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Ornament & Verbrechen Redux

There is no charge for awesomeness. Or beauty.

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Kopfschuß


Micmacs (Micmacs à tire-larigot)

Das größte Problem des Filmes kann man schon am Titel ablesen - die Eigenheiten der französischen Sprache gehen bei der Übersetzung verloren. Nicht, daß ich dieser Fremdsprache mächtig wäre, aber wenn eine offensichtlich als Gedicht angelegte Rede (noch dazu: der waffendealende Sprecher vergleicht sich mit Rimbaud!) nur schnöde als Prosa wiedergegeben wird oder eine Verwechslung von Rimbaud und Rambo für Erheiterung sorgen soll, dann werden die Mängel der Übersetzung überdeutlich. So gehen viele Anspielungen dieses gewitzten Filmes außerhalb Frankreichs wohl verloren.

Zum Glück ist der Film von Jeunet international verständlich, weil visuell überbordend wie seine früheren Arbeiten Delicatessen und Die Stadt der verlorenen Kinder. Das wirkt größtenteils recht gelungen (ein schönes Detail zum Beispiel die wiederkehrenden Werbetafeln für den Film, die genau die Szene zeigen, die man gerade sieht), doch manchmal behindert die Verspieltheit des Bildes den Gesamtfluß des Filmes. Das ist schade, denn in der konzis konstruierten Eröffnung zeigt Jeunet, welches Talent in ihm steckt. Jedes Bild erzählt nahezu dialoglos eine Geschichte in all ihren grausamen Konsequenzen und motiviert die Rache für ein zerstörtes Leben; jene Motivation, ohne die der Film zusammensinken würde wie ein Mensch ohne Rückgrat. Dieser Hintergrund wird, trotz aller optischen Manierismen Jeunets, dann vollkommen ernsthaft behandelt - überraschend wohl für jeden, der den Trailer gesehen hat.

Das Finale dann eine wirklich große Geste - huldigend dem Humanismus, aber auch dem Kino. Eine grandiose Verbeugung vor C'era una volta il West (aus diesem Anlaß wieder einige Szenen daraus gesehen und - tja - wieder erschüttert gewesen) mit einer Dekonstruktion der Szenerie vom Feinsten. Wer die Entstehungsgeschichte von Leones Film kennt, weiß auch, daß diese Darstellung nicht so weit hergeholt ist. Offenbar kann man heute keine Filme mehr produzieren, ohne die Rezeptionsgeschichte des Zuschauers mit zu verarbeiten. Das finde ich gut. Jedenfalls solange es nicht in simples scene dropping ausartet.

Kino OmU


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Schlag mich, beiß mich, gib mir Tiernamen


Femina ridens (The frightened woman)

Die junge Maria ist Journalistin bei einer Stiftung, die dem hartherzigen Dr. Sayer gehört. Als sie eines Abends bei ihm zu Hause aus beruflichen Gründen vorbeikommt, kidnapt er sie. Zum lebenden Sexspielzeug degradiert, mit der Ankündigung, umgebracht zu werden, schwankt sie zwischen Auflehnung und Akzeptanz. Oder wird gar ihre Strategie aufgehen, ihn von seiner neurotischen Fixierung zu befreien?

Na hossa! Was sich Piero Schivazappa hier traut ist nicht von schlechten Eltern. Vor allem, weil man nicht so recht weiß, was der Film darstellen soll. Psychogramm einer sexuellen Deviation? Geschlechterkampf in den Swinging Sixties? Katz und Maus Thriller? Der Film springt zwischen den Elementen hin und her, aber nie hat man das Gefühl, hier würde eklektischer Arthousequatsch produziert. Ist er auch nicht, so viel sei versichert.
In unglaublichen Settings fechten Dagmar Lassander und Philippe Leroy ihren Kampf auf Leben und Tod aus. Außer Barbarella würde mir erst mal kein westlicher Film jener Ära als Referenzpunkt einfallen. In Asien schon, neben den sadomasochistischen Filmen wie Onna jigoku: mori wa nureta (Woods are wet: Woman Hell) oder Ikenie fujin (Wife to be sacrificed) besonders Masumuras Môjû (Blind Beast). Aber Femina ridens wirkt viel mysteriöser, bedrohlicher als jener dank seiner distanzierten Strenge und seiner psychoanalytischen Symbolik. Ein Film also, der in keinem ehelichen Haushalt fehlen sollte!

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Achtung - Grün!


The green slime (Monster aus dem All)

Menschen in bunten Uniformen wuseln durch Plastikräume, hier starrt einer auf einen flackernden Monitor, dort malt einer was mit Buntstiften in eine Sternenkarte - ein ganz normaler Arbeitstag auf einer Raumstation in den Sechzigern. Doch da! Ein Meteorit! Auf Kollisionskurs! Mit der Erde! Und nur zwölf Stunden Zeit! Schnell ein paar Kosmonauten Astronauten zusammengesucht, die besten natürlich, die auch noch eine alte Feindschaft am Laufen haben, und den Meteor mit zwei Sprengsätzen auseinandergejagt. Zu dumm, daß man sich vorher noch den titelgebenden Schleim eingefangen hat, der sich nun auf der Raumstation nicht nur ausbreitet, sondern auch noch in tentakelbewehrte, einäugige, funkenschlagende Monster transformiert.

Aber halt, das kenne ich doch? SS-X-7 - Panik im All hatte eine Pilzinfektion vom Mond statt Schleim vom Meteoriten, aber besonders die gleichartige Raumstation macht die Analogie offensichtlich. Wo aber Grimaldis Film düster und schwarz (schwarzweiß, um genau zu sein) daherkommt, ist Fukasakus Film (genau, DER Fukasaku) bunt und optimistisch bis zur Grenzparodie. Das bekommt dem Film nicht wirklich gut, weil man die Gefahr nicht ernst nehmen kann. Man sollte sich schon entscheiden - entweder richtig bedrohlich wie in Matango - The mushroom people oder quietschebunt wie in Der große Krieg der Planeten. Mit diesen beiden verbindet The green slime dann wiederum das Gefühl für eine exquisite Modellgestaltung, wie man sie in so vielen japanischen Filmen dieser Zeit finden kann. Kein Wunder, zeichneten sich für die Spezialeffekte doch ehemalige Toho-Mitarbeiter Eiji Tsuburayas, dem Meister von Godzilla und Co, verantwortlich.

Der Film existiert in zwei Varianten - eine für den japanischen und eine für den amerikanischen Markt. Aus der Kompositvariante, die mir in ihrer Mischung aus Scope und Vollbild Halluzinationen beschert hat, läßt sich schlußfolgern, daß das japanische Publikum gut auf Schmalzszenen verzichten kann, während das amerikanische eine italienische Fremde im emotionalen Zwiespalt zwischen zwei amerikanischen Helden benötigt. Implizit sind die Geschlechterrollen beiden Versionen des Filmes eingeschrieben: Männer schießen, Frauen kreischen. Was bedeutet: Männer sterben, Frauen nicht.
Auch interessant ist das Zauberlehrlingsmotiv, das bei den Monstern, die am Ende die Raumstation wie Pickel das Teenagergesicht übersäen, verarbeitet worden ist. Nur gibt es in der Moderne keinen Zaubermeister mehr, der den Fehler beseitigt. Aber Scheiterhaufen, die bekommen wir hin. Wir sind noch lange nicht am Ziel.

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Arsenic without Old Lace


Kiss me deadly (Rattennest)

Eine Frau rennt den Highway entlang. Kein Auto will anhalten, um sie mitzunehmen. Die nackten Füße. Sie holen ihren überdeutlich keuchenden Atem ins Bewußtsein und erst jetzt bemerkt man, daß sie vermutlich nichts unter ihrem Mantel anhat. Erst nachdem uns Aldrich diese Gedanken erlaubt hat, stürzt sie sich todesmutig vor einen Wagen und zwingt ihn zum Anhalten. Der Fahrer: Hammer. Mike Hammer. Unwirsch zwar, ob des erzwungenen Stops. Aber er sieht auch die nackten Füße, den Regenmantel und das was eben fehlt. Also läßt er sie einsteigen. Vorspann. Ein Vorspann, der uns nicht nur durch den betont gehetzten Atem der Flüchtigen etwas über den kommenden Film erzählt, sondern auch durch seine Laufrichtung. Ab jetzt geht es nur noch nach unten.

Kiss me deadly ist ein spätes Exemplar des klassischen Film Noirs. Das merkt man ihm auch an. Er ist sich der Mechanismen bewußt und entwickelt sie weiter. Besonders deutlich wird dies in der Figur des harten Privatdetektivs. Immer noch der einsame Wolf (man muß gesehen haben, wie Meeker seine Zähne fletschen kann - am besten gefiel es mir beim Besuch des schmierigen Pathologen), aber das hardboiled Element des Noirs wird erheblich ausgebaut. Zeittypisch wird zwar auf Blut und Sex verzichtet, aber allein das erste Verhör der Frau ist von einer unangenehmen Körperlichkeit gekennzeichnet, die es mit modernen (beinahe hätte ich geschrieben: mordenden) Slashern allemal aufnehmen kann. Immer noch gibt es die verführerische Fremde, nur ist mittlerweile jede Frau scharf auf Hammer, weil er zum Symbol für moderne Männlichkeit transformiert ist. Immer noch das große Wasauchimmer, hinter dem alle her sind. Nur ist diesmal das Objekt der Begierde wahrhaft eine Büchse der Pandora. In doppeltem Sinne aus dem Herzen New Yorks kommend, ist der Inhalt der Büchse nicht mehr nur metaphorisch gesehen zerstörerisch, wie in einem wahrhaft infernalischem Ende zu sehen ist.

Aldrichs Film ist nicht ohne Manko. Laszlos mangelnde Bildkontrolle (nicht die Komposition ist gemeint, die ist ausgezeichnet) sei genannt, die vielleicht einen Hinweis auf die finanziellen Möglichkeiten bei der Filmherstellung gibt. Oder die Figur des Automechanikers Nick, die unangenehm bis an die Grenze zur Karikatur verbogen wird. Nichtsdestotrotz folgen wir willig Aldrichs ausgelegten Fäden. "First, you find a little thread, the little thread leads you to a string, and the string leads you to a rope, and from the rope you hang by the neck."

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Abgenagt


The lovely bones

Lachhaft, dumm und heuchlerisch. Eine Unverschämtheit den Song To The Siren von This Mortal Coil in so einem quietschebuntem Nichts an Szenerie zu verwenden. Wie man so etwas Komplexes wie das Akzeptieren des Todes präsentieren soll, kann man sich in El Orfanato ansehen.

Die Inszenierung von Jackson wirkt so, als ob ein Blinder ein Puzzle zusammengesetzt hat. Entweder Körperfresser haben den dicken Peter Jackson gegen eine schlaffe dünne Kopie ausgetauscht oder das Leben macht ihm keinen Spaß mehr ohne vernünftiges Essen. Zum Glück kann man auf die Zwischenreichthematik bei Jackson selbst zurückgreifen - The Frighteners ist ein hervorragender Film aus einer Zeit, als Jackson noch Gespür für sein Publikum hatte.

Wegen der guten alten Zeiten trage ich den Beitrag hier mal nicht ins Filmregister ein, obwohl jedes Wort gerechtfertigt ist.

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Glaube, Liebe, Hoffnung


Un prophète

Flackernd tastet sich der Blick der Kamera durch die Dunkelheit. So müßte man sich wohl eine Geburt vorstellen, wenn Neugeborene schon sehen könnten. Die Ankunft im Gefängnis ist für Malik eine Neugeburt. Abgerissen landet er dort, wir wissen nicht warum, Freunde scheint er draußen jedenfalls keine zu haben. Drinnen natürlich erst recht nicht. Malik versucht, die Mitgefangenen auf Abstand zu halten. Doch diese lassen keinen Abstand zu. Wer zu keiner Gruppe gehört, ist nicht; da lassen die Rudel keine Ausnahme zu. Der Leitwolf mag alt sein, aber er hat Zähne und Krallen. Mehr als jeder andere Wolf. Das macht er mit mehreren Genickbissen klar.

Audiards Version vom Aufstieg und Fall von Gangstern also. Innerhalb des Gefängnisses. Das allein schon ist bemerkenswert, weil es den ambivalenten Glamour des Gangstertums erst gar nicht zuläßt. In der hermetischen Abgeschlossenheit des Gefängnisses sind selbst die Waffen nur dreckige Plastiktüten. Phantastisch, wie hier die Isolation von der Gesellschaft inszeniert wird, sich aber die sozialen Bruchlinien bis in den Kernbereich des Gefängnisses fortsetzen. Dieser Aspekt der Generierung von Kriminellen durch ihre vermeintliche Behandlung ist ein Kopfnicken Richtung USA und setzt sich stilistisch bis in die Verwendung einer Dardenne-artigen Kameraführung fort. Der größte Verdienst Audiards dürfte sein, daß er sich nicht auf knochentrockene Sozialanklage einläßt, sondern kleine Einsprengsel von magischem Realismus der Abgeschottetheit von der Außenwelt eine halluzinatorische Komponente verleihen.

Ein Film wie er derzeit wohl nur in Frankreich entstehen kann. Vielleicht noch in Großbritannien. Aber auf keinen Fall in Deutschland.

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Howl


The wolfman

Ich hatte mehrmals feuchte Augen. Weil ich nicht mehr erwartet hatte, so etwas noch einmal im Kino zu sehen. Ein Film, sich vollkommen bewußt seiend der Filmgeschichte. Universal, Hammer, Slasher, Dante, Psychoterror. Das alles aufsaugend, verdauend und dann wieder präsentierend, ganz ohne Schluckauf. Kein dümmliches Gegrinse im Gesicht, kein peinlich berührtes Lächeln des Ertapptwerdens beim Abschreiben. Die Bilder alle so eindeutig von heute und dann doch wieder angefüllt mit einem Sehnen nach der Romantik. Einer Romantik, die durch die Moderne unwiederbringlich verloren gegangen ist. Aber auch das weiß der Film, denn das Zurückkehren zum Ort der Vergangenheit verheißt den Tod. Wie der Film überhaupt klüger ist als die meisten seiner Kritiker, die sich weigern in seinen Bildern zu lesen. Denn das ist er - ein Kompendium der Horrorfilmgeschichte in Bildern. Es zerreißt mir das Herz zu sehen, wie er an der Kinokasse scheitert. Die Moderne frißt ihre Kinder. Auch das beschert mir feuchte Augen. Aber das macht nichts, ich habe den Film ja im Herzen.


P.S.: Mark Salisbury im Time Out Magazine über die schwierige Geburt von The Wolfman

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Cola, Fanta, Fantasie


Fantasia

Ich hab's nicht so mit Disney. Außer dem frühen Donald gibt es wenig Erträgliches aus der Disneybonbonfabrik für mich. Mit Fantasia wollte ich es noch mal versuchen. Nicht nur, weil das Konzept anders als üblich ist (nicht unbedingt von Vorteil, wenn man an Die lustige Welt der Tiere denkt), sondern weil ich auch noch eine Bringeschuld an meine Kindheit hatte. In einem meiner ersten Comics wurde (krasser Fall von Eigenwerbung) auf die Filme mit Mickey hingewiesen; neben dem Erstling Steamboat Willie war es eben der Zauberlehrlingpart aus Fantasia.

Überraschend viele Kinder in der Abendvorstellung, die hoffentlich nicht allzu genervt nach Hause gegangen sind. Schon die Einleitung ist, hm, gewöhnungsbedürftig. Der belehrende Tonfall, als ob man nicht auf Hochkultur vorbereiten will, sondern vor den Gefahren von LSD warnt. Auch die Überhöhung der Klassik inklusive der Inszenierung des Dirigenten als Genie hat in mir übelste Aversion produziert. So sind die ersten beiden Musikstücke einfach nur ein Graus gewesen. Der abstrakte Teil, schlecht abgekupfert von den Experimentalfilmen der Zwanziger Jahre, wartet mit einer Bildschirmschonerästhetik zu Bachs Musik auf. Der nächste Part mit Musik aus Tschaikowskis Nußknackersuite ist verkitschte Antropomorphisierung, also Disney in Reinkultur. Ein Grauen. Der Zauberlehrling hat dann zum Glück Anleihen an den deutschen Expressionismus, im Schattenspiel, aber auch im Eindringen der Realität in den Traum. Da erträgt man sogar Mickeys Rumgegrinse. Auch der nächste Teil ist nicht so schlecht, immerhin wird Evolution thematisiert. Keine Selbstverständlichkeit in Amerika, wie man weiß. Man wähnt sich schon auf der sicheren Seite, aber nichts da. Hemmungslos wird Beethoven sodomiert mit einer grauenerregenden Verniedlichung der Mythologie. Wenn ich jemandem erklären sollte, was ich am Disneykosmos so unerträglich finde, ich würde ihm diesen Teil aus Fantasia zeigen. Nur unwesentlich besser ergeht es Ponchielli, wenn Elefanten, Krokodile, Straußen und Nilpferde Ballett zu seiner Musik tanzen. Versöhnlich endet dann der Film mit den Machenschaften eines übergroßen Teufels, der wirklich furchterregend auf seinem Berg hockt, aber schlußendlich vor Schuberts Ave Maria flieht. In diesem Part gibt es übrigens interessanterweise eine Kamerafahrt durch den Wald, die inklusive Fokus und unterschiedlicher Geschwindigkeit von Vorder- und Hintergrund eine Raumtiefensimulation wagt, wie ich sie in Animationen erst wieder später Ende der Achtziger in japanischen Produktionen gesehen habe.

Man könnte versuchen, sich den Film schönzureden, indem man auf das Heranführen der Kinder an klassische Musik verweist. Aber möchte man, daß seine Kinder bei Tschaikovsky an Kulleraugenelfen in Glitzerpink denken? Wohl kaum. Also ist jederzeit eine Aufführung von Peter und der Wolf vorzuziehen. Hier werden wenigstens leitmotivisch unterschiedliche Orchesterinstrumente vorgestellt. Falls Prokofjews Werk nicht erreichbar ist, würde ich den Film im Alternativschnitt (nur Dukas, Stravinsky, Mussorgsky und Schubert) empfehlen. Sonst stehen die armen Kleinen am Ende noch unter Zuckerschock.

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Blown up


The Hurt Locker

Kriegsfilme sind immer ein schwieriges Unterfangen. Faszination des Gewaltrausches oder Abscheu vor der Dehumanisierung? A thin red line. Einerseits die Notwendigkeit der Abgrenzung zur Betörung, andererseits die Gefahr, das allzu Offensichtliche zu wiederholen und damit eine aversive Reaktion im Zuschauer zu provozieren. Nach der langen Zeit, die geprägt war durch die amerikanische Verarbeitung des Vietnamkrieges, hat sich Kathryn Bigelow in The Hurt Locker für die Nähe zu ersterem entschieden. Freimütig gibt sie im Vorspann das Motto des Filmes preis: "War is a drug". Adrenalinjunkies können nicht nur in den Spielhöllen ihre Erfüllung finden und wer möchte schon sein Leben bei illegalen Autorennen verplempern, wenn man für den echten Kick ordentlich bezahlt wird? Hier im Krieg ist man ein Experte, etwas, das einem Redneck oder Schwarzen im bürgerlichen Leben meist verwehrt bleibt. Den ökonomischen Druck muß sich der Zuschauer selbst dazudenken, das dürfte ihm angesichts der jetzigen Weltwirtschaftskrise nicht schwerfallen.

Die Bilder selbst wirken angemessenerweise getrieben und hektisch. Keine selbstzweckhafte shaky cam Bay'scher Prägung, sondern eine Kamera, die sich ihrer eigenen Position im Gelände zu versichern sucht. Wer von den Fremden ist Freund, wer Feind, wer Beobachter? Das stellt alles primär keine Spannung wie im konventionellen Actionfilm her, sondern ist eher ein Stehen auf schwankendem Grund. Erdbebenartig zerfällt auch die moralische Überlegenheit der Hauptpersonen, die immer weniger sich im Sinn ihrer Anwesenheit bestätigt fühlen. Der Ausflug, um im Alleingang den vermuteten Mord an einem Jungen zu rächen, gerät nicht nur zum Desaster, sondern bei der Rückkehr ins Camp wird der Soldat auch wie ein Feind behandelt. Alle wohlbekannt geglaubten Grenzen lösen sich auf. Da braucht es kein artikuliertes "WTF are we doin' here?" mehr, um The Hurt Locker von einem Propagandafilm abzugrenzen.

Es gab mal den Spontispruch "Der Krieg ist die Menstruation der Männer". So viel sollte nach The Hurt Locker klar sein: Kathryn Bigelow ist definitiv nicht postmenopausal.

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One-bitch, two-bitch, three-bitch


Breathless (Ddongpari)

Wenn Schauspieler sich als Regisseure versuchen, geht es meist nicht gut aus, besonders wenn sie auch die Hauptrolle spielen wollen. Zumindest ein Desaster legt der Koreaner Yang Ik-Joon nicht hin mit seinem achten Film, der außer dem Titel nicht viel mit der französischen Nouvelle Vague zu tun hat. Nur oberflächlich handelt es sich wie bei Godards Film um eine Gangstergeschichte, hier von einem Geldeintreiber, der ohne größere innere Regung Freund und Feind gleichermaßen zu Klump haut, wenn es ihm gerade in seinen emotionalen Haushalt paßt. Unter der Oberfläche, die mit Cunt und Bitch zugekleistert ist, gärt aber das Leiden an der Vergangenheit. Und die ist geprägt von Versagensängsten und Schuldgefühlen.

Optisch kann der Videolook zwar nicht auftrumpfen, paßt aber recht gut zu der Direktheit, mit der das Geschehen gezeigt wird. Was den Film über das Mittelmaß hinaushebt, ist seine Verweigerung, eine emotionale Erleichterung für das Publikum in irgendeiner Form anzubieten. Der Kreislauf der Gewalt kennt keine Vergebung des gütigen Schicksals, diese kann nur durch die betroffenen Menschen erfolgen. Dies, darin macht sich der Film und damit uns Zuschauern nichts vor, ist aber die Ausnahme, nicht die Regel. Kein optimistischer Ansatz, gewiß. Aber ein Spiegel kennt keinen Optimismus.

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