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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch

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Fleisch von meinem Fleisch


Meine Schwester (TV)

Anais ist jung. Anais ist dick. Manche würden sie wohl als fett bezeichnen. Sie ist der Dorn in der Seite ihrer älteren Schwester Elena, die wunderhübsch ist und mit ihren 15 Jahren bereits am Herumexperimentieren, was die Jungens angeht. Im gemeinsamen Urlaub trifft Elena den italienischen Austauschstudenten Fernando, der ihre Fantasie auf die Reise schickt. Er zieht das volle Programm durch, redet, charmiert, verführt sie. Die Eltern bekommen dies bald spitz und sind wenig begeistert. Doch was dann kommt, überrascht wohl jeden, und deshalb werde ich mich hüten, das hier zu verraten!

Im Zentrum von Catherine Breillats Film A MA SOEUR steht die Figur der dicken Anais, eine komplett statische Figur. Das Leben entwickelt sich um sie herum, während sie frißt, frißt, frißt. Ist der Typus der frustrierten Dicken für gewöhnlich eher eine humoristische Beigabe in konservativen Teenie-Komödien, so wird hier der Panzer aus Fleisch der jungen Dame mal nicht zum Anlaß für Überlegungen in bezug auf das, was man als Norm empfindet. Weder wird Anais nahegelegt, sie solle ihr Übergewicht ablegen, um "einer von uns" zu sein, noch lernt sie ihre Erscheinung akzeptieren. Sie ist immens frustriert, da ihre Eltern ziemlich ignorante und egozentrische Rindviecher sind. Die amourösen Experimente ihrer Schwester verletzen sie zutiefst, und da sie so vieles verletzt, stellt sie sich tot im eigenen Körper. Die nach außen hin aktivere Elena ist völlig überfordert mit den Liebesdingen, läßt sich zusülzen von ihrem Urlaubsflirt, der ganz offensichtlich nur auf Triebabfuhr aus ist. Ich habe von Catherine Breillat bislang noch keinen Film gesehen, erwartete hier aber in Anbetracht der Reputation der Regisseurin eine Übung in Provokation. Wer Provokation braucht, kann sie auch aus A MA SOEUR herauslesen. Die Darstellung von Sexualität in A MA SOEUR ist denkbar unpornographisch, wirkt aber gerade durch die Konzentration auf die Begleitumstände der Sexualität hochgradig erotisch. Ich möchte mal behaupten, daß ein männlicher Regisseur das so nicht hinbekommen hätte. Der Sex wird eben nicht verkitscht, sondern als Triebfeder des Tun und Machens der Figuren angenommen. Dieses Tun und Machen führt allerdings zum Tod der Träume, denn was der Kopf an Träumen zusammenspinnt, erweist sich meistens als Luftnummer. Elena möchte gern den Traum mit ihrem Prinzen realisieren, damit sie sich selbst als Frau fühlen kann, möchte nicht auf halber Strecke verweigern. Der Mann hängt irgendwo zwischen sinnlicher Aufgepeitschtheit und Frust, man merkt, daß er buchstäblich jeden Mist erzählen würde, um zum Ziel zu kommen. Moralisiert wird nicht wirklich; dazu ist die Inszenierung der Breillat auch zu nüchtern. Wunderland ist abgebrannt, und das illustriert auch sehr anschaulich das mal wirklich schockierende Ende, bei dem mir nur noch die Kinnlade heruntergeklappt ist. Ich bin mir immer noch nicht ganz im klaren darüber, ob die dicke Anais eine Rebellin ist - sie sagt am Schluß etwas im Sinne von "Denken Sie doch, was Sie wollen!" -, aber sie ist das logische Produkt der Lebensumstände, die der Film hier sehr detailliert abbildet. Sicher bin ich mir allerdings darüber, daß ich mir jetzt definitiv noch viele andere Filme von der Breillat anschauen möchte!


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A man could get lost


Der Detektiv (DVD)

Detective Joe Leland (Frank Sinatra) ist Cop geworden, weil sein Vater ein Cop war, weil sein Großvater ein Cop war. Er hat einen diamantenen Kodex, der ihn aufrecht hält, allen arbeitsbedingten und privaten Anfechtungen zum Trotz. Ein Schwulenmord bringt ihm eine Beförderung. Der Mörder wird geröstet. Da kommt eines Tages eine junge Witwe in sein Büro, die nicht glaubt, daß der Tod ihres Mannes ohne Fremdverschulden erfolgt ist. Detective Leland will Licht ins Dunkel bringen und findet sich wieder im Zentrum einer Verschwörung...

THE DETECTIVE ist ein exzellenter Polizeifilm und markiert auf faszinierende Weise den Übergang des klassischen Cop-Kinos zur "neuen Welle", die in den 70er Jahren die liebgewonnenen Konstanten ins Wanken bringen sollte. Tatsächlich ist der Film ein wenig schizo, arbeitet mit sexistischen Klischees, läßt seinen zentralen Charakter als einen aufrechten Helden erscheinen, doch wird das traditionelle Gerüst des Ordnungshüters, der das Chaos befrieden muß, unwiderruflich demontiert. Die Unordnung reicht bis tief in die Strukturen des Polizeiapparates hinein. Auch Politik und Wirtschaft sind völlig durchseucht von sich altruistisch gebenden, aber völlig egoistisch motivierten Saubeuteln. Joe Lelands eigenes Leben ist ebenso auf tönernen Füßen begründet wie seine dinosaurierhafte Vorstellung von Recht und Gesetz, die eng an die Figur seines Vaters gekoppelt ist, den man schließlich tot auf der Müllhalde fand. Joe verliebt sich in eine linksliberale Akademikerin, Karen (Lee Remick), die vom neandertaleresken Stil Joes fasziniert ist und seine starke Schulter sucht. Selbst ist sie sehr zerbrechlich und flüchtet sich schon bald in Affären. Die Probleme, die in Joes und Karens Beziehung stattfinden, werden zur Entstehungszeit des Filmes noch als Nymphomanie aufgefaßt worden sein. Heutzutage würde man wohl von Borderline-Syndrom sprechen, denn Karen will verzweifelt die Sicherheit der Beziehung, erträgt aber gleichzeitig nicht deren Enge, der sie zu entfliehen sucht. Sie kämpft letztlich gegen sich selbst. Joe ist damit überfordert und vergräbt sich in Arbeit. Der Film arbeitet exzellent heraus, wie Joes private Probleme sich auf seinen Job übertragen. Färbt Karens linke Gesinnung zunächst noch positiv auf sein Auftreten ab (er revoltiert gegen brutale Kollegen), wird er selber zunehmend aggressiv, ist bereit, die leichten Lösungen zu akzeptieren und somit den Kompromissen die Tür zu öffnen. Die Anfechtungen spürt er und setzt sich gerade deshalb für den Kampf gegen die Korruption ein. Vielleicht ahnt er auch, wie weit er bereits selbst verstrickt ist. Diese komplizierte Situation wird vom Film am Schluß etwas zu einfach aufgelöst. Der Protagonist wird etwas zu leicht vom Haken gelassen. Doch insgesamt bemüht sich dieser sehr spannende und exzellent gespielte Film redlich um eine realistische Figurenzeichnung. Bemerkenswert ist die starke Akzentuierung des Homosexuellenthemas, dessen Behandlung heutzutage vermutlich etwas antiquiert wirken mag, aber zu jener Zeit war es eben noch so, daß Homosexuelle dazu gezwungen wurden (Straftatbestand!), sich als Abartige, als kranke Bösewichte zu empfinden, was bei vielen zu massivem Selbsthaß geführt haben mag. Der Film deutet an, daß das homophobe Verhalten der Polizisten ihrem eigenen Versagen als heterosexuelle Familienväter entspringt. Überhaupt entspricht THE DETECTIVE sehr stark dem Trend der späten 60er zur psychoanalytischen Betrachtung. Der Widerwillen Joe Lelands gegen Seelenklempner erscheint kaum haltbar angesichts seiner eigenen massiven Probleme. In Nebenrollen glänzen Ralph Meeker und Robert Duvall als böse Bullen und Tony Musante als schwules Bauernopfer. Auch die Remick - ohnehin eine hervorragende Schauspielerin - ist bemerkenswert als Karen und gewinnt einer Rolle, die bei einer schwächeren Darstellung möglicherweise peinlich in die Hose gegangen wäre, einiges an Glaubhaftigkeit ab. Und Sinatra - sowohl amerikanischer Held als auch Kumpel von Halbweltgestalten - versieht seine Rolle mit großer Intensität. Seine Unbeirrbarkeit wird immer mehr zu trauriger Resignation, und als er schließlich seine Wahl treffen muß, ist er nackter als nackt. In den Folgejahren sollte das Polizeifilmgenre diesen resignativen Grundton beibehalten. Filme wie MASSENMORD IN SAN FRANCISCO (THE LAUGHING POLICEMAN) handelten von der Verrohung von Polizisten durch die Allgegenwart von Gewalt und Unmoral. DIE CHORKNABEN (THE CHOIRBOYS) brachte diese Entwicklung zum vorläufigen Schlußpunkt und servierte den Polizistenalltag als eine ungeheuerlich pessimistische schwarze Komödie. THE DETECTIVE ist ein früher Vertreter dieser Art von Polizeifilmen, der die Entwicklung des Genres entscheidend prägte. Und ja, auch heutzutage knallt der Film noch massiv!


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Zwerg Nase und die schwarze 13


Der Exorzist und die Kindhexe (Video)

Susan Barnes ist die Tochter eines Polizeikommissars und ein zum Verrücktwerden häßliches Kind. Alle finden sie aber ganz possierlich und betuttelnswert. Dies ändert sich nachhaltig, als Susan von einer Evil Zigeunerin eine Puppe geschenkt bekommt, die so ähnlich aussieht wie ein Flaschenöffner mit Hörnern und Augen besitzt, die manchmal blinken. Susan wird dann immer von einem bösen Geist erfaßt und flucht wie ein Droschkenkutscher. Ganz klar, der Exorzist muß ran...

Als ich LA ENDEMONIADA zum ersten Mal sah, fand ich ihn fürchterlich langweilig und unspektakulär. Die neuerliche Sichtung öffnete mir die Augen für die Schönheiten des Filmes, die zugegebenermaßen gut versteckt sind hinter einer billigen Produktion und einer unattraktiven Bildführung. Intelligent geskriptet ist das alles beim besten Willen nicht, und passieren tut auch nicht viel. Ich habe mich trotzdem blendend amüsiert! KINDHEXE gehört zu den zahlreichen EXORZIST-Rip-Offs, die 1974 und 1975 den katholischen Sieg über das Urübel besangen. (Schönes Wort, vor allem, wenn man es falsch ausspricht: Ich urübele, du urübelst, er/sie/es urübelt...) Horrorfilme handeln ja generell von Ängsten, also von unbewältigten Prozessen, die im Zuschauer herumwabern. Das ist auch der Grund für die häufig erzkonservativen Anschauungen, die darin aufscheinen. Angst ist immer infantiler Natur, die daraus geborenen Ideen konservativ wie ein Saustecher in Niederbayern. Der amerikanische EXORZIST verpackte das hübsch in toller Filmtechnik und progressiv anmutendem Schnickschnack, erzählt aber grundsätzlich vom Unbehagen der älteren Generation den eigenen Kindern gegenüber. Dein Töchterlein benimmt sich rebellisch, sagt schmutzige Wörter, uriniert auf den Teppich und masturbiert mit einem Kruzifix? Herzlichen Glückwunsch - du hast jetzt einen völlig normalen Teenager! Das Balg in KINDHEXE ist schon im Naturzustand ein kleiner Freak, aber wenn ihr dann auch noch eine Gummiglatze, dicke Augenbrauen und Omafalten im Gesicht wachsen, dann liegt das Publikum auf dem Boden! In der deutschen Fassung (Videopremiere!) werden ihre Sätze hölzern abgelesen, was Zeilen wie "Ihr habt's getrieben wie die Straßenköter!" sehr drollig macht. Die Synchro ist ohnehin was für die Schatzkiste. Gleich zu Beginn unterhält sich Susans Vater mit Pater Juan, welcher ihm von einer Kirchenentweihung berichtet: "Irrtum und Pervertiertheit existieren - wir sind von teuflischer Gegenwart umgeben!" Susans Vater entgegnet ihm: "Heutzutage pumpen sich die Jugendlichen voll mit Sex und Drogen auf der Flucht vor der Wirklichkeit!" Daß seine eigene Tochter im Laufe der Handlung einem Herrn den Pimmel abschneiden und dessen Verlobten als Geschenk überreichen wird, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht... Auch hübsch wird es, wenn ein Doktor hinzugezogen wird, der vom Aberglauben nicht viel hält: "Heute, nachdem es wissenschaftlich erwiesen ist, daß ein Elektron zur gleichen Zeit zwei Löcher passieren kann, wenn sie auf beiden Seiten einer Fläche angeordnet sind, kann alles als natürlich erklärt werden." (Ich habe mir diesen Satz mehrfach durchgelesen und verstehe ihn immer noch nicht!) Auch zitiert er Yeats und das "Rassengedächtnis" (hust!), obwohl es sich hier wohl eher um Rasengedächtnis handeln wird... Nimmt man dann noch Fernando Sancho hinzu, jenen Veteranen unzähliger Eurowestern, der sich als mexikanischer Banditenchef tausendfach den fetten Hähnchenschlegel quer durchs Gesicht gezogen hat, hat man es bei DER EXORZIST UND DIE KINDHEXE mit einer Vollwertgraupe zu tun, die dem skandallüsternen Konservativismus von Friedkins Hollywood-Schocker vollauf entspricht, ihn aber sympathischerweise durch fröhliches Dilettieren völlig diskreditiert. Ich finde den Film niedlich!


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Ein Leben auf Schienen


Scherben (TV)

Ein Schrankenwärter (Werner Krauß) lebt zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in einem kleinen Häuschen neben dem Schienenstrang. Sein ganzes Leben besteht daraus, immer wieder am Geleise entlangzulaufen und nach Schäden Ausschau zu handeln. Das Leben erscheint stabil und unabänderlich. Wie zerbrechlich das Ganze jedoch ist, wird deutlich, als ein Inspekteur der Bahnbehörde vorbeikommt und die Tochter des Schrankenwärters verführt...

SCHERBEN von Lupu Pick ist ein kleiner, großer Film, sehr im Stile der späteren Filme, die von Carl Mayer geschrieben wurden, der einer der einflußreichsten Drehbuchautoren des deutschen Kinos war. Wie in DER LETZTE MANN verzichtet Mayer fast vollständig auf Dialoge, auf unterbrechende Titelkarten. Das hat zum einen den Effekt, daß der Zuschauer ständig „mitarbeitet“, die Vorgänge und die Motive der Protagonisten zu ergründen versucht. Zum anderen entspricht die Sprachlosigkeit dem engen Leben der Hauptfiguren, deren ganze Existenz in ewig gleichen Bahnen verläuft, während direkt daneben die Züge ins große Leben vorbeirauschen. Es ist unsagbar traurig, dem Schrankenwärter dabei zuzusehen, wie er seine abstumpfende Arbeit Tag für Tag versieht. Er geht die Schienen entlang, auf denen er förmlich festgeschweißt ist. Sie führen alle irgendwohin, doch wohin, wird er niemals herausbekommen. Die Tochter ist natürlich nicht zufrieden mit diesem engen Leben. Als der Inspekteur kommt, scheint ihre Stunde gekommen. (Großartige Szene: Sie kniet auf der Treppe und wischt die Stufen; der Inspekteur erscheint auf der nächsthöheren Stufe, sie betrachtet seine Stiefel, blickt an ihm hoch, zu ihm auf in sein herrisches Gesicht.) Doch die Möglichkeit zur Loslösung erweist sich als trügerisch – Tod und Tragödie sind die Folge. Die Menschen sind nur in der Lage, das zu tun, was sie gelernt haben. Versuchen sie, sich darüber zu erheben, setzt die Hochmut ihren Niedergang in Fahrt. Ebenfalls wie auf Schienen. Das expressive Spiel der Schauspielerin Edith Posca ist sehr bemerkenswert. Sie war mit dem Regisseur Lupu Pick verheiratet. Als jener 1931 starb, setzte sie kurz darauf ihrem eigenen Leben ein Ende, mit gerade 38 Jahren. In der restaurierten Fassung, die vor geraumer Zeit mal im Fernsehen lief, ist der Film knappe 60 Minuten lang. Trotzdem schafft er es, auf engstem Raum und mit denkbar unspektakulären Figuren eine große Tragödie zu inszenieren.


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Kinder des Zorns 56: Krähengrütze des Todes


The Messengers 2 (DVD)

Farmer John Rollins (Norman Reedus) ist ein frommer Mann. Er ist allerdings auch hoch verschuldet und darauf angewiesen, daß die Maisernte stimmt, denn ansonsten geht die Farm futsch. Als er in einem geheimen Kämmerlein eine Vogelscheuche entdeckt, ist sein kleiner Filius nicht übermäßig erfreut. Da die Krähen den Maissommer aber gar zu sehr beeinträchtigen, wird der alte Lumpensack aufgestellt. Und schon bald regiert das Grauen...

Der erste THE MESSENGERS war eine unbemerkenswerte, aber von den Pang Brothers immerhin sauber inszenierte Angelegenheit, in der die Produzenten Sam Raimi und Bob Tapert den Sozialhorror eines THE AMITYVILLE HORROR (den Stephen King mal als „Horror des schrumpfenden Bankkontos“ bezeichnete) mit den gängigen J-Horror-Filmen entlehnten Gruselgeistern mixten. Das war nicht sonderlich originell, aber soweit noch ganz akzeptabel. In dieser Fortsetzung nun wird die Vorgeschichte erzählt, die Geschichte der Familie Rollins, deren Erlebnisse die Grundlage für die Geisterattacke des ersten Teiles lieferten. Was mich nun beeindruckte, war der Umstand, daß eben jene Erlebnisse von Teil 2 so geschildert werden, als habe es den Vorläufer überhaupt nicht gegeben! Tatsächlich scheint es so, als habe man auf ein bereits existierendes Drehbuch zurückgegriffen, dessen zentrale Figur eben eine geisterhafte Vogelscheuche war. Angesichts des Umstandes, daß das Horrorkino des letzten Jahrzehnts keinen Mangel an solchen Vogelscheuchen aufweist (zuletzt gerade: EVIL GROUND), empfand man jenes Drehbuch vermutlich als uneigenständig und bastelte es mit einer bestehenden „Franchise“ zusammen. Im Hinblick auf die Inkompatibilität des Schlusses mit den Ereignissen von THE MESSENGERS 1 erscheint dies aber als recht dreist, zumal sich Horrorfans zu recht als verhohnepipelt betrachten dürfen. Bemerkenswert erscheint mir aber, daß in der Leserkritiksektion der IMDb von 18 Rezensenten nur ein einziger überhaupt darauf Bezug nahm, daß diese „Fortsetzung“ in direktem Widerspruch zum ersten Teil steht. Den anderen scheint das schlichtweg egal gewesen zu sein. Vielleicht ist es auch nur niemandem aufgefallen. Au Backe... Dem gegenwärtigen Trend zu Neuverfilmungen und Fortsetzungen stehe ich ohnehin zunehmend genervt gegenüber. Als separater Horrorfilm ist THE MESSENGERS 2 auf jeden Fall höchst mittelmäßig, als Fortsetzung aber schlicht eine Frechheit.


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Mengenrabatt für traurige Männer


Die Menge (TV)

Johnny Sims wurde im Jahre 1900 geboren. Seine Eltern waren fest davon überzeugt, aus ihm müsse etwas Großes werden. 21 Jahre später sitzt Johnny unter zahllosen Angestellten, deren Eltern ebenfalls davon überzeugt waren, aus ihren Sprößlingen müsse etwas Großes werden, in einer Firma und jongliert mit Zahlen. Bei einer Spritztour lernt Johnny die holde Mary kennen und lieben. Sie heiraten und bekommen zwei Kinder. Das Leben könnte so schön sein. Doch dann wird die kleine Tochter von einem Lastwagen überfahren...

Als die Szene mit dem Lastwagen kam, wäre ich fast aus dem Sessel gefallen! Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß es in alten Hollywood-Großfilmen nicht gang und gäbe war, daß kleine Kinder von Lastwagen überfahren werden. Und es geschah an genau dieser Stelle, daß der Film für mich richtig bemerkenswert wurde. Der ganze Beginn ist nur ein Vorspiel, angefüllt mit exakt jener Art von lachenden Leuten, lustigen kleinen Alltäglichkeiten und der Ahnung, daß alles wieder gut wird, die alte Filme aus der heutigen Sicht manchmal wirklich sehr alt erscheinen lassen. Auch die Anfangsproblemchen, wenn die beiden Ehepartner in eine gemeinsame Wohnung gezogen sind, sind typische Zutaten, wie man sie aus mehr oder weniger belanglosen Melodramen kennt. Nein, es bedarf des Lastwagens, um das wirkliche Leben in den Film einbrechen zu lassen. Ein Schicksalsschlag, der die Ehe von Johnny Sims belastet, der seine Zuversicht in den Keller stößt und ihn völlig aus den Angeln hebt. Das Studio MGM war seinerzeit von King Vidors Projekt wenig angetan und erwartete einen kolossalen Flop. Da der Regisseur für viele Kassenerfolge verantwortlich zeichnete, ließen sie ihn aber gewähren. Tatsächlich hatte Vidor insgesamt neun unterschiedliche Enden konzipiert. Eine völlige Katastrophe traute man sich nicht, und mit einem verheerenden Ende wäre der Film vermutlich auch nicht der Kassenknüller geworden, der er nun mal wurde. Trotzdem mutete er seinem damaligen Publikum viel zu: Abgesehen davon, daß THE CROWD als der erste amerikanische Film galt, der eine Toilette zeigte (was ihm Ko-Produzent Louis B. Mayer niemals verzieh), wird der Protagonist Schicht für Schicht auseinandergepflückt. Zu Anfang ist Johnny noch ein Strahlemann, ein Daueroptimist, ein Blender vor sich und anderen. Er redet immer von seinem Zug, der irgendwann ankommen wird. Doch dieser Zug kommt am Fünfzehnten von niemals, und wenn es ernst wird, muß er feststellen, daß er für den harten Lebenskampf nicht gewappnet ist. Macht er sich mit seiner Frau zu Anfang noch über einen Werbe-Clown auf der Straße lustig, so ist es nach seinem Sturz genau dieser Job als Hampelmann, den er anzunehmen gezwungen ist, und er nimmt ihn mit Freuden... Einen dauerheulenden Mann zu sehen, muß für das damalige Publikum und ihre Errol Flynne und Clark Gables eine ziemliche Irritation gewesen sein, aber Johnny Sims ist halt nicht dem gleichnamigen Computerspiel entsprungen, sondern der Realität. Die Realität sollte leider auch den herausragenden Hauptdarsteller einholen, James Murray, der seinen Überraschungserfolg niemals wiederholen konnte und seinen Frust in Alkohol ertränkte. Wenige Jahre später schlief er auf der Straße und bettelte um Almosen. 1936 zog man seine Leiche aus dem Fluß. THE CROWD endet natürlich versöhnlicher, allerdings mit der deutlichen Anmutung von doppelten Böden. Der Titel bezieht sich eben auf jene Masse, die zwar mit einem ist, wenn man lacht und Fröhlichkeit anzubieten hat, die aber schnell weg ist, wenn das Schicksal zuschlägt. Der Anfang von THE CROWD bemüht sich um Allgemeingültigkeit mit dem Jahrhundertgeburtsdatum von Johnny Sims, den riesigen Wolkenkratzern von New York, an denen die Kamera hochfährt, den unzähligen Mitarbeitern von Johnny, die das Bild anfänglich als geometrische Form erfaßt. Wenn Johnnys Kind überfahren wird, werden die Menschen in der Umgebung zu einer gaffenden Menge, die die Tragödie stumpf in sich aufsaugt. In einer späteren Szene trifft sich der gerade einmal wieder optimistisch gestimmte Johnny mit seinem Kind vor einem Friedhof, mit all den Grabsteinen und –kreuzen im Hintergrund. Und das Finale schließlich erfaßt Johnny als Bestandteil einer lachenden Menge. Der ganze Film funktioniert somit wie ein Zoom in die Menge hinein und wieder aus der Menge hinaus. Ein Jahr später kam die Weltwirtschaftskrise. THE CROWD gehört zu den erwachsensten amerikanischen Filmen seiner Zeit, und vielleicht ist es auch ganz gut so, daß man sich für das Ende nicht für die düstereren Optionen entschied...


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Die Toten sterben nicht aus


Zombieland (DVD)

Columbus ist ein junger Überlebenskünstler, der den Bogen raus hat. Vor der Katastrophe war er einfach nur eine typische Couchkartoffel gewesen, hatte keine Freunde, aber einen Facebook-Account und „World Of Warcraft“. Dieser Mangel an Bezugspersonen kommt ihm nun zugute, da sich die Vereinigten Staaten in ein Reich der Untoten verwandelt hat. Nur noch wenige lebende Menschen krauchen herum und versuchen, dem Sensenmann ein Schnippchen zu schlagen. Einer davon ist Tallahassee (Woody Harrelson), ein rotnackiger Cowboy, der ebenfalls ein Außenseiter war und nun im Überlebenskampf sauber auftrumpft. Gemeinsam ziehen sie durch die USA und hauen auf den Pudding...

Im Grunde ist ZOMBIELAND ein „road movie“, in dem die Protagonisten nach etwas suchen, von dem sie nicht genau wissen was es ist. Sie haben es verloren; vielleicht haben sie es auch niemals besessen. Wie in allen Filmen dieser Art ist der Weg das Ziel. Hier zahlt es sich eben zusätzlich aus, wenn man den „Zombie Survival Guide“ sorgfältig studiert hat. In den USA wurde ZOMBIELAND ein immenser Erfolg. Fragt man die hiesigen Horrorfans, so sind die Meinungen durchaus zwiespältig. Eine Dame drückte es gestern so aus: „Ein solider, netter Film. Gute Grundidee, aber überbewertet.“ Dem ersten Teil stimme ich völlig zu. Was den zweiten Teil angeht, so hatte ich überhaupt keine Erwartungen, da ich dem Massengeschmack eh nicht vertraue und bei Kassenschlagern allenfalls SCARY MOVIE-artigen Flachsinn erwarte. ZOMBIELAND gewann bei mir durch jene Eigenschaft, die ich bei neueren Hollywood-Filmen sehr häufig vermisse – Charme! Er verläßt sich nicht auf knallige Exzesse, liefert keine Brüllwitze, kommt nicht mit Schlaumeiereien daher, sondern liefert durchgehend unterhaltsame Kost, tut dies auf bescheidene, fast schon zurückhaltende Weise, und die mir zunehmend unsympathischer werdenden politischen Unkorrektheiten halten sich auch in vernünftigen Grenzen. ZOMBIELAND lehnt sich nicht übermäßig weit aus dem Fenster, aber gerade deshalb ist es auch unwahrscheinlich, daß man richtig enttäuscht wird. Ein Wohlfühl-Film mit Zombies, das war mein Eindruck. Splatterfans werden vielleicht etwas enttäuscht darüber sein, daß es vergleichsweise wenig Blutrünstiges zu besichtigen gibt, aber da heutzutage eh die meisten Splatter-Attraktionen mit dem Computer zurechtgedrechselt werden statt mit vernünftigen Maskeneffekten, war mir das ziemlich wurscht. Wer die volle Blutpackung möchte, kann sich ja stattdessen den norwegischen DEAD SNOW ansehen. Ein Doppelprogramm mit dem britischen SHAUN OF THE DEAD und dem amerikanischen ZOMBIELAND stelle ich mir sehr delektabel vor – eine kleine Weltreise mit Zombies und netten Menschen. Der Fortsetzung sehe ich freudig entgegen.


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Im Schatten des Axtmannes


Dread (DVD)

Als Student Stephen Grace den gutaussehenden, aber eigenbrötlerischen Quaid kennenlernt, ist er von ihm sehr eingenommen, da Quaid über Unabhängigkeit und Selbstbewußtsein zu verfügen scheint – zwei Eigenschaften, über die der sanft grungige Softie Stephen nicht im Übermaß verfügt. Als ihm Quaid vorschlägt, ein Studienprojekt über Furcht zu realisieren, ist er begeistert. Es geht darum, die geheimen Ängste der Mitmenschen an das Tageslicht zu bringen und zu dokumentieren, sie dazu zu zwingen, den Untiefen in der eigenen Seele einen Namen zu geben. Dabei merkt Stephen nicht nur, daß Quaid eine unangenehm manipulative Ader aufweist, wenn es um andere geht, sondern auch, daß der Eigenbrötler von einem sehr privaten Schreckgespenst gebeutelt wird. Und das führt in die völlige Katastrophe...

Zu den letzten Clive-Barker-Verfilmungen ist zu sagen, daß eigentlich keine von ihnen richtig schlecht war, aber auch keine überwältigend. BOOKS OF BLOOD hatte einige schöne Ansätze, verzichtete auf übermäßige Effekthascherei, bewies in der zweiten Hälfte aber geschmackliche Unsicherheit im Umgang mit überzogenen Kitschelementen. MIDNIGHT MEAT TRAIN besaß sogar brillante Passagen, die er aber mit völlig aus den Fugen geratenen formalen Spielchen aushebelte. DREAD nun stellt eine Bearbeitung der Kurzgeschichte „Moloch Angst“ dar, die für mich das Unheimlichste ist, das ich jemals von Barker gelesen habe – sein „Apt Pupil“, sozusagen. Regisseur Anthony DiBlasi stand vor dem Problem, eine eigentlich schwer verfilmbare Story so umzusetzen, daß sich ein akzeptabler Kinostreifen daraus ergibt. Zu diesem Zweck umgibt er die Story mit einigen neuen Figuren, die sich aber durchaus harmonisch in das Gerüst der zugrundeliegenden Geschichte einfügen. Vertrackter ist da das geänderte Finale, das zwar hinreichend grausig ist, aber zu sehr nach modischem „Torture Porn“-Schnickschnack riecht und somit die Anmutung von Abgedroschenheit und Trendhörigkeit in sich birgt. In diesem Fall ist das aber Jammern auf hohem Niveau, da DREAD ansonsten durchaus gelungen ist. Die Geschichte wird ruhig aufgebaut, entwickelt die Figuren glaubhaft, gibt den jungen Schauspielern Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Die vergleichsweise lange Anlaufphase weicht irgendwann quälenden Passagen, in denen die versteckten Ängste der Testpersonen sich offenbaren. Die Erkenntnis, daß der „Psychologe“ selber ein versteckter Soziopath ist und die offenbarte Verletzlichkeit mißbraucht, kappt das Sicherheitsnetz, das die Figuren wie der Zuschauer unter sich wähnen, und wenn die Ereignisse dann aus dem Ruder laufen, kann sich echtes Entsetzen breitmachen. Ein sehr unangenehmer Film, dessen einzige Schwachstelle in seinem Schielen nach kommerziell verwertbaren Elementen liegt. Möglicherweise war das auch eine Entscheidung, die von den Produzenten mitgetroffen wurde. Riecht ein wenig danach. Insgesamt ist das aber eine gelungene Barker-Bearbeitung – für mich die beste der letzten Jahre. Nichts für zarte Nerven. Allerdings ist die Kurzgeschichte noch bedeutend perfider – ein echter Tritt in die Zwölf...


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Der alte Mann Norwegen


Terje Vigen (SWE-DVD)

Den Schweden Victor Sjöström kennt man heutzutage am ehesten wegen seines prachtvollen FUHRMANN DES TODES und seines Auftrittes als alter Mann in Bergmans WILDE ERDBEEREN. Da es sich bei ihm um einen der wahren Pioniere des skandinavischen Kinos handelte, ist es doppelt schade, daß so wenige seiner Frühwerke noch erhalten sind. Selbst die Zeit, die er in Hollywood verbrachte, ist filmisch kaum noch dokumentiert. TERJE VIGEN entstand 1917, zu einem Zeitpunkt, als er bereits mehr als die Hälfte seiner 55 Filme abgedreht hatte. Er selbst spielt darin einen alten Seemann, der ständig zwischen Weib und Kind auf der einen und der stürmischen See auf der anderen Seite pendelt. Eines Tages kommt es zum Krieg. Die Engländer errichten eine Seeblockade, die in Norwegen zu einer fürchterlichen Hungersnot führt. Um die Seinen zu retten, durchbricht Terje die Blockade, gerät dabei aber in Gefangenschaft. Als der Krieg aus ist, muß er feststellen, daß seine Familie inzwischen in einem Armengrab gelandet ist. Einsam und verbittert lebt er weiter. Doch das Schicksal führt ihm jenen britischen Offizier zu, der ihn einst gefangennahm, und Hohn und Spott sollen nun vergolten werden...

Der erst vor wenigen Jahren komplettierte und restaurierte Film stellt eines der wenigen mir bekannten Exemplare eines verfilmten Gedichtes dar. Die Ballade von Henrik Ibsen erzählt von nationalem Leiden, von persönlichem Leiden, vom Ausharren und von Vergebung. Sjöströms Film verzichtet auf schmückendes Beiwerk, beschränkt sich gänzlich auf die vom Gedicht vorgegebene Handlung. Der bizarre Umstand, daß hier ein Schwede ein norwegisches Nationalgedicht verfilmt, wird dadurch plausibel gemacht, daß Sjöström sich auf die menschliche Komponente konzentriert. Die Menschen fristen ihr Dasein inmitten einer kargen und häufig unfreundlichen Natur. Sie selbst verzagen, bekriegen sich und verspotten den Verlierer. Wenn einer mal Edelmut zeigt, so muß er damit rechnen, daß sich seine Großherzigkeit in Wahnsinn und Rachsucht verwandelt. Was das Ende aber deutlich macht: Nur wenn man in der Lage ist, sich von der Natur der Welt und der Natur der Menschen nicht kleinkriegen zu lassen, wenn man der seelischen Zerstörung widersteht, kann die Geschichte weitergehen. Dem Film geht jedes falsche Pathos ab. Die sprühenden Wogen, die umgischteten Riffe lassen nicht zu, daß sich Sentimentalität einschleicht. Die Zwischentitel bestehen zur Gänze aus Auszügen von Ibsens Gedicht, die ebenso schlicht wie kraftvoll bebildert werden. Teilweise hatte ich selber so viel Wasser in den Augen, daß ich die Zwischentitel kaum lesen konnte. Keine moralische Predigt erwartet hier den Zuschauer, kein Tränendrüsenattentat, wie es in den amerikanischen Filmen der Zeit zweifellos zu erwarten gewesen wäre. Nur ein schlichter, prachtvoller Film, der gerade einmal 55 Minuten dauert und auch heute noch sehr beeindruckt. Am Schluß hat der alte Mann nur noch seine Hütte und die sprühende Gischt, aber er ist jetzt im Frieden mit sich und den Menschen, die er verloren hat. Das ist tieftraurig, aber auch mutbringend. Denn was immer man sich im Laufe seines Lebens auch in den Kopf hineinreden mag – die Möwe lacht drüber. Eine andere Nation zu besiegen, ist unwichtig. Sich selbst zu besiegen, die wirkliche Herausforderung. Terje Vigen schafft das schließlich, und er lebt in Frieden.

Leben heißt - dunkler GewaltenSpuk bekämpfen in sich.Dichten - Gerichtstag haltenüber sein eigenes Ich.(H.I.)


P.S.: Die DVD besitzt gute englische Untertitel, die scheinbar einer professionellen Übersetzung des Gedichtes entlehnt sind.


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Blonde Bombenschellen


Sexbombe (TV)

Lola Burns (Jean Harlow) ist blond, Lola Burns versprüht Sex und bricht Männerherzen wie andere Leute den Frühstückszwieback. So wollen es die Schlagzeilen, die ihr der Publicity-Mann des Filmstudios, für das sie arbeitet, beschert. Und gerade dieser Space Hanlon (Lee Tracy) ist insgeheim in sie verliebt. Mit professioneller Ruchlosigkeit und großer Beredsamkeit glättet er jede Woge, die die temperamentvolle Blondine emporschwappen läßt. Ob sie einander wohl finden werden?

Die Beantwortung dieser Frage ist das Uninteressanteste an dieser klassischen Screwball-Komödie, die mit unglaublichem Tempo einen Insider-Blick auf das Hollywood der frühen Tonfilmzeit ermöglicht. Diese Art von selbstreferentiellen Komödien erfreute sich schon immer großer Beliebtheit bei einem Publikum, das es gewöhnt war, die Kapriolen seiner Stars in Sensationsgazetten aufzusaugen wie Nektar und Ambrosia. Die Rolle von Jean Harlow war eigentlich für die ständig skandalumwitterte Stummfilmaktrice Clara Bow entworfen worden, aber angesichts La Harlows eigener Reputation paßte der Stoff des zugrundeliegenden Theaterstücks wie die Faust aufs Auge. In BOMBSHELL kultivierte sie die Fassade der ebenso romantischen wie wankelmütigen Primadonna, die gar nicht überblicken kann, wie sehr ihr Sex die männliche Umwelt ins Wirbeln bringt. Ihr Gegenpart ist der nicht auf den Mund gefallene Lee Tracy, der während seiner kurzen Karriere auf solche quirligen Zeitungsleute festgelegt war. (Später sollte ihm seine Neigung zur Undiszipliniertheit zum Verhängnis wirken, da er sich bei Drehs nicht selten aufführte wie die Axt im Walde. Das verhagelte ihm so manchen Vertrag.) Für Filmfans ist diese gutmütige, aber gelegentlich sehr scharf beobachtete Persiflage auf die Machenschaften der Filmindustrie ein reines Vergnügen, und wer nur eine nette, leichte Komödie aus alten Tagen erleben will, bekommt viel Spaß für sein Geld. Von den Komödien dieser Zeit gehört BOMBSHELL eindeutig zu jenen, die die Jahre am besten überdauert haben. Die TV-Eindeutschung ist angemessen und macht diesen frühen Tonfilm auch für ein heutiges Publikum vergnüglich. Sehr schade, daß die Harlow schon wenig später diese Welt verließ, mit gerade einmal 26 Jahren. Aber wer immer den Typus der blonden Sexbombe später auszufüllen versuchte, wurde an ihr gemessen, und sie schillert tatsächlich bis zum heutigen Tag.





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