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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen

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Im DVD-Regal gestöbert... (Teil 2)


Auch während der letzten Tage habe ich wieder so einige meiner DVDs angeschaut und hier sind nun die bereits verprochenen Kurzkommentare dazu:

Sanjuro
Ein erfahrener, aber mittelloser Samurai hilft neun jungen, naiven, mitunter sogar ein wenig tollpatschigen Samurai dabei, den von einem korrupten Beamten entführten Onkel eines der jungen Männer zu befreien. Der Film gehört zu Kurosawas humorvollsten und "leichtesten", wobei Spannung und Ironie in einem sehr ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Dabei berührt der formal gewohnt vorzügliche Film auch ethische Fragestellungen, und der Ronin muß am Ende einer Dame zustimmen, die sagte: "Die guten Schwerter sind die, die nicht gezogen werden".

Die verborgene Festung
Zwei Bauern haben (natürlich vergeblich) ihr Glück im Krieg gesucht und helfen nun eher unfreiwillig einem General dabei, eine Prinzessin und jede Menge Gold auf sicheres Territorium zu führen. Immer wieder versuchen sie dabei, möglichst viel für sich selbst herauszuschlagen, bringen sich aber meistens nur in Schwierigkeiten. Dadurch, daß der Film zum großen Teil aus der Sicht dieser beiden Antihelden (die zum Vorbild für R2D2 und C3PO wurden) erzählt ist, nimmt er unter den Samurai-Filmen Kurosawas eine Sonderstellung ein. Dabei ist Die verborgene Festung zum einen ein sehr unterhaltsamer (und spannender) Film, zugleich aber auch eine vorzügliche Charakterstudie der verschiedenen Figuren.

Alien
Ein Klassiker gleich zweier Genres. Die Besatzung eines Frachtraumschiffs wird von einem schleimigen Monster zunehmend dezimiert. Zum Meisterwerk wird der Film nicht so sehr durch die simple Story, sondern deren Umsetzung: das filmästhetische Niveau kann durchaus mit einem Film wie 2001 mithalten, die Ausstattung ist perfekt (wobei das von H.R. Giger entworfene Alien besonders hervorzuheben ist), und zudem versteht Ridley Scott es äußerst geschickt, Spannung zunächst zu erzeugen und diese dann zu halten: so zeigt er etwa das voll ausgewachsene Schreckensgeschöpf nur vergleichsweise selten (ähnlich wie Spielberg es mit dem Hai in Jaws tut), und den drastischsten Schockmoment platziert er in der Mitte des Films (hierin mit Hitchcocks Vorgehensweise in Psycho vergleichbar). Zur düsteren Atmosphäre des Films tragen aber auch seine dystopischen Qualitäten bei, denn der Konzern, in dessen Auftrag die Raumfahrer unterwegs sind, ist noch viel schrecklicher als das Alien.

Erbarmungslos
Nachdem ein Cowboy das Gesicht einer Prostituierten zerschlitzt und der Sheriff die Angelegenheit eher geschäftsmäßig und sehr zur Unzufriedenheit der Huren geregelt hat, setzen diese ein Kopfgeld auf den Cowboy und seinen (eigentlich weitgehend unschuldigen) Begleiter aus, das zahlreiche Revolderhelden anzieht. Einer von ihnen ist der alternde William Munny, der mit seiner von Mord, Gewalt und Suff geprägten Vergangenheit eigentlich schon gebrochen hat, aber das Geld braucht...
Ein meisterhafter und desillisionierender Spätwestern, in dem Gewalt keinerleich heroische Note mehr hat, sondern nur noch furchtbar ist: konsequenterwesie steht kein strahlender Held im Mittelpunkt, sondern ein alternder, von seinem spät erwachten Gewissen gepeinigter Mann, der von einem Freund, der zum schmutzigen Geschäft des Tötens nicht mehr in der Lage ist, und einem ebenso großmäuligen wie kurzsichtigen jungen Mann begleitet wird. Und wenn Munny sich am Ende wieder in den Revolverhelden von einst verwandelt, ist das keine Wiedergeburt eines Westernhelden, sondern ein grauenvoller Rückfall, und so reitet er schließlich auch konsequenterweise nicht in eine weite Landschaft unter einem Abendhimmel, sondern in regenverhangene Finsternis hinein. Auch sonst sind vor allem die Figuren des Films durchweg gelungen, wobei die verletzte Hure Delilah besondere Erwähung verdient: obwohl sie das eigentliche Opfer ist, ist ihr Auftreten viel versöhnlicher als das der anderen Prostituierten, wodurch sie eine Würde ausstrahlt, wie sie wohl keine andere Figur des Films besitzt. Ein düsteres Meisterwerk, in dem es aber trotzdem noch Raum für schwache Hoffnungsschimmer gibt: für mich Clint Eastwoods bester Film.

Rio Bravo
Innerhalb des Genres wohl der größte denkbare Gegensatz zu Erbarmungslos, ohne daß ich den Film deshalb weniger mögen würde: Rio Bravo stellt für mich vielmehr den glanzvollen Höhepunkt des klassischen Western dar. Die Story ist simpel und an sich nicht besonders interessant, doch Howard Hawks versteht es, eine gute Szene an die andere zu reihen und die einzelnen Episoden obendrein noch so gut miteinander zu verknüpfen, daß der Film nie abfällt und zu keinem Zeitpunkt langweilig wird: er kann es sich sogar erlauben, die Handlung einmal ganz stillstehen und zwei seiner Darsteller in einer Szene singen zu lassen, denn diese Szene paßt so gut zur Atmosphäre des Films, daß sie keinesfalls als Leerlauf erscheint. Ohnehin lebt Rio Bravo zum nicht geringen Teil von den vorzüglich (und teilweise geradezu liebevoll) gezeichneten Charakteren, und letztlich geht es auch gar nicht darum, ob Sheriff John T. Chance mit der bedrohlichen Situation fertig wird, sondern um seine Freundschaft mit seinem zum Trinker gewordenen Hilfssheriff, der die eigentlich zentrale Gestalt des herausragenden Films ist. Daß Hawks es dabei nicht nur versteht, die Spannung stets aufrecht zu erhalten, sondern in vielen Szenen zugleich noch zeigt, daß er auch einer der besten Komödienregisseure ist, steigert den Genuß an Rio Bravo noch: ein makelloser Film wie aus einem Guß, der im besten Wortsinn klassisch ist.


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Im DVD-Regal gestöbert...


In der letzten Zeit habe ich endlich mal wieder in meinem DVD-Sortiment herumgestöbert und so einige Filme gesehen. Weil ich zu den meisten davon schon früher recht viel geschrieben habe (auch wenn etliche dieser Texte jetzt futsch sind), werde ich mich eher kurz fassen. Es handelt sich um die folgenden Filme:

Fight Club
ist visuelles Feuerwerk, Gesellschaftssatire und Menetekel zugleich: ein Film, der die Sinnentleerung einer Gesellschaft zeigt, in der der einzelne nur noch als Arbeitnehmer funktionieren und als Verbraucher konsumieren soll, wobei er freilich insofern pessimistisch ist, daß er keinen Ausweg aus der Misere zeigt: denn der vermeintliche Ausweg, das zunächst anarchische Aufbegehren des Erzählers führt geradewegs in den faschistoid-sektiererischen Schrecken hinein. Für mich David Finchers bester Film.

Der dunkle Kristall
ist ein, vielleicht sogar das Meisterwerk des Fantasyfilms und nimmt mich allein schon durch seine wunderbaren Bilder ein. Außerdem ist der Film natürlich ein künstlerischer Triumph des Puppetismus. Sehr, sehr schön.

Dann stand ein schönes Vaclav-Vorlicek-Double-Feature an:

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Die mittlerweile zum Kultfilm gewordene Verfilmung der (im Vergleich mit der Grimmschen Version deutlich emanzipierteren) tschechischen Aschenbrödel-Variante. Ein immer noch sehenswerter Film, der einerseits ein wenig frech ist, andererseits aber auch den Märchenton wunderbar trifft und eine wirklich schöne Filmmusik hat.

Das Mädchen auf dem Besenstiel
Eine junge Hexe, die wegen ihrer mangelhaften Leistungen in der Hexenschule zu 300 Jahren Nachsitzen verdonnert worden ist, reißt in die Menschenwelt aus und verliebt sich in einen Schüler, der außerdem der Sohn des Zoodirektors ist. Ein witziger und verspielter Film voller verrückter und amüsanter Einfälle, der zwar nicht so bekannt wie der Aschenbrödel-Film ist, mir persönlich aber noch besser gefällt.

Danach entschloß ich mich zu einer kleinen Kubrick-Reihe:

Eyes Wide Shut
Optisch ist der Film ein Hochgenuß, nicht allein die Farben sind fantastisch, sondern Kubricks Spielereien mit ihnen sind es ebenfalls (ein schwarzer Umhang wird dunkelblau, ein roter Billardtisch taucht auf...). Trotzdem hat der Film so einige Längen, die fast immer in den Szenen auftreten, die der Film hinzugefügt hat und in Schnitzlers (wesentlich dichterer) "Traumnovelle" fehlen. Insbesondere die lange Szene kurz vor Schluß mit Sidney Pollack mag ich überhaupt nicht. Trotzdem gehört "Eyes Wide Shut" alles in allem zu jenen Kubrick-Filmen, die ich zu schätzen weiß; ich halte ihn zwar nicht wirklich für ein Meisterwerk, aber immerhin für einen hervorragenden und auch schönen Film, der zudem längst nicht so misanthropisch ist wie viele andere Kubrick-Filme.

2001 - Odyssee im Weltraum
Ein Meisterwerk, bei dem die Ausführung tatsächlich einmal mit dem Willen mithalten kann. 2001 ist zum einen ein visuell herausragendes Werk (am weitaus größten Teil des Films prallt die derzeit laufende Synchonisation-versus-Untertitel-Debatte einfach ab...), weiterhin ein Meilenstein der Tricktechnik (heute kann man zwar Sachen machen, die damals noch nicht gingen, aber die Tricks, die in 2001 vorkommen, sehen immer noch fantastisch aus, und ein heutzutage mit allen Mitteln der Computeranimation etc. gedrehtes Remake sähe bestimmt nicht besser aus) und zeichnet zugleich mit bitterer Skepsis die Geschichte der Nicht-Entwicklung der Menschheit nach. Ganz interessant auch meine persönliche "Evolutionsgeschichte" mit diesem Film: als ich ihn das erste Mal, schätzte ich auf Anhieb den langen Mittelteil mit HAL 9000 und den Ereignissen auf der "Discovery", mochte die Jupiter-Episode am Ende aber nicht besonders, während ich heute eher zur Auffassung neige, daß gerade diese den Film (noch) mehr als die anderen aus seinem Genre herausragen läßt. Freilich ist 2001 über die Jahre hinweg mit den neuerlichen Sichtungen für mich auch immer kälter und pessimistischer geworden - was aber auch an mir liegen kann, da der Film selbst natürlich immer derselbe geblieben ist. Trotzdem bleibt es auch nach dem sechsten Sehen ein vieldeutiger (und geheimnisvoller) Film, aus dessen Schluß sich vielleicht auch ein Hoffnungsschimmer herauslesen läßt, auch wenn diese Deutung zunehmend schwieriger wird.

Barry Lyndon
Vielleicht nicht so groß wie 2001, trotzdem aber ein meisterhafter Film, der sich an den Gemälden alter Meister orientiert und dies so gut tut, daß man nahezu jedes Einzelbild im Museum aufhängen könnte. Leider habe ich Thackerays Roman nie gelesen, aber da ich seinen Jahrmarkt der Eitelkeit kenne, wage ich einfach mal die Behauptung, daß Barry Lyndon durchaus ein Film im Geiste Thackerays ist: mit satirischer Schärfe werden menschliche Schwächen und Mängel der Gesellschaft entlarvt, und doch ist dieser Schärfe auch eine Spur von Nachsicht beigemengt, und so ist Barry Lyndon zwar ein pessimistischer und von Resignation geprägter, aber (ganz im Gegensatz zum widerwärtigen Uhrwerk Orange) kein zynischer Film. Wobei das vielleicht erstaunlichste an diesem optisch so schönen Film der Umstand ist, daß er einerseits ungeheuer artifiziell und distanziert wirkt und trotzdem zu Kubricks bewegendsten Werken gehört.

Danach habe ich noch einen weiteren Film gesehen, aber den Kommentar zu diesem verschiebe ich in den Fortsetzungsbeitrag zu diesem hier. Also: Fortsetzung folgt!


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Gernguckers Gaben


Der geschätzte Kollege Gerngucker hat mir die Möglichkeit eröffnet, die folgenden Filme einmal kennenzulernen (was ich im Verlauf der Woche dann auch getan habe), wofür ich mich auch an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken möchte.


Die Wanderschauspieler
haben mich, ehrlich gesagt, wohl ein wenig überfordert... Jedenfalls tat ich mich unheimlich schwer damit, erst einmal richtig in den Film hineinzufinden, der dem Zuschauer ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration abverlangt. Erzählt wird das Schicksal eine Gruppe von Wanderschauspielern, die immer dasselbe Schäferspiel aufführen, in den Wirren der Jahre von 1939 bis 1952. Dabei schildert der Film aber nicht nur deren deren Einzelschicksale, sondern ist auch als Historienfilm, oder wie man vielleicht besser sagen sollte, historisches Fresko angelegt, das ein wechselvolles Stück griechischer Geschichte selbst darstellt. Zudem lehnt sich der Familienkonflikt, zu dem es innerhalb der Schauspielergruppe kommt, an die Orestie des Äschylos an. Rein inhaltlich also schon mal ziemlich schwere Kost, und die komplexe, freilich auch virtuose Erzählweise von Theo Angelopoulos erleichtert den Zugang auch nicht gerade. Jedenfalls muß ich eingestehen, daß es doch eine Weile gedauert hat, bis ich mich in dem Film zurechtfand.
Auch mit dem Stil des Films mußte ich mich erst allmählich befreunden. Wie mir selbst vor kurzem bewußt geworden ist, ziehe ich die Werke der Regisseure, die den Schnitt als wesentliches Gestaltungsmittel einsetzen (dabei denke ich natürlich zunächst einmal an Hitchcock und sein Montage-Kino, wobei es schon kurios ist, daß ausgerechnet Hitch sich auf das Experiment Rope eingelassen hat), zumindest tendentiell den Werken jener Regisseure vor, die mit zum Teil extrem langen Einstellungen und insbesondere Plansequenzen arbeiten, wie Tarkowski, Tarr, in früheren Zeiten auch Renoir, oder eben Angelopoulos. Was zwar nicht heißt, daß ich mich nicht auch dafür begeistern könnte (schließlich mag ich ja z.B. die frühen Tarkowski-Filme sehr), aber es passiert deutlich seltener, und für gewöhnlich tue ich mich mit solchen Filmen deutlich schwerer. Woran das liegt? Vermutlich daran, daß ich ein ungeduldiger Mensch bin, der sich nicht leicht auf die Langsamkeit, die den eben angesprochenen Werken oft anhaftet, einlassen kann. Wie auch immer: Die Wanderschauspieler haben noch ein weiteres Stilmittel zu bieten, das mir nicht besonders zusagt: drei der Hauptfiguren sprechen längere Monologe (jeweils so sechs bis sieben Minuten, wenn ich es richtig mitbekommen habe) fast direkt in die Kamera; das erinnerte mich doch etwas an das mir (innerlich fremde) Konzept des epischen Theaters. Was sie da erzählen, ist allerdings sehr eindringlich, wie ich dann auch betonen möchte.
Nachdem ich dann endlich in den Film hineingefunden hatte, betrachtete ich ihn doch mit gewisser Faszination, da er fraglos formal makellos ist und es außerdem bemerkenswert ist, wie er seine verschiedenen Ebenen miteinander verflechtet, wobei es viele starke, bisweilen auch große Szenen gibt (ich denke da etwa an den Rachemord auf offener Bühne, der vom Theaterpublikum beklatscht wird); besondere Erwähnung verdient auch, wie Angelopoulos es (mehrmals) schafft, innerhalb einer Einstellung den fließenden Übergang zwischen verschiedenen Zeiten der Handlung herzustellen.
So fühlte ich mich am Ende der fast vier Stunden zwar einerseits restlos erschöpft, hatte aber doch das Gefühl, einen großen (und sehr vielschichtigen) Film gesehen zu haben. Ein Film, der Bewunderung verdient? Gewiß. Ein Meisterwerk? Ja, wohl auch dies. Ein Film, den ich fortan zu meinen persönlichen Favoriten rechnen werde? Sicher nicht.
Um den Film aber besser zu verstehen und gerade auch seine verschiedenen Ebenen tiefer zu durchdringen, muß ich ihn fraglos noch ein zweites Mal sehen. Irgendwann werde ich das wohl auch tun, es könnte aber sein, daß ich mir Zeit damit lasse.

Vor dem Regen
thematisiert die ethnischen Konflikte auf dem Balkan in den 90er Jahren, die sich bekanntermaßen in grauenhaften Kriegen und Massakern entluden, ist aber nicht so sehr ein Kriegsfilm, sondern eher ein Film über die zerstörerische Wirkung von Gewalt an sich, die sich wie eine ansteckende Krankheit immer mehr ausbreitet. Dabei erzählt der Film drei Episoden mit unterschiedlichen Hauptfiguren, die sich aber trotzdem zu einer Geschichte zusammenfügen, wobei die Episoden so angeordnet sind, daß der Film eine geradezu kreisförmige Struktur gewinnt (worin ich einen seiner größten Vorzüge sehe, da der Film letztlich einen tödlichen Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gibt, darstellt). Dabei sind diese drei Episoden nicht gleichermaßen überzeugend, die mittlere, die in London spielt, fand ich deutlich schwächer als die beiden anderen. Insgesamt ist dies aber ein kraftvoller, freilich auch sehr bedrückender Film, der deutlich macht, wie überkommenene (und vor allem patriarchalische) Gesellschafstrukturen das Kilma schaffen, das dann zum Nährboden von (ethnischen) Konflikten und Gewalt wird. Ein sehenswertes (wenn auch stellenweise nur schwer erträgliches) Erstlingswerk, das Beachtung verdient hätte, tatsächlich aber wohl so gut wie überhaupt nicht mehr zu sehen ist.

Woody - Der Unglücksrabe
bzw. Take the money and run, wie der Film sehr viel passender im Original heißt, ist dagegen ein sehr vergnügliches Werk. Allens erste eigentliche Regiearbeit (vorher hatte er schon einen japanischen Film umgestaltet) enthält eigentlich schon alles, was sein weiteres Werk ausmacht: die Hauptfigur, der nichts im Leben so richtig gelingen will, die typischen Themen und auch die wesentlichen Stilmittel. In seinen späteren Filmen hat Allen das alles noch weiterentwickelt, verfeinert und letztlich verbessert, doch im Grundsatz ist hier schon alles Wesentliche vorhanden. Dabei wird im Stil einer Reportage die Geschichte eines Verlierers, der eher notgedrungen zum Verbrecher wird, obwohl das gar nicht seinem Naturell entspricht, mit viel Witz erzählt, wobei auch immer wieder mal Kriminal-, Gefängnis- oder Gangsterfilme parodiert werden. Ein Auftakt nach Maß, an dem ich meinen Spaß hatte.


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Jane Eyre (2011)


Charlotte Brontës Klassiker Jane Eyre gehört zwar nicht wirklich zu meinen Lieblingsbüchern, aber fraglos hat das Buch etwas, und so war ich auch sehr gespannt auf die neueste Verfilmung des Werkes (schon deshalb, um endlich mal rauszufinden, wie der Nachname der Hauptfigur ausgesprochen wird...).
Ich kenne keine der früheren Adaptionen des Werkes und weiß daher auch nicht, wie genau diese sich an den Roman gehalten haben, Cary Fukunagas Film jedenfalls folgt der Vorlage weitgehend getreu. Nun gibt es ja Leute, die es offenbar ganz entsetzlich finden, wenn eine Literaturverfilmung sich durch Werktreue auszeichnet (so wie es Leute gibt, die eine Operninszenierung um so besser finden, je weniger sie mit der eigentlichen Oper zu tun hat), während ich das (bekanntermaßen) ganz anders sehe. Insofern fand ich es sehr angenehm, mal einen Klassiker ohne "modernisierenden" Schnickschnack auf der Leinwand zu sehen. Allerdings erzählt der Film den größten Teil der Geschichte in einer Form einer Rückblende, in Abweichung vom Roman: immerhin, das funktioniert soweit ganz gut. Wirklich bedauerlich fand ich aber, daß von Janes Kindheit im Film nur ziemlich wenig zu sehen ist. Natürlich sind bei einem 650 Seiten langen Buch Ver(kürzungen) unvermeidlich, doch es sind einige der eindringlichsten und stärksten Passagen der Kindheitskapitel, die hier unter den Tisch gefallen sind - und da hätte ich eine um vielleicht 15 bis 20 Minuten längere Laufzeit gern in Kauf genommen.
Die darstellerischen Leistungen sind durch die Bank ausgezeichnet. Mia Wasikowska war mir vorher noch gar nicht bekannt, hat aber einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, Michael Fassbender ist ein ausgezeichneter Mr. Rochester, und Jamie Bell ist gut wie immer. Und Judy Dench entwickelt sich ohnehin mehr und mehr zur Königin der Nebenrollen.
Allerdings war mir der Film eine Spur zu düster, und dabei spreche ich nicht vom Ablauf der Handlung, sondern von der Fotografie (da passen dann die angeblich letzten Worte Goethes "Mehr Licht!"). Ansonsten ist am Film eigentlich alles stimmig, große inszenatorische Höhepunkte fehlen ein wenig, wirkliche Schwachpunkte aber auch. Eine wohl nicht überragende, aber durchaus ansprechende Literaturverfilmung, die vor allem von ihren ausgezeichneten Darstellern getragen wird.


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Anmerkungen zu zwei Filmen


Wieder mal zwei Kurzbesprechungen, eine davon zu einem meiner 100 Lieblingsfilme:

Die Zärtlichkeit der Wölfe
greift den authentischen Fall Fritz Haarmanns auf, der zwischen 1918 und 1924 zahlreiche Jungen bzw. junge Männer ermordete. Der Film orientiert sich aber nicht allein am realen Kriminalfall, sondern mindestens ebensosehr an diversen filmischen Vorbildern, neben manchen Vampirfilmen wäre hier auch Fritz Langs M (der seinerseits vom Fall Haarmann beeinflußt wurde) zu nennen, auf den in einer Szene sehr deutlich angespielt wird; dazu paßt auch die äußerliche Erscheinung Kurt Raabs in der Hauptrolle, in der er ein wenig wie eine Mischung aus Max Schreck in Murnaus Nosferatu und eben Peter Lorre im schon erwähnten M wirkt, während er dem historischen Fritz Haarmann überhaupt nicht ähnlich sieht. Das ist durchaus interessant anzuschauen, wobei sich mir aber doch nicht erschlossen hat, warum die Geschichte aus der Weimarer Zeit in die frühe Nachkriegszeit (und außerdem ins Ruhrgebiet) verlegt wurde. Die Zärtlichkeit der Wölfe ist mit Sicherheit kein Thriller, denn er reiht in einer spröden und eliptischen Erzählweise einzelne Szenen aneinander, die nicht wirklich dramatischen Höhepunkten entgegensteuern. Zumindest stellenweise beklemmend ist der Film trotzdem, weniger durch das, was er zeigt (obwohl es eigentlich nur zwei vergleichsweise drastische Szenen gibt), sondern mehr noch durch geschickte Aussaprungen im richtigen Moment. So sucht etwa in einer Szene ein kleiner Junge mit einer Mütze Haarmann auf; in der nächsten Szene verschenkt dieser die Mütze an andere Kinder, und man begreift dadurch, was mit dem Jungen geschehen ist - es ist der schrecklichste Moment des Films.
Insgesamt fand ich den Film schon interessant und auf seine Weise auch sehenswert, auch wenn ich ihn sicher nicht als Meisterwerk bezeichnen würde.

Lost Highway halte ich dagegen sehr wohl für ein Meisterwerk, wobei ich früher (und andernorts) schon so viel zu dem Film geschrieben habe, daß ich mich kurz fassen möchte. Auch beim fünften Sehen hat mich Lynchs filmisches Möbiusband erneut in seinen Bann geschlagen, und wieder einmal sind mir neue, kleine Details aufgefallen, die ich zuvor nicht bemerkt habe. Was die Frage der Interpretation betrifft, so scheint mir die Deutung, daß ein Mörder, der seine Schuld nicht ertragen kann, sich eine neue Identität erfindet, in dieser aber neuerlich in einen Abgrund aus Sex und Gewalt hineingezogen wird, noch immer eine der überzeugendsten zu sein; aber es gibt sicherlich auch noch andere Ansätze, so könnte sich der ganze Film an einem ähnlichen Ort wie der "Schwarzen Hütte" aus Twin Peaks abspielen, mit dem Mystery Man als dämonischem Hausherren. Auf alle Fälle ist dies wohl der Film im Lynch-Kosmos, der sich am stärksten mit dem filmischen Medium selbst auseinandersetzt (und vielleicht hat das Motiv der geheimnisvollen Videobänder ja Michael Hanekes ausgezeichneten Caché beeinflußt?), zugleich der wohl kälteste und trotz des schwarzen Humors, mit dem der Film gespickt ist, auch der finsterste. Ein Alptraum, der nach wie vor eine enorme Sogwirkung hat.


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Einmal Fernsehen, einmal Kino


Und hier meine neuesten Anmerkungen zu zwei kürzlich gesehenen Filmen, einmal im Fernsehen, einmal im Kino.

Die Schneekönigin
ist ein Film "nach Motiven" von Hans Christian Andersen, der einige Episoden aus dem berühmten Märchen enthält, diese aber in recht freier Form gestaltet. Außerdem erfindet der Film noch jede Menge hinzu, unter anderem einen kaltherzigen und geldgierigen Kommerzienrat, den es meines Erachtens nicht wirklich gebraucht hätte, und, schlimmer noch, einen Märchenerzähler, der zugleich eine der an der Handlung beteiligten Figuren ist, mich aber von Anfang an gestört hat. Aber nicht nur der Umgang des Films mit Andersens Märchen gefiel mir nicht so besonders, auch mit dem filmischen Stil konnte ich mich nicht wirklich anfreunden, da werden einzelne Zeichentrickeinstellungen (oder solche, in denen Realfilm und Zeichentrick kombiniert sind) eingestreut (etwas, was ich noch nie leiden konnte), und manches wirkte auch eher albern als märchenhaft. Ein paar starke Bilder gibt es dann zwar auch, aber zu wenig, um mich mit dem Film zu versöhnen. Russische bzw. sowjetische Filme haben mich schon oft schwer beeindruckt - dieser nicht.

Der Gott des Gemetzels
hat mir dagegen deutlich mehr zugesagt. Es gibt ja Cineasten, für die es kein schlimmeres Urteil über einen Film gibt als jenes, er sei "theaterhaft", und die demzufolge bei der Verfilmung von Bühnenstücken stets den Verrat am Kino wittern. Ein solcher Cineast bin ich nicht, schließlich basieren manche von mir heiß und innig geliebte Filme auf Bühnenstücken. Ein starkes Schauspiel aber gut zu verfilmen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt, denn es gilt, zwei Gefahren gleichermaßen zu vermeiden: auf der einen Seite kann eine Filmversion eines Bühnenwerks schnell zum sterilen Abfotografieren sprechender Köpfe werden; will der Regisseur andererseits das Filmische seines Werks besonders betonen, etwa durch möglichst bizarre Kamerapositionen oder wilde Kamerafuchteleien, werden die wohlgesetzten Worte der Vorlage schnell von Bildern erschlagen, denen es an Substanz fehlt.
Diesen Balanceakt beherrschte wohl kein Regisseur besser als der große Sidney Lumet; aber auch Roman Polanski hat schon bewiesen, daß er dies sehr gut kann. Und er kann es, wie Der Gott des Gemetzels zeigt, immer noch. Ein Elfjähriger hat einen gleichaltrigen Jungen mit einem Stock geschlagen, wobei zwei Zähne draufgegangen sind. Die Eltern treffen sich, es wird eine einvernehmliche Erklärung abgefaßt, und das eine Paar ist im Begriff, wieder aufzubrechen, bleibt aber doch noch bei den Gastgebern hängen. Und dann kommt es zum immer heftiger werden Streit, der (besonders nach der Einnahme von Alkohol) chaotische Züge gewinnt, und hinter der rasant zusammenbrechenden kultiviert-zivilisatorischen Fassade werden Aggressionen, Raubtierinstinkte und die Lust an der Zerstörung sichtbar, wobei die ausgetauschten Gemeinheiten es durchaus mit denen in Wer hat Angst vor Virginia Woolf? aufnehmen können. Doch so schlimm es auch ist, diese Entladung von Gehässigkeiten mitanzusehen, so komisch ist es auch, denn während sie ausrasten, demolieren alle vier Hauptfiguren, deren größte Gemeinsamkeit ihre Selbstgerechtigkeit ist, das Bild, wie sie von anderen gesehen werden wollen (und damit ihr Selbstbild), und aus Mücken werden ganze Elefantenherden gemacht. Dabei wechseln die sich bildenden Bündnisse ständig (die Ehepaare gegeneinander, die Männer gegen die Frauen, drei gegen einen...), alle reden viel Unsinn und streuen bisweilen etwas Vernünftiges ein, und man weiß auch als Zuschauer nicht so recht, auf wessen Seite man sich noch am ehesten stellen möchte, bis man am Ende zum Ergebnis kommt: die sind alle gleich schlimm, jeder auf seine (oder ihre) Weise. Das ist höchst amüsant, aber man sollte als Zuschauer nicht dem Fehler verfallen, sich über diese vier Figuren mit ihrem Zynismus, ihrer Selbstgerechtigkeit, ihrer Falschheit und ihrer lustvoll ausgelebten Bosheit zu stellen, den wer kann schon von sich behaupten, besser zu sein? Ich jedenfalls nicht!

Fazit: Eine wunderbar garstige, von vier fantastischen Darstellern getragene Satire.


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Tom Sawyer (2011)


Was Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt als Mark Twain, wohl davon gehalten hätte, daß ausgerechnet die Deutschen, über deren "schreckliche Sprache" er sich mokiert hat, seinen Tom Sawyer verfilmen? Darauf läßt sich natürlich keine seriöse Antwort geben, ich für meinen Teil aber war zumindest neugierig, auch wenn ich von anderen Filmen der Regisseurin Hermine Huntgeburth bislang selten etwas gutes gehört hatte. Allerdings hatte ich auch noch keinen davon selbst gesehen, wollte mich davon also nicht zu sehr beeinflussen lassen, und da ich momentan gerade auch noch Mark Twains Autobiographie lese, war ich interessiert genug für einen Kinobesuch.
Ein paar Bedenken hatte ich natürlich schon: eine verjüngte Tante Polly etwa - würde das wirklich funktionieren?
Um es gleich zu sagen: ich fand den Film ziemlich schwach, bestenfalls mäßig. Das liegt aber nicht an den Darstellern, die machen ihre Sache nämlich recht gut, und Louis Hofmann als Tom Sawyer sowie Leon Seidel als Huckleberry Finn sind sogar ein ausgesprochener Glücksgriff, denn die beiden Jungen überzeugen von Beginn an in ihren Rollen. Daß Neuruppin nicht wirklich wie Missouri aussieht, ist auch kein allzu gravierendes Problem - das "Amerika" in Dancer in the Dark sah auch nicht echt aus, und wen hat das schon gestört? Nein, für die gravierenden Schwächen dieses neuen Tom Sawyer tragen von allem Huntgeburth und der Drehbuchautor Sascha Arango die Verantwortung.
Daß die Leinwandadaption eines Romans fast immer mit manchen Änderungen (vor allem Kürzungen) verbunden ist, ist klar. Daß ein Film auch seine eigenen Akzente setzen kann, ist auch klar. Die Frage ist eben immer, wie umsichtig ein Film(regisseur) dabei vorgeht und ob die eigenen Wege, die er einschlägt, sich als sinnvoll erweisen.
Tom Sawyer erweist sich dabei als typischer Fall der Verfilmung eines großartigen Buches, bei dem genau dieser Versuch ziemlich danebengeht. Daß der Film versucht, der Figur des Indianer-Joe mit Verständnis zu begegnen (und auch ein wenig Mitleid zu erwecken), ist durchaus lobenswert (zumal die Stellen bei Mark Twain, in denen er über Indianer schreibt, wohl die unangenehmsten seines Werkes sind); aber paßt es wirklich zu der Figur, daß er Tante Polly zu Hilfe eilt, wenn ihr gerade allerlei Dinge von einem Handkarren heruntergefallen sind? (Rhetorische Frage: ich finde, nicht.) Oder, um ein anderes Beispiel aufzugreifen: im Buch gibt es einige Szenen in der Schule, daneben noch eine in der Sonntagsschule. Das sind aber zwei verschiedene Sachen. Im Film ist davon nichts zu sehen (da verschmelzen der Reverend aus der Sonntagsschule und Mr. Dobbins, der im Film gar nicht auftaucht). Da Arango und Huntgeburth der Unterschied sicherlich bekannt ist, muß ich annehmen, daß sie ihn offenbar für nicht besonders wichtig hielten - das sehe ich aber anders, denn solche Ungenauigkeiten, um nicht zu sagen Schlampigkeiten gehen zu Lasten der Authentizität. Es ist ja auch ganz hübsch, wenn man einem Literaturklassiker einen emanzipatorischen Anstrich verpassen will, aber das sollte dann trotzdem noch stimmig sein. Wenn Becky Thatcher im Unterricht bei der Frage, was Männer und Frauen unterscheidet, danach fragt, warum Frauen nicht wählen dürfen, dann ist das einfach nicht glaubwürdig, denn ein Mädchen in Missouri kurz vor 1850 hat bestimmt nicht solche Fragen gestellt (wenn überhaupt, dann haben das allenfalls erwachsene Frauen getan, und bestimmt auch nur sehr wenige).
Es ließen sich noch mehr solcher Details erwähnen, Nuancen, die in ihrer Summe so zusammenwirken, daß einfach keine Atmosphäre entstehen will, die zu einer amerikanischen Kleinstadt in der Mitte des 19. Jahrhunderts passen würde. Daß auch einige der schönsten Episoden des Romans verkürzt sind oder ganz oder den Tisch fallen, ist hinnehmbar, daß aber die meisten der neu erfundenen Szenen, von denen es mehrere gibt, recht aufgesetzt wirken, ist schon schlimmer. Auch von der Ironie und dem satirischen Biß des Romans ist kaum etwas zu spüren, Tom Sawyer ist eher als Mischung aus Abenteuer- und Familienfilm angelegt.
Insgesamt hat mich der Film, trotz einiger reizvoller Details, weitgehend unbefriedigt zurückgelassen, und ich fürchte sehr, daß der bereits abgedrehte Huck Finn ganz ähnliche Macken haben wird. Das ist sehr schade, weil hier eine gute Chance vertan wurde. Die beiden erfrischenden Hauptdarsteller würde ich allerdings gern in anderen (und hoffentlich besseren) Filmen wiedersehen.


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Mal wieder drei Filme...


Mal wieder Kurzkommentare zu drei Filmen, die gar nicht so kurz ausgefallen sind. Das muß sich (wegen des Zeitaufwands) mal wieder ändern...

Zoomer: Tim und Alex sind zwei recht verschiedene Freunde: Alex hat eine große Klappe und kommt gut bei den Mädchen an, ist dafür aber ein lausiger Schüler und wird von seinem ehrgeizigen Vater unter Druck gesetzt, während Tim zwar eine Menge von Mathe und Technik versteht, ansonsten aber eher schüchtern ist. Als Tims Mutter, die für ein Sicherheitstechnikunternehmen arbeitet, auf Dienstreise ist, bringen die beiden Jungs einige Überwachungskameras an sich und verteilen sie an allen möglichen Stellen in ihrer Schule: Alex hofft darauf, in einem wichtigen Test gut abzuschneiden, und außerdem spionieren sie ein Mädchen aus, an dem Tim interessiert ist.
Daß ihr Handeln natürlich zutiefst unmoralisch ist, ist den beiden Jungen zunächst kaum bewußt bzw. sie verdrängen den Gedanken daran. Erst die Ereignisse im weiteren Verlauf der Handlung führen sie allmählich zu dieser Erkenntnis, wozu auch beiträgt, daß sie manche Dinge erfahren, die sie lieber gar nicht gewußt hätten.
Obwohl im Zentrum von Zoomer also ein moralisches Problem steht, ist dies doch kein pädagogisierender Film mit erhobenem Zeigefinger, denn Zoomer ist durchaus temporeich inszeniert, es gibt mehrere Spannungssequenzen, die geschickt mit Mitteln wie Parallelmontage arbeiten; am Ende, wenn Tim in höchster Eile unterwegs ist, gibt es sogar so etwas wie eine kleine Actionszene. In der Summe ist dies ein Film, der Themen wie Privatsphäre und Überwachung(stechnik) kindgerecht aufgreift und dabei auch recht spannende Unterhaltung bietet.

Eine zauberhafte Nanny: Ein Witwer hat seine sieben Kinder nicht im Griff (und daß er mit ihnen über wichtige Dinge wie den Umstand, daß er kein Geld mehr hat und am Tropf der unsympathischen Tante seiner Frau hängt, nicht redet, verschlimmert die Sache). Nachdem sie die 17. Nanny vergrault haben, wird die Lage ernst, doch plötzlich steht Nanny McPhee vor der Tür, die im Vergleich mit ihren Vorgängerinnen den entscheidenden Vorteil auf ihrer Seite hat, daß sie zaubern kann. Schon bald müssen die Kinder einsehen, daß sich diese Nanny nicht so einfach loswerden läßt, und recht bald wird ihnen dann auch klar, daß es gar nicht so schlecht ist, eine solche Nanny zu haben.
Mich hat der Film recht gut unterhalten; mit Klamauk wird hier zwar nicht gerade gegeizt, aber das Maß läßt sich noch aushalten. Und durchaus reizvoll ist, wie sich das Verhältnis zwischen Nanny McPhee und der Rasselbande entwickelt. Wenn sie anfangs sagt, was für Lektionen sie ihnen beibringen werden, dann klingt das erst mal recht autoritär, doch wie sich im Verlauf des Films herausstellt, haben diese Lektionen fast immer eine andere Bedeutung als man zunächst annimmt. Und schließlich bringt diese Nanny die Kinder dazu, auch über Konsequenzen ihrer Handlungen nachzudenken und ihre Probleme sogar weitgehend selbst zu lösen - was dann das vielleicht großartigste Zauberkunststück ist.

WALL-E ist ein sehr gelungener und trotz stark dystopischer Züge auch schöner Animationsfilm mit einer stellenweise poetischen ersten Hälfte, die praktisch ohne Dialog auskommt, und einer sehr tempo- und ereignisreichen zweiten; der Film besteht also eigentlich aus zwei sehr verschiedenen kurzen Filmen. Dabei ist die erste Hälfte, die auf anrührende Weise das Leben des titelgebenden Müllroboters auf der verlassenen Erde und seine erwachende Liebe zu EVE, einem weiteren Roboter, der nach Lebensspuren auf der Erde sucht, schildert, die wohl außergewöhnlichere; dafür besticht die zweite Hälfte durch ihre bissige Darstellung einer im Zuge vollständiger Automatisierung degenerierten, untätigen und verfetteten Menschheit, die erst wieder lernen muß, etwas selbst zu erledigen, wobei dieser Teil auch mit sehr reizvollen Anspielungen auf berühmte Filme, allen voran Kubricks 2001 gespickt ist. So haben letztlich beide Teile des Films ihren besonderen Reiz: WALL-E gehört sicherlich zu den überzeugendsten Animationsfilmen der letzten Jahre.


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Vier Filme


Wieder mal Kurzkommentare zu meinen zuletzt gesehenen Filmen, wobei der erste großartig war, während die anderen alle - auf ganz verschiedene Weise - hinter meinen Erwartungen zurückblieben.

Die Austernprinzessin: Die Tochter eines mit Austern zum Milliardär gewordenen Amerikaners (der riesige Zigarren raucht, die an ein Luftschiff erinnern) randaliert, als sie liest, daß die Tochter eines Schuhfabrikanten sich vornehm verheiratet hat - denn natürlich will sie die Dame übertreffen! Da muß dann schon wenigstens ein Prinz her, und in dem völlig abgebrannten Prinz Nucki ist bald der richtige Kandidat gefunden; der schickt aber erst mal seinen Diener in den Milliardärspalast, was zu etwas Verwirrung führt, da dieser dann für Nucki gehalten wird.
Der Film steht wohl noch nicht ganz auf der Höhe von Lubitschs besten Tonfilmkomödien, trotzdem ist Die Austernprinzessin ausgesprochen amüsant und ideenreich. Dabei erweist sich die Titelfigur als äußerst selbstbewußt und emanzipiert, die schließlich den richtigen Prinzen sogar in einem von Milliardärstöchtern ausgetragenen Frauenboxkampf gewinnt. Lubitschs Inszenierung ist reich an visuellem Witz (wenn etwa Nuckis Diener auf einem komplizierten Muster auf dem Fußboden herumzulaufen beginnt, als man ihn im Palast ewig warten läßt), aber auch die Zwischentitel sind ungewöhnlich witzig. Ein sehr gelungener und vergnüglicher Film.

Boxhagener Platz: Die DDR im Jahr 1968: die Großmutter des 12jährigen Holger übt immer noch große Anziehungskraft auf Männer ihres Alters aus; einer davon, der alte Spartakusbund-Kämpfer Karl Wegner, gewinnt ihr Herz und freundet sich auch ein wenig mit Holger an, während ein anderer, ein alter Nazi, schon bald erschlagen gefunden wird, und es deutet sich an, daß Karl etwas damit zu tun hat...
Boxhagener Platz, der weitgehend aus Holgers Perspektive erzählt wird, hätte verschiedenes werden können: ein politischer Film über das Leben in der DDR, ein Jugendfilm, oder sogar ein Kriminalfilm mit zeitgeschichtlichem Hintergrund. Letztlich entscheidet er sich für die erste der genannten Möglichkeiten, braucht aber über eine Stunde dazu, wodurch der Film während seiner ersten zwei Drittel ein wenig unentschlossen wirkt und nur wenig fesselnd vor sich hin plätschert. Erst das letzte Drittel ist dann recht überzeugend und vermochte mich so aus der Langeweile, die der Film zunächst verbreitet, wieder herauszureißen. Letztlich aber zu spät, um noch einen wirklich eindringlichen Film daraus zu machen. Zudem muß ich leider noch anmerken, daß auch die formale Gestaltung des Films reichlich bieder ist. Es gibt manche Fernsehproduktionen, die wie Kino aussehen; auf der anderen Seite gibt es aber auch Kinofilme, die wie Fernsehen aussehen, und Boxhagener Platz gehört leider sehr entschieden zu dieser Kategorie. Ein (für mich zumindest) enttäuschender Film.

Oskar & Josefine: Die Beschreibung in der Programmzeitschrift ließ mich vermuten, daß der Film genau meine Baustelle sein müßte (zumindest, wenn es um einen netten kleinen Filmabend geht), denn die klang ungefähr so: zwei Kindern wird von einem Zauberer ein Amulett geschenkt (übrigens eine etwas ungenaue Beschreibung), mit dem sie durch die Zeit reisen können. So weit, so gut. Tatsächlich entsprach der Film dann aber doch nicht so recht diesen Erwartungen, aus verschiedenen Gründen: zum einen merkte ich, daß er als Fortsetzung zu einer Fernsehserie angelegt ist, deren Inhalt zu Beginn des Films in der denkbar knappsten Form zusammengefaßt wird: daher erweist sich die Unkenntnis dieser Serie als ein gewisses Manko beim Sehen des Films. Weitaus mehr hat mich aber gestört, daß diese Serie - der Titel Jesus und Josefine verrät es bereits - einen unübersehbaren religiösen Anstrich hat, und das ist auch in der Fortsetzung immer wieder zu spüren. (Iih...) Offen gestanden bin ich mir gar nicht sicher, ob ich mir den Film überhaupt angesehen hätte, wenn mir diese Dinge vorher bekannt gewesen wären.
Wenn man davon absieht, ist der Film eigentlich ganz nett anzuschauen. Er spielt auf recht unterhaltsame Weise mit den üblichen Zeitreisen-Paradoxien herum (wobei er aber logisch nicht immer konsequent ist). Über weite Strecken ist Oskar & Josefine ein vergnüglicher Kinderfilm, den ich aber letztlich doch nicht wirklich mochte, weil mir vor allem diese christlich angehauchten Untertöne enorm auf den Senkel gingen.

Nadja: Ein Vampirfilm in Schwarzweiß, der eher auf Stimmung und Atmosphäre als Schockeffekte setzt und in dessen Mittelpunkt ein Zwillingsgeschwisterpaar aus der Familie Dracula steht. Dabei spielt die Handlung auf durchaus reizvolle Weise mit den Genrekonventionen herum, ohne diese zu durchbrechen. Was mir an dem Film aber gar nicht gefallen hat, ist der Einsatz einer Videokamera; die damit aufgenommenen Teile des Films erinnern an die Aufnahmen, wie man sie von Überwachungskameras in U-Bahnhöfen kennt, und die Bildqualität ist dementsprechend mies. Leider macht der Film davon sehr reichlichen Gebrauch, was mir Nadja dann doch mehr als nur ein wenig verdorben hat. Die Verbindung von allerlei Geräuschen mit der Filmmusik, welche die Tonspur prägt, fand ich dagegen reizvoll, doch alles in allem gefällt mir Abel Ferraras ungefähr zur gleichen Zeit entstandener The Addiction deutlich besser. Executive Producer des Film ist übrigens David Lynch, der auch einen kurzen Auftritt im Film hat; von wirklicher Lynch-Atmosphäre bleibt Nadja aber trotzdem meilenweit entfernt.


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Drei Filme


Heute fasse ich einfach die Eindrücke zu drei während der letzten Tage gesehenen Filmen zusammen:

Duell: Endlich habe ich einmal Spielbergs zu Recht berühmten (Fernseh)film gesehen, den ich bislang tatsächlich noch nicht kannte, was man sich ja kaum zuzugeben traut. Ein Mann auf Geschäftsreise wird immer mehr von dem Fahrer eines Trucks bedrängt, und bald wird deutlich, daß dieser versucht, ihn zu ermorden. Der Film enthält bereits das typische Spielberg-Motiv, das sich durch fast alle Spielbergfilme hindurchzieht: ein Durchschnittsmensch gerät in eine außergewöhnliche (oder sogar extreme) Situation, in der er sich bewähren muß. Zum Glück fehlen die später so typischen Spielbergschen Schwächen wie ein Hang zur Sentimentalität und die oft unbefriedigenden (und viel zu langen) Schlüsse hier noch völlig: Duell weist Spielberg bereits als Regisseur aus, der das filmische Handwerk, insbesondere auch in Actionszenen, vorzüglich beherrscht und ist dabei aber von wunderbarer Einfachheit; andererseits läßt sich der Film in seiner Schlichtheit aber auch als Parabel verstehen, wobei der Umstand, daß der Truck-Fahrer anonym bleibt, dem Film besonders zugute kommt. Ein sehr gelungener kleiner Film.

Nicholas Nickleby: Der 19jährige Nicholas Nickleby muß auf einmal für seine Mutter und Schwester sorgen, nachdem sein Vater durch ungeschickte Investionen (Gift- und Schrottpapiere gab es eben schon zu Dickens' Zeiten) sein Vermögen verloren hat und kurz darauf vor Kummer gestorben ist. Die Familie wendet sich zunächst hilfesuchend an den Bruder des Verstorbenen, doch leider stellt sich dieser Onkel als herzloser Widerling heraus. Als Hilfslehrer in einer entsetzlichen Einrichtung für Jungen gerät Nicholas schon bald mit dem sadistischen Schulmeister aneinander, geht bald eigene Wege und fordert die Rachsucht seines Onkels, die dessen Geldgier sogar noch übertrifft, heraus.
Ich habe Nicholas Nickleby noch nie gelesen, nehme aber an, daß diese Romanverfilmung ihrer Vorlage im wesentlichen treu geblieben ist, denn sowohl die Atmosphäre als auch die Figuren des Films sind ganz und gar typisch für Dickens. Dabei ist der Film vorzüglich fotografiert und ausgestattet, und auch die Schauspieler wissen sowohl in den großen als auch in den kleineren Rollen zu überzeugen, wobei Christopher Plummer und vor allem Jamie Bell aus der hervorragenden Darstellerriege herausragen. Ein guter, atmosphärisch dichter und auch schöner Film, auch wenn ich auf die Enthüllung bestimmter verwandtschaftlicher Beziehungen am Ende ganz gut hätte verzichten können - aber ich weiß, daß auch das typisch für Dickens ist (so wie ich auch manche Handlungswendung schon vorhersehen konnte, weil ich eben doch genug von Dickens gelesen habe, um zu wissen, wie der seine Geschichten aufbaut). Summa summarum ein überzeugender Film, den ich sehr gern gesehen habe.

Lionheart: Der junge Ritter Robert will sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts dem Kreuzzug von Richard Löwenherz anschließen, findet sich aber schon bald in einer ganz anderen Rolle wieder: schon bald wird er der Beschützer eines Geschwisterpaares und wenig später etlicher Waisenkinder, auf die es vor allem der finstere "Schwarze Prinz" abgesehen hat: ein desillusionierter früherer Ritter, der mittlerweile zum skrupellosen Sklavenhändler mutiert ist. Der Film zeichnet sich nicht gerade durch historische Genauigkeit aus (und behauptet dies letztlich auch gar nicht), sondern vielmehr ist dies ein gut ausgestatteter und handwerklich solider Abenteuerfilm, der wohl nicht besonders nachwirken dürfte, aber den Zuschauer zumindest gut bei der Stange hält, wobei Gabriel Byrne als Schwarzer Prinz zweifellos den stärksten Eindruck hinterläßt, während Eric Stoltz als Robert zwar sympathisch ist, aber auch ein wenig blaß bleibt.





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