Zum Inhalt wechseln


Ornament & Verbrechen Redux

There is no charge for awesomeness. Or beauty.




Foto

I was a fear victim, but I survived it



Donnie Darko

Das Licht geht im Kinosaal aus und es erscheint ein Verleihtitel, prophetisch für den gesamten Film: Pandora. Wie der Büchse jener Unheilbringerin entspringt eine düstere Geschichte der Kinoleinwand. Jedoch hat diese Geschichte im Gegensatz zur Allbeschenkten keine Hoffnung mitgebracht.

And I find it kind of funny
I find it kind of sad.
The dreams in which I’m dying
Are the best I’ve ever had.

Dieser Traum ist die Geschichte des Teenagers Donnie Darko. Alles sollte in bester Ordnung für Donnie sein. Er lebt mit seiner Familie in einem typischen amerikanischen Vorort, in dem Rasensprenger und Baseballspiele den Tagesablauf strukturieren. Er geht auf eine Highschool, in dem der gute Schüler sich nur mit den ortsüblichen Dumpfbacken rumärgern muß.
Nur eins macht dem schlafwandelnden Donnie Sorgen: Er weiß, dass demnächst die Welt untergehen wird. Er weiß sogar, wann genau dies sein wird, auf die Minute genau. Frank sagt es ihm immer wieder. Frank flüstert ihm auch die Idee ein, dass Donnie alles in der Welt erreichen kann, sowohl zerstören als auch aufbauen, einfach kraft seines Willens. Hat Frank gar seine Pfoten im Spiel, dass Gretchen in Donnies Klasse auftaucht? Eine neue Liebe ist schließlich so ziemlich das letzte, was man kurz vor dem Weltuntergang benötigt, aber solche Schicksalsvolten sähen Dir doch ähnlich, nicht wahr Frank. Wie ich habe Dich noch gar nicht vorgestellt? Oh, tatsächlich. Laß Dich mal anschauen. Du siehst gar nicht so schlecht aus für ein etwa menschengroßes Kaninchen mit einem Totenkopfgesicht und trüben Augen...
Regisseur Richard Kelly entfaltet vor uns stilsicher eine Szenerie, die mit alptraumhafter Unlogik den Zuschauer immer tiefer in das Geschehen zieht. So wie die Versuche der handelnden Personen scheitern, Donnies Realität mit Psychologie, Physik oder gesundem Menschenverstand beizukomen, so werden die Deutungsversuche des Zuschauers, der Geschichte mit Vernunft einen Sinn abzuringen, durch die selbstreferentielle Erzählstruktur zerstört.
Echo and the bunnymen, Joy Division oder Tears For Fears sorgen bei dem Zuschauer für eine emotionale Reise rückwärts auf dem Zeitstrahl, wodurch ein hohes Maß an Identifikation mit Donnie entsteht. Diese Annäherung an die Figur des Donnie wird durch die grandiose Verkörperung Jacob Gyllenhaals erleichtert; diabolische Zerstörungswut und depressive Selbstzerfleischung wechseln sich auf seinem Gesicht ab, dass man meinen könnte, Frank hätte tatsächlich einen Platz in seinem Gehirn gefunden. Unterstützt wird er nicht nur von seiner Schwester Maggie, die auch seine Filmschwester Elizabeth gibt, sondern von einer Reihe bekannter Schauspieler, bei denen mir sogar ausnahmsweise Patrick Swayze als der Psychoguru Jim Cunningham zu gefallen wusste. Aber all eure Schauspielkunst wird der Welt nichts nutzen. Schrei, Casey Becker, Frank wird die Welt nicht für Dich erhalten. Und auch Du, John Carter, wirst mit all Deiner ärztlichen Kunst die Welt nicht von ihrem immanenten Wahnsinn heilen können.

I find it hard to tell you
‘cause I find it hard to take.
When people run in circles
It’s a very very
Mad world.

Die Lichter gehen an, ich stolpere hinaus in die eisige Kälte. Fette Männer blenden mich mit ihren Taschenlampen. Um die Ecke biegt ein Hase, dem ein Auge ausgeschossen wurde. Am Himmel braut sich ein Wirbelsturm zusammen.
Ich habe etwas Wichtiges während der letzten zwei Stunden verloren. Oder ich habe erst jetzt bemerkt, dass es mir abhanden gekommen ist. Ich möchte zurück, zurück zu einem Zeitpunkt vor zwei Stunden. Oder zwei, nein besser zwanzig Jahre zurück. Und hoffen, dass meine Entscheidung richtig war.

Zuerst veröffentlicht auf kino.de am 25.09.2002

kino.de



Schön, die Kritik hab ich immer gerne gelesen, früher.
Vor allem die letzten fünf Zeilen gefallen mir weiterhin sehr sehr gut.
Habe DONNIE DARKO jetzt bestimmt vier Jahre nicht mehr gesehen, und müsste langsam mal wieder. Wie stehst du denn inzwischen zum Film? Kelly war kurz davor, ihn mir mit THE BOX und SOUTHLAND TALES kaputt zu machen...
  • Melden
Ach, im Gegensatz zu anderen Usern bin ich nicht nachtragend. Mir kann ein Regisseur nicht nachträglich einen Liebling mit anderen Krepelfilmen zerstören. Ergo ist Donnie immer noch fest bei mir verankert.
  • Melden