Zum Inhalt wechseln


Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen

Cjamangos neues Filmtagebuch




Foto

Das Leben unter der Eierschale



Dreams That Money Can Buy (GB-DVD)

Wann immer ich Sachen finde, die mir ganz neu sind und die mich wirklich beeindrucken, freue ich mich wie ein kleines Kind! So geschehen heute mit diesem Film vom Berliner Künstler Hans Richter, der seine Laufbahn begann als Dadaist, nach seiner Emigration in die USA Leiter des New Yorker Filminstitutes wurde und irgendwann starb, aber spät. Zum Sterben zog er sich wie ein alter Indianer in die Schweiz zurück. DREAMS THAT MONEY CAN BUY dürfte der beste Film sein, der jemals für 25000 Dollar in einem Loft in Manhattan gedreht worden ist. Es geht dabei um einen Mann namens Joe, der so ziemlich am Ende seiner Kunst angelangt ist und in einem schebbigen Apartment ohne Möbel haust. Sein Leben ändert sich, als er feststellt, daß er - obwohl er doch gar nichts hat (oder gerade deswegen) - seine Träume sehen kann und die von anderen. Er eröffnet eine Art Traumbüro, und äußerst unterschiedliche Menschen zählen zu seinen Klienten. Der Film schildert detailliert einige dieser Träume, wobei Richter auf Exponate, Ideen, Musikstücke, Bilder etc. von Kollegen wie Max Ernst, Man Ray, Marcel Duchamps, John Cage und Fernand Léger zurückgreifen konnte. Was mir diesen Film sofort ans Herz geschweißt hat, ist die merkwürdige Erfahrung, einen surrealen Film europäischer Prägung zu sehen, der die Optik des amerikanischen Technicolor-Kinos der 40er Jahre besitzt - ein Effekt, den Richter auch ganz bewußt einsetzt. Dabei verwendet er eine ziemlich aufwendige orchestrale Filmmusik, die mit "The Girl With The Prefabricated Heart" sogar einen tollen Song aufweist. Allein dafür werden schon 1000 Dollar draufgegangen sein... Mit der Urbarmachung der Traumwelt der Figuren werden ihnen ihre geheimen Wünsche wieder vertraut gemacht, die vom Erwachsenenleben und der mühsam erlernten zivilisatorischen Hülle verschüttet worden sind. Dabei geht der Film sehr psychoanalytisch vor, denn die Träume wimmeln natürlich vor Symbolen, manche offensichtlich, manche vertrackt. Die Verspieltheit, mit der Richter und seine Mitstreiter diese Fantasien umsetzen, wirkt befreiend, aufrichtig und ganz und gar nicht prätentiös. Gelegentlich ist das sogar sehr komisch anzusehen. Wenn der Held des Filmes, Joe, aber in der abschließenden Narziß-Episode in seine eigene Versteinerung hinabblickt, wird klar, warum sein Leben auf den Hund gekommen ist, warum er sich in sich selbst zurückgezogen hat. Im Leben eines jeden - so sagt es der Film - gibt es eine Explosion, nach der alles auf einmal ganz anders ist. Bei manchen kommt diese Explosion früher, bei anderen später. Das regressive Herabsacken in die Ichbezogenheit ist die Folge der Explosion. Über das Spiel, vor allem über das Spiel mit anderen, wird die Welt wieder ganz. Das lächerlich niedrige Budget führt natürlich dazu, daß vieles sehr roh und unbehauen wirkt, aber es funktioniert wirklich ganz prächtig. Wie die meisten dieser Avantgarde-Filme wirkt auch DREAMS THAT MONEY CAN BUY auf jeden Zuschauer anders. Er kann nicht abschließend interpretiert werden, da die dargebotenen Traumwelten eher zu erahnen und zu erfühlen sind. Von Richter kannte ich bislang nur einen oder zwei seiner frühen Kurzfilme, die völlig abstrakt sind und einiges mit den frühen Arbeiten von Walter Ruttmann oder Oskar Fischinger gemeinsam haben. DREAMS THAT MONEY CAN BUY verwendet ebenfalls Stilmittel aus jener Phase, aber auch Surrealismus, absurdes Theater und Hollywood-Sentiment, und Titten gibt es auch zu sehen - was will man mehr? Das "British Film Institute" hat diesen Film auf DVD veröffentlicht. Ich empfehle als Beiprogramm den alten Underground-Gassenhauer DAUGHTER OF HORROR (a.k.a. DEMENTIA) und einige der alten Kenneth-Anger-Filme. Maya Deren wäre auch passend. Toll, was man noch alles finden kann!




Neuste Einträge

Neuste Kommentare