Zunächst noch ganz allgemein, bevor ich mich speziell an Antoine wende: was den Aspekt Lippensynchronität/Bild-Ton-Asynchronität betriff, geht es mir genau wie bekay, der meinte: "Mir z.B. fällt das nicht oder wirklich nur vereinzelt - und wenn ich mich intensiv darauf konzentriere - auf". So verhält sich das bei mir auch (worüber ich eigentlich auch ganz froh bin), aber natürlich sehe ich ein, daß dies extrem störend sein kann, wenn man es deutlich bemerkt. Anscheinend hänge ich nicht so an den Lippen der Darsteller... (Gut, ein eher blöder Witz)
Nun aber zum Kollegen Antoine:
Antoine Doinel sagte am 10. Januar 2012, 18:28:
Das ist schlichtweg falsch, und ich habe schon Bücher in zwei verschiedenen Sprachen gelesen. Die Unterschiede sind nach
meinem Gefühl wirklich gering, viel geringer als bei Filmen mit gelungener Synchronisation
Äh, wie meinen? Meinst Du, daß der Text bei einer Synchronisation stärker abweicht als bei einem Buch? Das kann schon sein, gehr aber völlig an meinem Vergleich vorbei. Der Punkt ist der: bei einer Synchronisation wird nur ein Teil des Films, der Ton, verändert. Wie Hitchcock gesagt hat:
das Bild bleibt erhalten. Und da ich der Meinung bin, daß im Film das Visuelle Vorrang hat, bleibt das Wesentliche unverändert (im Prinzip: natürlich ist die Bedeutung des Dialogs in Filmen sehr verschieden - es gibt Filme, in denen ohnehin kaum ein Wort gesprochen wird, und wo der Dialog tatsächlich nur Nebengeräusch ist, und andere, wo er von größerer Bedeutung ist).
Ganz anders dagegen bei einem Buch: das besteht aus
Wörtern, jedes noch so kleine Detail im Buch wird allein mit den Mitteln der
Sprache gestaltet, und deshalb bedeutet eine Übersetzung, daß alles, aber wirklich absolut alles verändert wird. Da gibt es die Tücken mit der Grammatik (das Finnische hat etwa 17 Fälle, nicht nur 4 wie das Deutsche). Da gibt es Doppelbedeutungen von Wörtern in der Originalsprache, für die sich in der Übersetzungssprache keine Entsprechungen finden. Da verändert sich der Klang, wenn man die Wörter laut liest. Eine Übersetzung eines Buches bedeutet, daß der Übersetzer im Grunde genommen das ganze Buch noch mal neu schreiben, neu erschaffen muß, da bleibt kein Stein auf dem anderen - eine viel fundamentalere Veränderung als die Synchronisation beim Film, bei der ja an den Film
bildern nichts geändert wird. Und von den Problemen, die bei der Übersetzung eines Werkes in Versen noch zusätzlich auftreten, habe ich ja noch gar nicht gesprochen. Die Veränderung eines Films, die der Übersetzung eines Buches entspricht, wäre die, daß
jedes einzelne Bild des Films ausgetauscht wird.
Damit will ich nun gar nicht sagen, daß die Synchronisation nun das Nonplusultra wäre, sicher nicht. Es ist eher eine Notlösung, wie Untertitelung eben auch. Am universellsten war eben der Stummfilm - da mußte nur eine Übersetzung für die Zwischentitel her. Und auch das ist vielleicht ein Grund dafüür, warum so viele Meister des Stummfilms die Einführung des Tonfilms als Verlust und nicht als Gewinn empfanden - der Stummfilm war zweifellos universeller, internationaler.
Wenn man nun es dem fremdsprachigen Publikum durch eine Synchronisation leichter machen will, dem Film zu folgen, ergibt sich das Dilemma: je visueller der Film ist (und damit auch leichter synchronisierbar), desto eher könnte man auch auf die Synchronisation verzichten. Wie viel Dialog gibt es eigentlich in "Eraserhead"? Sind das aufgeschrieben anderthalb Seiten oder ist es noch weniger? Bei "Eraserhead" besteht wirklich keine Veranlassung zu einer Synchronisation, weil der Dialog im Grunde genommen ein Nichts ist, ein Geräusch unter vielen. Anders bei einer Screwball-comedy mit vielen und schnellen Dialogen: da macht es die Synchronisation dann demjenigen, der die Originalsprache nicht kennt, leichter - aber dafür sind auch die Schwierigkeiten, so einen Film zu synchronisieren, viel größer.
Was übrigens meine eigenen Untertitelerfahrungen betrifft: ich habe mich im Laufe der Jahre dran gewöhnt, aber ich habe lange dafür gebraucht. Englische Untertitel wie bei der Berlinale sind dann noch mal eine Steigerung des Schwierigkeitsgrades, da passiert es mir schnell mal, daß ich irgendwelche Nuancen nicht mitkriege - entweder fehlt mir ein wichtiges Wort, so daß sich der Sinn eines Satzes nicht auf Anhieb erschließt, oder ich werde dadurch eben vom Bild wieder abgelenkt. Bei den privaten DVDs sieht es so aus, daß ich viele der dort versammelten Filme eben auch schon mal im Original gesehen habe, wenn es in englischsprachige sind, in drei verschiedenen Varianten (nur Original, Original mit englischen Untertiteln, Original mit deutschen Untertiteln). Am bequemsten anzuschauen finde ich aber die deutschen Fassungen, und daher greife ich auch auf diese recht häufig zurück.