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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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TURKS FRUIT (Paul Verhoeven/NL 1973)



Zitat entfällt.

Turks Fruit (Türkische Früchte) ~ NL 1973
Directed By: Paul Verhoeven


Erik (Rutger Hauer), ein selbstsüchtiger, junger Amsterdamer Bohèmien, lernt eines Tages die Kaufmannstochter Olga (Monique van de Ven) kennen. Man verliebt sich Hals über Kopf ineinander und heiratet entgegen aller Konventionen, nur um irgendwann feststellen zu müssen, dass die unterschiedlichen Existenzansätze der beiden doch nicht miteinander vereinbar sind. Erik weigert sich zwar, Olga einfach so aufzugeben, doch die übermächtige Autorität ihrer dämonischen Mutter (Tonny Huurdeman) obsiegt am Ende. Erik ist am Boden zerstört. Als er, innerlich und emotional gereift, Olga nach ein paar Monaten wiedertrifft, hat sie wegen eines Hirntumors nur noch wenige Tage zu leben.

In seinem zweiten Spielfilm nach dem leider eher selten anzutreffenden "Wat Zien Ik" wagt Verhoeven einen radikalen Gegenentwurf zu etabliertem Hollywoodkitsch wie "Love Story" - weitgehend unsentimental erzählt er den Reifeprozess eines jungen Wilden, der morbiderweise erst über den Tod seiner Geliebten hinaus erwachsen zu werden und ein verantwortungvolles Leben zu führen imstande ist. Am Anfang besitzt Erik noch den Habitus eines typischen rotznäsigen Künstlers, dem die Missachtung jeglicher Sozialkonventionen über alles geht. Die Liebe zu Olga kann diese Position nicht schmälern, wobei sie anfänglich noch auf seinen unstillbaren Sexhunger eingeht und sich seine teils derben, geschmacklosen Scherze gefallen lässt. Die Zäsur folgt an einem Abend im chinesischen Restaurant: Olga, ihre Mutter und deren provinzielle Freunde amüsieren sich nach einigen Gläsern in widerwärtigst-biederer Schunkelmanier, was Erik mit einem gewaltigen Kotzanfall bei Tisch quittiert - bis heute eine der stärksten Szenen im kompletten Schaffen Verhoevens. Es folgt noch eine räsonierende Ohrfeige, und die Liaison bis auf weiteres beendet. Die Beziehung, so wie sie eigentlich sein soll, von Aufopferung und Zärtlichkeit geprägt, findet dann tragischerweise erst ihren rechten Platz, als sich der Tod bereits seinen Weg bahnt.
"Turks Fruit" galt damals als Skandalfilm, wegen diverser unerhört tabuloser Szenen, die ich hier jetzt gar nicht groß aufzuzählen gedenke. Letztlich besaß Verhoeven schon damals das, was ihm auch später noch den Ruf eines enfant terrible eintrug: Den Mut, bestimmte Dinge, die es verdienen, beim Namen zu nennen und sie nicht wie die meisten seiner Kollegen in großflächig tolerierte Symbolismen, sondern in eine so vitale wie aufrichtige Bildsprache zu kleiden.

8/10

Coming of Age Paul Verhoeven Skandalfilm Amsterdam Amour fou Kunst



Ich habe den Film erst letztes Jahr zum ersten Mal gesehen. Seitdem beschäftigt mich eine Frage:

Was ist real und was Phantasie, was in dem Film Einbildung?

Mir würde es sogar besser gefallen, wenn es darauf keine eindeutige Antwort geben würde. Zumal mir Türkische Früchte einerseits so bewußt-provokant erschien und so hätten sich dann viele über derartig Gezeigtes echauffieren können, aber jenseits der Oberfläche bliebe da noch etwas, was den Film weitaus interessanter machen könnte, ihm mehr Tiefe geben würde.
Hat Eric sie umgebracht und das was danach kommt ist nur ein Hirngespinst Eric's und sein Geist, seine Psyche bastelt ihm dieses schizophrene Alternativende, wo er sie noch pflegen kann, sich sozusagen in ein besseres Licht stellen kann? War das Töten von Olga und ihrem bürgerlichen Liebhaber nur eine kurze Idee, also lediglich ein Gedankenspielfilm in seinem Kopf, was ich für bare Münze nahm?

Eine Zweitansicht wäre nicht schlecht...
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Hiho,
danke für deine Rückmeldung :)

Phantomias sagte am 17. März 2010, 16:24:

Ich habe den Film erst letztes Jahr zum ersten Mal gesehen. Seitdem beschäftigt mich eine Frage:

Was ist real und was Phantasie, was in dem Film Einbildung?

Mir würde es sogar besser gefallen, wenn es darauf keine eindeutige Antwort geben würde. Zumal mir Türkische Früchte einerseits so bewußt-provokant erschien und so hätten sich dann viele über derartig Gezeigtes echauffieren können, aber jenseits der Oberfläche bliebe da noch etwas, was den Film weitaus interessanter machen könnte, ihm mehr Tiefe geben würde.
Hat Eric sie umgebracht und das was danach kommt ist nur ein Hirngespinst Eric's und sein Geist, seine Psyche bastelt ihm dieses schizophrene Alternativende, wo er sie noch pflegen kann, sich sozusagen in ein besseres Licht stellen kann? War das Töten von Olga und ihrem bürgerlichen Liebhaber nur eine kurze Idee, also lediglich ein Gedankenspielfilm in seinem Kopf, was ich für bare Münze nahm?
Nein, diese Anfangssequenz mit dem Totschlag ist, auch wenn das aufgrund ihrer dramturgisch betrachtet sehr zentralen Lage sich etwas verwirren kann, schon Eriks Phantasiekonstrukt, sein persönlicher, innerer Weg der Rache (wie ihn sicher viele im Stich gelassene durchleben...)
Nachdem Erik sich darin zur Genüge gewälzt und seine Leben hat schleifen lassen, kann er ja endlich seinen zaghaften "Neuananfang" wagen, der mit allerlei Ersatzpromiskuität allerdings zunächst gänzlich "unbefriedigend" für ihn ausfällt. Sein versöhnliches Schlüsselerlebnis ist dann das Gesundpflegen der Möwe, ein symbolisches Loslassen der Vergangenheit. Ergo ist der Rest (zumindest filminterne) Realität.

Phantomias sagte am 17. März 2010, 16:24:

Eine Zweitansicht wäre nicht schlecht...
Sowieso :cheers:
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:) Funxton, danke für die Antwort.

Das der Film mit dieser Szene anfängt, hatte ich ganz vergessen. Ich habe vorhin noch mal die Szene gesucht (meinte, dass sie irgendwann nach der Hälfte kam) und um 1:17 rum dann gefunden. Daher habe ich auch nicht am Anfang gesucht.

Dann frage ich mich aber doch: Warum kommt sie nochmal - zwar etwas verkürzt - vor? Hat sie einen besonderen Sinn, oder habe ich mich von Verhoeven aufs Glatteis führen lassen?

Dagegen habe ich ja grundsätzlich nichts.

Vielleicht wollte ich einfach, dass sich hinter dem Vordergründigen etwas verbirgt, was den ganzen Film raffinierter machen würde.
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Phantomias sagte am 17. März 2010, 18:53:

Dann frage ich mich aber doch: Warum kommt sie nochmal - zwar etwas verkürzt - vor? Hat sie einen besonderen Sinn, oder habe ich mich von Verhoeven aufs Glatteis führen lassen?
Dafür kommen wohl mehrere Gründe in Frage: Zum einen handelt es sich ja um ein relativ wichtiges, wenn auch irreales Handlungselement, das durch die zusätzliche Repetierung sogar noch zusätzlich an Gewicht gewinnt; zum anderen ist die Szene als narratives Bruchstück für den Erstseher ja erst dann richtig verständlich, wenn sie zum zweiten Mal gespielt wird. Zu Beginn weiß man ja noch gar nicht, was dieser urplötzliche Gewalteinbruch überhaupt zu bedeuten hat. Als er dann innerhalb der Chronologie der Ereignisse seinen ordnungsgemäßen Platz einnimmt, wird er eben nochmals (in verkürzter Form, genau) gezeigt. Daher sicherlich die ergänzende spätere Einbettung.

Phantomias sagte am 17. März 2010, 18:53:

Vielleicht wollte ich einfach, dass sich hinter dem Vordergründigen etwas verbirgt, was den ganzen Film raffinierter machen würde.
Mag sein. Ich empfinde gerade das, was du als 'vordergründig' bezeichnest, eher als erfrischend und wohltuend für den Film als Ganzes. Er wirkt doch sehr lebensbejahend und unverbraucht, besonders in Anbetracht seines Alters und zeitlichen Entstehungskontextes.
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