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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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THE REFLECTING SKIN (Philip Ridley/UK, CA 1990)



"Why don't you go play with your friends?" - "They're all dead."

The Reflecting Skin (Schrei in der Stille) ~ UK/CA 1990
Directed By: Philip Ridley

Während sich der Zweite Weltkrieg seinem Ende nährt, lebt der neunjährige Seth Dove (Jeremy Cooper) irgendwo in der unendlichen Leere des amerikanischen Mittelwestens, wo sein Vater (Duncan Fraser) eine kleine Tankstelle betreibt. Die Nachbarin Dolphin Blue (Lindsay Duncan), eine verwitwete, britische Emigrantin, betrachtet Seth mit einigem Argwohn. Seine kindliche Phantasie treibt ihn sogar so weit, zu glauben, sie müsse ein Vampir sein. Zeitgleich geschieht in der Gegend ein Kindermord an einem von Seths Freunden, für den man Seths Vater verantwortlich macht. Dieser bringt sich daraufhin um. Für den Jungen ist derweil klar: Die Vampirin hat seinen Freund auf dem Gewissen. Als Seths älterer Bruder Cameron (Viggo Mortenen) aus dem Pazifikkrieg heimkehrt und sich unversehens in Dolphin verliebt, sieht der Junge nurmehr eine Möglichkeit, eine solch unheilige Allianz zu verhindern. Diese erfolgt schneller als es Seth erwartet...

Der Londoner Philip Ridley ist auf diversen künstlerischen Sektoren beeindruckend aktiv; als Maler, Theater- und Drehbuchautor sowie Romancier, als Photograph, Komponist und Poet. Seine Aktivität als Spielfilmregisseur füllt er entsprechend rar frequentiert aus und hat einsschließlich seines Debüts "The Reflecting Skin" lediglich drei Filme inszeniert. In diesem seinem Erstlingswerk legt Ridley sich sogleich eine ganze Bandbreite an Topoi zurecht, wobei es sich wohl zuallererst eine finstere Americana handelt. Im Mittelpunkt steht die Naivität und Weltfremdheit des vom retardierten Kreationismus des Bible Belt bereits gezeichneten Seth. Bereits die kindlichen Spiele, die er mit seinen zwei Freunden Eben (Codie Lucas Wilbee) und Kim (Evan Hall) zeugen von einer verlorenen Hilflosigkeit: Man lässt Frösche platzen und spielt ähnliche "Streiche", die mit dem ursprünglichen Wortsinn kaum mehr etwas zu tun haben. Seths Vater ist mit seiner sexuellen Unerfülltheit stets ein Verlorener geblieben, der durch die zu erwartende Denunziation und nicht zuletzt das ihn übertürmende Matriarchat in einen spektakulär ausgeführten Freitod getrieben wird. Die Kindermorde, deren Urheber in Wahrheit eine Bande gelangweilter, pervertierter Halbstarker ist, lastet alle Welt - inklusive Seth selbst - einer sündigen, womöglich satanischen Macht an. Seths Bruder Cameron ist derweil Zeuge der albtraumhaften Machtdemonstrationen seines Vaterlandes geworden. Er war im Pazifik, hat die "schönen Inseln" dort nach eigener Aussage verwüstet und den Atombombenabwürfen beigewohnt, was er mittelfristig mit dem verstrahlten Leben bezahlen wird. Das Einzige, an dem ihm noch liegt, nämlich die Liebe zu jener geheimnisvollen, einsamen Engländerin Dolphin Blue, verhilft Seth aus der Welt zu tilgen. Als ihm seine Schuld mit aller Macht bewusst wird, ist seine Kindheit schlagartig vorbei.
Stilistisch lehnt sich Ridley an Kubrick und Mallick an, verbindet lange Einstellungen der von wogendem Weizen gesäumten Weite des Landes mit klassisch arrangierten Partituren von Nick Bicât und schildert mit dem Blick des landesfremden Observierers diesen Ort als gnadenlose Vorhölle, in der desorientierter Glaube und weltferne Einsamkeit die Menschen zu Opfern ihrer Natur werden lässt. So schön wie entlarvend.

8/10

Philip Ridley period piece Coming of Age WWII Kind Brüder Serienmord Bible Belt Erwachsenenmärchen



Filmtagebuch von...

Funxton

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