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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch

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"Daß noch so viel Frau in dem Manne war..."


Hamlet (1921) (TV)

Die extrem coole Stummfilmdiva Asta Nielsen hatte in dieser freien Bearbeitung der Shakespeare-Tragödie einen ihrer vermutlich bemerkenswertesten Auftritte. („Vermutlich“, da viele ihrer Filme heute nicht mehr zur Verfügung stehen.) Im Zentrum des Filmes steht natürlich das Gimmick, den Prinzen von Dänemark von einer Frau spielen zu lassen. Damit verkehrten die beiden Regisseure Svend Gade und Heinz Schall die Tradition des elisabethanischen Theaters, in dem auch die Frauenrollen von Männern gespielt wurden. Der Handlung um den Prinzen, der im Ränkespiel um Machtinteressen zwischen Norwegen und Dänemark unter die Räder gerät, verleiht das eine interessante Note, da die Zerrissenheit Hamlets hier auch Ausdruck seiner problematischen sexuellen Identität ist. Der Prolog verdeutlicht, daß – wegen einer schwerwiegenden Verletzung des dänischen Königs – die Tatsache, daß die Königin ein Mädchen geboren hat, vor dem Volk verheimlicht wird. Zwar überlebt der König, aber der Trug kann nun nicht mehr zurückgenommen werden. Hamlet wird als Junge aufgezogen und gewöhnt sich alsbald an den Geschlechtertausch. Diese traurige Posse verwehrt ihm freilich auch seine Erfüllung, da er gezwungen ist, eine Lüge zu leben. Asta Nielsen ist ziemlich brilliant. Ihr expressives Spiel – sehr im Einklang mit den deutschen Stummfilmen der frühen 20er – wird unterstützt von einer schwarzen Männertracht und einem Makeup, die sie fast wie Conrad Veidts Double aussehen lassen. Der Hamlet ist eine Rolle, die leicht zur depressiven Stereotype geraten kann. Die Darstellung der Nielsen läßt Hamlet nicht als ineffizienten Jammerlappen erscheinen, sondern als durchaus kämpferische Figur, die im Widerstreit mit sich selbst steht und den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie in diese lamentable Rolle hineinzwängen. Diese frühe Übung in „gender switch“ entsprach durchaus der Mode der Zeit, die Frauen in Männerkleidern nicht nur akzeptierte, sondern sogar als begehrenswert erscheinen ließ. Es gab zahlreiche Stummfilme, die sich mit „cross-dressing“ und Homosexualität befaßten. Mein persönlicher Favorit ist Ernst Lubitsch´ ICH MÖCHTE KEIN MANN SEIN, in dem die Protagonistin (gespielt von einer Schauspielerin mit dem fabelhaften Namen Ossi Oswalda!) mit ihrer verwirrenden Tracht gegen die Gesellschaft rebelliert. In deutschen Filmen wurde diese Tradition dann in Filmen wie VIKTOR UND VIKTORIA und MÄDCHEN IN UNIFORM weitergeführt, bevor das Thema dann in diffamierenden Plotten à la CHARLEYS TANTE versandete. Der beste Stummfilm zum Thema Homosexualität, den ich kenne, ist Carl Theodor Dreyers MICHAEL, der die ungewöhnliche Liebe im Zentrum der Handlung mit Ernsthaftigkeit und Sympathie behandelt und ohne die sensationalistischen Schlenker auskommt, die Filme wie Richard Oswalds ANDERS ALS DIE ANDEREN charakterisieren.

Was HAMLET angeht, so möchte ich allerdings hinzufügen, daß der Polonius ausschaut wie ein geisteskranker Druide.


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Immer eine gute Suppe...


Meat Grinder (DVD)

Bood ist Nudelköchin. Sie entstammt einer Familie von Nudelköchinnen. Nun ist sie allein und muß das Geschäft erhalten, zumal ihre kleine Tochter versorgt werden muß. Bood macht sehr leckere Nudelsuppe, aber sie hat natürlich Geheimzutaten. Woraus diese bestehen, muß ein junger Student mit dem schönen Namen Attaporn erfahren, der sich in Bood verliebt. Kann er dem Suppentopf entgehen?

Ein verblüffender Film. Von seinem Regisseur, dem Thailänder Tiwa Moeithaisong, kannte ich bislang nur den deutlich früheren THE SISTERS, der ein einigermaßen konventioneller Geisterfilm war, wenn man mal davon absieht, daß der Geist aus einer Klimaanlage kommt. Die milden formalen Vorzüge jenes Filmes kommen in MEAT GRINDER zum Tragen, der eigentlich ein richtig gut gemachter Horrorfilm ist. Im Unterschied zu seinen amerikanischen Splatter-Kollegen erzählt er eine Geschichte, die ihre Figuren ernst nimmt und einiges über Thailand erzählt. So spielt der Film vor einigen Jahrzehnten, während der Studentenunruhen, die von der Regierung brutal niedergeknüppelt wurden. Dieser Hintergrund ist durchaus repräsentativ für die blutige Horrorgeschichte, die nämlich von der Rache der Vergangenheit und patriarchalischer Repression handelt. Bood hat nämlich während ihres Lebens ein Dauerfeuerwerk von Gemeinheiten mitgemacht. Das reicht von angedeutetem oder tatsächlichem Mißbrauch durch Vater und Ehemann bis zur Vergewaltigung in einer schmuddeligen Seitengasse. Was immer sie mit ihren Opfern im Laufe des Filmes anstellt – und das ist wirklich nicht schön! –, so kann man als Zuschauer zumindest nachvollziehen, warum Bood ihren Verstand verloren hat und zu einer Feindin der Männerwelt geworden ist. Während amerikanische Splatterfilme in der Regel keinen blassen Schimmer haben, was für infantile (und häufig auch verklemmte und konservative) Fantasien sie eigentlich bedienen, verbindet der Regisseur in MEAT GRINDER die grausigen Vorgänge thematisch sinnvoll mit der unterliegenden Geschichte. Es ist ein wütender Film über Mißbrauch, und entsprechend widerwärtig ist auch die Bebilderung. Der einzige Kritikpunkt, den ich habe, ist der Umstand, daß die (teilweise verheerenden) Splattereinlagen dazu neigen, den bedenkenswerten Gehalt des Filmes im wahrsten Sinne des Wortes zu ertränken. Manchmal wünschte ich mir etwas mehr Zurückhaltung, wie etwa im hongkongesischen DUMPLINGS, der ebenfalls gut gemacht war, seine intensive Wirkung aber eben auch daraus bezog, daß er nicht alles zeigte. MEAT GRINDER verfällt häufig in einen Splattermodus, der darüber hinwegtäuscht, daß der Film eigentlich sehr viel besser ist als vergleichbare Hollywood-Ware. Die deutsche Fassung ist natürlich um einige Szenen erleichtert worden. Die Logik hinter den (überraschend milden) Kürzungen erschließt sich mir allerdings nicht, da der Film auch in der deutschen Fassung noch ein ziemliches Blutbad darstellt. Interessanterweise ist in der Exportfassung des Filmes übrigens die Szenenfolge komplett umgestellt worden. So beginnt die deutsche Fassung mit einem anderen Vorspann als die Thai-Version, die eigentliche Handlung mit einem Szenenkomplex, der sich im Original erst nach etwa 30 Minuten abspielt. In seinem Heimatland war MEAT GRINDER angeblich der erste Film, der einer neuen Zensurverordnung zum Opfer fiel und deshalb nur in einer stark gekürzten Fassung auf den Markt kam. Ironischerweise sind die blutrünstigen Effekte komplett enthalten – man machte sich wohl eher Sorgen um die Darstellung der thailändischen Realität im allgemeinen und der thailändischen Küche im besonderen... Der Film endet mit einer familiären Fantasie (vermutlich!), die im Original bereits mit Vorspanntiteln unterlegt ist. Danach gibt es im Original noch eine Szene, die verdeutlicht, daß Mißbrauch sich von Generation zu Generation überträgt, wie ein Virus. Die deutlich längere (!) deutsche Fassung entbehrt zwar einiger Blutstürze, ist aber trotzdem lohnend. Wie schon gesagt, mir wäre es lieber gewesen, man hätte sich die Splattereinlagen weitgehend verkniffen, aber im Unterschied zu den meisten westlichen Vertretern dieses Subgenres weiß MEAT GRINDER durchaus, was er da macht, und er macht es gut. Die Mörderin tat mir am Ende des Filmes jedenfalls regelrecht leid, und das ist bei der vorangegangenen Parade an Greulichkeiten schon eine Leistung...


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Mit dem Taxi im Kreis fahren


Sorum (US-DVD)

Ein junger Taxifahrer bezieht eine Wohnung in einem heruntergekommenen Wohnhaus. Bei seinen Bemühungen, Anschluß zu finden, macht er die Bekanntschaft einer jungen Frau, die mit ihrem trunksüchtigen Ehemann in einer der Nachbarwohnungen lebt. Der andauernden Mißhandlungen überdrüssig, ersticht die Frau ihren Gatten. Der Taxifahrer hilft ihr dabei, die Leiche verschwinden zu lassen, denn er hat sich in sie verliebt. Doch beide müssen feststellen, daß die Liebe im Schatten des Schwertes eine äußerst fragile Angelegenheit ist...

Jemand hat diesen Debütfilm des Koreaners Yoon Jong-chan mal als „Geisterfilm ohne Geister“ bezeichnet. Das ist zwar etwas vergröbernd, trifft aber tatsächlich den Kern: Die Vergangenheit hat alle handelnden Figuren geprägt, und sie kehrt wieder zurück in neuen Mißverständnissen, neuen Schmerzen und neuen Verbrechen. Dieser grandiose Film verwendet in seiner Erzählweise Mechanismen, die man aus traditionellen Geisterfilmen kennt. So ist z.B. in der Wohnung des Taxifahrers vor 30 Jahren ein spektakuläres Verbrechen verübt worden: Ein Mann hat seine Frau getötet, um mit seiner Geliebten abzuhauen. Sein Kind überließ er dabei den Flammen eines Feuers, aus dem es nur knapp gerettet werden konnte. Die gegenwärtigen Ereignisse um den Taxifahrer sind dabei aber nicht die einzige Spiegelung: Die beste Freundin der mißhandelten Frau hat selbst einst einen Partner gehabt, einen Schriftsteller, der im fraglichen Apartment einem Feuer zum Opfer fiel. Es geht um verlorene Kinder, um die Schmerzen, von denen die Mütter nach dem Verlust gequält werden. Eine prägnante Nebenfigur ist ein erfolgloser Schriftsteller – ebenfalls ein Nachbar –, der versucht, die Geschichte des Hauses in die Form einer traditionellen Spukgeschichte zu pressen. Das Ironische dabei ist, daß die Realität des Filmes dem Geschehen der Fiktion in praktisch allen Belangen Recht gibt. Konkrete Manifestationen von Geistern gibt es dabei nicht zu vermerken, wenngleich merkwürdige Geräusche den Film durchziehen. Das Sounddesign – eines der wichtigsten Merkmale asiatischer Geisterfilme – ist auch in SORUM exzellent und ergänzt die sparsam eingesetzte Musik. Handlungstragende Elemente werden ebenso dezent eingestreut. Man gewöhnt sich als Zuschauer sehr bald an die abgerissene Umgebung mit ihrem Dauerregen, in die die Figuren ebenso eingesperrt sind wie der Hamster im Laufrad, den der Taxifahrer als einzigen Freund in seiner Wohnung hat. Die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten hinterfragt nicht nur auf sensible und intelligente Weise die Natur von menschlichen Beziehungen an sich, sondern wirft auch Fragen auf in bezug auf die Schicksalshaftigkeit des Geschehens. Was als relativ realistisch erzählte Liebesgeschichte beginnt, wird bald zum tragischen Drama, in dem sich auffällig viele Zufälle und Spiegelungen die Klinke in die Hand geben. SORUM ist ein ruhiger, glänzend inszenierter und gespielter Film, den ich in die gleiche Liga einordnen würde wie jenen anderen „scheinbaren“ Geisterfilm aus Korea, A TALE OF TWO SISTERS: die Meisterklasse. Bedauerlicherweise existiert meines Wissens von diesem Film noch keine deutsche Veröffentlichung, weshalb man sich an die Tartan-DVD halten sollte.


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Teddys Tränen lügen nicht


Cicciolinas Sex-Politik (Video)

Medienpersönlichkeit Ilona Staller alias Cicciolina ist in Rom bekannt wie eine bunte Hündin - ein Resultat ihrer überbordenden Freizügigkeit. Besonders dem jungen Nachwichsfotografen Riccardo hat sie es angetan. Er fragt sie eines Tages ganz direkt, ob sie Lust hat, sich von ihm fotografieren zu lassen. Na klar, und eine bezaubernde Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf...

Mein lieber Herr Gesangverein! Im Rahmen meiner Bruno-Mattei-Retrospektive bin ich jetzt endlich auch mal über diese Knallschote gestolpert, die bei uns als EIN ZÄRTLICHES BIEST im Kino lief. Ilona Staller war zu jener Zeit noch weit von pornesken Übungen entfernt. Einige Jahre lang hatte sie als Kleindarstellerin ihr römisches Dasein gefristet, gesprenkelt von gelegentlichen Hauptrollen in schlechten Filmen. Der Fotograf Riccardo Schicchi brachte sie groß heraus. Natürlich handelt es sich bei ihm um ein ganz anderes Kaliber, als das Dreikäsehoch Riccardo in CICCIOLINA AMORE MIO es erahnen läßt. Der Film kann als erste Cicciolina-Personality-Show auf Zelluloid angenommen werden, denn Frau Staller hatte es hier - mit knapp 30 Jahren - schon voll drauf, das Testosteronroß zu reiten: Anstatt am alltäglichen Sexismus Anstoß zu nehmen, stilisiert sie sich zur leibhaftigen Verkörperung männlicher Wunschvorstellungen, sofern diese einen etwas infantilen Anstrich haben dürfen, und verkauft det Janze als sexuelles Aufklärungstamtam. Stets hat sie ihren Teddy-Hasen-Hybriden bei sich und umgibt sich auch ansonsten mit erschreckend debilen Plüschtieren, die allesamt den Eindruck machen, als hätten sie Bayer wegen Geburtsschäden verklagt. Die Audiospur wird - nicht unähnlich den Pornofilmen, die Schicchi später mit seiner „Diva Futura“ drehen sollte - von einer endlosen Plapperspur beherrscht, auf der Cicciolina von Liebe und Freiheit redet, während ihr fotogenes Ponem dazu unerbittlich lächelt. Ihr Lächeln trotzt natürlich der Realität, denn die behauptete Freiheit ist ein überaus fragiles Konstrukt. De facto dürften die Wunschvorstellungen ihres männlichen Publikums nicht aus romantisch verlebter Zweisamkeit bestanden haben, sondern dem Bedürfnis, ihr mitten ins Gesicht zu laichen - ein Bedürfnis, dem sie wenige Jahre später nachkam. Der Trick bei der ganzen Angelegenheit ist ebenso durchschaubar wie effektiv - wenn man nur lange genug einen Umstand behauptet und ihn mit einer nicht enden wollenden Abfolge von Reizwörtern wie „Liebe“, „Zärtlichkeit“, „Romantik“, „Freiheit“ etc. ausschmückt, wird im Bewußtsein des Publikums eine Assoziationskette erzeugt, die eben dieser behaupteten Pseudorealität entspricht. Politiker machen das ganz genau so, und so war es denn auch kein Wunder, daß Frau Cicciolina schließlich eine Strippvisite in der Politik versuchte. Wenn man von außen kommt und dieser Assoziationskette noch nicht aufgesessen ist, wundert man sich kopfschüttelnd über die Debilität und die unverhohlene Unaufrichtigkeit, mit der das Ganze präsentiert wird. Daß Frau Staller so merkbefreit ist, daß sie diesen Unfug allen Ernstes für bare Münze genommen hat, glaube ich nämlich nicht. Ich glaube nämlich auch nicht an den Weihnachtsmann. Die Wahrheit ist, daß sie sich ausgesprochen glücklich schätzen kann, sich nicht den Aidsbären eingefangen zu haben, denn sie war auch Hauptdarstellerin in jenem Film, den John Holmes noch schnell in Europa abdrehte, als ihm seine Erkrankung bereits bekannt war. Das wäre dann nämlich richtig unromantisch geworden, und der Teddy hätte auch ganz traurig gekuckt. Wie viel unser Bruno mit CICCIOLINA AMORE MIO zu tun hatte, kann nur gemutmaßt werden. Als Ko-Regisseur wird der relativ obskure Amasi Damiani angegeben, dessen Filme meistens nur eine regionale Auswertung erfuhren und somit schwer zu bekommen sind. Da ein Großteil des Filmes aber eh aus episodesken Fotoshoot-Räkeleien der Frau Staller besteht, mutmaße ich, daß nur die „handlungstragenden“ Bestandteile von Mattei und Damiani stammen dürften. Der Rest ist dieselbe Kitschästhetik wie bei Schicchi, nur halt ohne Lachs, dafür mit Teddy.


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Salon Shitty


SS Girls (GB-Video)

Unter Aufsicht Major Schellenbergs soll ein spezielles Bordell für SS-Offiziere eingerichtet werden, in dem sich die feisten Haudegen mal so richtig austoben können. Hintergedanke dieser Operation ist das Ausspionieren besagter Offiziere. Wer sich im Lendentaumel verquatscht, kommt aufs Schafott. Womit Major Schellenberg und seine Vorgesetzten nicht gerechnet haben: Die Tage des Dritten Reiches sind gezählt...

Nach über zwanzig Jahren Aktivität im Filmgeschäft, die Bruno Mattei weitgehend als Cutter und Schnittassistent verbrachte, sahen die 70er Jahre einen neuen Bruno, einen Bruno, der zum Regisseur gereift war. Neben einer flauen Sexkomödie bastelte er im Jahr 1976 diese bizarre World-War-II-Geschichte, eine Art Kasperletheater-Version von Tinto Brass´ SALON KITTY. War Brass´ opulentes Werk bereits eine Radikalkirmes auf den Spuren von Viscontis DIE VERDAMMTEN, so versucht Mattei denselben Coup, nur ohne ein nennenswertes Budget. Die etwas episodische Struktur des Brass-Vorbildes wird übernommen, die dramatische Wirkung voll und ganz an einzelne „set pieces“ delegiert. Unsäglich schmierige Einlagen (bei denen auch schon mal der große Neandertaler des italienischen Kinos, Sal Boris, durch die Betten hüpfen darf) alternieren mit melodramatischen Nazi-Passagen, die dann – nach dem Hinscheiden des Führers – in einem sogar recht gelungenen Finale kulminieren, das eine Art „Tanz in den Untergang“ der Nazi-Elite schildert: Betrunken und lüstern lallend exekutieren sich die Großkopfeten im Laufe der Szene selbst. Zieht man Matteis späteres Schaffen in Betracht, so verschlägt es einem fast die Sprache – sollten ihn hier künstlerische Ambitionen geritten haben? Jeglicher Ehrgeiz in dieser Richtung ist aber zum Scheitern verurteilt, denn als Major Schellenberg (großartiger Name!) brilliert eine mir unbekannte Knallcharge, die überdreht wie eine außer Rand und Band geratene Häckselmaschine! Bobcat Goldthwait auf Speed. Sehr hübsch anzusehen sind die Szenen, in denen der impotente Hanswurst an der Orgel sitzt und Bach drischt. Die (größtenteils wiederverwendete) Filmmusik von Gianni Marchetti orientiert sich weitgehend an Vivaldi, klingt aber eher wie Waldi angesichts der Schmiere, durch die die Protagonisten waten. Charaktermime Ivano Staccioli spielt einen besonders üblen General, der am Schluß einen RAMBO-Zusammenbruch spendiert bekommt. Vassili Karis ist ein junger Soldat – sozusagen der Nettnazi des Filmes –, der desertiert, weil er die Huren retten will. Antonio Margheritis Maskottchen Luciano Pigozzi spielt Dr. Jürgen, den Stabsarzt. Mit seinem nächsten Film begab sich Bruno erneut ins Nazisex-Genre, orientierte sich dort aber eher an Pasolinis DIE 120 TAGE VON SODOM und schuf fast Unkuckbares. SS GIRLS hingegen atmet den Geist von lustigem Mumpitz und gibt dem Nazi, was des Nazis ist. Unglaublicherweise scheint der Film in Deutschland sogar auf DVD herausgekommen zu sein, aber in Anbetracht der Firma „starmedia“ vermute ich eine Eindeutschung des Grauens...


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Mir fällt gerade keine brauchbare Überschrift ein!


Secrets Behind Walls (JP-DVD)

Kôji Wakamatsu gehört zu den bemerkenswertesten Regisseuren, die der japanische Underground der Nachkriegsjahre hervorgebracht hat. Anders als „junge Wilde“ wie Nagisa Oshima blieb Wakamatsu auch später weitgehend dem Underground treu, weshalb sein Werk relativ schwer aufzutreiben ist, von einigen der kommerzielleren Filme mal abgesehen. Nachdem er eine ganze Zeit lang Gangster- und Halbstarkenfilme produziert hatte, schaffte er mit seinem 18. Film (nach 3 Jahren!), SECRETS BEHIND WALLS, zwar nicht den Durchbruch, aber immerhin einen handfesten Skandal: Die japanische Regierung war wenig begeistert davon, daß ausgerechnet dieser Film ihr Land bei den Filmfestspielen von Berlin vertreten sollte. Der Botschafter intervenierte, und das Ganze wuchs sich fast zu einem diplomatischen Zwischenfall aus. Wakamatsu verdroß das kaum, zumal er von jetzt ab in gewissen Zirkeln „chic“ war. Nicht unähnlich seinem jüngeren Kollegen Takashi Miike, drosch er Film um Film hervor, manche in einer oder zwei Wochen Drehzeit, und äußerte sich gerne auch amüsiert, wenn man seinen Filmen großen künstlerischen Anspruch unterstellte. Diese ironische Distanz zum eigenen Werk kann man aus SECRETS BEHIND WALLS noch nicht herauslesen. Nach einer kurzen Bildfolge, die die Fassade eines Wohnblocks und die daran angebrachten Hausnummern beleuchtet, werden die Schicksale einiger Familien und Einzelpersonen geschildert, die in ihren Mietwohnungen eingesperrt sind. Die Geschichten handeln vom Alltag, von ehelicher Untreue, von Frustration und von Sex. In der Regel ist der Sex kompliziert, da die ihn Ausübenden entweder zu viele Probleme am Start haben oder sogar vereinsamt sind. Es gibt zwei Freiheitskämpfer, die sich gegen den Vietnamkrieg engagiert haben. Der Mann – vernarbt von einer Wunde aus Hiroshima – redet während des Sexes viel Revolutionäres (vor einem Stalinplakat!), hat aber tatsächlich mit der Friedensbewegung bereits abgeschlossen, da er sich verraten fühlt. Schon bald betreibt er Aktiengeschäfte mit Firmen, die aus dem Krieg Profit schlagen. Seine Geliebte ist die Ehefrau eines Gewerkschaftsbosses, der über dem Arbeitskampf seine Frau vernachlässigt. Ein Sohn, der von seinen Eltern zum Studium gezwungen wird, wird von starken Minderwertigkeitskomplexen gebeutelt, vergewaltigt schließlich seine Schwester und begeht einen Mord. Eine andere Frau hält die Einsamkeit nicht mehr aus und bereitet ihrem Leben selber ein Ende.

Man merkt Wakamatsu an, daß er ein sehr großes Interesse an der Abbildung von Sex hat, was zu diesem frühen Zeitpunkt (1965) aber noch nicht möglich war. Nacktheit wird nur äußerst dezent eingesetzt. Stattdessen werden die Körper – an denen die Kamera fast zwanghaft klebt – in ihre Bestandteile aufgelöst, auf Fetischzonen reduziert, damit ja nicht zuviel zu sehen ist. (Dies allein sagt schon viel aus über das damalige Verhältnis der Gesellschaft zum Sex!) Sex erscheint als natürlich, was aber den Figuren des Filmes fremd zu sein scheint. Stattdessen gewinnt die Sexualität durch ihre Unterdrückung revolutionäres Potential, was Wakamatsu fortwährend durch Einblendungen von Kriegsnachrichten, Sport etc. unterstreicht. Die Botschaft des Filmes ist überdeutlich: Unterdrückter, abgebogener Sex ist verantwortlich für die Greueltaten, zu denen die Menschen fähig sind. Am deutlichsten wird das an dem inzestuösen Bruder, der vor Selbstzweifeln förmlich brummt, diese dann auf weibliche Lustobjekte projiziert – er schiebt ihnen seine Selbstanklagen förmlich unter – und zur Gewalt greift. Um Sexualität geht es dabei – wie bei Vergewaltigungen üblich – nicht mehr, sondern um die Gewalt des Frustrierten, der sich rächen will. Der sehr präzise fotografierte Schwarzweißfilm erreicht trotz seiner formalen Kargheit eine große Spannung, die sich auch aus den begrenzten Schauplätzen ergibt. Wie es eine Figur des Filmes ausdrückt: Alle Menschen leben eingepfercht in Schachteln, aus denen sie ausbrechen wollen, und das ist überall so in Japan. Wohin soll man also abhauen?

Dem Zusammenhang zwischen Sexualität, gesellschaftlicher Repression und Gewalt ging Wakamatsu in etwa 100 Filmen nach. SECRETS BEHIND WALLS steht am Anfang dieser Entwicklung. Ich habe die angenehme Aufgabe, dem in den nächsten Monaten mal nachzuspüren...


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Wo Bartel den Most holt


Calvaire (FR-DVD)

Marc Stevens ist Sänger und verdient sein Geld mit Auftritten im Butterfahrtsstil. Er fährt von Hü nach Hott und kommt niemals wirklich an. Bei einer Fahrt zu einem Weihnachts-Gig streikt nämlich der Wagen, und dies mitten in der belgischen Pampa. Zum Glück ist die Herberge von Monsieur Bartel ganz in der Nähe. Monsieur Bartel ist freundlich und jovial, obwohl er nicht mehr so richtig lachen kann, seit damals, als seine Frau weggelaufen ist. Er war ja früher Humorist, und der Enthusiasmus – so wird er nicht müde zu betonen – ist der Schlüssel zum Erfolg. Man spürt, daß von diesem Mann Unheil droht. Was immer man sich in dieser Hinsicht aber vorstellen mag – man wird eines weitaus Schlimmeren belehrt...

CALVAIRE ist ein Film über die Einsamkeit. Man hat schon im Anfangsteil, bei Marcs Auftritt in einem Altersheim, ein wunderhübsches Einsamkeitstableau. Sogar die Pflegerin (ein hübscher Gastauftritt von Brigitte Lahaie) kommt um vor ungestillter Bindungswut. Der mysteriöse Monsieur Bartel ist ein eigentümlicher alter Purzel, und man teilt Marcs offensichtliches Unbehagen ob der Aufdringlichkeit des Mannes. Marc ist ein lieber Kerl und geht darauf ein. Er singt ihm abends sogar eines seiner Lieder vor, ein Liebeslied, das später eine unschöne Bedeutung bekommen soll. In den ersten 30 Minuten baut der Film eine dichte, äußerst bedrückende Atmosphäre auf. Bartel warnt Marc davor, in das nahegelegene Dorf zu gehen, sagt aber nicht, weshalb. Marc begibt sich in Spuckweite des Dorfes, kommt an einer Scheune vorbei und bemerkt, wie in der Scheune mehrere Dörfler ein Schwein begatten. Dieser Tritt in die 12 deutet schon einmal an, daß sich die Dinge nicht zum Guten wenden werden. Der junge belgische Regisseur Fabrice du Welz geht in seinem ersten Langfilm durchaus subtil vor. Die meisten Grausamkeiten werden nicht splattermäßig ausgewalzt, sondern nüchtern präsentiert, häufig sogar nur angedeutet. Durch den sparsamen, aber äußerst geschickten Musikeinsatz werden sie als dunkle Kehrseite der schönen Natur präsentiert, die gegen Ende des Filmes sogar den Charakter eines hoffnungslosen Weltuntergangsszenarios bekommt. Vor nicht allzulanger Zeit habe ich den amerikanischen Film PIG HUNT gesehen, der sozusagen die Partyversion dieses Sujets liefert, die Kaspernummer. CALVAIRE macht ernst. Ich kannte Du Welz´ hervorragenden zweiten Film, VINYAN, bereits. Obwohl jener sich ganz anders anfühlt, teilt er doch gewisse inhaltliche Komponenten, denn auch in ihm geht es um Einsamkeit, um Verlust, um das Unbehagen, das man bei andersartigen Menschen verspürt. Die Höllenfahrt des Marc Stevens wird seinerzeit vermutlich von der Werbung in die „Torture Porn“-Ecke gerückt worden sein, weil das bei diesem Stoff irgendwie naheliegt. Das ist aber völliger Kappes, zumal sich CALVAIRE eigentlich weniger mit den „Survival Horror“-Aspekten beschäftigt, als mit einer detaillierten Schilderung der feindlichen Umgebung des Protagonisten, von Menschen, die von ihrer Einsamkeit (na ja, und den Haien im Genpool!) zu etwas ganz anderem gemacht worden sind... Ganz Feierabend ist, wenn man auch die anderen Dörfler kennenlernt, beim geselligen Zusammensein in der Kneipe. Wenn die grenzdebilen, völlig eingeschmuddelten Männer zu den Klängen eines Klavierspielers anfangen, eine Art Debil-Polka-Pogo zu tanzen, weiß man endgültig, wo Bartel den Most holt. Ein exzellent gemachter, sehr sinnlicher Film, den man möglicherweise als allzu zartbesaiteter Zuschauer eher meiden sollte.

Den bestelle ich mir jetzt erst einmal!


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Postmortale Klimaanklage à la Thai


The Sisters (US-DVD)

Eine Rockgruppe namens Nano möchte in Bangkok auftreten. Eines Nachts mieten sich die jungen Leute in einem schmierigen Motel ein und werden von einem weiblichen Geist heimgesucht, der aus dem Abzug eines Deckenventilators zu ihnen kommt. In der Folge werden die Bandmitglieder von dem Spukgeist und einigen Kollegen heimgesucht. Auch ein buddhistischer Priester kann ihnen nicht helfen. So bleibt ihnen nur übrig, die Geschichte des Geistes zu ergründen...

PEE CHONG AIR ist trotz seiner etwas skurrilen Prämisse (vgl. auch „Der Geist aus der Dunstabzugshaube“!) kein schlechter Film, zumal er eine ziemlich traurige Familiengeschichte als Grundlage für die unheimlichen Vorkommnisse liefert. Die Anleihen bei japanischen Spukfilmen – die hier etwas von buddhistischer Folklore begleitet werden, Thai halt – sind recht offensichtlich. Während ich mir bei manchen japanischen Geisterfilmen regelmäßig in die Hosen mache (DARK WATERS = Meisterwerk!), ging mir der inflationäre Einsatz des Geistes hier etwas auf denselben, aber mein Interesse an den Ereignissen, die zu der Spukkirmes geführt haben, flachte durchaus nicht ab. Neben den offensichtlichen Bezugnahmen auf RING und JU-ON scheint dem Regisseur auch der italienische Horrorfilm nicht fremd zu sein, da er reichhaltigen (und auch recht geschickten) Gebrauch von grellfarbiger Ausleuchtung der Spannungsszenen macht. Insgesamt fand ich den Film nicht wirklich unheimlich, eher pittoresk und hübsch anzuschauen. Ich werde mir auf jeden Fall mal THE MEAT GRINDER ausleihen, den neuesten Film des Regisseurs, der bei uns auf DVD erschienen ist.


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Das ganze Leid der Welt in den Augen von Walter


Keiner killt so schlecht wie ich (TV)

Henry Graham ist ein Playboy. Er liebt schnelle Autos, schnelle Frauen und ein schnelles Leben. Und Henry Graham ist reich. Zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als sein Kapital aufgezehrt ist und er sich in den Krallen des Pleitegeiers befindet. Sein treuer Butler Harold weiß, daß es nur zwei gesellschaftlich akzeptable Konsequenzen gibt, sich aus der Affäre zu ziehen – Selbstmord oder eine gute Partie. Und so sucht Henry nach einer reichen Frau, die er heiraten und beerben kann. Er findet sie in der ebenso unscheinbaren wie tolpatschigen Henrietta, Erbin eines großen Vermögens. Mit großem Geschick buhlt Henry um die Gunst der Dame, was schließlich von Erfolg gekrönt ist. Doch dann entdeckt er völlig neue Seiten an sich...

Von allen Walter-Matthau-Komödien ist diese hier eine der unbekanntesten, und dies völlig zu Unrecht, denn A NEW LEAF (beknackter deutscher Titel!) ist eine exzellent geskriptete schwarze Komödie, die einem so nebenbei eine ganze Menge über Menschen und ihre Wandlungsfähigkeit verrät. Der Film ist das Kind von Elaine May, die nicht nur für Skript und Regie verantwortlich zeichnet, sondern auch eine hinreißende Darstellung gibt als Henrietta, einer Frau, die kaum lebensfähig erscheint. Zu Beginn ist Henry entzückt, als er ihre komplette Unfähigkeit mitbekommt: Sie verschüttet Tee im Reicher-Leute-Club, bevorzugt geschmacklosen Billgrotwein (natürlich gekühlt, und wenn's geht, mit Strohhalm!), und genaugenommen kommt sie nicht einmal unbeschadet in ihr Nachtgewand. Der völlige Mangel an Grazie stellt eine herbe Belastungsprobe für den Playboy dar, und Matthau leidet, wie nur Matthau leiden kann. Komödien basieren ja häufig auf Situationen, die so ganz und gar nicht komisch sind. Wir sehen hier einen Mann am Abgrund, einen Mann, der gezwungen ist, seine komplett sinnfreie Existenz über den Haufen zu werfen und einen Mord anzusteuern. So etwas muß nicht unbedingt zu einer Komödie geraten. Henry Grahams Existenz wird im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß er sein ganzes Leben lang nur Geld hatte. Er war nur reich, und sonst gar nichts. Seine unmoralische Entscheidung führt natürlich dazu, daß der Zuschauer ein diebisches Vergnügen bei all den Nadelstichen empfindet, die Henrys verfeinerter Geschmack hinnehmen muß im Zusammenspiel mit dem häßlichen kleinen Entlein, das ihm schon bald als gemeingefährliche Barbarin erscheint. Er will das Böse und schafft das Gute – das ist seine Strafe, und das ist sein Segen. Matthaus Leidensweg wird begleitet von typischen New Yorker Charakterdarstellern, zum Beispiel Jack Weston (als Henriettas verkommener Rechtsanwalt), dessen Bruder Sam übrigens einer der bekanntesten Pornographen der Westküste war und unter dem Pseudonym Anthony Spinelli unzählige Lendenopern in Szene gesetzt hat. Ich kann leider keine DVD-Veröffentlichung von diesem schönen Film ausfindig machen und hoffe, daß Paramount diesem Makel irgendwann ein Ende bereitet. Selbiges gilt übrigens auch für die tolle Matthau-Episodenkomödie PLAZA SUITE, die unglaublicherweise auch noch nicht rausgekommen ist...


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Das Leben unter der Eierschale


Dreams That Money Can Buy (GB-DVD)

Wann immer ich Sachen finde, die mir ganz neu sind und die mich wirklich beeindrucken, freue ich mich wie ein kleines Kind! So geschehen heute mit diesem Film vom Berliner Künstler Hans Richter, der seine Laufbahn begann als Dadaist, nach seiner Emigration in die USA Leiter des New Yorker Filminstitutes wurde und irgendwann starb, aber spät. Zum Sterben zog er sich wie ein alter Indianer in die Schweiz zurück. DREAMS THAT MONEY CAN BUY dürfte der beste Film sein, der jemals für 25000 Dollar in einem Loft in Manhattan gedreht worden ist. Es geht dabei um einen Mann namens Joe, der so ziemlich am Ende seiner Kunst angelangt ist und in einem schebbigen Apartment ohne Möbel haust. Sein Leben ändert sich, als er feststellt, daß er - obwohl er doch gar nichts hat (oder gerade deswegen) - seine Träume sehen kann und die von anderen. Er eröffnet eine Art Traumbüro, und äußerst unterschiedliche Menschen zählen zu seinen Klienten. Der Film schildert detailliert einige dieser Träume, wobei Richter auf Exponate, Ideen, Musikstücke, Bilder etc. von Kollegen wie Max Ernst, Man Ray, Marcel Duchamps, John Cage und Fernand Léger zurückgreifen konnte. Was mir diesen Film sofort ans Herz geschweißt hat, ist die merkwürdige Erfahrung, einen surrealen Film europäischer Prägung zu sehen, der die Optik des amerikanischen Technicolor-Kinos der 40er Jahre besitzt - ein Effekt, den Richter auch ganz bewußt einsetzt. Dabei verwendet er eine ziemlich aufwendige orchestrale Filmmusik, die mit "The Girl With The Prefabricated Heart" sogar einen tollen Song aufweist. Allein dafür werden schon 1000 Dollar draufgegangen sein... Mit der Urbarmachung der Traumwelt der Figuren werden ihnen ihre geheimen Wünsche wieder vertraut gemacht, die vom Erwachsenenleben und der mühsam erlernten zivilisatorischen Hülle verschüttet worden sind. Dabei geht der Film sehr psychoanalytisch vor, denn die Träume wimmeln natürlich vor Symbolen, manche offensichtlich, manche vertrackt. Die Verspieltheit, mit der Richter und seine Mitstreiter diese Fantasien umsetzen, wirkt befreiend, aufrichtig und ganz und gar nicht prätentiös. Gelegentlich ist das sogar sehr komisch anzusehen. Wenn der Held des Filmes, Joe, aber in der abschließenden Narziß-Episode in seine eigene Versteinerung hinabblickt, wird klar, warum sein Leben auf den Hund gekommen ist, warum er sich in sich selbst zurückgezogen hat. Im Leben eines jeden - so sagt es der Film - gibt es eine Explosion, nach der alles auf einmal ganz anders ist. Bei manchen kommt diese Explosion früher, bei anderen später. Das regressive Herabsacken in die Ichbezogenheit ist die Folge der Explosion. Über das Spiel, vor allem über das Spiel mit anderen, wird die Welt wieder ganz. Das lächerlich niedrige Budget führt natürlich dazu, daß vieles sehr roh und unbehauen wirkt, aber es funktioniert wirklich ganz prächtig. Wie die meisten dieser Avantgarde-Filme wirkt auch DREAMS THAT MONEY CAN BUY auf jeden Zuschauer anders. Er kann nicht abschließend interpretiert werden, da die dargebotenen Traumwelten eher zu erahnen und zu erfühlen sind. Von Richter kannte ich bislang nur einen oder zwei seiner frühen Kurzfilme, die völlig abstrakt sind und einiges mit den frühen Arbeiten von Walter Ruttmann oder Oskar Fischinger gemeinsam haben. DREAMS THAT MONEY CAN BUY verwendet ebenfalls Stilmittel aus jener Phase, aber auch Surrealismus, absurdes Theater und Hollywood-Sentiment, und Titten gibt es auch zu sehen - was will man mehr? Das "British Film Institute" hat diesen Film auf DVD veröffentlicht. Ich empfehle als Beiprogramm den alten Underground-Gassenhauer DAUGHTER OF HORROR (a.k.a. DEMENTIA) und einige der alten Kenneth-Anger-Filme. Maya Deren wäre auch passend. Toll, was man noch alles finden kann!





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