scarlett_fan123 sagte am 07.01.2006, 02:51:
JARHEAD ist kein Antikriegsfilm (denn der Krieg und eine Kritik an ihm ist dem Film letztendlich scheißegal), sondern eine Charakterstudie über eine Gruppe junger Männer gefangen in der unmenschlichen Maschinerie der Marines.
Das Thema lautet schließlich: “Was das Militär aus Menschen machen kann”. Besser als hier wurde dieses Thema beispielsweise in FULL METAL JACKET anhand des wahnsinnig geworden Private Leonard “Gomer Pyle” Lawrence aufgezeigt. JARHEAD erzählt nichts, das nicht schon in anderen Militärfilmen erzählt worden wäre.
Eigentlich kann ich mir meinen Kommentar eigentlich sparen, denn wir sind so grandios unterschiedlicher Meinung, was diesen Film angeht, dass wir sowieso nicht auch nur annähernd auf einen Nenner kommen werden. Aber egal.
Die Behauptungen, die du in den obigen Auszügen deines Reviews aufstellst und aufgrund derer du den Film abkanzelst, sind m. E. einfach falsch: Es gibt da diesen Satz, nach dem jeder Kriegsfilm, der den Krieg realistisch darstellt, ein Antikriegsfilm ist - eine Meinung, die ich teile. Diese Voraussetzung erfüllt JARHEAD völlig: Er zeigt einen Krieg, in dem die Soldaten als reines Material verheizt werden, ohne dass sie auch nur die geringste Funktion zu erfüllen haben. Den jungen Rekruten wird ein großes Abenteuer, Anerkennung und Ruhm versprochen. Nichts davon bewahrheitet sich. Das ist auch ein ziemlich guter Grund, den Krieg abzulehnen, wie ich finde.
Für Leute, denen es ohnehin nicht in den Sinn käme, eine Waffe in die Hand zu nehmen, ist es leicht, Krieg aus moralischen Gründen abzulehnen. Denn wir (damit du weißt, wo ich stehe) wissen alle, dass es falsch ist, zu töten. Tausende von Filmen haben das schon eindrucksvoll gezeigt. Ein weiterer Film, in dem entmenschlichte Mordmaschinen ihr grausiges Handwerk ausüben, ist demnach so überflüssig wie ein Kropf. Ich weiß, es ist leichter zu verdauen, wenn Soldaten schlicht als böse dargestellt werden. Böse Menschen tun böse Dinge. Tatsächlich sind es in der Wahrheit überwiegend ganz normale Leute, die an den Krieg bestimmte Vorstellungen und Hoffnungen knüpfen, die jedoch bitter enttäuscht werden. Das ist ja das fiese: Die Welt lässt sich nicht so leicht in richtig und falsch aufteilen.
Ein Amerikaner, mit dem ich mich einmal über seinen Einsatz im Kosovo unterhalten habe, sagte ziemlich wortwörtlich, dass er dachte, im Krieg ein Held werden zu können. "I was stupid" war das harsche Resümee, dass er rückblickend über seine Einsatz zog, bei dem er ebenfalls selten einen Feind sah, aber umso häufiger Schüssen von unsichtbaren Schützen ausweichen musste.
In JARHEAD geht es demnach nicht darum "was der Krieg aus Menschen macht" (für die meisten Figuren geht der Krieg ja ganz unspektakulär zuende), sondern darum, was Menschen sich vom Krieg versprechen: Tony will sich beweisen. Seine Naivität sagt ihm, dass der Krieg ihm dafür die richtigen Möglichkeiten bietet. Er sieht sich am Ende bitter enttäuscht, denn "sein" Krieg ist nicht der Ort, an dem Helden gemacht werden. Die Frage, die der Film stellt, geht weit über das Phänomen Krieg hinaus: Wie und wo kann man sich heute noch handelnd auszeichnen, wenn man sogar im Krieg zum Nichtstun und Zuschauen verdammt ist?
Wie gesagt, das ist meine Sicht des Films, den ich für ausgezeichnet und absolut originell halte.
Da du da ja ganz anderer Meinung bist, frage ich mich, welcher Film JARHEAD hätte sein müssen, um deiner Wertschätzung teilhaftig zu werden? Hätte Anthony als Krüppel nach Hause zurückkehren müssen? Hätte er ein irakisches Kind töten müssen? Oder feststellen, dass die Irakis "ja auch nur Menschen sind"? Oder hätte er in den Wüstensand beißen müssen?