Geschrieben 03. Februar 2006, 16:10
Hi,
ich denke, im Grunde sind wir uns gar nicht so uneinig. Klar, die Titel sind in gewisser Weise Spiegel des damaligen Zeitgeistes und natürlich nicht uncharmant. Und meine These, die Titel seien in gewissem Umfang ausschlaggebend für die Rezeption, die diese Filme erfahren haben, ist - zugegeben - extrem verkürzt.
Die Shaw Bros. wollten mit den meisten Filmen wahrscheinlich keine große Kunst abliefern, sondern in erster Linie mit einer publikumswirksamen Mischung aus Blut (mehr), Sex (weniger) und großen Gefühlen Kasse machen, das spiegeln ja auch die O-Titel zum Teil wieder, die auch nicht gerade von poetischem Überschwang zeugen und den Fokus auf das Spektakel legen. Dass die deutschen Titel NOCH formelhafter sind, ist wohl nur logisch.
Dass man, wie du sagst, den BOXER FROM SHANTUNG heute ungeschnitten kaufen kann und auch "Italoschund" plötzlich in liebevollen Editionen erscheint und eine ganz neue Aufmerksamkeit erlangt, liegt aber m. E. nicht daran, dass diese Filme ja quasi schon immer so allerorts beliebt waren (wie du andeutest), sondern dass eben Leute wie z. B. Christian Kessler darauf aufmerksam machten, dass diese Filme eben mitunter ganz großes Kino sind (Schund gibts natürlich auch und das ist auch gut so!), für das man nach jahrelangem US-Film-Konsum erst sensibilisiert werden muss.
Ein wieterer Grund für die steigende Popularität ist wahrscheinlich im gestiegenen Stellenwert von Heimkino generell zu suchen: Ich staune jedenfalls immer wieder darüber, wie sehr sich der Markt in den letzten fünf Jahren verändert hat. Heute findet man in jedem Supermarkt ein DVD-Regal und größere Fachgeschäfte haben DVD-Abteilungen, die die ehemaligen vergleichsweise spärlichen Kaufvideoregale als Relikte grauer Vorzeit erscheinen lassen. Kauf-DVDs sind zum begehrten und auch alltäglichen Gut geworden, während man als Kaufvideosammler früher noch ein echtes Exotendasein führte.
Diese neue Sichtweise (begünstigt vor allem durch die neuen technisch-wirtschaftlichen Umstände), die es auch erlaubt, BOXER FROM SHANTUNG als ernsthaften Film zu erkennen, war in den Siebzigern, als diese Filme dutzendfach in geschnittenen Versionen die Bahnhofskinos geflutet haben, sicherlich nicht vorherrschend, da waren das halt "einfach nur" Totschlägerfilme, die natürlich ihrerseits einen gewissen Fankreis hatten.
In gewisser Weise ist es natürlich schade, dass die früher vorherrschende Naivität in punkto Film einer gewissen Nüchtern- und Abgeklärtheit gewichen ist: Der Unterschied zwischen Megabuck-Kino und Indiefilm mag finanziell größer geworden sein, rein optisch liegen sie heute sicher enger beisammen als noch vor 20 jahren. Und vieles von dem, was früher dick im Kino lief, würde heute noch nicht mal direct-to-video erscheinen.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Ich glaube, ich finde die Titel vor allem deshalb unbefriedigend, weil die Filme nahezu ununterscheidbar werden. THE NEW ONE-ARMED SWORDSMAN heißt DAS SCHWERT DES GELBEN TIGERS, COME DRINK WITH ME kolossalerweise DAS SCHWERT DER GELBEN TIGERIN. Ist es da ein Wunder, dass diese Filme als generische Stangenware vorverurteilt wurden? Und übrigens finde ich schon, dass es ein Unterschied ist, ob ein Film mal das Wort "gelb" oder "Spaghetti" im Titel führt, oder ob das regelrecht zum Erkennungsmerkmal wird - ich finde z. B. die deutschen Titel der Italofilme meist sehr viel einfallsreicher.