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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





Foto

REDACTED (Brian De Palma/USA, CA 2007)



"Well, I have an appointment with him - in Samarra."

Redacted ~ USA/CA 2007
Directed By: Brian De Palma

Aufgeputscht von Alkohol, Drogen, sexueller Frustration und vor allem Rachegedanken bezüglich des gewaltsamen Todes ihres Sergeants (Ty Jones) machen sich zwei in Samarra stationierte, junge US-Soldaten (Reno Flake, Daniel Stewart Sherman) auf, ein einheimisches fünfzehnjähriges Mädchen (Zahra Zubaidi) zu vergewaltigen. Dabei werden das Mädchen selbst und seine Familie kurzerhand hingemordet. Ein Zeuge (Rob Devaney) des Verbrechens hält den seelischen Druck schließlich nicht länger aus und vertraut sich der Kommandatur an.

Diverse Kritiker fragten sich und auch ihn selbst, warum De Palma ausgerechnet ein "Remake" seines wenig erhebenden Film "Casualties Of War" vor Golfkriegskulisse machen musste. Eine lächerliche und obsolete Unterstellung. Wie "Casualties" basiert nämlich auch "Redacted" auf einem authentischen Verbrechen, dass sich nur ein paar Jahre zuvor auf irakischem Boden ereignete. Selbst De Palmas Kulturdidaktik konnte der Bestie Mensch langfristig keine Vernunft einbläuen. "Redacted" liefert eine hochkomplexe Meditation über das Wesen nicht nur der Massenmedien, sondern auch über das des Filmemachens, die Godards vielzitiertes Paradigma, demzufolge Film 24-mal pro Sekunde Wahrheit sei, wütend ad absurdum führt. Der Film zeigt, dass es niemals die eine Wahrheit geben kann, schon gar nicht bei entsprechender Nachbereitung des Materials. De Palma entlarvt sich demzufolge freimütig selbst als einen der größten Lügner von allen. Sein Metier lässt, soviel lässt sich ferner noch feststellen, allerdings auch keine andere Verfahrensweise zu. Die chronologisch abgespulten Ereignisse des Films lassen sich auf mehrere Quellen zurückführen: Auf die Amateuraufzeichnungen eines jungen Private (Izzy Diaz), auf eine "kunstbeflissene" Dokumentation eines französischen Filmteams (deren Bilder unbentwegt von Händels Sarabande unterlegt sind) den Internetstream eines arabischen Terrornetzwerks, Bilder von Überwachungskameras und Youtube-Clips. De Palma jedoch montiert, er bastelt daraus erst die dramturgische Kohärenz, er ist der "Redakteur", wenngleich die geschwärzten und von ihm wieder erfahrbar gemachten "Textstellen" einen authentischen Ursprung haben. Am Ende ist jedoch auch dieser Film nur eine Varianz der Wahrheit. Er selbst aber weiß dies am Besten und macht auch keinen Hehl daraus, was ihn sogar noch wertvoller macht als er es ohnehin schon ist.

9/10

Brian De Palma Golfkriege Naher Osten Militär embedded filming Vergewaltigung



So sehr ich auch Deine Euphorie verstehe, aber De Palma führt wohl letztlich weniger Godards Aussage ad absurdum, sondern mehr den Glauben, man könne durch Film und Fotografie in Form dokumentarischen Anspruchs die eine Wahrheit einfangen oder abbilden. Godards Aussage ist eher auf einen sartreschen Wahrheitsbegriff im Sinne existenzialistischer Realitäts- und Sinneswahrnehmung gemünzt, was (zunächt) eine andere Baustelle ist.
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Vielleicht lässt sich Godards Zitat ja auch in eine weniger philosophische, materiellere Lesart überführen. Mir schossen während "The Redacted" jedenfalls relativ schnell und dann fortwährend obiges Zitat und seine Quelle "Le Petit Soldat", der ja auch vor einem imperialistisch-verlogenen Kriegshintergrund spielt, durch den Kopf. Daher fand ich es auch gewissermaßen "unwiderstehlich", das Ganze in meinem Text anzubringen, einer möglicherweise mangelnden wissenschaftlichen Trennschärfe zum Trotze.
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Zitat

Vielleicht lässt sich Godards Zitat ja auch in eine weniger philosophische, materiellere Lesart überführen.
Mit Sicherheit und wie das mit über die Jahrzehnte und Jahrhunderte kolportierten Sprichwörtern so ist, werden sie oft nur noch in ihrer "Für-Wort-Nahme" gelesen und aus ihrem Kontext exkludiert. Da die philosophische Prägung der Arbeiten Godards (insbesondere durch Sartre) jedoch essenziel ist, wollte ich es zumindest erwähnt haben.

Zitat

Daher fand ich es auch gewissermaßen "unwiderstehlich", das Ganze in meinem Text anzubringen, einer möglicherweise mangelnden wissenschaftlichen Trennschärfe zum Trotze.
Nichts dagegen einzuwenden. Ich habe auch hier wieder lange überlegt, ob ich es überhaupt anmerken soll, da ich mich auch ein wenig vor Deiner Reaktion gefürchtet habe und hätte es fast auch wieder gelöscht, aber inzwischen ziehe ich mich mit allem, was irgendwie wissenschaftlich klingt, soweit zurück, weil ich niemanden belästigen möchte, dass ich mich hier im Forum schon fast verleugne. Aber ab und zu muss ich doch mal was sagen. :)
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Immer raus damit, alles andere gibt bloß Magengeschwüre ;)
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@both
TOP!!!

„Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen der Welt - meiner Sprache, meiner Welt.“

- die Grenze der Wahrheit, ist die Wahrnehmung und die geistige Repräsentation - die Wahrnehmung des Betrachters und seiner Ideen.

So hast du in einem Bild wohl ein oder sogar mehrere Wahrheiten, aber doch selten in absoluter Form und auch meist unvollständig. Soll heißen, die Wahrheit kann noch viel mehr bedeuten, als nur der eine teil (während eines frames oder eines Films oder einer Trilogie oder ... filmischen Enzyklopädie) den wir wahrnehmen und denken.

Es ist (teil, und somit auch relatives ganzes) und es ist doch nicht (alles) - und oft, gibt es auch vor zu sein.
;)
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Funxton

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