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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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TORN CURTAIN (Alfred Hitchcock/USA 1966)


"They didn't know about Lindt!"

Torn Curtain (Der zerrissene Vorhang) ~ USA 1966
Directed By: Alfred Hitchcock


Der Raketenforscher Professor Armstrong (Paul Newman) reist angeblich nach Skandinavien, um mit Zwischenstopp in Kopenhagen ein wissenschaftliches Symposium in Stockholm zu besuchen. Jedenfalls glaubt das seine Verlobte und Mitarbeiterin Sarah (Julie Andrews). Armstrong entpuppt sich jedoch als Überläufer, der künftig in der DDR für den Ostblock arbeiten will. Doch ist auch dies wiederum nichts als Flunkerei: Tatsächlich lässt sich der Professor als Amateurspion, der eine geheime Formel von einem seiner führenden ostdeutschen Konkurrenten in Erfahrung bringen und in den Westen schmuggeln soll, einsetzen. Die Erleichterung bei Sarah über diese Eröffnug ist groß, die Fluchtschwierigkeiten zurück hinter den Eisernen Vorhang jedoch sind noch umso größer.

Die Luft ist raus, vorläufig zumindest. Unter Verzicht auf drei so bewährte wie treibende Kräfte seines bisherigen Mitarbeiterstabs, nämlich dp Robert Burke und Cutter George Tomasini, die beide kurz hintereinander verstaben, sowie den Komponisten Bernard Herrmann macht sich auch bei Hitch eine akute kreative Nachlässigkeit breit. Nach dem bewusst unter vokabulären Auslassungen stehenden und ironischen "North By Northwest" knöpfte der Meister sich hier erneut das Thema "Kalter Krieg" vor und schubst uns zusammen mit einem tückischen, fast ausschließlich physisch vorhandenen Paul Newman und der nicht minder deplatzierten Trällerdohle Julie Andrews (mit der wir als Suspense-Agentin fast durchweg auf informativer Augenhöhe stehen) in eine halbseidene, und, am schlimmsten, völlig uninteressante Agentengeschichte. Genau wie "North By Northwest" wagt "Torn Curtain" einen Brückenschlag zurück zu Hitchcocks englischer Periode, die ja noch mit Spionage und mysteriösen Formeln angefüllt war, schafft es im Gegensatz zu ersterem jedoch nicht, daraus ein Kunstwerk zu machen, dass auch abseits jedweder Storykonvention schlichtweg hinreißend zu sein vermag. "Torn Curtain" hingegen mutet an wie eine graue Maus im von geschmeidigen Großkatzen regierten Werk des Meisters, in die lediglich die Nebencharaktere Farbe bringen: Wolfgang Kieling als permanent kaugummikauender Stasi-Spitzel mitsamt bitterböser Sterbeszene, dessen Herz insgeheim für Amerika schlägt und der eigentlich liebend gern wieder zurück in seine New Yorker Bude, "Ecke Eighty-Eighth und Eighth", zöge, Ludwig Donath als spinnerter, egomanischer Ost-Wissenschaftler (eine recht liebevolle Reminiszenz an Michael Chekhov in "Spellbound") und vor allem Lila Kedrova als polnische Gräfin, der Hitch (möglicherweise unbewusst) die schönsten und bewegendsten Augenblicke seines Films schenkt. Ohne diese Figuren wäre "Torn Curtain" allerhöchstens eine lahme Fußnote, so bleibt er immerhin lebendiger Zeuge eines späten Scheiterns, einer Demonstration traurigen, aber wahren Anachronismus'. Wenn man sich so lang und intensiv wie ich jetzt mit Hitchcock beschäftigt, tut man gut daran, sich vor Augen zu halten, dass mit Ausnahme des letzten Aufbäumens "Frenzy" nach Hunderten glamouröser und bezaubernder Momente am Ende die schweren Balken des Niedergangs harren. Immerhin habe ich zwei davon schonmal hinter mir.

6/10

Leipzig DDR Kalter Krieg Alfred Hitchcock Dänemark Spionage


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SABOTEUR (Alfred Hitchcock/USA 1942)


"He pays the penalty that the noble must pay in this world: he's misjudged by everyone."

Saboteur (Saboteure) ~ USA 1942
Directed By: Alfred Hitchcock

Der Flugzeugmechaniker Barry Kane (Robert Cummings) wird fälschlich eines Sabotageakts verdächtigt, bei dem sein bester Freund (Virgil Summers) das Leben lassen musste. Kane glaubt jedoch, den wahren Täter zu kennen und nimmt, von der Polizei verfolgt, dessen Spur Richtung Osten auf. Unterwegs lernt Kane das Fotomodel Patricia (Priscilla Lane) kennen und kann sie schließlich von seiner Unschuld überzeugen. Eine weitere Aktion der Terroristen kann Barry noch verhindern, doch in New York wird bereits der nächste Anschlag geplant.

Hitchcocks erster Film für die Universal, in dessen Vorspann er sich noch als "Leihgabe" von Selznick titulieren lassen muss, markiert den Auftakt einer Kooperation voller Höhepunkte und vereint darüberhinaus all jene Qualitäten, für die der Meister bis heute so berühmt ist. Eine schier atem- und kopflose Reise quer über den Kontinent, großartige Szenen, die wie Kleinstepisödchen einer Perlenkette gleich aneinander gereiht werden und erst in ihrer Gesamtheit die volle Pracht vermitteln und erneut das Motiv des unschuldig Verdächtigen auf der Flucht. So ist "Saboteur" vor allem eines: Ein großartiger Actionfilm mit einigen spektakulären Momenten, der eindrucksvoll widerspiegelt, was das gesamte Genre Hitchcock eigentlich schuldig ist. Wie einen unfreiwilligen Jack Kerouac muss man sich Robert Cummings vorstellen; sein Weg führt ihn von der Ost- zur Westküste, vorbei an dämlichen Polizisten, hilfsbereiten Truckern, einem freundlichen, blinden Eremiten ("Frankenstein's Daughter" lässt grüßen) und einer liebenswerten Gemeinschaft von Zirkusfreaks - allesamt Außenseiter und versteckt Lebende, das wahre Fundament Amerikas. Und schließlich die Verschwörer: An deren Spitze steht ein reicher Unternehmer (Otto Kruger) mit größenwahnsinnigen Eroberungsplänen, der den totalitären Staat befürwortet - letzten Endes ein Faschist, eine Mussolini-/Hitler-Analogie und damit legitimer Vorläufer all der James-Bond-Supergangster. Dass sich die Köpfe der Terrorvereinigung ausschließlich aus respektablen Großbürgern rekrutiert, lässt vielerlei Interpretationen zu. Ganz eindeutig tut diese sozialistisch angehauchte Form der Paranoia dem Film jedoch mehr als wohl. Meisterlich.

9/10

Nevada Alfred Hitchcock Terrorismus Road Movie Spionage New York Verschwoerung


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FOREIGN CORRESPONDENT (Alfred Hitchcock/USA 1940)


"Hello, America, hang on to your lights: they're the only lights left in the world!"

Foreign Correspondent (Mord) ~ USA 1940
Directed By: Alfred Hitchcock


Der eher unbedarfte New Yorker Journalist John Jones (Joel McCrea) wird unter dem Alias 'Huntley Haverstock' als Auslandskorrespondent in das kriegsbedrohte Europa entsandt. Dort soll er den holländischen Diplomaten Van Meer (Albert Bassermann) interviewen. Im London angekommen lernt Jones die reizende Politikertochter Carol (Laraine Day) kennen und muss bald darauf feststellen, dass mit Van Meer etwas nicht stimmt. Zunächst verschwindet der ältere Herr quasi vor Jones' Augen, dann wird er in Amsterdam augenscheinlich ermordet. Doch der Tote ist nicht Van Meer, sondern ein Doppelgänger. Der echte Van Meer befindet sich in der Gewalt einer Gruppe Verschwörer, die ihm wichtige Informationen entlocken wollen. Jones versucht auf eigene Faust, den Verbrechern beizukommen.

"I do my part!" Nach einem Besuch im vom Kriege aufgescheuchten London ließ Hitchcock seinem Film noch einen - rein dramaturgisch betrachtet - furchtbar penetranten Epilog anhängen, in dem McCrea und die Day vor der BBC eine flammende Rede für die amerikanische Eigenständigkeit halten, und dass man sich doch bitte nicht in das Kriegsgeschehen hineinziehen lassen möge. Danach der Abspann; die Skulptur eines Adlers wird eingeblendet und dazu läuft die Hymne. Immerhin konnte man zuvor runde 115 Minuten Agentenfilm begutachten mit allen möglichen hitchcock'schen Kabinettstücken. Joel McCrea ist ein etwas untypischer Held, da die Aufklärung des Falls einer rein intrinsischen Motivation entspringt. Das kennt man von Hitchcock sonst eher nicht, da seine Protagonisten in prekärer Situation zumeist genötigt sind, ihre Unschuld darzulegen und somit das handlungstragende Verbrechen aufzuklären. Aber in "Foreign Correspondent" geht es nunmal um Aktivismus, insofern passt das Ganze auch. Zwei ganz wundervolle Sequenzen gibt es im Film: Die Erste zeigt McCrea als buchstäblichen Don Quichotte, wie er in der holländischen Provinz auf einem gespenstischen Windmühlenfeld den Verbleib Van Meers zu klären versucht, um dann vor der örtlichen Polizei als Spinner dazustehen; die zweite präsentiert einen umständlich eingefädelten Mordanschlag, den Edmund Gewnn in der Turmspitze der Westminster-Kathedrale als Attentäter Rowley auf McCrea verübt - nur um dann selbst den Abflug zu machen. In solchen - zeitlosen - Momenten ist Hitchcock ungeheuer konzentriert, ganz bei sich und keinerlei modischen Gesten unterworfen. Ansonsten muss sich "Foreign Correspondent" auch eine ganz praktikable Kritik gefallen lassen: Er verfällt nämlich zuweilen in eine gefährliche Trägheit (der Begriff 'Stasis' erscheint mir etwas zu stark) und scheint mir infolge dessen gute zwanzig Minuten zu lang geraten.

7/10

Spionage London Amsterdam Holland Alfred Hitchcock WWII


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THE LADY VANISHES (Alfred Hitchcock/UK 1938)


"I'm about as popular as a dose of strychnine."

The Lady Vanishes (Eine Dame verschwindet) ~ UK 1938
Directed By: Alfred Hitchcock


In einem kleinen Städtchen des Ostblockstaates Bandrika mit Eisenbahnanbindung wartet eine größere Reisegesellschaft auf den Anschluss Richtung Westen, der wegen einer Lawine aufgeschoben werden muss. Zu den illustren Gästen gehören die verwöhnte englische Junggesellin Iris Henderson (Margaret Lockwood), die in London ihren Verlobten ehelichen will, der Musikforscher Mr. Gilbert (Michael Redgrave) und die ältere Dame Miss Froy (Dame May Whitty), mit der Iris sich sehr gut versteht. Im Zug muss Iris nach einem Nickerchen feststellen, dass Miss Froy aus ihrem gemeinsamen Zugabteil verschwunden ist, und noch schlimmer: Dass außer ihr sie überhaupt niemand gesehen zu haben scheint. Gilbert, der ein Auge auf Iris geworfen hat, hilft der zunehmend verstörten Iris bei der Suche nach der spurlos Entfleuchten.

Jung, unbedarft, lebenslustig und so mir nichts, dir nichts in eine Spionageaffäre von internationaler Größenordnung hereingezogen - Hitchcock, wie man ihn kennt, schätzt, liebt. Dazu das Zugsetting, das von hier ab im Agentenfilm fest inventarisiert sein wird. "The Lady Vanishes" beginnt wie eine frivole Screwball Comedy. Zunächst stellen sich die Protagonisten vor: die hübsche Iris nebst zwei kaum minder attraktiven Freundinnen (Googie Withers, Sally Stewart), die leider in Bandrika zurückbleiben müssen (nicht zuletzt, da die Geschichte mit ihrer weiteren Beteiligung unsinnig würde), zwei Cricket-Fanatiker (Naunton Wayne, Basil Radford), die den ganzen Film hindurch als reichhaltige Spottzielscheibe für die Verballhornung britischer Eigenart(igkeit)en fungieren und der luftige Mr. Gilbert, der als Frechdachs vor dem Herrn wie geschaffen ist für eine romantische Liaison mit der nicht minder schlagfertigen Iris. Nicht zu vergessen die titelgebende Dame, die nette Miss Froy, eine rundum liebenswerte Teetrinkerin um die 60. Nach diesem umfassenden, ganz entspannt berichteten Prolog wird es endlich Zeit für die Kriminalgeschichte. Im Zug treffen die Helden auf diverse finstere, korrupte und sich hinter Geheimnissen versteckende Gestalten, feindliche Agenten und so weiter. Was jetzt genau eigentlich das Problem um den fiktiven Balkanstaat Bandrika ist, bleibt unbeschärft. Man erfährt lediglich, dass die staatliche Ordnung hier sehr hinkt, besonders an Commonwealth-Maßstäben. Das ganze Land wird zum MacGuffin, handlich gemacht und reduziert auf eine codierte Melodie, die es in den Westen zu übermitteln gilt.

8/10

Spionage Alfred Hitchcock Zug


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THE 39 STEPS (Alfred Hitchcock/UK 1935)


"Have you ever heard of the 39 Steps?" - "No. What's that, a pub?"

The 39 Steps (Die 39 Stufen) ~ UK 1935
Directed By: Alfred Hitchcock


In einer Varieté-Vorstellung mit dem Gedächtniskünstler "Mr. Memory" (Wylie Watson) fallen plötzlich Schüsse. Wie Richard Hannay (Robert Donat), einer der Besucher der Vorstellung, erfährt, steckt die Agentin Annabelle Smith (Lucie Mannheim) dahinter. Diese wollte mit der durch die Schüsse entstandenen Panik ihre Verfolger, zwei feindliche Spione, abschütteln. Hannay gewährt Annabelle Zuflucht in seinem Apartement, doch ihre Gegner finden und töten sie dort. Mit letzter Kraft kann Annabelle, deren Auftrag es war, die Entwendung strategisch wichtiger Dokumente aus dem Verteidigungsministerium zu verhindern, Hannay ihre Kontaktperson mitteilen: einen in Schottland lebenden Professor. Hannay, der bald wegen Mordes gesucht wird, hat nurmehr zweierlei im Sinn: Seine Unschuld zu beweisen und zu verhindern, dass die Dokumente in die falschen Hände gelangen.

Temporeicher Agententhriller mit romantischem Einschlag, aus Hitchcocks britischer Periode wohl der populärste und renommierteste Film. Ich muss gestehen, dass ich "The 39 Steps" noch nie so gemocht habe wie andere Werke des Regisseurs, wofür primär meine Abneigung zu dem aalglatten Robert Donat verantwortlich ist. Donat, der im Film als kanadischer Migrant auftritt, spielt den typischen Dreißiger-Jahre-Galan mit allem, was so dazu gehört: Feines Schnauzbärtchen (das auch zu Tarnungsgründen nicht abrasiert wird; eine kleine Drehbuchfinte Hitchs), stets gut frisiert und gekleidet und trotz seiner prekären Situation nie die Fassung verlierend. Ich habe Donats Interpretation stets als Musterexempel eines unsympathischen Fatzkes empfunden. Filme zuvorderst anhand ihrer Darsteller/Charaktere zu beurteilen, zeugt nun zwar nicht von besonderer kritischer Professionalität, doch in diesem Fall kann ich nicht über meinen Schatten hinaus; zumal Donat fast ausnahmslos jede Szene bestimmt und seine Figur übergroß in den Vordergrund gerückt wird. Dass sich dahinter allerlei frühes Suspense-Vergnügen, nette Schottland-Szenen und vor allem ein großer thematischer Vorgriff auf später folgende Meisterwerke abspielen, lässt sich zwar nicht übersehen, anhand des geckenhaften Donat aber hier und da doch leicht vergessen.

7/10

London Spionage Alfred Hitchcock Schottland


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CLEOPATRA JONES (Jack Starrett/USA 1973)


"Right on, Cleo!"

Cleopatra Jones (Ein Fall für Cleopatra Jones) ~ USA 1973
Directed By: Jack Starrett


Wenn der exaltierten Spezialagentin Cleopatra Jones (Tamara Dobson) eines ein Dorn im Auge ist, dann ist es Heroin in der schwarzen Nachbarschaft. Um L.A.s hauptamtlicher Pusherin Mommy (Shelley Winters) das Geschäft zu versauen, reist Cleo, wie sie von ihren Freunden genannt wird, sogar bis in die Türkei und lässt ein gewaltiges Mohnfeld bombardieren. Für Mommy reine Provokation und Anlass genug, einige bestechliche Cops auf ein Entzugscenter in Watts, das von Cleos Stecher Reuben (Bernie Casey) geleitet wird, zu hetzen. Doch Cleo lässt sich nichts gefallen und macht Mommy mit ihrer flotten Corvette, einer MP, und zwei befreundeten Karatekämpfern (Albert Popwell, Caro Kenyatta) die Hölle heiß.

Herrlich greller Blaxploiter mit allen Zutaten des Genres, der nicht nur dem black, sondern auch dem feminine consciousness in die Handtasche spielt. Selbstredend rein oberflächlich, denn die Zeichnung des teilnehmenden Personals könnte viel klischierter nicht sein. Auf der einen Seite die hochgewachsene Super-Heroine, auf die fraglos jeder nicht gerade an Präpubertät oder Altersschwäche leidende bro in da hood komplett abfährt nebst ihrem omnipotenten Lover, der auc nur deshalb ihr Lover ist, weil er cool ist like steel und das gockelhafte Gehabe der meisten schwarzen Jungs längst abgelegt hat. Auf der anderen Seite ein grotesk überzeichneter, lesbischer Pusher-Albtraum (Shelley Winters mit roter Perücke und in einer Paraderolle) mitsamt farbigem Vizekönig (Antono Fargas, auch in Paraderolle) korrupte, weiße (fo' sho' rassistische) Cops. So simpel gestrickt wie zeitentlarvend. Und natürlich saukomisch.

6/10

Heroin Drogen car chase Los Angeles Blaxploitation Jack Starrett Martial Arts


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WHO? (Jack Gold/UK 1973)


"No matter who I once was - now I'm just me."

Who? (Der Mann aus Metall) ~ UK 1973
Directed By: Jack Gold


Als der amerikanische Wissenschaftler Dr. Lucas Martino (Joseph Bova) in der DDR einen verheerenden Autonunfall erleidet, flickt man ihn diesseits des Eisernen Vorhangs notdürftig zusammen. Große Teile seines Körpers werden durch Metallprothesen ersetzt und man unterzieht Martino zermürbenden Verhören betreffs seiner Forschungen in den USA. Erst Monate später wird Dr. Martino wieder zurück in den Westen geschickt. Für den FBI-Agenten Sean Rogers (Elliott Gould) eine höchst verdächtige Angelegenheit - der vermutet hinter dem praktisch unidentifizierbaren Mann einen mittelmäßig getarnten Ostagenten oder einen hirngewaschenen Dr. Martino, der nunmehr als Schläfer fungieren soll.

Ein Cold-War-Drama, das ausnahmsweise nicht die Zerstörung der Zivilisation verhandelt, sondern bloß jene eines Individuums, das bloß aufgrund eines dummen Unfalls zum Spielball der Supermächte wird. Das Empathiemoment für diesen Dr. Martino - ganz gleich, ob er "echt" ist, oder nicht, wird ganz gezielt von der ersten Filmminute an geschürt. Nicht genug damit, dass der Mann durch sein modifiziertes Äußeres grotesk entstellt ist - seine wahre Leidensgeschichte beginnt erst, als die Sowjets feststellen, wenn sie da auf dem OP-Tisch liegen haben. Damit nicht genug ist nach Monaten der Quasi-Geiselhaft zudem das Vertrauen der eigenen Landsleute in den Bedauernswerten erloschen - niemand mag ihm mehr zur Gänze abnehmen, dass das metallene Antlitz einst Dr. Martino gehörte. Als denkanstoßendes Politmelodram ist Golds behäbig inszenierter Film somit durchaus anschauenswert, als Identitätsthriller mit einer vollkommen umotiviert eingestreutenb Actionsequenz indes gefährdet ihn permanent die Beliebigkeit. Das Resultat kann sich einer gewissen Zwiespältigkeit ergo nicht ganz freisprechen.

7/10

Spionage Kalter Krieg Jack Gold DDR


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TATORT - TOTE TAUBE IN DER BEETHOVENSTRAßE (Samuel Fuller/BRD 1973)


"Ich melde mich später wieder."

Tatort - Tote Taube in der Beethovenstraße ~ BRD 1973
Directed By: Samuel Fuller


In der Bonner Beethovenstraße wird ein amerikanischer Privatdetektiv erschossen. Der ebenfalls angeschossene Täter (Eric P.Caspar) kann kurz darauf aus der Untersuchungshaft entkommen. Zollfahnder Kressin (Sieghardt Rupp) wird eingeschaltet, den Fall zu übernehmen, doch auch er bleibt bald verletzt auf der Strecke. Sandy (Glenn Corbett), Freund und Kollege des anfänglich Ermordeten, springt ein. Er und sein Partner waren im Auftrage eines US-Senators (Sam Fuller) bereits seit längerem einer international agierenden Verbrecherorganisation auf der Spur, die hochgestellte politische Persönlichkeiten betäubt, um sie dann auf kompromittierenden Fotos abzulichten und hernach zu erpressen. Sandy macht mit dem aalglatten Mensur (Anton Diffring) den Kopf der Bande in Bonn ausfindig und gibt sich selbst als Amateurerpresser aus, um bei ihm einsteigen zu können. Kurz darauf verliebt sich Sandy in die ebenfalls involvierte Christa (Christa Lang).

Wenn Samuel Fuller einen "Tatort" inszeniert, dann steht zumindest ansatzweise Ungewöhnliches zu erwarten. Eine Kressin-Folge ist dies eigentlich bloß nominell; der kantige Sieghardt Rupp hat alles in allem etwa acht bis zehn Minuten Bildschirmzeit. Den eigentlichen Helden mimt Fuller-Veteran Glenn Corbett, ein veritabler Seventies-Schnauzbart-Held, der wunderbar in Italo-Western gepasst hätte, über einige Filme mit Andrew McLaglen jedoch nicht hinausgekommen ist. Ansonsten verdiente Corbett seine Brötchen mit Gastauftritten in nahezu jeder nennenswerten US-TV-Serie dieser Jahre. Dem bis dato erzdeutschen TV-Format "Tatort" verleiht Corbett jedoch einen gewissen internationalen Charme, wie auch das Engagement des seit vier Jahren untätigen Fuller für ein beträchtliches Potential an globaler Öffnung zu stehen scheint. Der abenteuerliche Erpresserplot passt zu den üblichen B-Movie-Storys, die man aus früheren Fuller-Krimis kennt. Was diesen Film erst zu etwas wirklich Besonderem und Kunstvollem macht, sind seine höchst eigene Montage, die in der erst kürzlich restaurierten Fassung noch etwas besser zur Geltung kommt, sowie natürlich der unbestechliche Blick eines internationalen Regiegenies auf rheinländische Urbanität, Kultur und Brauchtümer. Nicht umsonst bekommt Eric P. Caspar mit dem schönen Rollennamen "Charlie Umlaut" eine formidable Szene während des Kölner Karnevals.

8/10

Kressin Karneval TV-Film Tatort Bonn Koeln Samuel Fuller


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RED (Robert Schwentke/USA 2010)


"This used to be a Gentleman's game."

Red ~ USA 2010
Directed By: Robert Schwentke


Weil er Unrühmliches über die Vergangenheit des Vize-Präsidenten Stanton (Julian McMahon) weiß, soll der im Ruhestand befindliche CIA-Killer Frank Moses (Bruce Willis) von seiner Ex-Organisation eliminiert werden - womit sich sein persönlicher Status in "red" (retired extremely dangerous) ändert. Dabei ist er gerade dabei, sich in eine Sozialbeamte (Mary-Louise Parker) zu verlieben, die durch die Bekanntschaft zu Moses selbst in Lebensgefahr gerät. Glücklicherweise stehen dem immer noch brettharten Profi bei seinem nun folgenden Kampf gegen den Geheimdienst einige alte Freunde und Feinde (John Malkovich, Morgan Freeman, Helen Mirren, Brian Cox) zur Seite.

"Red" hat mich eigentlich nur deshalb interessiert, weil es sich um eine lose Comic-Adaption handelt. Warren Ellis, der Autor der Vorlage, zählt zu den hellsten Köpfen seiner Branche; somit ist zumindest "auf dem Papier" alles im grünen Bereich. Der Film macht Ellis' Miniserie keine Schande, weicht jedoch, schon aufgrund seiner inhaltlichen Ausdehnung, in einigen Punkten von selbiger ab. Die Schwentkes Film zugrunde liegende Konzeption ist der von Stallones B-Hero-Reanimation "The Expendables" in manchen Punkten nicht unähnlich; hier wie dort kommen einige berühmte Köpfe der Branche, die schon länger vom Schirm der Öffentlichkeit verschwunden schienen, wieder aufs Tapet. In "Red" freut man sich etwa über kurze Auftritte von James Remar, Richard Dreyfuss und ganz besonders Ernest Borgnine, zum Dreh immerhin satte 93 Jahre alt. Abgesehen von diesen kleineren, rein personell gewichteten in-jokes ist "Red" jedoch ein weithin überraschungsarmer Film für die Masse, mit demselben Geschwätz über den unantastbaren Profikiller-Superheld-Hybriden, wie man es schon seit Jahren zu hören bekommt; sauber gemacht, ironisch konnotiert, kurzweilig genossen - viel hängen bleibt aber ganz bestimmt nicht. Okay für 'nen losen Samstagnachmittag halt.

6/10

Verschwoerung Comic Robert Schwentke Profikiller CIA DC Comics


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BLACK EAGLE (Eric Karson/USA 1988)


"One man - just one source of error. Two men -..."

Black Eagle (Red Eagle) ~ USA 1988
Directed By: Eric Karson


Ken Tani (Shô Kosugi), CIA- Mann für Spezialeinsätze, wird nach Malta abberufen, um ein Laser-Ortungssystem zu bergen, das ein abgestürztes Flugzeug an Bord hatte. Da dieser Einsatz genau in Tanis obligatorischen Sommerurlaub mit seinen Söhnen (Kane Kosugi, Shane Kosugi) fällt, werden diese vorsorglich in einem maltesischen Hotel einquartiert. Die gegnerischen Russen (Jean-Claude Van Damme, Vladimir Skomarovsky) haben Tanis einzige Schwachstelle bald spitz. Doch der stets hochkonzentrierte Einzelkämpfer lässt sich nicht beirren.

Ein zweites und letztes Mal nach "No Retreat, No Surrender" hatte Van Damme in "Black Eagle" den bösen russischen Muskelprotz zu geben, in der Folge etablierten ihn seine Hauptrollen in den diversen bekannten B-Filmen zum charmanten Helden. Immerhin fällt sein Part hier wesentlich differenzierter als im ersten "Karate Tiger" aus. Er darf sprechen, eine Freundin (Dorata Puzio) sein Eigen nennen und sich sogar um diese sorgen - was ihn freilich nicht vor einem unrühmlichen Ende in einer Schiffsschraube bewahrt. Hätte sich eben nicht mit Shô Kosugi anlegen sollen, das kann ja auch nichts werden. Der sypathische Ex-Ninja macht wie die meisten seiner späteren Filme der Achtziger auch diesen zum Familienprojekt und spannt seine - mimisch leider hoffnungslos untalentierten - Sprösslinge mit ein, die wieder bloß den einzigen, undankbaren dramaturgischen Zweck als Supermann Kosugis Achillesferse innehaben. Nix Neues also, aber auch nix unbedingt Schlechtes. Zwar bleibt "Black Eagle" als billiges Bond-Plagiat etwas unblutig, doch lohnenswert genug für Freunde der beiden Antagonisten ist er noch allemal.

5/10

Eric Karson Martial Arts Independent





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Funxton

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