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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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THE ELEPHANT MAN (David Lynch/USA 1980)



"Nothing will die."

The Elephant Man (Der Elefantenmensch) ~ USA 1980
Directed By: David Lynch

In den 1880ern erfährt der Chirurg Frederick Treves (Anthony Hopkins) von einem schwer deformierten Mann, der in der Monstrositätenschau eines Zirkus ausgestellt wird: John Merrick (John Hurt), wegen seiner furchtbaren Verformungen an den meisten Stellen seines Körpers von seinem Aussteller Bytes (Freddie Jones), der ihn permanent quält, "Elefantenmensch" genannt. Treves gelingt es, Merrick zu untersuchen. Da dieser zunächst kein Wort spricht, hält Treves ihn auch für geistig behindert. Nach einer weiteren schweren Misshandlung überantwortet Bytes Merrick für unbefristete Zeit an Treves, der ihn im London Hospital unterbringt. Hier entdeckt Treves, wer sich wirklich hinter der Physis des "Elefantenmenschen" verbirgt: Eine höchst sensible, unabänderlich freundlich und intelligente Persönlichkeit, zugänglich für Kultur und Gastfreundlichkeit, ein ausgesprochener Gentleman gar. Doch Merrick bleibt ein ewiges Opfer: Ein übler Nachtwächter (Michael Elphick) verschachert Begegnungen mit ihm in den Kneipen vom East End, schließlich entführt ihn Bytes und verschleppt ihn auf den Kontinent. Doch Merrick kann fliehen und gelangt zurück nach London, wo er, durch die Fürsprache der Theaterdiva Kendal (Anne Bancroft) ganz kurz zu einem gefeierten Mitglied der oberen Gesellschaft aufsteigt. Dann legt er sich ein letztes Mal schlafen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diesen Superlativ wirklich langfristig untermauern kann, aber ich glaube, zumindest momentan, dass David Lynch einen so vollendeten Film wie "The Elephant Man" danach nie wieder zustande gebracht hat. Nicht nur die ästhetische Meisterschaft des Films, der unter der brillanten Verwendung von Freddie Francis' Kamera wie mühelos ein ganzes Zeitalter reanimiert, reißt zu Begeisterungsstürmen hin, auch und vor allem seine emotionale Ebene; nie auch nur im Entferntesten exploitativ oder reißerisch, sondern im Gegenteil äußerst feinfühlig und wahrhaftig, involviert den Zuschauer so nachhaltig, dass man den Film, komme, was da wolle, garantiert nie wieder aus dem Kopf oder dem Herzen bekommt. Die Geschichte der Freundschaft zwischen Treves und Merrick, der in Wahrheit Joseph hieß, nicht John und der tatsächlich dazu neigte, aus seinem entstellten Äußeren selbst Kapital zu schlagen, ist eine der schönsten ihrer Art im Kino, wie wohl auch die von John Hurt personifizierte Figur des John Merrick eine der strahlendsten, liebenswertesten Gestalten der Leinwand abgibt, einen Menschen, dessen Freundschaft man sich im Leben rühmen müsste, so sie einem zukäme.
Ganz faszinierend auch Lynchs gleichermaßen faszinierte wie angeekelte Perspektive der Viktorianischen Ära, einer Zeit, so verlogen wie brodelnd: Die Hochöfen qualmen vor grauem Firmament, die Arbeiter fallen um die Fliegen, der Adel spricht von sich im Plural und die Säufer und Huren in Whitechapel leben des Nachts zwischen Dreck, Bier und schmutzigen Limericks. Dies war nicht nur die Zeit von Victoria und Joseph Merrick, es war auch die von Jack The Ripper, und, so sie zum Leben erwacht wären, die von Dr. Henry Jekyll und die des Dorian Gray - morbid und von finsterer Schönheit, ganz so wie Lynchs Meisterwerk.

10/10

David Lynch Biopic Victorian Age period piece Historie Freundschaft London Theater Industrialisierung Freddie Francis



Schön, daß Du auch Jack the Ripper erwähnst. Der Pub, in dem er seine Opfer aufgabelte, ist nur zehn Minuten Fußweg von dem Krankenhaus entfernt, wo auch heute noch eine kleine Ausstellung an Merrick erinnert.
Und die britische Verklärung der viktorianischen Zeit unterläuft Lynch ebenso bravourös wie ansehnlich.
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Ich freue mich immer, wenn dieser so oft unterschätzte Film mal angemessen gewürdigt wird, und bin mit allem einverstanden - nur der Einschätzung, Lynch habe danach nichts so vollkommenes mehr geschaffen, kann ich als glühender "Blue Velvet"-Verehrer natürlich nicht zustimmen!
Besonders großartig finde ich auch, wie Lynch dem Zuschauer im Verlauf des Films beibringt, durch Merricks Äußers förmlich hindurchzusehen, so daß man am Ende nur noch diesen wahrhaft leuchtenden Menschen John Merrick sieht, und keinen Elefantenmenschen mehr.
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Dito here: Blue Velvet, Twin Peaks, The Straight Story, Mulholland Drive - imho alle ebenbürtige Werke.
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Funxton

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