was in der Berliner Szene Rang und Namen hat(te). Wundervoll schmierige Unterhaltung für den Freund (außer)ordentlich stinkenden Käsekinos.

6/10

Sibirien Stalinismus torture porn Exploitation Rache Sequel Independent Gulag Ilsa-Reihe


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ILSA, HAREM KEEPER OF THE OIL SHEIKS (USA, CAN 1976)


"I serve you to death, my master."

Ilsa, Harem Keeper Of The Oil Sheiks (Ilsa - Haremswächterin des Ölscheichs) ~ USA/CAN 1976
Directed By: Don Edmonds


Ilsa (Dyanne Thorne) ist jetzt Haremswächterin eines Ölscheichs (Jerry Delony). Ihre Tätigkeit steht der vorigen als Lager-Kommandeuse in nichts nach, auch im Nahen Osten darf sie reuelos foltern und morden, was das Zeug hält. Jegliches Aufbegehren wird im Keim erstickt, und wer doch mal den bedauernswerten Mund zu weit aufreißt, wird flugs zum Eunuchen gemacht. Erst ein amerikanischer Agent (Max Thayer) kann das Terrorregime des Scheichs brechen und Ilsa Schachmatt setzen - freilich erst, nachdem er sie auch auf dem Chaiselongue zugeritten hat.

Ein kleiner Kassenschlager wie "Ilsa: She Wolf Of The SS" bedarf - es liegt in der Natur der Sache - freilich einer Fortsetzung. Wie diese Ilsa es allerdings anstellt, von den Toten aufzuerstehen, nachdem ihr im Vorgängerfilm der Kopf weggeblasen wurde und um keinen Tag gealtert gute dreißig Jahre später bei den Auswirkungen Energiekrise mitzumischen, das bleibt eines ihrer vielen Geheimnisse. Sei's drum, Gelegenheit zu monumentaler Obsessivität bietet sich auch hier genug: Starlets aus allen Teilen der Welt werden entführt, in Keuschheitsgürtel gesteckt und dem Scheich gefügig gemacht - ohne groß aufzumucken übrigens. Ilsa hat zwei dunkelhäutige lesbische Leibwächterinnen, die permanent eingeölt sind und sie erfindet einen Kontaktsprengstoff, der ausschließlich für exzessiven Koitus gedacht ist. Wahnsinnszeug also wieder. Dass hier wiederum ein schick uniformierter US-Offizier die Kohlen aus dem Feuer holt und dafür sorgt, dass jeder Chevy auch im Folgejahr noch genug Sprit verheizen kann, ist Ehrensache - und ziemlich dummdreist-komisch.

6/10

Independent Ilsa-Reihe Don Edmonds Sequel torture porn Exploitation


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EYES OF A STRANGER (Ken Wiederhorn/USA 1981)


"Do you hear this? It's OUR song..."

Eyes Of A Stranger (Die Augen eines Fremden) ~ USA 1981
Directed By: Ken Wiederhorn


Weil sie sich mitschuldig fühlt an einer bereits Jahre zurück liegenden Vergewaltigung ihrer jüngeren Schwester Tracy (Jennifer Jason Leigh), die allerdings immense psychosomatische Traumata hinterlassen hat, engagiert sich die in Miami Beach tätige TV-Journalistin Jane Harris (Lauren Tewes) vordringlich im Kampf gegen Sexualverbrechen. Als in der Stadt ein Serienmörder (John DiSanti) aktiv wird, der seine weiblichen Opfer zu missbrauchen pflegt, bevor er sie tötet, sieht Jane ihre große Stunde gekommen. Bald stellt sie fest, dass der Psychopath im gleichen Wohnungskomplex lebt wie sie und ihre Schwester...

Ken Wiederhorn zählt zu jenen bedauernswerten Genre-Regisseuren, um deren Karriere es nie sonderlich glücklich bestellt war, obschon bei einigen Filmen durchaus brauchbare Ansätze zu verzeichnen sind, sei es, weil Wiederhorn eine ordentliche Besetzung ("Shock Waves") zur Verfügung stand oder das betreffende Werk sich zumindest als interessant genug erwies, um zumindest in Fankreisen Bestand vorschützen zu können. Hinzu kommt ein recht unikaler Sinn für bizarren Humor, der sich vor allem in Titeln wie "King Frat" oder den beiden Sequels "Meatballs Part II" und "Return Of The Living Dead Part II" (man achte auf die charakteristische Vokabel "Part" vor der römischen Zwo) exponierte.
Selbstzitate galten unter den B-Regisseuren der frühen Achtziger - man denke nur an Frank Hennenlotter oder James Glickenhaus - als chices Zeichen für gesteigertes Selbstvertrauen, und so läuft "Shock Waves" auf dem Fernseher des ersten Filmopfers aus "Eyes Of A Stranger", der sich präsentiert als eine Art Hybrid aus "Rear Window", den Behindertenthrillern "Wait Until Dark", "See No Evil" und zeitgenössischen Serienkillermotiven. Die wenigen Mordszenen wurden von Tom Savini gewohnt drastisch gestaltet und frönen einem gewissen, unter Splatterfreunden durchaus standesgemäßem Sadismus - zudem darf die ethologische Komponente sich einer ungewöhnlich starken Gewichtung rühmen. Eine relative Rarität darüberhinaus die innerhalb der Erzählzeit früh angesetzte Entlarvung des Killers - wobei aufwendige Identitätsverschleierungen hier andererseits auch sinnlos gewesen wären. Über die mangelhafte Vertiefung der Killerpsychologie braucht man sich nicht zu beklagen, da so die für die Funktionalität von "Eyes Of A Stranger" unbedingt notwendige Bedrohlichkeit und Spannung aufrecht erhalten wird.

7/10

Splatter Ken Wiederhorn Serienmord Hochhaus


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CAPE FEAR (Martin Scorsese/USA 1991)


"You'll learn about loss."

Cape Fear (Kap der Angst) ~ USA 1991
Directed By: Martin Scorsese


Der mit Frau Leigh (Jessica Lange) und Tochter Danielle (Juliette Lewis) im beschaulichen Städtchen New Essex, Georgia lebende Anwalt Sam Bowden (Nick Nolte) findet sich auf buchstäblich schmerzhafte Weise mit den Sünden seiner Vergangenheit konfrontiert, als sein früherer Mandant Max Cady (Robert De Niro) nach vierzehnjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen wird. Bowden hatte seinerzeit wesentliche, die Glaubwürdigkeit von Cadys Opfer schmälernde Indizien unterschlagen, die den wegen Vergewaltigung Angeklagten hätten retten können. Cady weiß um Bowdens eigenmächtige Praxis und schwört grausame Rache an ihm und seiner Familie. Anfängliche, die Funktionalität der Familie unterminierende psychologische Attacken werden mehr und mehr zu blutiger Gewalt.

Als großer Kinofan und Cineast schätzt Scorsese J. Lee Thompsons großartigen "Cape Fear" und hatte daher auch weniger ein Remake als eine Reminiszenz im Sinn. Unter Verwendung der Originalpartituren von Bernard Herrmanns Musik und dem Einsatz alteingesessener versierter Profis wie etwa dem dp Freddie Francis, mit dem zusammen Scorsese das anamorphotische Breitbildformat (welches ihn bei der Arbeit am Spielfilm seither nicht mehr losgelassen hat) für sich entdeckt und eine absolut unvergessliche Bildsprache mitsamt einiger göttlicher Einstellungen kreiert, oder den drei Hauptdarstellern des Urfilms in Gastauftritten, geht diese Absicht wunderbar auf. Zwar differerieren manche der inhaltlichen Ansätze durchaus grundlegend - Bowdens Rolle etwa wird in der Neuverfilmung nachhaltig herabgewürdigt und entheroisiert, während Cady, der in der Gestalt Robert Mitchums noch süffisant und kühlen Kopfes zu Werke ging, hier eher zu einer Art höllischem Rachedämon stilisiert wird. Der Film traut sich sogar ein gehöriges Maß Brisanz zu, die besonders in jenen Szenen, in denen sich Cady heimlich die fünfzehnjährige, pubertierende Danielle gefügig macht, zur Geltung kommt. Leider werden diese Ansätze zugunsten des überaus konventionellen Finales allesamt wiederaufgegeben. Etwas mehr Konsequenz wäre hier das Tüpfelchen auf dem I gewesen.

9/10

Freddie Francis Suedstaaten Remake Martin Scorsese





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