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The retina of the mind's eye - Filmforen.de - Seite 13,6333333333

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The retina of the mind's eye


454 Antworten in diesem Thema

#380 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:02

While the City sleeps (USA 1956, Fritz Lang) (VHS)

Eingefügtes Bild

Cathode Ray Mission ...

(Mit bestem Dank an meine Studenten für das Aufmerksammachen auf das Überoffensichtliche!)

#381 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:02

EdTV (USA 1999, Ron Howard) (DVD)

Eine deutliche Kritik am System „Big Brother“. Das Fernsehen ist ein Dispositiv der Macht, einer Macht, alles Private zu veröffentlichen. Ed findet sich in diesem System wieder, als er morgens aufwacht und Kameras ins Zentrum seiner Privatsphäre – sein Schlafzimmer – vorgedrungen sind und Bilder seiner Sexualität einfängt. Sein Kampf, den er nur gewinnt, weil es immer etwas gibt, das noch privater ist (und zwar nicht die Sexualität, sondern das sexuelle Versagen eines der TV-Macher) endet, als er das Kamerateam wieder aus seiner Wohnung verbannt und gleichermaßen real wie symbolisch die Tür hinter ihnen schließt.

Widerspruch gegen das Fernsehen, das nur redet ohne Gegenrede zuzulassen, das zeigt, ohne dabei selbst gezeigt zu werden, ist nicht möglich. Das Medium zwischen Gezeigtem (Ed), Zeigendem (True-TV) und Publikum ist Geld. Es bemisst den Wert der Privatsphäre ebenso wie den Preis der Veröffentlichung. Ed hat Geld gefordert und bekommen und muss sich als Gegenleistung selbst verkaufen. Wir schauen dabei zu und freuen uns, dass er für seine Gier bezahlt, dass das Fernsehen für seine Amoralität bezahlt und die diegetischen Zuschauer die Lager von Böse zu Gut wechseln.

Aber während wir zuschauen, (ver)führt uns der Film hinters Licht bzw die Kulisse. Dort, wo es Ed gelingt, dem (diegetischen) Kamerateam von „True-TV“ zu entfliehen und endlich etwas Privates zu erleben (einen Kuss, Sexualität, …), da erwartet ihn bereits die extradiegetische Kamera von „Ed-TV“. Wir sind schon dort und sehen das, was die anderen gern sehen würden. Das wird uns aber nicht klar, denn „Ed-TV“ ist nach den Regeln der decoupage montiert und vermeidet daher jeden Hinweis auf (s)eine Metaebene. Ein hinterlistiger Zug des Films.

#382 Hick

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Geschrieben 11. Januar 2009, 11:03

Das Hochzeitsbankett (Xi yan, Taiwan 1993, Ang Lee) (DVD)

Ein erstaunlich naiver Film von Ang Lee, der in „Eat, Drink, Men and Women“ doch kurze Zeit später soviel filmerisches Feingefühl beweist. Sicherlich: Die Story nimmt einen erfrischenden, gegen jeden Anfangsverdacht der Heteronormativität gerichteten Verlauf – aber wie das gezeigt wird! Kamera und Schnitt in simpelster Soap-Ästhetik mit erwartbaren Schwenks, Schuss-Gegenschuss-Montagen und verschenkten Möglichkeiten, ganz im (sklavischen) Dienst der Erzählung.

#383 Hick

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Geschrieben 19. Januar 2009, 08:57

Milk (USA 2009, Gus van Sant) (PV Filmkunst 66)

Was meinen Geschmack betrifft, ist es bei Gus van Sant wie bei Steven Soderbergh: Es gibt solche Filme und solche. Das filmästhetische Gespür, der Hang zum Subversiven (oder eben zum Unpopulären) lässt sich wohl nicht immer ausleben; erst recht nicht, wenn man meint, eine zeithistorische Darstellung vollbringen zu müssen. Genau das ist "Milk": Der Versuch, einen Spielfilm über ein Historem zu drehen, dabei möglichst alle Fragen zu beantworten und keine Position zu beziehen. Das ist genauso unmöglich wie dumm, doch davon hat es in den vergangenen Jahren so viele Filme gegeben, dass sich leider schon ein eigener Stil durchgesetzt hat, den man mit Baudrillard ganz gut als "Retro-Szenario"-Ästhetik bezeichnen kann.

Und die sieht so aus, dass man sich der historischen Quelle unterwirft, sie "wahrheitsgemäß" ins Projektorlicht zu zerren versucht, indem die verschiedensten Techniken und Strategien der Authentisierung zum Einsatz kommen: Eingeschnittenen Originalfilmaufnahmen, auf das Zeitcolorit bearbeitetes Filmmaterial, Dokumentarfilmästhetiken usw. In "Milk" sieht also alles nach "Mitte bis Ende der 70er" aus. Den Mut, sich dieser Konvention zu widersetzen, bringt Gus van Sant nicht auf - dazu scheint ihm (wie schon beim unsäglichen "Good Will Hunting") das Thema zu wichtig zu sein. Es geht um die Homosexuellen-Bewegung in den USA, die sich unter der Anführung von Harvey Milk zum ersten Mal Gehör verschafft hat, politischen Ausdruck gefunden hat, ihre Bürgerrechte eingefordert hat.

Das Thema ist so wichtig (oder wird von irgendwoher mit derartigen Argusaugen bewacht), dass sich ein Filmemacher hüten sollte, es auch nur mit einer Spur ästhetischer Mehrdeutigkeit zu inszenieren. Also sind die einzigen filmkünstlerisch interessanten Momente, diejenigen, die eine ganz eindeutige Symbolik haben - ein paar kleine Spiegelszenen (in einer Trillerpfeife, in einer Fernsehmattscheibe usw.) Der Rest des Film ist Historienkitsch mit dem Hang und dem Zwang zur Aufklärung, überladen mit politischer Bedeutung. Qualitätskino wie schon Finchers "Zodiac" und etliche andere Produkte dieser Art. Gus van Sant scheint hier mehr auf die Anerkennung irgendwelcher politsch korrekter Festival-Jurys zu schielen als auf künstlerische Integrität. "Milk" schreit nach Oscars und wird sie bekommen - weil er sie verdient hat.

#384 Hick

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Geschrieben 19. Januar 2009, 09:13

Jonathan (D 1970, Hans W. Geissendörfer) (DVD)

Einen kleine filmhistorische Rarität hat Kinowelt da vor einiger Zeit ausgegraben: Einen deutschen Vampirfilm von Geissendörfer, der Stokers "Dracula"-Roman mit einer manchmal etwas wirren Geschichte einer Revolte anreichert und damit den politischen über den sexual-moralischen Diskurs des Stoffes stellt: Jonathan wird ausgeschickt einer Bande von blutsaugenden Aristokraten den Garaus zu machen. Er verfängt sich jedoch zunächst in den politischen Wirren des Umlandes vom Schloss und wird dann von den Schergen des Grafen eingefangen und ins Verlies geworfen, wo er auf zahlreiche gefangene Bauern der Umgebung stößt, die zwecks Blutentnahme entführt und eingelagert wurden. Es gelingt ihm noch, die Gefangenen auf eine Revolte vorzubereiten, bevor Jonathan in Einzel- und Folterhaft kommt. Dann bricht der Sturm auf den Palast los und das Volk holt sich zurück, was ihm gehört: Seine eingesperrten Verwandten und sein Blut, das jetzt aber schon in den Adern der Aristokraten fließt. Der Graf und seine engste Gefolgschaft wird zum Ende im Meer ersäuft.

Wäre "Jonathan" nicht so holprig inszeniert und mit derartig kitschiger Musik (endlos repetitive Arien schmiegen sich an Gassenhauer aus der Klassik-Boutique) untermalt, es wäre ein wirklich guter Film geworden. Die blassen Bilder, die Ausstattung, die Spezialeffekte (Splatter im Deutschen Film der 1970er!), die Verformung der Stoker-Erzählung. Das alles hat seinen Reiz. Von Vampiren wird nirgendwo gesprochen und um sich sicher zu gehen, dass man seinen Film nicht als Horrorfilm missversteht, lässt Geissendörfer seine Blutsauger am hellichten Tag in Jagdgesellschaften über die Felder streifen und Bauern abschießen. Irgendwie wirkt "Jonathan" beklemmend und zeigt, wie wichtig ideologisch-politische Subtexte im deutschen Kino der 1970er-Jahre einmal gewesen sind. Aber man muss schon in der Stimmung für solch einen Film sein - und zu dieser gehört eben auch das Wohlwollen, über die Schwächen einfach hinwegzusehen.

#385 Hick

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Geschrieben 21. Januar 2009, 14:14

The Wicker Man (GB 1973, Robin Hardy) (DVD) (Kino- und Dir.-Cut-Fassung)

Als Zuschauer stehen wir dem Treiben in The Wicker Man seltsam neutral gegenüber; so recht will uns der Protest des Sergeant gegen die von ihm so vehement kritisierten Heiden nicht einleuchten. Zu harmonisch scheint deren Lebenspraxis, zu sehr bekommen sie recht durch ihren speziellen Gemeinschaftssinn. Lord Summerisle verlacht die naiven, von bloßer Indoktrination geprägten Überzeugungen des »christlichen Invasoren«, und dieser selbst sieht sich mit seinem Moralkodex mehr und mehr auf verlorenem Posten – bis zu dem Zeitpunkt, als ein Menschenleben in Gefahr ist, denn hier greift eine Ethik, die über bloßer Religionspraxis steht. Und genau hier ist auch der »Horror« des Films angesiedelt – zugegeben: ein nur noch sehr kleines Refugium für einen Film dieses Genres, wenn The Wicker Man denn überhaupt ein Horrorfilm ist. Er erscheint uns vielmehr als ein Hybrid aus Heimatfilm, Musical und ethnologischer Fiktion. Gerade die den Plot immer wieder begleitenden Gesangs- und Tanzeinlagen beschwichtigen, ja bezirzen den Zuschauer nahezu.

mehr: Schnitt

#386 Hick

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Geschrieben 23. Januar 2009, 09:28

Breath (Soom, Süd Korea 2008, Kim Ki-duk) (DVD)

Eine Variation zum bekannten Thema: Die Konfligierung von buddhistischer Tradition und modernem Selbstverständnis. Dieses Mal verlegt Kim es in ein Gefängnis. Dort sitzt ein junger Mann in der Todeszelle, der seine gesamte Familie ermordet hat. Zusammen mit drei anderen Delinquenten wartet er auf seine Hinrichtung. Ob nun aus dem Willen zur Autonomie über das eigene Ende oder aus Reue vor der Tat: Er versucht sich mehrfach selbst zu töten; ein Akt von dem jedes Mal die Medien berichten. Auf diese Weise erfährt auch eine verheiratete Bildhauerin davon und entschließt sich, den Mann im Gefängnis zu besuchen. Dabei gestaltet sie das Besuchszimmer jedes mal nach einer Jahreszeit, erzählt dem schweigenden Gefangenen von sich, singt ihm etwas vor und beginnt eine zärtliche Annäherung, die schließlich in der körperlichen Vereinigung irgendwo zwischen Sex und Mord gipfelt. Voneinander getrennt, versucht das Paar seinen Alltag zu leben: Sie in ihrer offensichtlich unbefriedigenden Ehe, er in der steten Eifersucht seiner Zellengenossen. Am Ende der Erzählung kann nur der Tod der Beziehung und der Tod des Mannes stehen - darüber lässt der Film keine Zweifel.

Wie es Kim nach "Bin-jip" abermals gelingt, eine Metaphysik der Zweisamkeit in eine Welt der Vereinzelung zu transportieren, ist meisterhaft. Langsam gerät man als Zuschauer in die Kreisbewegung der Erzählung hinein, sieht sich mehr und mehr mit den Figuren identifiziert und lernt mit ihnen zusammen die eigentlich bittere Lektion (nämlich loslassen zu müssen) als eine Transzendenz-Bewegung zu verstehen. Was die Frau mit dem Mann macht (und vielleicht er auch mit ihr) ist nichts anderes als ein rituelles Abschiednehmen; den Tod anerkennen ohne ihn zu fürchten oder herbeizusehnen - eine ars moriendi.

Und wieder einmal hängt das Gelingen der Erzählung an den drei Achsen Kamera, Erzählrhythmus und Schauspiel. Ist der Stoff bei Kim manchmal auch noch so banal (wie etwa in "Samaria" oder "Hwal"), so ist es die Ausführung niemals. Fast ist man zu Tränen gerührt angesichts des nahen Beieinanders von Kitsch und aufrichtigem Gefühl - etwa beim sehr amateurhaften Vortrag der Jahreszeiten-Lieder der jungen Frau. Dass die Affektproduktion nicht überzogen oder gar kalkuliert wirkt, liegt an der Kamera, die genau in diesen Momenten eben nicht bloß mimetisch mitfilmt (oder schlimer: mit tanzt), sondern die Situation ganz bewusst bricht, indem sie eine zweite Kamera filmt - die Überwachungskamera des Besucherraums - und damit zeigt, dass es ein Film ist, den wir sehen, dass dieser Ritus vor Fototapeten stattfindet, dass die Musik aus einem kleinen Kofferradio kommt. Und trotzdem ist da mehr, nämlich das Mehr, das zwischen den beiden Figuren entsteht und durch das diese Inszenierung (in der Inszenierung) authentisch wird.

#387 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 07:50

Café Flesh (USA 1982, Stephen Sayadian) (DVD)
Café Flesh 2 (USA 1997, Anthony R. Lovett) (DVD)


Über den ersten Teil der mittlerweile dreiteiligen Reihe wird es in Kürze ein Filmgespräch auf postapocalypse.de geben, weswegen ich mich hier gar nicht mit ihm befassen werde.

Der zweite Teil zerrt mit seinen mehr als zwei Stunden Laufzeit schon gewaltig am Nervenkostüm des bloß auf die Diskurse konzentrierten Zuschauers. Ich hatte ungute Remeniszenzen an die alt.vivid-Produktionen vom letztjährigen PornFilmFestival, denn die durchaus interessanten Motive und Settings wurden durch überlange Rammelszenen so voneinander getrennt, dass ich mehrfach das Gefühl hatte, zwei ganz verschiedene Filme zu sehen.

Zu loben an "Café Flesh 2" ist jedoch, dass die SF-Elemente wesentlich deutlicher herausgearbeitet wurden, als beim Vorgänger. Neben Außenaufnahmen, die die vom Atomkrieg zerstörte Welt (wenn auch etwas schematisch) zeigen, gibt es ein Evil Mastermind, das natürlich als Gehirn im Wassertank lebt, es gibt eine Jungfrau (die letzte überhaupt), die den Atomkrieg kryogenisch überlebt hat und nun aufgetaut zur begehrten Handelsware wird (Sie vergewissert sich selbst mehrfach, dass Oralverkehr ihrer Virginität keinen Abbruch tut). Und dann natürlich das aus dem ersten Teil bekannte Sex-Positiv/-Negativ-Thema, das hier durch Verwendung von "Safer Sex" mit Kondomen eine ganz neue Konnotation erfährt.

#388 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 08:19

Be kind rewind (USA 2008, Michel Gondry) (DVD)

Über Gondrys letzten Film wurde eine Menge geschrieben und noch mehr wurde dazu gefilmt. Dass es ein Film über ein aussterbendes (Träger)Medium ist (ja ja, ich weiß) und damit auch über eine aussterbende Volkskunst-Gattung (nämlich das analoge Home-Video), erzählt der Film von sich aus. Er verhandelt überdies Themen wie Urheberrechte vs. Kreativität, filmische Konstruktion von (historischer) Wirklichkeit und nicht zuletzt auch die Themen Elektrizität und Magnetismus.

Da hat sich Gondry wirklich etwas besonderes einfallen lassen, als er Jack Black in das nachbarliche Umspannwerk einbrechen und dort durch einen Hochspannungsschlag magnetisch hat werden lassen. (Man weiß ja, dass das normalerweise andere Konsequenzen hat.) Seine neu gewonnene Polarität hat dann gleich Einfluss auf die komplette Umwelt: Er magnetisiert Videobänder, fühlt sich von metallischen Gegenständen angezogen und hat jenen Effekt auf die Kathodenstrahlröhre, den ich als Kind so gern auf dem elterlichen Fernseher mit einem Spielzeugmagneten verursacht habe und für den ich, weil es damals noch keine "Entmagnetisierungsfunktion" gab auch regelmäßig bestraft wurde.

#389 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 08:37

Die Fürsten der Dunkelheit (Prince of Darkness, USA 1987, John Carpenter) (DVD)

Dass ich den Film nicht mehr gesehen habe, seit ich dieses Weblog führe, wundert mich ein wenig, weil es nach wie vor mein Lieblings-Carpenter ist. Anlässlich Patricks Vortrag über "Diskursinszenierung in John Carpenters Prince of Darkness" im Absolventen-Kolloquium hatte ich aber nun wieder Gelegenheit und finde mein seit der Erstsichtung 1988 in einem kleinen Einbecker Kino gewonnenes Urteil bestätigt.

Zwar verfügt der Film schon aus Mangel an Produktionsmitteln über nur wenige Spezialeffekte, das kompensiert Carpenter jedoch einerseits durch eine - wie der Vortrag völlig plausibel gemacht hat - eine konsequente Raum-Inszenierung, die die verschiedenen Diskurse (und übrigens auch Geschlechter!) im Heterotopos "Kirche" zusammenführt. Andererseits ist wie oft bei Carpenter-Filmen es abermals der Soundtrack, der hier nur an ganz wenigen Stellen des Films nicht zu hören ist, der einen sagenhaften, ja, soghaften Effekt nach sich zieht. Was vielleicht durch den Plot an dramatischer Steigerung nur schwer nachvollziehbar ist, durch die Filmmusik wird es spürbar.

Es würde mal wieder Zeit, die alte Soundtrack-LP aus dem Schrank zu holen - oder noch besser, die neue Doppel-CD (die es geben soll) zu bestellen.

#390 Hick

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Geschrieben 04. Februar 2009, 09:15

Sex, Lügen und Video (Sex, Lies, and Videotape, USA 1989, Steven Soderbergh) (DVD)

Über Soderberghs Erstling habe ich wirklich schon einige Zeit gebrütet und mit jeder Sichtung tut sich mir ein neuer Bedeutungshorizont auf. In meiner Übung "Elektrische Medien im Film" habe ich ihn in der Kategorie "Inszenierung von Video im Film" verhandelt - in das "Telefon"-Modul hätte er aber ebenso gut gepasst.

Telefoniert wird viel in "Sex, Lies, and Videotape", aber eines ist bei allen Telefonaten gleich: Beide Stimmen, sowohl die desjenigen Telefonierers, der im Bild ist, als auch die desjenigen, der "in der Leitung" ist, sind klanglich gleich. Der Effekt der technischen Verzerrung der Telefonstimme (bei der vor allem die Höhen und Tiefen beschnitten und die Mitten stärker betont werden), welcher es dem Zuschauer erst möglich macht, akustisch zu unterscheiden, welcher Telefonierer welcher ist; dieser Effekt fehlt. Dadurch erhält die Stimme aus der Leitung nicht nur einen seltsamen acousmetrischen Effekt, sondern das Telefon wird zu einer medialen Metapher, die den Plot ergänzt: Geht es in "Sex, Lies, and Videotape" um die Restrukturierung des Privaten durch die Medien (mit positiven wie negativen Konsequenzen), dann ist es das Telefon, das für den Eindringling den Zugang verschafft.

Das erste Telefonat findet zwischen John und Graham statt. Graham ist der Fremde, der in die Dreiecks-Beziehung von John, Ann und Cynthia eindringt, diese Beziehung aufbricht bzw. -klärt und neu strukturiert. Seine Herkunft ist ebenso ungewiss wie sein Ziel. Das einzige, was ihn auszeichnet, ist seine mediale "Fixiertheit": Sein Sex-Leben findet nur mit Videokassettten statt, seine Mutter hat er "an das private Fernsehen verloren" und Ann meint er ebenfalls "schon einmal im Fernsehen gesehen" zu haben. Als Ann ihrer offenbar nymphomanischen Schwester Cynthia von Graham erzählt und was für ein besonderer Mensch er ist (er sondert ständig Sinnsprüche ab, die die frigide Ann an einen gefühlvollen Menschen glauben lassen), will sie seine Telefonnummer haben. Ann erwidert ihr daraufhin: "Er telefoniert nicht gern."

Lässt man das Telefonat zwischen Graham und John zu Beginn außen vor, so stimmt dies: Er ist die einzige Figur des Films, die nicht (mehr) telefoniert. Warum? Hat es damit zu tun, dass er als Video-Enthusiast mit einem Echtzeitmedium wie dem Telefon nichts anfangen kann - oder damit, dass ihm hier nur imaginierte Bilder zur Verfügung stehen? Hat es damit zu tun, dass man am Telefon besser als vor der Kamera und viel besser als Vis a Vis lügen kann? Die Lüge ist ja nicht zufällig Bestandteil des Filmtitels und der einzige Ort, an dem nie gelogen wird, ist die Wohnung Grahams - dort, wo die Videokamera läuft.

Graham und seine Videokamera stehen damit gegen das Triplet Ann, Cynthia, John und ihre Telefon(at)e. Graham bekommt die Funktion eines Katalysators (katálysis - Auflösung), seine Wohnung fungiert gleichermaßen als Beichtstuhl wie als Reaktionstigel (und übrigens auch Psychotherapie-Praxis, schaut man sich einmal die Konstallation der Möbel und ihre Funktionalisierung im Miteinander der Figuren an). Das Medium Video erhält im Verlauf des Films den Nimbus eines "Mediums der Wahrheit", obwohl doch gerade dieses Medium (zumal die analogen Video-8-Bänder Grahams) wie kaum ein anderes damaliges von Möglichkeiten der Manipulation bedroht ist.

Beim letzten, entscheidenden Videoscreening verwendet Soderbergh dann einen Trick, um sich diesen Nimbus für seinen Film zu "borgen": Er zeigt John, der auf den Videomonitor schaut, dann den Videomonitor mit all seinen medialen Eigenschaften (Interlinear-Streifen, Störungen, Lautsprecherton), um dann dasselbe zu machen, das er von Beginn an mit dem Telefon angestellt hat: Das Videobild wird zum Filmbild, die typischen medialen Eigenschaften des ersten werden durch die des zweiten getauscht. Der Blick ist jetzt (scheinbar) nicht mehr medial getrübt, er ist dabei, mit im Raum. Es wird sogar die Videokamera, die das Bild ja eigentlich produziert, in diesem Bild gezeigt. Die Räume sind miteinander verschmolzen, die Immersion ist perfekt: John dreht durch, als er vor dem Monitor sitzend von den Geständnissen seiner Frau auf/über Video erfährt. Die Beziehungsstrukturen lösen sich nun vollends auf. Der Film "Sex, Lies, and Videotape" hat sein Ziel/Ende erreicht und kann nur noch in einem Schluss "auslaufen", der der Meisterschaft Antonionis in nichts nachsteht:

Ann: Ich glaube, es wird regnen.
Graham: Es regnet ja schon.

#391 Hick

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Geschrieben 09. Februar 2009, 16:09

Mein Berlinale-(Film-)Tagebuch findet sich hier:

http://www.blog-3.epd-film.de/

#392 Hick

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Geschrieben 05. März 2009, 19:10

Ein paar Kurzeinträge lasse ich weg. Wer die lesen will, kann das in meinem Blog tun.

Hier geht es weiter mit:

#393 Hick

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Geschrieben 05. März 2009, 19:13

Thrillkill (Kanada/USA 1986, Anthony D'Andrea & Anthony Kramreither) (VHS)

Die Geschichte ist einfach und geht so: Die Spieledesignerin Carly verdient sich nebenher ihre ersten drei Millionen Dollar, indem sie von zu Hause aus mit ihrem Computer in Banken einbricht und dort mit Hilfe eines als Spiel getarnten Virusprogramms Gelder von Firmenkonten auf ein eigenes Konto transferiert. Als ihr Chef in der Spielefirma auf ihr Treiben aufmerksam wird, ohne jedoch genau zu wissen, was sie da treibt, zieht sie die Reißleine und beendet ihr Hobby - nicht jedoch ohne zuvor das Geld in einem Schließfach zu deponieren, dessen Standort sie in ihrem Computer mit Hilfe eines Passworts ("Firelight") verschlüsselt.

Das macht sie deshalb, weil eine Gruppe kriminell gewordener Banker, mit denen sie konspiriert hat, ebenfalls hinter dem Geld her sind. Ihnen fällt sie schließlich zum Opfer, schreibt das Passwort aber vorher noch auf eine Zigarettenschachtel von der sie ihrer unbedarften Schwester Bobby erzählt, die nun ob dieses Wissens nach und nach von den Gangstern verfolgt, unter falscher Identität angebaggert und zur Passwortherausgabe gezwungen wird. Besonders der Schein-Polizist Gilette hat es ihr angetan und als sie herausbekommt, dass auch er zu den Gangstern gehört, weiß sie nicht so recht, ob sie ihn nicht trotzdem ein bisschen lieb haben soll.

Eingefügtes Bild


"Thrillkill" macht - wie später "Hackers" und "eXistenZ" - den weiblichen Computerfreak zum Hauptgegenstand seiner (Ver)Handlung. Eine Frau, die sich für Computer interessiert, sich damit auskennt und sogar selbst Spiele programmiert (Carlys Schöpfung ist ein Ego-Shooter mit dem Titel "Thrillkill" - daher der Filmtitel): Das war in den 1980ern ein Ding der Unmöglichkeit und feuchter Traum von 8-Bit-Nerds wie mir. Als sie nach etwa 20 Minuten ermordet wird, ersetzt der Film sie deshalb durch eine "normale" Frau, die sich mit all dem nicht auskennt (für sie ist Mikroelektronik sogar Magie - zwei Mal bewegt sich der Computer in ihrer Gegenwart wie von Geisterhand), aber ein Gespür für Recht und Unrecht, Liebe und Intrige besitzt. Dennoch geht sie dem stets aalglatt rasierten Gilette auf den Leim und verbringt mit ihm schließlich eine Nacht vor Carlys Computer, weil beide ahnen, dass das Zugangspasswort für das Geheimnis "irgendwo im Speicher" sein muss - sie vermuten, dass es sich offenbart, wenn sie "Thrillkill" durchgespielt haben.

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Das wirkt alles recht konventionell erdacht und der Computer in "Thrillkill" scheint bloß ein modernes Requisit zu sein, um diese Erzählung auf die Höhe der Zeit zu bringen. Dem Strukturalisten drängt sich vielleicht jedoch ein anderes, ein zweites Bild auf. Die Frage nach der Identität wird nicht nur im Plot selbst aufgeworfen, wenn Bobby Gilette fragt "Wer sind 'sie'?" - und damit die Identität der sie verfolgenden Gruppe erfahren will. Überhaupt spielt jeder in diesem Plot dem anderen vor, jemand anderes zu sein und konstruiert sich ein scheinbar makelloses Trugbild (quasi einen Avatar) der simulierten Persönlichkeit. Vielleicht ließe sich das Identitätsthema sogar bis auf die Ebene der Namen verfolgen, wenn man bedenkt, dass die Kosenamen "Carly" und "Bobby" zwar weiblichen Protagonisten gehören, jedoch männlichenUrsprungs (Carl, Robert) sind.

Was nährt eine solche Lektüre noch? Es ist das Computerspiel, das Carly programmiert hat. Zunächst bleibt es eine Black Box für den virtuellen Schlüssel zum Geld. Man sieht Carly zu Beginn an ihrem Computer programmieren und sich in die Bankkonten einhacken, dann erreicht sie die quasi erpresserische Nachricht ihres Chefs:

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Als sie kurz darauf die Panik bekommt und die sensible Information im Code zu vergraben beginnt, bekommt der Computer-versierte "Thrillkill"-Gucker beim Blick auf ein Standbild des allzu eilig vorbeiscrollenden Codes folgendes zu sehen:

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Das ist simples BASIC und macht nichts anderes als die Erpresserbotschaft mit einer Verzögerungsschleife auf dem Bildschirm auszugeben. Mutig gedeutet könnte man also behaupten: Der Filmplot ist selbst so etwas wie die Visualisierung eines Codes (und genau genommen ist er das als Adaption eines Drehbuchs ja tatsächlich) - aber eben eines Maschinencodes. Und wie um zu bestätigen, dass wir es hier mit einer verkehrten Welt zu tun haben, bekommen wir, als Bobby und Gilette das von Carly programmierte Spiel Thrillkill spielen, folgendes zu sehen:

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Das vermeintliche Spiel zeigt eine Realszene, die in ein Setting, das man in den 80ern wohl für virtuell generiert gehalten haben könnte, verlegt ist. Eine Frau in einem futuristischen Ganzkörper-Anzug läuft durch einen Gang, der mit Vektor-Elementen (bzw. Balken) verziert ist, auf den Spieler zu und schießt Lichtstrahlen auf diesen ab. Der Spieler muss nun mit Hilfe der Tastatur und einer am Computer angeschlossenen Lichtpistole ebenfalls den Bildschirm durchschießen, um das Vorwärtskommen der gegnerischen Figur zu stoppen. Das Reale und das Virtuelle (die ja vorher die Rollen getauscht haben) bewegen sich hier also aufeinander zu und stoßen, wenn beide schlecht zielen, an der Membran des Bildschirms aufeinander.

In "Thrillkill" changieren Virtualität und Realität ganz offensichtlich: Der Film, bzw. das Spiel in ihm, wirbt mit dem Slogan "The Game that plays you!" Die Handlungswelt der Protagonisten zeigt sich als ein Raum, in dem man jederzeit die Identität wechseln, Geld per Tastendruck verdienen kann und in dem die gescripteten Dialoge mit der typischen 80er-Jahre-Oneliner-Ironie punktgenau aufeinander abgestimmt sind. Hätte man damals doch bloß nur so gute Film-Spiele programmiert, wie dieser Spiel-Film es vormacht ...

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#394 Hick

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Geschrieben 08. März 2009, 16:35

My Bloody Valentine 3D (USA 2009, Patrick Lussier) (Cinemax, FFF-Nights)

Eine Grubengas-Explosion überlebt nur ein Mann, der im Koma liegt, dann plötzlich zum Valentins-Tag erwacht und das Gesamte Krankenhauspersonal und die Patienten abschlachtet. Er wird von der Polizei bis in jenen Kohlebergwerksstollen verfolgt, in dem das Unglück geschah, ange- oder erschossen und dann für weitere 10 Jahre vergessen. Eines seiner Beinahe-Opfer, das den Ort des Schreckens verlassen hat, kehrt zurück und gleichzeitig beginnen die Morde erneut. Wer da nicht an Zufall denkt!

Ein Film, der seine Schauwerte im wahrsten Sinne des Wortes in den Vordergrund stellt. Vieles vom Plot ist nämlich überaus schlecht konstruiert und wird nur sehr unbefriedigend entwickelt. Die Hoffnung, dass die überbordende Gewaltdarstellung zusammen mit den 3D-Effekten darüber hinwegtäuschen oder -trösten wird, könnte bei den Produzenten durchaus berechnet gewesen sein. Dumm nur, dass der Film auch in einer 2D-Variante zu sehen ist. In der fallen nicht nur besagte Lücken ins Auge; auch wird man von den auf die Dreidimensionalität angelegten optischen Effekten ordentlich genervt.

Dennoch: "My Bloody Valentine" wird seiner Vorlage gerecht und bietet einen überaus unangenehmen Serienkiller, bei dem - wie schon in der Originalversion - die Ausstattung mit Gasmaske und Spitzhacke den Großteil des Terrors ausmacht. Den Rest erledigen dann weggerissene Unterkiefer, durchbohte Augen, an der Decke festgepickelte Kleinwüchsige und das übrige Splatter-Spektakel.

Sehr bemerkenswert und von einer fast schon erschütternden Tragik ist Auftritt von Betsy Rue, die eine Szene komplett nackt spielt. Ihr Auftritt geht von einer Sexszene in die wütende Verfolgung ihres sie demütigenden Liebhabers und dann in ihre Ermordung durch den Miner über. Dabei wirkt sie aber nicht zuvorderst "verwundbar" (wie es sich für das Genrestereotyp des weiblichen Opfers gehört), sondern im Gegenteil stark: Mit ihrer Nacktheit stellt sie ihre Menschlichkeit aus und straft durch ihr starkes Schauspiel jeden voyeuristischen Blick, der von ihrem Gesicht nach unten wandert, ab. Eine derartige Szene habe ich in noch keinem Horrorfilm zu Gesicht bekommen.

#395 Hick

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Geschrieben 08. März 2009, 17:27

Dead Snow (Død snø, Norwegen 2009, Tommy Wirkola) (Cinemax, FFF-Nights)

Die Kongruenz von Zombies und Soldaten im Film ist schon eine eigenartige, aber in "Dead Snow" durchaus nicht zum ersten mal behauptete. Ihre Geschichtelässt sich von "Zombie Lake" über "The Supernaturals" bis "Homecoming" verfolgen. Ich erinnere mich an einen Film, den ich in den 1980ern gesehen habe, und der "Die Nacht der Zombies" hieß: Auch da haben wie in "Dead Snow" untote Wehrmachtsoldaten eine verschneite Einöde unsicher gemacht.

Dass es stets tote Soldaten und oft solche verlorener Kriege sind, die aus den Gräbern zurückkehren, ist auffällig und "Homecoming" hat vielleicht auch schon erklärt, warum das so ist: Mehr noch als im "normalen" Zombiefilm bekommen die Untoten hier die Funktion eines antropomorphen "schlechten Gewissens". Nun kann man sich aber fragen, welches schlechte Gewissen eine untote SS-Truppe im verschneiten Norwegen zum Leben erweckt? Norwegen zählte ja nun nicht gerade zu den Verbündeten der Deutschen und im Film wird auch die Sage von überaus grausamen Besatzern erzählt, die ein ganzes Dorf terrorisiert haben, bis sie von der Bevölkerung in den Kältetod gejagt wurden. Dabei muss versehentlich oder absichtlich ein Nazi-Schatz im Besitz der Terrorisierten geblieben sein, weshalb es die Zombies gibt, die diesen zurück haben wollen. Wollte man in "Dead Snow" nicht ein Fanal gegen den Retributivismus sehen, müsste man wohl die These vom "schlechten Gewissen" fallen lassen.

Der Film hält sich allerdings auch gar nicht lange mit Begründungsmythen und Schuldzuweisungen auf, sondern zwingt seine jugendlichen Protagonisten recht bald in ihren Überlebenskampf gegen die Zombies. Dieser wird extrem blutig und schwarzhumorig inszeniert, angereichert mit Norwegen- und Nazi-Witzen. Leider ist dem Kameramann nur eine einzige Möglichkeit Überraschungen zu inszenieren eingefallen und die hat er sich auch noch aus "Halloween" abgeguckt: Sukzessive Verringerung der Einstellungsgrößen und Vergrößerung der Brennweiten, so dass der Hintergrund aus dem Blick gerät, in welchem dann natürlich das Unheil unbemerkt seinen Lauf nehmen kann. Nach der fünften derartigen optischen Überraschung (die jeweils mit Soundtrack-Bumm garniert wird), hat man sich dran gewöhnt und kann sich ganz auf abgewickelte Därme und viergeteilte Snowmobile-Fahrer konzentrieren. Die grimmig dreinschauenden und mit für ihr alter noch recht frisch wirkenden SS-Uniformen ausgestatteten Zombies gibt es als Augenfänger in der ansonsten sehr schön fotografierten norwegischen Winterlandschaft obendrein.

#396 Hick

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Geschrieben 08. März 2009, 18:59

Terminal Entry (USA 1986, John Kincade) (VHS)

Wenn die Kriegsspiele immer besser, das heißt realistischer werden, dann kann es - so eine Dystopie des Computerfilms - irgendwann dazu kommen, dass man Spiel und Krieg miteinander verwechselt. Die Kausalbeziehung, dass das Krieg-Spielen am Computer zum Kriegspielen in der Realität (ver)führt, ist eine altbekannte Warnung der Medienkritik. Der umgekehrte Fall ist in Filmen wie “War Games” und “Terminal Entry” zu bewundern.

In letzterem verbringt eine Gruppe Jugendlicher ein kommunikationsfreies Wochenende auf dem Lande, das heißt: Dort gibt es kein Fernsehen, kein Radio, kein Telefon, wohl aber einen Computer, der “am Netz” angeschlossen ist (was ohne Telefon in den 80ern wohl die größte technische Utopie des Films gewesen sein dürfte - aber sei’s drum). Die Jugendlichen haben sich nämlich vorgenommen, dass sie - während sie einander sexuell näher kommen - ein Videospiel durchspielen, das “Terminal Entry” heißt. Dabei handelte es sich ihrer Meinung nach um ein Netzwerkspiel mit mehreren Teilnehmern, in welchem Terroranschläge auf Einrichtungen ihres Landes und Politiker verübt werden sollen. Sie steuern dabei über ein Menü “Schläfer”, die dann Selbstmordattentate begehen.

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Was sie nun nicht wissen, und das ist der Gag des Films, ist, dass sie sich unbemerkt in ein Terror-Netzwerk (so oder so verstanden) eingeklinkt haben, dessen Koordination sie nun übernehmen. Weil sie durch ihre selbst gewählte mediale Isolation nicht mitbekommen, welchen realen Auswirkungen ihre virtuellen Spielaktionen haben, richten sie dabei erheblichen Personen- und Sachschaden an. Ihr Spiel bleibt jedoch stets unbefangen, sie genießen die Macht des Spielers und freuen sich über jeden erfolgreich ausgeführten Auftrag. Der Spaß endet, als einer von ihnen eingibt, ein Kommando solle den Ort, an dem sie sich gerade befinden, von sechs dort anwesenden Jugendlichen “reinigen” und sie kurz darauf erfahren, dass ihre Aktionen keineswegs bloß virtuell waren und sie sich nun selbst auf der Abschussliste der Terroristen befinden. Sie sind damit ebanfalls zu “Selbstmordattentätern” geworden.

Der andere Erzählstrang des Films gehört nicht zum Genre der “Highschool-Computernerd-Romance”, sondern ist ein handfester Actionfilm. Dieser erzählt von einem Soldaten, der damit beauftragt ist mit seiner Truppe das islamistische (!) Netzwerk eines gewissen Mahadi auszuheben, der für eine Reihe von Terroranschlägen in den USA verantwortlich ist. Das Militär hat nämlich das Netzwerk angezapft und bekommt die Anweisungen der jugendlichen Hacker an die Terroristen Detail für Detail mit. Hier ist das Unwissen jedoch umgekehrt: Das Militär kennt die realen Auswirkungen der Anweisungen, nicht aber ihren virtuellen Ursprung. Erst als die Kids die Terroristen auf sich selbst lenken, kommen der virtuelle und der reale Raum zur Deckung und alle Parteien treffen sich in, wie man heute so schön sagt, RL.

Der “heilige Krieg” (sic!) der Terroristen richtet sich übrigens vor allem gegen die Informationsstrukturen der USA; gekämpft wird mit der “dritten Waffengattung” (Virilio), den Kommunikationswaffen. Überhaupt ist “Terminal Entry”, was sein Terrorismus-Bild angeht, beunruhigend luzide. Und auch die Selbsteinschätzung des Militärs gegen Ende findet nur 15 Jahre später ihren Reflex in der politischen Wirklichkeit der USA: “Mag sein, dass wir die erste Generation sind, die amerikanische Interessen von amerikanischem Boden aus verteidigen muss”, sinniert der siegreiche Kriegsheld gegenüber einem der Jugendlichen.

Aber zurück zu den Videospielen. Wie in “Thrillkill” hat auch hier (im Wortsinne) die Wirklichkeit Pate gestanden, was die simulatorische Finesse der Games angeht. Zu Beginn des Films spielt einer der Jugendlichen ein Spiel, in dem eine reale Frau in einem (dieses Mal wirklich computer generierten) Vektorraum einkopiert ist:

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Das Spiel mit der leicht bekleideten Frau kann er als in sexuellen Dingen noch unerfahrener Computer-Nerd (seine Unschuld verliert er erst später im Landhaus an eine “Computermaus”) nur verlieren. Aber auch in einem anderen Genre, mit dem er und einer seiner Freunde sich beschäftigen, droht er zu verlieren, wie das Bild daneben zeigt. Es ist ein Adventure, in dem die Spielfigur von einem Mad Scientist gefangen wird und nur wenig Zeit und viele Optionen hat, sich zu befreien. Er wählt zunächst die falsche; erst als sich die Mädchen (rechts) dem Treiben zugesellen, gibt es einen Ausweg, denn eine von ihnen erkennt, dass der falsche Lösungsweg doch der richtige ist, man ihn nur konsequent zuende gehen muss.

Da wird schon vieles von dem Terror-Spiel, das sie später spielen werden, vorweggenommen. Die eindeutig als computergeneriert markierten Räume der Spiele zeigen jedoch, dass hier noch keine wirkliche Gefahr besteht. Das ändert sich, als im “Terminal Entry”-Programm (und hier wird gewitzt mit der Polysemie des Titels gespielt) auf einmal fotorealistische Bilder auf dem Monitor des Apple II auftauchen:

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Da bekommen Aussagen, die zuerst auf die erotische Wirkung ihrer Mitspielerinnen bezogen waren (”Nichts ist schärfer als die Realität.”) auf einmal einen verunsicherten Einschlag: “Das Spiel ist mir ‘ne Nummer zu echt.” Die Spieler wissen also, wann sie das “uncanny valley” durchschritten haben und die Simulation augenscheinlich verlassen - nämlich dann, wenn ihr ungutes Gefühl es ihnen sagt. Dann brechen sie das Spiel ab. Damit befinden sie sich immerhin auf einer moralisch höheren Stufe als so manche andere Cyber-Krieger ihrer Zeit, werden aber genauso wie diese am Schluss nicht für ihre Handlungen verantwortlich gemacht: Sie haben Milliarden-Schäden verursacht und hunderte Menschenleben ausgelöscht, aber ihr Gewissen ist rein, denn sie haben ja nur einen Knopf gedrückt.

#397 Hick

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Geschrieben 14. März 2009, 08:33

Gegenschuss - Aufbruch der Filmemacher (D 2008, Dominik Wesely) (DVD)

Als Bestandteil der Arthaus-Box "Filmverlag der Autoren" ist Wesselys Dokumentarfilm über die Geschichte des sich selbst finanzierenden, produzierenden und verleihenden Neuen Deutschen Films so etwas wie das "Sahnehäubchen" der Edition. Hier kommen noch einmal etliche Protagonisten der Bewegung zu Wort und werfen einen Blick zurück auf die filmbewegten Spätsechziger und Frühsiebziger. Es werden Ausschnitte aus damaligen Pressekonferenzen und Filmen gezeigt, die kulturelle und politische Situation der Bundesrepublik zu jener Zeit noch einmal unter diesem Aspekt beleuchtet. Wie viel Wehmut aber auch Wut damals wie heute in den Beteiligten gewesen ist, lässt der Film in manchen Momenten ahnen, denn, obwohl einige der Regisseure mit Hilfe des Filmverlags die "Selbstständigkeit" gelernt haben, wird die Institution doch von allen vermisst. Und dass sie nicht hätte untergehen müssen, wären nicht Gewinnsucht und Narzissmus ins Spiel gekommen, darüber sind sich fast alle im Film einig.

Der DVD liegen sämtliche Verleihkataloge des "Filmverlags der Autoren" als PDF-Dateien bei. Schade, dass es nur die Listen und nicht die tollen illustrierten Kataloge sind (von denen ich noch einige wenige in meiner Sammlung habe).

#398 Hick

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Geschrieben 15. März 2009, 11:00

Gran Torino (USA 2008, Clint Eastwood) (Kino am Hackeschen Markt)

Nach dem Fiasko, das die letzten von mir gesehenen Regie-Arbeiten Eastwoods für mich bedeutet haben, war ich überaus skeptisch und hätte mir "Gran Torino" am liebsten auch gar nicht angesehen. Da ich aber langsam mal anfangen sollte, einige cineastische Vorurteile abzubauen, habe ich mich also überreden lassen und bin froh über die Entscheidung (obwohl ich den "neuen" Tarsem noch liebe gesehen hätte).

Eastwood überträgt die Struktur des klassischen Westerns auf die sozialen Verhältnisse in einer sich ethnisch stark segregierenden Vorortsiedlung einer Stadtirgendwo im "mittleren Westens". Der alternde Eastwood spielt einen Witwer und Korea-Veteran, der sich plötzlich als Minderheit in einer von Laoten besiedelten Gegend wiederfindet. Nach anfäglichem "fremdeln" schließt er Freundschaft mit den neuen Nachbarn, die ihn ob seiner handwerklichen Fähigkeiten und Vorbildfunktion für den desorientierten Sohnemann auch gleich zu schätzen wissen. Nur eine Gangster-Bande, die den Jungen mit in den Untergrund ziehen will, mach Probleme. Probleme, denen sich Eastwood annimmt.

Mit welchem Feingefühl Eastwood hier einerseits das Westerngenre (und auch den Bandenkriegs-Actionfilm der 70er/80er-Jahre) und andererseits sich selbst als Helden-Stereotyp reflektiert, ist bewundernswert. Die konservativen und rassistischen Ausfälle seiner Figur werden beständig ins Lächerliche gezogen und als totale Anachronismen und Angstreaktionen entlarvt. Auf der anderen Seite ist vom Heldenimage, das bei dem mittlerweile 79-jähirgen Eastwood schon etwas Patina angesetzt hat, auch nicht mehr viel zu halten in einer Welt, die eben nicht wie ein Western funktioniert. Dass Eastwood diese Figur in "Gran Torino" im wahrsten Sinn des Wortes zu Grabe trägt, nachdem er ihr noch einmal eine Hommage an ihre eigene Entwicklungsgeschichte widment, ist nicht anders als als großartig zu bezeichnen. Wenn es denn tatsächlich (wie angekündigt) der letzte Film Eastwoods ist, dann ist es ein perfekter Abschlussfilm unter seiner Filmografie.

#399 Hick

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Geschrieben 16. März 2009, 11:55

Brainscan (Kanada/UK/USA 1994, John Flynn) (VHS)

Der jugendliche Michael, der zurückgezogen in seinem voll-computerisierten Zimmer lebt und heimlich das Nachbar-Teeny-Mädchen Kimberly beobachtet und filmt, spielt leidenschaftlich gern mit seinem einzigen Freund Videospiele. Als sie von dem Neuen CD-ROM-Game "Brainscan" erfahren, das vorgibt, die Videospielwelt zu revolutionieren, sind beide zunächst skeptisch. Michael ruft bei der Firma, die "Brainscan" vertreibt, an und wird dort prompt "erkannt". Am nächsten Tag hat er eine nicht-bestellte CD-ROM im Briefkasten, die er neugierig auch gleich einlegt. Kurz nach dem Programmstart steigt ein Mann aus seinem Monitor, provoziert Michael und macht ihm Angst: "It is the most frightening experience you have ever displeasure of coming into contact with."

Was Michael im Videospiel "Brainscan" erlebt, ist, in die Rolle (und Perspektive) eines Serienmörders zu schlüpfen und Menschen aus seiner Umgebung zu ermorden. Immer wenn er eine Spielrunde beendet hat, sind diese Leute jedoch wirklich tot. Ein Polizist, dem es seltsam vorkommt, dass sich Michael immer an den Tatorten herumdrückt, geht der Sache auf den Grund. Die letzten beiden Opfer, die Michael laut Spielplan ermorden soll, sind sein Kumpel und Kimberly - und das ist auch der Punkt, an dem er aus dem Spiel auzusteigen versucht.

Eingefügtes Bild
(Michael und das Videospiel werden eins.)


Wie bei Cronenbergs "eXistenZ" stellt sich gegen Ende des Films heraus, dass wir die ganze Zeit dem Spielplot beigewohnt haben, denn das, was wir als Filmhandlung von einer vermeintlichen Spiele-Handlung getrennt haben, war bereits ein Videospiel. (Einen kleinen Hinweis bekommen wir schon während des Films, als sich Michael ein Video von sich anschaut, das ihn dabei zeigt, wie er sich ein Videospiel anschaut.) Michael schreckt kurz vor Schluss des Films (und am Ende des Spiels) aus seinem Sessel auf, ist zunächst baff erstaunt über die immersive Qualität des Spiels, bekommt es dann jedoch mit der Angst zu tun und zertrümmert sein Computer-Equipment. Die reaktionäre Note, die der Film während der ganzen Zeit aufgebaut hat (dass nämlich dem realen das virtuelle Morden vorausgeht, ohne dass der Spieler noch einen Unterschied erkennen kann), findet hier ihre Katharsis: Zerschlagung der Verführungsmaschinerie und Flucht in die Realität.

Eingefügtes Bild
(Michael zertrümmert seine Computer-Anlage)


Diese Realität ist allerdings nicht prä-medial, sondern nur prä-virtuell. Denn Michael ist Vorsitzender eines "Horror-Clubs" in seiner Schule, in welchem er und ein paar Mitschüler sich regelmäßig Horrorfilme anschauen. Ein Lehrer argwöhnt, dass das nicht gesund und im Sinne der humanistischen Bildung sein kann und stellt Michael zur Rede:

Zitat

Lehrer: "Die freien Projektstunden wurden zur intellektuellen Bereicherung eigenführt, deswegen habe ich einige Probleme mit eurem Horror-Club. Was war das für ein Film, den ihr euch da angesehen habt?"
Michael: "Tod! Tod! Tod! Folge 2"
Lehrer: "Oh Junge! Begreifst du nicht, dass sinnlose Gewalt keine Unterhaltung ist?
Michael: "Was soll es dann sein?"
Lehrer: "Warum? Was gefällt euch an dem Film? Hilf mir es zu verstehen?"
Michael: "Ich schätze, es ist so eine von Art Flucht."
Lehrer: "... wie gelegentlich Marihuana rauchen um der wahren Welt zu entfliehen. Oder wie durch einen pornografischen Drecksfilm eine Erektion zu kriegen und jemanden zu vergewaltigen, Michael."
Michael: "Nun, also ich denke nicht, dass Erektionen so schlimm wären. Menschen vergewaltigen Menschen."

Darauf findet der Lehrer (natürlich) keine Antwort, droht den Club zu schließen, wenn künftig nicht eine Bedingung erfüllt ist: Er will nur noch Sitzungen genehmigen, deren Inhalt er vorher geprüft und "ausgehalten" hat. Für Michael stellt sich das zum Ende als Glücksfall heraus, denn so kann er dem gehassten Lehrer die "Brainscan"-CD-ROM zur Überprüfung reichen - wohlwissend, dass der Lehrer dabei durch dieselbe immersive Spiel-Hölle gehen wird wie zuvor er.

Eingefügtes Bild
(Die "Brainscan"-CD-ROM)


Der Horror-Medienwechsel zwischen Video und Videospiel fand in etwa zur Entstehungszeit von "Brainscan" statt (und die CD-ROM hatte daran einen nicht geringen Anteil!) - nicht aber auf der Rezeptionsebene, sondern auf der bewahrpädagogischen Ebene. Mitte der 90er Jahre hatte das Horrorvideo als Verführungsmedium so langsam ausgedient und konnte (wie zuvor schon die Rockmusik, das Comic, der Groschenroman usw.) seinen Weg in den Kanon der ungefährlichen Pop-Kultur finden. Das Medium Videospiel bot aufgrund ganz neuer interaktiver Rezeptionsweisen und der Generierung virtueller Szenarien viel "schrecklichere" Möglichkeiten als das (scheinbar) monologische Filmegucken.

Eingefügtes Bild
(Igor, der virtuelle Gesprächspartner Michaels)


Ob "Brainscan" nun nur Chronist oder Protagonist der Debatte ist, will ich hier nicht entscheiden müssen, sondern mich lieber noch auf ein paar interessante Details konzentrieren: Wie bei den anderen Filmen zum Thema "Computerspiel", die ich bislang gesehen habe, ist die "Fiktion" vom Sprachdialog mit dem Computer auch in "Brainscan" zu finden. Das verbale Kommunizieren mit dem Computer soll ihn als gleichrangigen Dialog- und Spielpartner inszenieren und wenn er dann noch ein Gesicht - wie "Igor" in "Brainscan" - bekommt, wird ihm jene Individualität zugestanden, nach der sich der Computerfilm immer schon sehnt.

Eine andere interessante Strategie, die ebenfalls schon bei den vorher gesehenen Filmen auftauchte, ist die Behauptung der qualitativen Deckungsgleichheit von Videospielgrafik und Filmbild. Die virtuellen Bilder des Spiels sind ebenso realistisch "gezeichnet", wie die des Films - hier sogar so realistisch, dass sie förmlich aus dem Rahmen springen:

Eingefügtes Bild
(Das Bild entsteigt dem Monitor.)


Das erhält innerhalb der "unzuverlässigen" Dramaturgie von "Brainscan" natürlich einen Sinn, denn es verwirrt einmal mehr über das Spiel-im-Spiel, von dem wir als Zuschauer nichts wissen. Ebenso wie bei "eXistenZ" dient es aber nicht nur der "Verwischung" der Fokalisationsgrenzen, sondern eben auch einem medienpsychologischen Spiel: Das Vorwort zum Spiel verspricht: "It interfaces with your sub-conscience, you supply the information, and we take care of the rest." Die Bilder stammen also nicht aus dem Spiel, sondern auch dem "Unterbewusstsein" (wie es in der deutschen Synchro-Fassung heißt). Und von dort dringen sie gut-freudiansich gesprochen "unzensiert" an die Oberfläche.

Das kulminiert schließlich in der medienethischen Fragestellung, die ich bereits bei "Terminal Entry" aufgeworfen habe und die hier am Ende ausformuliert wird: "Wenn man keine Schuld empfindet, warum soll man Strafe auf sich nehmen?" Es war schließlich wieder einmal alles nur ein Spiel.

#400 Hick

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Geschrieben 17. März 2009, 11:02

Big Fish (USA 2003, Tim Burton) (Blu-ray)

Die Kino-Märchen, die wiederum aus Miniaturen ihrer selbst bestehen (von "Eternal Sunshine of a spotless Mind" über "Pan's Labyrinth" bis hin zu "The Fall" - siehe Beitrag hier drüber), sind mir noch die liebsten. Das liegt nicht nur daran, dass ich diese mise-en-abymes immer wieder gern als Strukturverdopplungen und -reflexionen lese, sondern auch daran, dass sich hier - zumindest in allen genannten Beispielen - immer auch "Wahrheiten über Wahrheiten" finden, die den Modus des Märchens transzendieren und es zu einer filmischen Abhandlung über unsere Sicht auf uns selbst und die Welt werden lassen.

In "Big Fish" ist dieses Motiv, das der Lebenslüge und des Lebensmärchens, zentrales Thema. Ich habe den Film seinerzeit schon mit bestimmten Überlegungen aus der Narrationspsychologie konfrontiert und diese sehr schlüssig in Burtons vielleicht intimsten Werk wiedergefunden. Bei der Sichtung der Blu-ray-Disc ist mir das jetzt wieder sofort auf- bzw. eingefallen. Aber noch mehr: Dass das Pathos, das zum Ende hin aus der Wiederannäherung zwischen Vater und Sohn erwächst, über allen melodramatischen Familien-Kitsch hinaus vor allem (und zumindest bei mir) aus einer Selbsterkenntnis herrührt. Die Distanzierung zwischen Vater und Sohn findet ja nicht bloß deshalb statt, weil sich der Sohn belogen und übergangen fühlt, sondern, weil sich Anteile seiner eigenen Lebenslügenproduktion quasi zur Übergröße verzerrt in seinem Vater spiegeln, was er erst am Ende des Films (an)erkennt.

Sich selbst als Lebenslügner (und so gesehen sind wir das alle!) erkennen zu können, die kognitive Dissonanz nicht zu vermeiden, sondern sie auszuhalten, kann da schon etwas Kathartisches haben: Es ist ein Gefühl, das zugelassen werden will und Kinomärchen wie "Big Fish" sind seine Katalysatoren.

#401 Hick

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Geschrieben 23. März 2009, 09:31

The Fall (Indien/UK/USA 2006, Tarsem Singh) (Cinemax)

Vielleicht ist das jetzt mal eine gute Gelegenheit, die zwei Seelen, die in meiner Brust wohnen, zur Ansprache zu bringen und den Unterschied zwischen rational erwogener Kritik und schwärmerischer Filmliebe darzulegen. (Oft genug finde ich mich nämlich in Auseinandersetzungen wieder, wo mir das eine oder das andere vorgehalten wird, obwohl vermeintlich doch eher das andere oder das eine angebracht gewesen wäre.)

Dass mir die polarisierenden Filme, vor allem diejenigen, bei denen die Meinungen zwischen "Kitsch" und "Meisterwerk" changieren, zumeist besonders gut gefallen, hat sich mittlerweile fast schon zu einem Auswahlkriterium für mich entpuppt. Im Vordergrund stehen da oft mehr subjektive als ästhetische Kriterien - das war bei Tim Burtons "Big Fish" so, bei Haggis' "Crash", bei Aronofskys "The Fountain" und nun auch Tarsem Singhs "neuem" Film "The Fall", der es nach über 2 Jahren endlich in die Kinos geschafft hat.

Anders herum sind die kritischen Einwänden dritter (besonders dann, wenn die Kategorie des "Kitsch" bemüht wird), aber auch nicht immer frei von subjektiven Empfindungen - mehr noch: diese scheinen oft sogar das maskierte Hauptkriterium der Bewertung zu werden, das dann nur - bei Rüdiger Suchsland in telepolis kann man das lesen - lediglich im Mäntelchen der (ja sowieso unmöglichen) Objektivität daherkommt.

Genug der Vorrede: "The Fall" ist für mich bislang der beste Filme des noch nicht alten Jahres 2009. Ob ihm dieser Rang von anderen Filmen (und dann von mir!) streitbar gemacht wird, wird sich noch zeigen müssen. Aber auch in der Vergangenheit ("Eternal Sunshine of the Spotless Mind", "Life and Death of Peter Sellers") hat sich da zumeist wenig getan, wenn ich erst einmal ein solch bedeutungsschweres Vorurteil (gegenüber den nachfolgenden Herausforderern) etabliert habe. Wie es dazu kommen konnte, kann ich mir nur halbwegs erklären - das Nichterklärbare macht sogar den wesentlichen Teil dieser Bewertung aus.

"The Fall" berührt mich zuerst einmal mit seiner Geschichte. Die kann nicht nur unkomplex und frei von Sentimentalität sein, sie darf noch nicht einmal diese Attribute missen, wenn sie bei mir wirken will. Je einfacher eine Story daherkommt, desto eher schafft sie es, den "analytischen Motor" in meinem Bewusstsein abzuwürgen, bevor er überhaupt noch anspringen kann. Dann kommen all die Assoziationsketten, Intertextualitäten und Homologien gar nicht erst zum Vorschein und die Filmerzählung findet ihren Weg "von vorn durchs Auge in die Brust". (Dann lassen mich selbst solche Details wie die kleinen Anspielungen auf die Filmgeschichte in "The Fall", etwa in Form einer durch ein Schlüsselloch hergestellten camera obscura, gleichgültig.)

"The Fall" ist aber auch Kino pur - ein Kino, das vor allem von seinen Bildern lebt. Fast könnte man meinen, die allzu einfache Geschichte vom verletzten Stuntman, der sein Lebensfinale im Tod und des kleinen Mädchens, das seine Glückseligkeit im Happy End einer Geschichte sucht, wären nur ein Vorwand, damit Tarsem diese Bilder einem Kinopublikum zeigen kann, das ja immer noch viel zu sehr auf "Erzähltes" fixiert ist und sich die Filme zumeist nach dem Plot aussucht. (Ein paar Freunde haben genau deshalb abgewunken, mit in "The Fall" zu kommen: "Klingt uninteressant.") Aber die Erzählung korrespondiert schon auf trickreiche und intelligente Weise mit den Bildern. Das war ja schon in Tarsems "The Cell" der Fall.

"The Fall" ist zuerst ein Film der Farben, dann einer der Töne und dann merkt man (bzw. ich), wie sehr er eigentlich ein Film der Synästhesie ist, in dem beide nicht ohne einander auskommen. Denn Krishna Levis Soundtrack liefert stets die akustischen Harmonien zum farblichen Thema. Dass er dabei auf Material aus der Klassik zurückgreift und das Thema des Allegrettos aus Beethovens 7. Symphonie implementiert, eröffnet nur noch einen weiteren Horizont voller gefühle (bei mir wird wie bei vielen das Hören einer bekannten Melodie auch oft zu einer Retrospektive der damit verbundenen Erinnerungen). Über diese Synästhesie von Bildern und Tönen stellt sich dann so etwas wie das "absolute Filmerlebnis" für mich ein, das mehr (das oben angesprochene) unbestimmte Gefühl ist als das bewusste Erlebnis.

Das kann man unmöglich zum Gegenstand einer Kritik machen und man sollte sich hüten es zu objektivieren (damit meine ich nicht: es zu formulieren - ich halte nichts davon, dass ein "Je nais se quoi" zu Sprechverboten gegenüber Kunstwerken führt). Nicht, dass man das Gefühl damit zerstören würde oder dem Film damit ein Leid antäte - das ist Obskurantismus. Nein, man würde nur einen unmöglichen Dialog oder einen Streit provozieren, weil die Minimalbedingung ästhetischer Kommunikation, die intersubjektive "Verständigung", eigentlich nicht greifen kann, wenn es um privates Erleben geht. (-> Wittgenstein)

Darum würde ich über "The Fall" lieber nichts schreiben, was andere davon zu überzeugen versucht, dass das "der beste Film des Jahres" (für mich) ist und es würde anderen selbstverständlich auchnicht gelingen, mich davon zu überzeugen, dass das nicht so ist.

#402 Hick

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Geschrieben 23. März 2009, 11:24

Im Glaskäfig (Spanien 1987, Tras el Cristal, Spanien 1987, Augstí Villaronga) (DVD)

Das neue, noch kleine Label "Bildstörung" mausert sich gerade zu einem der interessantesten Publikationsorte für verschüttete Perlen der Filmgeschichte. Das, was dem "Kino Kontrovers" des Legend-Labels auch zuerst noch gelungen ist, nämlich Filme mit einer Ästhetik zwischen Attraktion und Repulsion in eine Reihe zu stellen, macht "Bildstörung" nun bereits zum vierten Mal in Folge ("Marquis", "Bad Boy Bubby", "Ein Kind zu töten", "Im Glaskäfig").

Mehr: F.LM

#403 Hick

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Geschrieben 24. März 2009, 09:06

The Strangers (USA 2008, Bryan Bertino) (Blu-ray-Disc)

Bezeichnenderweise bricht das Grauen in just dem Moment in das Leben von Kristen und James, als die beiden auf dem Wohnzimmertisch Geschlechtsverkehr ausüben wollen. Es ist nicht nur der intimste Moment eines Paares, sein „tertium non datur“, sondern auch derjenige, der die strukturelle Verflechtung von Privatheit und kulturellem Selbstverständnis am deutlichsten vor Augen führt. Schon in der Renaissance, beim Architekturt-Theoretiker Leon Battista Alberti, war der Leib der Frau und grundsätzlich „offenes Territorium“ und die Funktion des Hauses deswegen zuvorderst, diesen Leib abzuschließen, ihm eine schützende Hülle zu geben, in die es nur einen „legitimen Eindringling“ geben kann: den Ehemann. James ist aber, wie wir kurz zuvor erfahren haben, nicht der Ehemann von Kristen und wird es auch nie sein. In der Hierarchie der Eindringlinge steht er auf derselben Stufe wie jeder andere Mann in ihrem Leben und der Sex, den beide praktizieren wollen, ist kein selbstverständliches Recht mehr, sondern ein Akt der Besitznahme – eine Territorialisierung. Insofern ist James den Fremden, die in das Haus von Kristens Eltern (diese Tatsache fügt sich ebenfalls in die Bedeutungsstruktur!) eindringen wollen, gleichgestellt. Er hat nichts zu beschützen, für dass er sich mit seinem Leben einsetzen könnte, also ist es nur konsequent, dass er es verliert, ohne damit etwas zu bewirken.

mehr: in Kürze

#404 Hick

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Geschrieben 24. März 2009, 09:45

Mikrokosmos (Microcosmos: Le peuple de l’herbe, F/CH/It 1996, Claude Nuridsany & Marie Pérennou) (Blu-ray-Disc)

Dass „Mikrokosmos“ seinen Fundus ästhetischer Fiktionalisierungsstrategien viel deutlicher in den Vordergrund stellt, als andere Dokumentarfilme dies tun – ja, als es ihrer Glaubwürdigkeit gut täte –, könnte seinen Grund darin haben, dass uns der Film in eine Welt einführt, die wir nicht kennen, in der vieles so ganz unvermittelt vielleicht eklig, bedrohlich oder skurril wirken würde. Unser einziger Anker ein Verständnis für die Schönheit dieser Welt zu entwickeln, liegt in der offensichtlichen Inszenierung. Da können dann Mistkäfer, die ihre Kugeln sisyphonisch einen Hügel hinauf rollen, nur, um dann wieder mit ihm hinab zu kullern, zu Slapstick werden, die Bilder zweier Hirschkäfer, die auf einem Ast darum kämpfen, wer zuerst den Weg passieren darf, werden wie in einem Actionfilm montiert oder eine scheinbar endlose Reihe von Raupen, die hintereinander her krabbeln (um von oben für Vögel wie eine Schlange auszusehen), werden beim Zoom-out aus größerer Entfernung als endloser Tati’scher Kreisverkehr enttarnt, bei dem nichts vorangeht und sich alles irgendwann zum Chaos entwickelt. Die kleinen Dramen und Komödien, die das Leben schreibt – das der Insekten ebenso wie das der Menschen – werden immer erst durch den Formwillen zu solchen. Die Aufgabe und Kunst des Films ist es, diese Formen auf die natürliche Ordnung zu projizieren. Dann kann aus dem „Material“ ein Film und aus dem „Ereignis“ vielleicht eine Allegorie werden.

Mehr: folgt

#405 Hick

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Geschrieben 29. März 2009, 12:57

Rough Cuts: Buttgereits Filmlektionen im HAU, Part 1: Monster

http://www.f-lm.de/?p=2019

#406 Hick

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Geschrieben 31. März 2009, 10:01

My Bloody Valentine 3D (USA 2009, Patrick Lussier) (PV Astor Filmlounge)

Nun habe ich ihn doch noch mal in 3D sehen können und es war "ein ganz anderer Film", wie man so schön sagt. Das 3-D-Kino ist schon von seiner Definition her eines der Schauwerte und stellt diese sprichwörtlich in den Vordergrund. Bei "My bloody Valentine" merkt man das besonders daran, dass in der 2-D-Variante (die ja gar keine Variante ist, sondern lediglich nur eines der beiden Bilder zeigt und das andere verschweigt - nur welches ist das richtige?), dass also in der flachen Variante der "Hintergrund" wesentlich deutlicher ist als in der 3-D-Version. Nicht nur verschwimmen hier die optischen Hintergründe nicht mehr so stark, sondern auch die erzählerischen treten klarer hervor. Das ist nicht gut für einen Film mit derartig vielen Plot-Holes, die er durch das, was er zeigt (die Drastik, aber auch die Dreidimensionalität) noch ganz gut verbergen, oder besser kleinreden kann.

Aber das ist natürlich nicht alles, was "My bloody Valentine 3D" auszeichnet. Obwohl ich den Film kannte, war ich in einigen Situationen wirklich überrascht und erschreckt. Ein Schrecken, den ich sonst aus dem Kino nicht kenne und der gänzlich auf den 3-D-Effekt zurückzuführen ist. Es waren nämlich jedes mal Szenen, in denen etwas auf die Kamera zukam. Und die Überraschung rührte auch nicht daher, dass ich das nicht erwartet hätte, sondern im Gegenteil, dass ich es erwarten musste: Wenn der Killer im Prolog der Gruppe der Flüchtenden seine Spitzhacke hinterher wirft und die Kamera dann die Position des anvisierten Zielpunktes (jenseits einer Windschutzscheibe) einnimmt, dann weiß man ja schon, was als nächstes passiert. Und dennoch durchbricht die Spitzhacke den "Reizschutz" wie die Windschutzscheibe und scheinbar dann auch die Leinwand und das ist erschreckend. Eine analoge Szene zeigt der Epilog, in dem sich die Projektile endlich einmal in die entgegengesetzte Richtung, nämlich auf den Killer zu bewegen. In "Bullet-Time" umkreist die Kamera das Projektil, nachdem es die Mündung der Waffe verlassen hat und verfolgt es dieses mal nicht hintendrein, sondern fliegt ihm voraus auf das Ziel zu, den Blick jedoch Richtung Schütze rückwärts gewandt, so dass es abermals ein auf die Leinwand zufliegendes Geschoss ist.

Wenn man 3-D-Kino als ein Kino der Vektoren beschreiben wollte, dann zeigt alles immer nur in die eine Richtung: auf den Zuschauer. Wie trivial! Aber wie wirkungsvoll!

#407 Hick

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Geschrieben 31. März 2009, 11:08

Night of the Hunter (USA 1955, Charles Laughton) (DVD)

Was für ein ungewöhnlicher Film! 11 Jahre nach "Arsenic and Old Lace" erscheint mit "Night of the Hunter" in etwa das genaue Gegenteil: Ein Witwenmörder, der sich im Auftrag Gottes und der gerechten Sache sieht, es - anders als die alten Ladies bei Capra - aber auch auf das Geld seiner Opfer abgesehen hat, gerät an die Frau eines jüngst wegen Raubüberfalls und Mordes hingerichteten Zellengenossen, von dem er erfährt, dass seine Beute versteckt bei ihm zuhause ist. Er beginnt also erneut mit seinem "Witwenschütteln", hat dieses mal jedoch auch die beiden Waisen als Ziel, denn sie wissen, wo das Geld versteckt ist.

Ich habe den Film im Zusammenhang mit einer Artikel-Recherche zur Destruktion von Privatsphäre als Motiv im Nachkriegskino gesehen, für das er ein exzellentes Beispiel ist. Recht schnell bin ich aber von meiner Fährte abgelenkt worden und in den ästhetischen Bann von "Night of the Hunter" geraten. Was den Film so ungewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass er sich einerseits nicht davor scheut, Klischees zu inszenieren (man denke nur an die Tierbilder, die allegorisch durch das Bild ziehen, als die Kinder den Fluss hinabrudern), andererseits diese Naivität der Bildsprache aber auch eine ungeheure Suggestivität mit sich bringt, weil sie so ehrlich wirkt. Laughton streut immer wieder Stereotype in seinen Film ein, die man aus anderen Zusammenhängen zu kennen meint, bewirkt damit aber keineswegs die Suche nach dem Ursprung des Zitats oder der Allusion, sondern bricht vielmehr sein Kriminalstück auf diese Weise auf, um es zu einem Beispiel von Bildsprache jenseits der Worte werden zu lassen. Drei Kader habe ich mal stellvertretend als Beispiele hierfür aus dem Film kopiert:

http://img406.images...06/479/3921.jpg
http://img207.images...7/8611/4408.jpg
http://img207.images...7/4511/5330.jpg

Was mir noch sehr positiv auffiel, ist die Tatsache, dass auch in diesem Horrorfilm gesungen wird. Die Gesangseinlagen fügen sich, ganz wie in "Wicker Man" in den Plot ein, indem sie ihn metaphorisch ergänzen und zusammenfassen. Das ambivalente Verhältnis zur christlichen Religion (das beide Filme für mich besitzen), wird durch die Verwendung zumeist christlichen Liedgutes in "Night of the Hunter" noch kontrapunktisch unterstrichen: Wie verlogen wirkt das Schlaflied mit seinem hervorstechenden "Leaning"-Refrain? Aber noch gruseliger wird es im Duett kurz vor Ende, als die Pflegemutter den vom Killer ausgelassenen Teil "Leaning on Jesus" singend ergänzt.

#408 Hick

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Geschrieben 06. April 2009, 09:39

Cape Fear (USA 1962, J. Lee Thompson) (DVD)

Für eine Artikelrecherche zum Thema "Destruktion von Privatheit" habe ich mir das Original einmal angesehen: Was Thompson sich in "Cape Fear" traut, ist für seine Entstehungszeit schon recht beeindruckend: Mehr noch als im Scorsese-Remake ist die Aggression auf die Tochter konzentriert und die Wahl der damals 14-jährigen Schauspielerin Lori Martin, die zudem dann noch wie eine "kleine Frau" ausgestattet wurde (von der Frisur bis hin zur Kleidung) verschiebt die Handlungen des Vaters schnell von einer bloßen Schutz- zu einer Eifersuchtsmotivation werden.

Schemenhaft erkennt man in Max Cady hier eine Umkehrfunktion des Vaters, ein abgespaltenes, unzivilisiertes reines Lustprinzip, das den Anforderungen des modernen Lebens entgegensteht. Cady ist damit auch der Dämon der bürgerlichen Gesellschaft, der deren Errungenschaften durch Tabubruch umzukehren versucht. Die Machtlosigkeit der "guten" Instanzen gegen ihn zeigt bereits, dass er nur mit seinen eigenen Mitteln geschlagen werden kann. Und erst als der Vater sich seiner "Gerissenheit" (wie es im Film heißt) annimmt, ist er in der Lage, ihn zu besiegen - was gleichbedeutend damit ist, einen Teil von ihm in sich (wieder) zu erkennen. Das kann 1962 als Drama deshalb viel besser als 1991 funktionieren, weil die starren gesellschaftlichen Regeln hier auch noch bis ins Privatleben hineingreifen. Scorseses Remake wirkt im Vergleich mit dem Original daher schon beinahe wie eine Interpretation, in der diese sozialen und psychologischen Strukturen manifest werden.

#409 Hick

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Geschrieben 06. April 2009, 11:25

Death Race (USA 2008, Paul W. S. Anderson) (Presse-DVD)

Von Anderson ist man es ja gewohnt, solide inszeniertes Trash-Kino vorgesetzt zu bekommen. Daher besteht eigentlich auch kein Anlass zur Beschwerde, wenn man weiß, worauf man sich mit "Death Race" einlässt: Der Film erzählt eine einfache, gradlinige Geschichte über einen Ex-Rennfahrer, der im Amerika der Zukunft des Mordes an seiner Frau bezichtigt wird, ins Gefängnis kommt und dort zu einem "Death Race"-Fahrer wird, um wieder freizukommen. Die privatisierte Gefängnisleitung betreibt nämlich ein äußerst lukratives TV-Programm, in dem die Gefängnisinsassen mit aufgemotzten und bewaffneten Autos um ihr Leben und ihre Freiheit fahren. Dass unser Held nicht ganz ohne Verschulden der Gefängnisdirektorin hinter Gittern gelandet ist, macht den dramatical point der Geschichte aus.

Viel mit seiner Vorlage "Death Race 2000" von Paul Bartel scheint der Film nicht zu tun zu haben (ich kenne Bartels Film nicht, aber die Texte dazu lassen etwas ziemlich anderes erwarten). Anderson begrenzt seine Utopie auf einen "medial verseuchten totalen Kapitalismus" wie man ihn schon Filmen wie "Running Man" oder "Millionenspiel" kennt. Weit darüber hinaus reicht der situative Kontext dann auch nicht, also lohnt es sich eher, auf die Inszenierung und die für Andersen typischen "Gadgets" zu achten - und hier gewinnt "Death Race" eindeutig an Fahrt: Sagenhaft inszenierte und montierte Autorenn-Szenen, gefilmt in düsteren, farbarmen Bildern und zu einem brachialen Elektro/Rock-Soundtrack geschnitten. Der Film lässt einem diesbezüglich kaum eine Atempause. Falls man die doch einmal bekommt, fällt vielleicht auf, wie stark "Death Race" von der Videospiel-Ästhetik beeinflusst ist. (Anderson ist seit "Alien vs. Predator" mit dieser Schnittstelle ja bestens vertraut.) Damit sind nicht nur die Aktivierung der Waffen- und Verteidigungssysteme im Rennen gemeint (die Fahrer müssen über leuchtende Flächen fahren, um die "Zusatzfunktionen" ihrer Fahrzeuge freizuschalten), sondern auch die Darstellung des Rennens überhaupt.

Als "Filterung" dient dem Film hier die "doppelte Blick" (A. Islinger) auf die Fernseh-Show, die (folgerichtig) genauso heißt wie der Film: "Death Race". Die Art, wie die Fahrer des Rennens hier vorgestellt werden, erinnert stark an Rennspiele a la "Need for Speed", die Überblicksperspektiven und Kartenfunktionen bilden ebenfalls einen wichtigen Teil der Videospielästhetik der TV-Show und nicht zuletzt mutet das ganze ästhetische Rahmenkonzept der Show das Hauptmenü eines Videospiels an. Nun gibt es natürlich längst ein Spiel, das "Death Race" heißt; das hat mit Andersons Film (wie auch mit dem von Bartel) nur gemeinsam, dass Autos hier wir dort als Waffen eingesetzt werden. (Das ist ja im Übrigen eine schon bei Virilio auftauchende Analogie.) Markant an dieser crossmedialen Verschränkung ist daher, dass das Automobil in deren Zentrum steht und sich mir abermals als ein "Vehikel" zeigt, das gleichermaßen Orte und Diskurse miteinander zu verbinden in der Lage ist.

Zu gegebener Zeit werden ich auf die Frage der Metaphorik von Automobilität in Film und Videospiel noch einmal eingehen (da müssen dann neben "Death Race" natürlich auch andere Hybride wie "Speed Racer" auf der einen und "GTA" und "Burnout" auf der anderen Seite angesprochen werden.)





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