[quote name='Bullet in the Head' date='09.01.2004, 18:40'] Also:
Bei Woo werden die Konsequenzen der Gewalt dargestellt und zwar insofern, dass der "Held" meistens für seine Taten am Ende bestraft wird, am besten zu sehen in The Killer (ich will jetzt nicht schon wieder spoilern

).[/quote] Zu BITH: Ich weiß zwar nicht, was du mit seltsam meinst, aber eher dramatische Szenen mit Unterhaltungswert, sprich Zeitlupen etc zu unterlegen, das hat Peckinpah schon Jahre vor Woo gemacht (zB in Cross of Iron, der ja auch die ernste Kriegsthematik hat). [/quote]
Genau das habe ich gemeint, wenn auch nicht so im Einzelnen ausformuliert (eben allgemeiner: " in der die bedrückenden Konsequenzen des Mordens nicht ausgespart bleiben."). Beispielsweise das Ende von A Better Tomorrow zeigt ja, dass Woo zwar Gewalt extrem zum Ballett stilisiert, dann aber innerhalb des Films doch auch wieder die andere Seite zeigt (das dramatische, blutige, abgefuckte Sterben).
[quote]Allerdings muss ich sagen, dass ich den Terminus "reale Gewalt" nicht verstehe? Was ist denn bitte reale Gewalt und was ist irreale Gewalt? Wenn du mit irrealer Gewalt meinst, dass ein paar Kugeln im Körper nichts machen, wie bei Woo teilweise (der Gute darf nie sterben bevor nicht alle Bösewichte erledigt sind, egal ob er was abgekriegt hat), halte ich das für gefährlicher als wenn man zeigt, wie es wirklich ist, sprich man mit einer Kugel in der richtigen Stelle tot oder zumindest so gut wie tot ist. Ist natürlich rein hypothetisch, ich glaube nicht, dass es sonderlich viele Menschen gibt, die die Wirkung einer Pistole nicht kennen

.[/quote]
"reale Gewalt" ist wörtlich zu nehmen: Wenn jemand auf offener Straße jemand aufs Maul haut, dann ist das reale Gewalt oder Gewalt im Sinne des Wortes.
Wenn John Woo seine Gefechte aber zu einem Tanz mit der Kamera inszeniert, dann ist das Ästhetik, aber eben keine Darstellung mehr von "realer Gewalt". In diesen Momenten inszeniert er Gewalt bewusst künstlich und vor allem auch so erkennbar. Damit ist klar, dass die dargestellte Gewalt im Bild nichts mit der "realen Gewalt" im echten Leben zu tun hat, sondern vor allem ästhetischer Diskurs ist.
[quote]Zu BITH: Ich weiß zwar nicht, was du mit seltsam meinst, aber eher dramatische Szenen mit Unterhaltungswert, sprich Zeitlupen etc zu unterlegen, das hat Peckinpah schon Jahre vor Woo gemacht (zB in Cross of Iron, der ja auch die ernste Kriegsthematik hat).[/quote]
Das meinte ich nicht und ich kenne Peckinpah auch schon ein paar Jährchen.
Mir geht es in dem Film ganz generell um die meines Erachtens zumindest künstlerisch eher bedenkliche Vermischung verschiedener Gewaltdiskurse unter dem Deckmantel eines einzigen, zudem recht ambitionierten Films. Die Ambivalenz der verschiedenen Darstellungen von Gewalt, die in A Better Tomorror noch sehr gut funktioniert (Hier das selbstherrliche Ausmerzen des Feindes, dann aber am Ende das eigene, dramatische Sterben => Woo ist eben doch Katholik!

), will mir hier nicht so recht eingehen (bzw. ist meines Erachtens nicht sonderlich reflektiert), was eben auch an der offen zur Schau getragenen Ambition des Films liegt.
Da sind zum einen die dramatischen Szenen mit realem politischem Hintergrund: Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Ordnungskräften. Das ganze mündet in eine 1990 nur als ganz bewusstes Statement lesbare Ikonografie des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens kurz zuvor: Ein Mann steht alleine vor dem Panzer und rührt sich keinen Meter weit weg - das Bild aus Peking ging um die Welt, das moralische Entsetzen war weltweit groß und Woo thematisiert seine eigene Angst vor der Rückführung Hongkongs zum Festland-China, indem er diese Bilder, wenn auch mit anderem Storyhintergrund, nachstellt. Hier wird ganz konkret auf reale und historische Gewalt Bezug genommen, was natürlich okay ist, aber einen etwas schalen Geschmack hinterlässt, wenn der Film anschließend ein recht flott unterhaltender Actionreißer wird, in dem wieder coole Gefechte gewonnen werden und die Feinde wie die Fliegen sterben, nur um dann wieder, im vietnamesischen Lager, den Schrecken der Kriegsgewalt vor Augen zu führen: In einer psychologisch nicht sonderlich durchdachten Szene, in der genau jene Leute, die zuvor noch ohne mit der Wimper zu zucken umknallten, wer sich ihnen in den Weg stellte, Nervenzusammenbrüche erleiden, weil ihnen die vietnamesischen Lagerleiter aufzwingen, andere, obendrein anonyme Gefangene zu massakrieren. Diese Gegeneinander-Ausspielen von "cooler Actionfilmgewalt" und "psychisch harter Gewalt" funktioniert meiner Meinung nach nur sehr wenig, wenn überhaupt, ähnlich wie das ikonographische Zitat von der Berichterstattung des Massakers am Platz des himmlischen Friedens in dem Film, wenn auch mit bewusstem Hintergrund eingesetzt, sehr neben dem Film steht, bzw. darin eigentlich sogar fehl am Platze ist.
Aber: Ich will den Film deshalb nicht schlecht reden. Er ist ansonsten hervorragend inszeniert, erzählt eine sehr schöne Geschichte und weiß ohne weiteres zu unterhalten. Ich denke aber auch, dass Woo sich in dem Film einfach ein wenig zu viel vorgenommen hat, bzw. seine ganzen Gewaltdiskurse in dem Fall nicht sonderlich im Griff hat.
Cheers,
IMMO