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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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SLEEPERS (Barry Levinson/USA 1996)



"Hell's Kitchen. It is the lost and found of shit."

Sleepers ~ USA 1996
Directed By: Barry Levinson

Im Sommer 1967 verursachen vier jugendliche Freunde aus Hell's Kitchen, Lorenzo (Joe Perrino), Michael (Brad Renfro), John (Geoffrey Wigdor) und Tommy (Jonathan Tucker) aus kriminellem Leichtsinn heraus einen schweren Unfall: Ein von ihnen gestohlener Hot-Dog-Wagen zerquetscht beinahe einen unbeteiligten Passanten. Es folgt ein rund anderthalbjähriger Jugendarrest im Wilkinson-Gefängnis, der das Leben der Jungen nachhaltig verändert: Die Wächter um den sadistischen Nokes (Kevin Bacon) prügeln, foltern, missbrauchen, vergewaltigen die Freunde, die aus Scham über das Erlebte nie zu sprechen wagen. Rund 15 Jahre später begegnen John (Ron Eldard) und Tommy (Billy Crudup) Nokes zufällig in einer Kneipe und erschießen ihn. Michael (Brad Pitt), nunmehr Staatsanwalt, sieht in dem Mord die Möglichkeit, seine lange schwelende Rache an der Wachmannschaft von Wilkinson in die Wege zu leiten. Zusammen mit Lorenzo (Jason Patric) fasst er einen komplexen Plan, wie John und Tommy freikommen und die alte Rechnung beglichen werden kann.

Nach dem doch sehr sleaze-affinen "Disclosure" machte sich Levinson an ein wesentlich ernsteres und brisanteres Thema: Den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlen im Staatsgewahrsam. Basierend auf einem Buch von Lorenzo Carcaterra, der ebenjene im Film wiedergegebene Ereignisse, oder zumindest Teile davon, höchstselbst erlebt haben will.
Als ich "Sleepers" damals erstmalig im Kino sah, fand ich ihn ärgerlich bis mäßig, weil hier offensichtlich einer probierte, Scorsese seine Dömäne streitig zu machen, und das auch noch mit Unterstützung seines (damaligen) Hausstars Robert De Niro. Besonders das erste Viertel des Films, dass mit teils humorig-liebevoll-nostalgischem, teils sozialkritischem Blick die typische Jugend jener vier New Yorker Jungs in den Spätsechzigern abbildet, wirkt mit seiner weichen Unterlage zeitgenössischer Songs wie der zigste Abzug einer x-mal betrachteten Fotografie. Doch auch was dem folgt, kann nicht eben als innovativ bezeichnet werden: Psychische Sollbruchstellen, die nie aufgearbeitet wurden, ein komplexer Racheplan, ein Priester, der mit seinem Glauben und Gewissen hadert, weil er einen - moralisch gerechtfertigten - Meineid leisten soll. Die Figuren stammen durchweg aus der Kiste der Kintopp-Stereotypen, vom alternden Revier-Paten (Vittorio Gassman) über den prügelnden Familienvater (Bruno Kirby) und den fetten Kioskbetreiber (Frank Medrano), bis hin zum versoffenen Anwalt (Dustin Hoffman) und besagtem, väterlichen Pfarrer (De Niro). Und natürlich darf und muss einer der vier miesen Knastwärter (Terry Kinney) auch echte Reue zeigen. Vielfache Gelegenheit für eine mehr als beachtliche Starbesetzung, ihr gewohnt patentes Können zu demonstrieren, was auch für die tadellose Formseite von "Sleepers" gilt, die unter anderem einen tränentreibenden John-Williams-Score vorschützt.
Heuer gefällt mir "Sleepers" etwas besser, weil ich mich mittlerweile im Stande sehe, sein doch sehr kalkülbedachtes Wesen zugunsten seiner fraglos vorhandenen Qualitäten weitgehend abstrahieren zu können. Das macht sein allzu emsiges Bestreben, vor allem feuilleton- und zuschauergerechtes Kino herzustellen, jedoch nicht unbelassen. Dass damit sein tatsächlich schlimmes, ja, furchtbares Sujet zu einem schicken Hochglanzfilm "umgearbeitet" wird, hinterlässt bei mir nach wie vor einen schalen Beigeschmack.

6/10

Barry Levinson New York Freundschaft Sexueller Missbrauch Rache Courtroom Jugendarrest Gefängnis



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Funxton

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