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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE STING (George Roy Hill/USA 1973)


"If this thing blows up, the Feds will be the least of our problems!"

The Sting (Der Clou) ~ USA 1973
Directed By: George Roy Hill


Joliet, 1936: Die kleinen Trickbetrüger Johnny Hooker (Robert Redford) und Luther Coleman (Robert Earl Jones) nehmen versehentlich einen Geldboten (James Sloyan) des mächtigen New Yorker Gangsterbosses Doyle Lonnegan (Robert Shaw) aus - was dieser sich nicht gefallen lässt. Nur wenige Stunden später ist Luther tot und Johnny auf der Flucht. Im Süden von Chicago trifft er auf Henry Gondorff (Paul Newman), den ungekrönten Meister aller Abzocker. Zusammen mit ihm will sich Johnny auf subtile Weise an Lonnegan rächen und ihn dort treffen, wo's am meisten schmerzt: Bei seiner Geldbörse.

"The Sting", erst auf den dritten Blick als Sequel zu "Butch Cassidy & Sundance Kid" identifizierbar, wäre wohl das, was am Ehesten als einen 'Evergreen' bezeichnet. Primär durch inflationäre TV-Einsätze eingemeindet in den Kulturkanon der Bevölkerung, innig geliebt, hundertfach genossen und bald unwillkürlich auswendig gelernt. Der große Twist am Ende, bei dem selbst der Zuschauer genarrt wird, ist längst keiner mehr, weil sowieso ein jeder darum weiß. So entblättern sich im Laufe der Jahre und des wachsenden Liebgewinnens erst die anderen, eigentlichen Qualitäten des Films, ganz abseits von der Tatsache, dass er schmerzlich perfektes Erzählkino feilbietet. Obschon die Depressionsära im Umfeld von New Hollywood häufig anzutreffen ist - mit "The Sting" schufen Hill und Davd S. Ward womöglich das ultimative 'period piece', auf verblüffende Weise in seiner authentischen Reproduktion von Lokal- und Zeitkolorit und dabei doch zumindest betreffs einer winzigen Facette ein Puristengreuel - die Ragtime-Musik, die den Score bestimmt, war anno 36 längst schon wieder aus der Mode.

10/10

George Roy Hill Chicago Freundschaft period piece New Hollywood Great Depression


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COHEN & TATE (Eric Red/USA 1988)


"Tate is a madman, Mr. Cohen."

Cohen & Tate (Hitman) ~ USA 1988
Directed By: Eric Red


Der neunjährige Travis Knight (Harley Cross) ist der einzige Zeuge des Mordes an einem hochrangigen Mafiamitglied. Zusammen mit seinen Eltern (Cooper Huckabee, Suzanne Savoy) lebt er seitdem im Zeugenschutz in karger Provinz und bewacht von FBI-Agenten. Trotzdem schaffen die beiden Profikiller Cohen (Roy Scheider) und Tate (Adam Baldwin) es, Travis im Auftrag des Syndikats zu entführen und sämtliche der übrigen Anwesenden zu erschießen. Die über 350 Meilen lange, nächtliche Autofahrt nach Houston erweist sich dann als unerwartete Zerreißprobe: Der alternde Cohen hält seinen jungen Kollegen Tate für einen dilettantischen Irrwisch und lässt ihn dies - zu seinem persönlichen Zorn - zu jeder Sekunde spüren. Der Junge erfasst derweil die Animosität zwischen seinen Kidnappern und nutzt sie auf geschickte Weise, um die Männer noch weiter gegeneinander aufzuhetzen.

Angesichts seiner Autorenarbeit für "The Hitcher", "Near Dark" und "Cohen & Tate", die zusammen eine Art schwarze Road-Movie-Trilogie bilden, mutet es fast an wie eine Schande, dass Eric Red nicht sehr viel mehr hat bewerkstelligen können in den letzten zwanzig Jahren. "Cohen & Tate" stellt dabei ein besonders hervorstechendes Exempel dar für Reds ungeheure Präzision. Die strenge Beachtung der Einheit von Ort und Zeit lässt seinen Film - nebenbei Reds Kinodebüt als Regisseur - regelrecht kammerspielartig anmuten. Mit Ausnahme von Prolog und Epilog spielt sich die ganze Story praktisch ausschließlich im Auto und im Rahmen einer Nacht ab. Die Lichtquellen bilden die hell erleuchteten Raffinerien und Ölfelder an den texanischen Straßenrändern. Man steckt sozusagen unmittelbar drin im Drama, als säße man mit dem aufgeweckten Travis im Fond des Wagens und ringe selbst mit der Todesangst. "Cohen & Tate" ist darüberhinaus eine Hommage an die Kühle eines Melville, der ja den Profikiller zum einsamen Individuum mit übermächtigem Ehrenkodex verklärt hat. Der Hörgerät tragende Cohen personifiziert im Prinzip ein betagtes alter ego von Jeff Costello, das mit den Jahren zwar noch immer mit höchster Profesionalität zu Werke geht, jedoch gleichermaßen schwächelt, weil es innerlich längst resigniert hat und auf die eigene Ermordung durch einen Kollegen wartet. Seine "Gage" verdient er nurmehr für eine andere Person in seinem Leben - in Erwartung des baldigen Todes verschickt er noch rasch ein Geldkuvert an eine Verwandte, möglicherweise seine Frau oder seine Tochter; mit derlei müßigen Erläuterungen hält sich Red nicht weiter auf. Am nächsten sonnigen Morgen findet Cohen dann sein spätes und längst erwartetes Schicksal, freilich nicht, ohne ganz bewusst - eine letzte kleine Racheretour an seinen kindlichen Meister Travis - einen mutmaßlich schwer traumatisierten Jungen zurück zu lassen.
Brillanter Film. Eine Schande, dass es noch keine DVD gibt.

9/10

neo noir Kidnapping Eric Red Road Movie Nacht Profikiller Independent Texas


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AD OGNI COSTO (Giuliano Montaldo/I, E, BRD 1967)


Zitat entfällt.

Ad Ogni Costo (Top Job - Diamantenraub in Rio) ~ I/E/BRD 1967
Directed By: Giuliano Montaldo


Der soeben in Pension gegangene, ehemals in Rio de Janeiro tätige Englischlehrer Professor Anders (Edward G. Robinson) will seine Rente aufbessern, indem er vier über einen Mittelsmann (Adolfo Celi) angeheuerte Profis (Klaus Kinski, Robert Hoffmann, Ricardo Cucciolla, George Rigaud) einen Multimillionenraub in einem Hochsicherheitsgebäude gegenüber seiner früheren Arbeitsstelle durchführen lässt. Die nicht unproblematische Aktion verläuft exakt nach dem Plan des Professors, der sämtliche Eventualitäten eingerechnet hat - bis auf eine...

Im Stile von Dassin inszeniertes heist movie, das, wie bei italienischen Mainstream-Filmen üblich, aufgrund seines plagiatorischen Charakters zwar weder sonderlich innovativ noch sonstwie revolutionär, dafür aber kurzweilig und spannend um die Kurve kommt. Die ausführliche Einbruchsszene ist ziemlich toll, Montaldos Regie auch sonst durchweg professionell und Rio als Kulisse hält, was es verspricht. Einzig die moralische Keule, die bei den meisten Bruch-Filmen seit Hustons "The Asphalt Jungle" offenkundig unabdingbar zu sein scheint, nervt auch hier. Man wollte den Kriminellen, und mögen sie noch so symathisch sein, ehedem einfach keine Erfolge zugestehen. Sauerei, das.

7/10

Giuliano Montaldo Rio de Janeiro Heist Diamanten


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KURZ UND SCHMERZLOS (Fatih Akin/D 1998)


"Was'n los mit ihm?" - "Er versucht, erwachsen zu werden. Und wir hindern ihn dran."

Kurz und schmerzlos ~ D 1998
Directed By: Fatih Akin


Hamburg Altona. Der Türke Gabriel (Mehmet Kurtlus) wird aus dem Knast entlassen und schon sehnsüchtig von seinen beiden Busenfreunden seit Kindertagen, dem Serben Bobby (Aleksandar Jovanovic) und dem Griechen Costa (Adam Bousdoukos), erwartet. Wenig hat sich seit damals geändert: Gernegroß und Pseudo-Scarface Bobby ist soeben dabei, in die Albanermafia, respektive bei der Kiezgröße Muhamer (Ralph Herforth) einzusteigen; Costa begnügt sich mit kleineren Gaunereien und einem Tütchen von Zeit zu Zeit. Erste schwerwiegende Probleme bereiten die Frauen: Während Costas langjährige Freundin Ceyda (Idil Üner) - zugleich Gabriels Schwester - sich einen Neuen (Marc Hosemann) angelt und mit dem am Boden zerstörten Costa Schluss macht, verguckt sich Bobbys Mädchen (Regula Grauwiller) ausgerechnet in Gabriel. Als sich derweil Muhamer als brutaler, selbst vor Mord nicht zurückschreckender Gewaltverbrecher entpuppt, sieht sich Gabriel vor die Wahl gestellt: Verteidigung der Freudesehre oder Rückfälligwerden.

Fatih Akins rohes, grobkörniges und hartes Langfilmdebüt, im Grunde nichts anderes als eine deutsche "Mean Streets" - Variation, hat mich seinerzeit, als ich es (glücklicherweise gleich bei Erscheinen) zum ersten Mal sehen durfte, schwer überrollt. Akins unbestechlicher, zugleich herzlicher und ein wenig mitleidsvoller Blick für die kleinen Migrantenmöchtegerngangster aus der Hamburger Urbanität, die gerne so wären wie die großen Vorbilder aus dem (fiktionalen) italoamerikanischen Milieu oder von MTV, dabei aber doch bloß im Elfenbeinturm bedauernswerter Sozial- und Bildungsopfer verbleiben müssen, ist eine echte Einladung. Das so unterschiedlich geartete Freundestrio wächst dem Zuschauer - zumindest mit Ausnahme des schmierigen Ekels Bobby (eine mutige Leistung von Jovanovic, seinen Charakter so unangenehm auszuformulieren) - schnell ans Herz; besonders Bousdoukos, den Akin für "Soul Kitchen" endlich "wiederentdeckt" hat, repräsentiert eine unnachahmliche Authentizität. In seinen paar Gewaltszenen, obgleich visuell vergleichsweise rücksichtsvoll, erreicht "Kurz und schmerzlos" dann eine unglaubliche Intensität, mittels derer sich die zuvor aufgestaute, permanent bedrohliche Atmosphäre des Films klimaxgleich entlädt. Einer der beeindruckendsten mir bekannten Debütfilme.

9/10

Kiez Coming of Age Freundschaft Hamburg Fatih Akin


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UN PROPHÈTE (Jacques Audiard/F, I 2009)


Zitat entfällt.

Un Prophète (Ein Prophet) ~ F/I 2010
Directed By: Jacques Audiard


Mit neunzehn Jahren kommt Malik (Tahar Rahim) ins Zuchthaus um eine sechsjährige Haftstrafe abzusitzen. Nach kurzen lernt der junge, sich später zu einem Weissager mausernden Analphabet auf unangenehme Weise César Luciani (Niels Arestrup), den Chef der lokalen Korsenmafia kennen. César missbraucht Malik zunächst als Attentäter und lässt ihn einen unliebsamen arabischen Widersacher (Hitchem Yacoubi) ausschalten. Danach wird Malik mehr und mehr zu Césars rechter Hand und schließlich zu dessen engstem Vertrauten. Mithilfe seines neu gewonnen Freundes Ryad (Adel Bencherif) lernt Malik lesen und schreiben und reift zu einem scharfsinnigen Beobachter der ihn umgebenden Dinge. Als Malik schließlich Freigänge bei der Gefängnisleitung erwirkt, beginnt er, seine eigenen Pläne zu verwirklichen...

Ein Aufstieg; vom kleinen Gelegenheitsgauner zum mächtigen Gangsterboss: In seinem epischen, emotional hintergründigen Knastfilm demonstriert Jacques Audiard, wie das Rechtssystem seine Sanktionierungsmaßnahmen auf höchst widersinnige Art zur eigenen Nemesis herangedeihen lässt. Mal mehr, mal weniger stark inspiriert von den großen Klassikern des Genrefilms erzählt Audiard zwar keine sensationell neue Geschichte - der sich mehr und mehr emanzipierende Zögling in einer Verbrecherhierarchie verfügt bekanntermaßen über eine generationenlange Tradition -, verbindet diese jedoch mit seiner bereits aus "De Battre Mon Coeur S'Est Arrêté" bekannten, kühlen und wortkargen Perspektive. Audiard, wiederum auch stark orientiert an Melvilles sensorischem Blick, überlässt viel seinen starken Darstellern; der mehr als beachtenswerte Tahar Rahim erinnerte mich mit seiner unruhigen Physiognomie auf seltsame Weise an den jungen William Petersen aus "To Live And Die In L.A." und "Manhunter" und lässt mindestens genausoviele seiner umwälzenden psychischen Prozesse sich auf dem scheinbar reglosen Gesicht widerspiegeln wie eben weiland Petersen.
Wie extrem realitätsangebunden Audiard zu inszenieren weiß, wenn es darauf ankommt, lässt sich gleich anhand der Mordszene an Reyeb ersehen - eine der intensivsten ihrer Art, die Töten und Sterben als jeweils wahnsinnig anstrengenden Kraftakt zeigt und nur ganz schwer erträglich ist.

8/10

Mafia Jacques Audiard Gefaengnis


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BONNIE AND CLYDE (Arthur Penn/USA 1967)


"We rob banks!"

Bonnie And Clyde ~ USA 1967
Directed By: Arthur Penn


Texas, die große Depression: Als er versucht, den Wagen ihrer Mum (Mabel Cavitt) zu klauen, wird die junge Seviererin Bonnie Parker (Faye Dunaway) auf den Ganoven Clyde Barrow (Warren Beatty) aufmerksam - der Beginn einer halsbrecherischen Romanze, gepflastert mit Überfällen und Leichen.

"Bonnie & Clyde" ist nicht die erste Verfilmung der Mär um das neben John Dillinger bekannteste kriminelle Relikt aus der Depressionszeit. Bereits neun Jahre zuvor wurde das B-Movie "The Bonnie Parker Story" veröffentlicht. Unterschiedlicher können zwei Filme zu demselben thematischen Überbau allerdings kaum angelegt sein - Penns Werk gilt immerhin als elementarer Wegbereiter für New Hollywood. Auf das zertrümmerte Studiosystem traf mit Warren Beatty ein "actor-producer", der zugleich als eine der Galionsfiguren der neuen Bewegung gilt. Via unermüdlichem Einsatz und Protest gegen Entscheidungen, die die Kompetenzen des Teams zu schmälern drohten, erwirkte er für einen "kleinen" Filmemacher wie Penn bis dato undenkbare Freiheiten und sorgte schließlich dafür, dass trotz unentwegter Abneigungsbekundung durch Jack Warner die Wunschfassung des Regisseurs in die Kinos gelangte. Dieser zugrunde lag ein Script, das gern als Übertragung des Nouvelle-vague-Stils auf amerikanische Verhältnisse bezeichnet wird, mitsamt einer für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Montage und diversen formalen Regelbrüchen. Am Ende sterben die Antihelden in Zeitlupe - durchsiebt von unzähligen Kugeln aus den Maschinenpistolen der Polizei. Danach gibt es keinen Dialog mehr, keinen crane shot, keine Totale, kein gar nichts; das Publikum wird mit genau diesem Eindruck auf der Linse entlassen. Pures Understatement und unübersehbare Aufbruchsstimmung findet man in dieser Konsequenz selten so eindeutig formuliert. The dawning of a new era.

9/10

Great Depression Road Movie Arthur Penn New Hollywood Historie period piece Heist Couple on the Loose


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MEAN JOHNNY BARROWS (Fred Williamson/USA 1976)


"Why ain't I satisfied?"

Mean Johnny Barrows (Die Mafia kennt keine Gnade) ~ USA 1976
Directed By: Fred Williamson


Nachdem der hochdekorierte Vietnamkämpfer Johnny Barrows (Fred Williamson) unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde, vegetiert er als Penner im Großraum von L.A. und hält sich mit schlecht bezahlten Tagelöhnerjobs über Wasser. Als er eines Tages dem sympathischen Mafioso Mario Racconi (Stuart Whitman) begegnet, versucht dieser ihn, im Wissen um Johnnys "Talente", als Mann fürs Grobe anzuheuern. Doch Johnny lehnt trotz mehrerer großzügiger Offerten ab. Als Mario nebst seinem Vater (Luther Adler) und weiteren Beteiligten von der gegnerischen Da Vince-Familie zusammengeschossen wird - die Racconis weigern sich, in den Drogenhandel einzusteigen - lässt sich Johnny doch noch engagieren. Doch ein Feind sitzt dort, wo Johnny es am wenigsten vermutet.

Schleppend erzählter und langweiliger Blaxploiter, der zweierlei beweist: Zum einen, dass nicht aller Seventies-Exploitation-Glanz zwangsläufig ein goldiges Erlebnis verheißt und zum anderen, dass der "Hammer" Fred Williamson ein lausiger Regisseur ist. Oder zumindest war, seine späteren Arbeiten (immerhin noch 19 weitere, wie ich erstaunt festgestellt habe), sparen vielleicht zumindest den einen oder anderen der hier (noch?) angezeigten Mängel aus, keine Ahnung - "Mean Johnny Barrows" ist bislang der einzige Film von Williamson als Regisseur, den ich mir zu Gemüte geführt habe. Felsenfest steht für mich, dass die überaus selbstverliebte Inszenierung des sich häufig (möglicherweise auch semisatirisch) gern als tollster Hecht im Karpfenteich präsentierenden Ex-Profi-Footballers im Laufe des Films ein wenig zu akut wird und letztlich in keiner Relation steht zu dem Schmalhans-Küchenmeister-Geplänkel, das "Mean Johnny Barrows" ansonsten aufbietet. Es dauert eine gute Stunde, bis mal ein wenig Aktion ins Haus steht, vorher drängt sich uns an vorderster Front der Hammer auf: der Hammer, wie er durch die Straßen streift, der Hammer, wie er mit weißen Cops in Konflikt gerät, der Hammer, wie er im Hauseingang pennt, der Hammer, wie er mit Elliot Gould (in einem schönen Gastauftritt) in der Suppenküche steht, der Hammer, wie er von einem Tankstellenbetreiber (R.G. Armstrong) ausgenutzt wird. Gähn. Nebenbei installiert der Film noch flott den bei "The Godfather" abgeschauten Mafia-Zank. Am Schluss werden dann vier, fünf Pappenheimer abgeschossen und der in einer kläglichen Loserrolle aufspielende Roddy MacDowall buchstäblich versenkt. Ehrlich gesagt empfand ich selbst das forciert auf den Überraschungseffekt angelegte Ende als gegenteilig - nämlich wenig überraschend. Nee, da gibt's durchaus Spannenderes, mit dem man seine Zeit verplempern kann.

4/10

Mafia Vietnamkrieg Fred Williamson Veteran Blaxploitation Independent


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MEAN STREETS (Martin Scorsese/USA 1973)


"Motherfucker!... come on! I got somethin' for ya, asshole!"

Mean Streets (Hexenkessel) ~ USA 1973
Directed by: Martin Scorsese


Charlie Cappa (Harvey Keitel) bewegt sich tagtäglich im "Milieu" von Little Italy, New York. Sein Onkel Giovanni (Cesare Danova), für den Charlie diverse Botengänge und Schuldeneintreibungen übernimmt, ist der Pate des Blocks. Charlie müht sich stets um souveränes und selbstsicheres Auftreten und hofft, alsbald in der lokalen Familien-Hierarchie aufzusteigen. Für seinen besten Kumpel Johnny Boy (Robert De Niro), einen Aufschneider mit großer Klappe, ständg pleite und hoch verschuldet, hat Charlie zwar - zumal er mit Johnny Boys unter Epilepsie leidender Cousine (Amy Robinson) zusammen ist - ein Herz, kann ihn letzten Endes jedoch nicht vor seiner verhängnisvollen Unverschämtheit retten.

Coppola hatte mit "The Godfather" ein großes Epos über große New Yorker Gangster und deren familiäre Strukturen geschaffen, Scorsese indes kramte ohne großes Mühsal in der eigenen Autobiographie und knöpfte sich für "Mean Streets" jenen typischen kleinen Gernegroß aus der Bronx vor, der den lieben langen Tag damit verbringt, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Ist jemand als Teil jener Subkultur nicht Willens, sich diesem hierarchisch geordneten System zu subordinieren oder gar dagegen aufzubehren, muss er - wie Johnny Boy - zwangsläufig auf der Strecke bleiben.
Nachdem Scorseses Mentor und Berater John Cassavetes ihm ziemlich unverblümt seine Meinung zu "Boxcar Bertha", die etwa dergestalt war, dass Scorsese "ein Jahr an Anstrengung und Talent in Scheiße investiert habe", aufgetischt und ihm geraten hatte, wieder etwas "Persönlicheres" zu machen, begab sich der Regisseur an "Mean Streets", eine Art Quasi-Fortsetzung von "Who's That Knocking At My Door", mit einem leicht älter gewordenen Protagonisten, dessen innere Unüberwindlichkeiten nichtsdestotrotz fast die identischen sind. Auch Charlie schwankt zwischen ethnisch verwurzeltem Ehrgefühl, erzkatholischen Grundfesten und unüberwindlichem machismo, allesamt übermächtige Schatten, über die er niemals wird springen können. Mit Johnny Boy, dem ersten Part, den De Niro für Scorsese spielte, hat zugleich der freche, kleine Choleriker Premiere, einer, der in harschen Konfliktsituationen so lange schlägt, sticht, tritt, bis sein Gegenüberc am Boden liegt und sich nicht mehr rührt, und für den später dann im Regelfall Joe Pesci zuständig sein sollte. Diese zwei Figuren, der irgendwo inmitten pubertärer Charakterzüge steckengebliebene Antiheld und sein prügelnder "sidekick", bestimmten für Dekaden das Werk Scorseses. Ähnlich wie die Stones, mit deren "Jumpin' Jack Flash" die ikonographische Sequenz untermalt ist, in der Charlie wie auf Schienen durch die tiefrot beleuchtete Kneipe seines Kumpels Tony (David Proval) stolziert, die Kamera direkt im Nacken. Zigmal kopiert, nie erreicht.

9/10

Ethnics Martin Scorsese New Hollywood Mafia New York


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JOHNNY HANDSOME (Walter Hill/USA 1989)


"We both know what and who you are, Johnny Handsome."

Johnny Handsome ~ USA 1989
Directed by: Walter Hill


Der durch einen Geburtsdeffekt gesichtsentstellte John Sedley (Mickey Rourke), den seine Bekannten aus der Unterwelt von New Orleans nur spöttisch 'Johnny Handsome' nennen, nimmt an einem Überfall auf einen Juwelier teil, der helfen soll, Johnnys einzigen, väterlichen Freund Mickey (Scott Wilson) zu sanieren. Das Verbrecherpärchen Rafe (Lance Henriksen) und Sunny (Ellen Barkin), die ebenfalls dabei sind, hauen die anderen übers Ohr, erschießen alle bis auf Johnny und setzen sich danach ab. Johnny kommt ins Gefängnis, wird dort jedoch zum Opfer eines von Rafe befehligten Mordanschlags. Sein behandelnder Arzt (Forest Whitaker) bietet Johnny an, an einem Resozialisierungsprogramm teilzunehmen, das Johnnys Gesicht glätten und ihm eine neue Identität verschaffen soll. Johnny willigt ein, mit nur einem Gedanken im Kopf: Rache.

Zwischen den recht lauten und schussintensiven "Extreme Prejudice" und "Another 48 Hrs." kam von Walter Hill dieses kleine Gangsterkammerspiel, eine so seltsame wie faszinierende Melange unterschiedlichster Elemente. Seine Keimzelle findet "Johnny Handsome" zweifelsohne im film noir. Die Charaktere erscheinen eher grob skizziert und stark archetypenbeeinflusst, Figuren, wir wie sie bereits hundertmal gesehen zu haben glauben. Die Konstellation Gangster - Bulle, zwischen gegenseitiger Feindschaft und innerer Sympathie, ist ganz ähnlich wie im elf Jahre älteren "The Driver" angelegt; wirklich neu indes ist das "Elephant Man" - Mosaikstück - ein physisch gezeichnetes, an sich sanftmütiges Individuum, das den grausamen Zynismus seiner sensibilitätsentledigten Umwelt zu ertragen hat. Dass es dann unerkannt, mit anderem Gesicht zurückkehrt, um die Karten neu zu mischen, hat wiederum etwas von Delmer Daves' wunderbarem "Dark Passage". Da schließt sich dann auch der Kreis der Einflüsse.

8/10

New Orleans film noir Walter Hill Rache neo noir


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THE DRIVER (Walter Hill/USA 1978)


"I really like chasing you." - "Sounds like you got a problem."

The Driver ~ USA 1978
Directed By: Walter Hill


Der Driver (Ryan O'Neal), ein in völliger Anonymität arbeitender Fluchtwagenfahrer, gilt als Bester seines Metiers. Dem Detective (Bruce Dern) ist er jedoch ein gewaltiger Dorn im Auge. Als der Driver von einer Spielerin (Isabelle Adjani) identifiziert wird, besticht er sie, damit sie den Mund hält. Gemeinsam versucht man, an die Beute eines von Kunden des Driver vermasselten Raubzugs zu kommen, den Detective stets dicht auf den Fersen.

Für "The Driver" reduziert Walter Hill die Genrevorgaben auf das absolut notwendigste Minimum. Seine Figuren benötigen nicht einmal mehr Namen, weil diese bereits als Kokettiererei missverstanden werden könnten. Obgleich - schon der Titel suggeriert es - Hills Film mit Begriffen wie Verfolgung, Jagd und Bewegung operiert, erscheint er auf angenehme, weil vollkommen lässige Weise statisch. Hill bewegt sich in atmosphärischer Hinsicht eher im Dunstkreis seines französischen Kollegen Melville (den er darüberhinaus ausgiebig zitiert) denn in jenem der eigentlich doch naheliegenderen Vorbilder aus dem eigenen Lande. Bildliche Kinetik und Rasanz strebt der Film dann auch ausschließlich in den (durchaus als Motor des Films inszenierten) Szenen an, in denen der Driver seine 'Kunst' ausstellt - einmal, als er in einer Tiefgarage zweien vom Detective angestifteten Räubern (Joseph Walsh, Rudy Ramos) absichtlich den Mercedes zerlegt, demonstriert er eindringlich, warum er es sich leisten kann, Schusswaffen abzulehnen. Sein stets kühl agierender Verstand und seine Kaltschnäuzigkeit, die allerdings kaum vieler Worte bedarf, sind ihm Waffe genug. Ryan O'Neal, der, wie es einem veritablen Einzelgänger geziemt, stets auch ein wenig Traurigkeit und Wehmut im Blick hat, ist perfekt in seiner Rolle. Im Nachhinein verwundert es, dass er nicht mehr solche Vorstellungen gegeben hat.
"The Driver" ist auch ein ultimativer Großstadtfilm. Seine plastische Urbanität zeichnet er primär in Nachtszenen, wenn der Stadtkern, abgesehen von den zahlreichen, hell erleuchteten Hochhausfenstern, wie tot wirkt und das vertikal-horizontale Straßennetz zum persönlichen Aktionsfeld des Driver wird. Unter anderem darum ist Hill einer der wichtigsten und beleumundetsten Fachmänner - er hat die Strukturen, derer er sich bedient bzw. die er umgestaltet, nicht nur gänzlich durchschaut, sondern sie auch bis zur letzten Konsequenz internalisiert.

9/10

Duell car chase Walter Hill





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