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Nummer 37

oder auch: der dritte Versuch.




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Dem Publikum eine Idee einpflanzen



INCEPTION
Christopher Nolan, 2010

Da sieht man einmal, was die Beinahe-Abwesenheit von den filmforen mit mir anstellt. Vielleicht ist es auch schon das erste Anzeichen von Altersmilde, aber ich kann mich den hier im Forum vorherrschenden Vorwürfen gegen Nolan und den Film jedenfalls nicht anschließen. Und dabei reagiere ich selbst besonders empfindlich auf das Gefühl, von einem Film für dumm verkauft zu werden, wenn mir dieser Komplexität für Deppen andrehen will.

Nur: Ich kann diesen Vorwurf gegen INCEPTION einfach nicht unterschreiben. Obwohl ich ihn sogar nachvollziehen kann. Der mickrige Realitäts-Diskurs ist für den hohlen Zahn und natürlich in keiner Weise neu, und schon in tausend Filmen gesehen und überhaupt und unsubtil und sowieso. Moment, unsubtil? Wirklich? Ja, jeder Idiot bemerkt, spätestens beim nur vielleicht umfallenden Kreisel, dass man sich hier nicht ganz sicher sein kann und soll. Aber bloß, weil er unmissverständlich klarstellt, worum es hier geht, ist das doch nicht gleich fehlende Subtilität, jedenfalls nicht nach meinem Verständnis. Nolan begeht - und genau das unterscheidet ihn von Bulldozern wie Michael Bay, Roland Emmerich oder Zack Snyder - nie den Fehler, seinen Diskurs in die narrative Ebene hinüberzuziehen. Natürlich spannt er sich aus dieser auf, aber er bleibt - wenn auch im Falle von INCEPTION nur haarfein - von ihr getrennt, ist immer noch das Resultat einer - ja, ja: meinetwegen viel zu naheliegenden - Interpretation. Nur einmal, als erklärt wird, welchen Zweck das Totem erfüllt, formuliert sich der "philosophische Überbau" kurz.

In Ordnung, besagter Diskurs - was ist real und was nicht - ist bei Licht betrachtet natürlich keiner, oder er wird wenigstens nicht durch diesen Film befeuert. Diesem Vorwurf kann ich mich schon auch uneingeschränkt anschließen. Aber ist das - neben der Erzählung - wirklich die einzige Ebene, auf der INCEPTION funktioniert? Spricht er nicht - mal so ein Schnellschuss ins Blaue - auch über Ideen und ihre Entstehung, über Sozialisation und Individualität, über die Subjektivität von Zeit und Zeitempfinden, über - da schließt sich der Kreis ein wenig - die Realität von Beziehungen? Das sind natürlich alles ebenso hohle Stichworte, die ich hier grade in den Raum werfe, das ist mir schon klar. Aber warum sich alle kritischen Rezensenten ausgerechnet an dem einen Thema abarbeiten, das INCEPTION schon direkt in der Narration erwähnt, aber jede andere mögliche Interpretationsidee völlig unter den Tisch fallen lassen, weil Nolan sie eben nicht explizit vorschlägt, das ist mir ein Rätsel. Hochgradig seltsam finde ich dann, wenn die gleichen kritischen Zuschauer es dem Film einerseits anlasten, den billigen Monodiskurs seinem Publikum gleich aufzuzwängen, sich aber gleichzeitig von genau dieser Expliziertheit das verschleiern lassen, was sie bei anderen Filmen allzu gerne aus den Tiefen des Subtextes heraustauchen.

Ich mein, bitte: Ist ausgerechnet INCEPTION, dem man in diversen Kritiken mit Freud kommen musste - mal positiv, mal negativ, ganz wie es dem jeweiligen Autoren gerade in den Kram gepasst hat - jetzt wirklich so arm an Subtexten, wie man sich hier einig zu sein scheint? Ich weiß nicht, ob man die Vorwürfe, die man an Nolans Film richtet, nicht eher auf die Kritiker zurückspiegeln kann, denn genug Stoff und Komplexität, um auch sie wenigstens theoretisch zufrieden stellen zu können, bietet INCEPTION durchaus.

Mal ein Vorschlag, ein Beispiel: Da geht es um die Einpflanzung von Ideen, und schon der Filmtitel bezeichnet dieses Konzept, und dann pflanzt der Film (Ist ein Film, speziell dieser Film, eigentlich von seiner Konstruktion etwas anderes als genau die Träume, wie er selbst sie beschreibt? Voll von Projektionen, verschachtelten Ebenen, Suggestion, geschaffen von einem Eindringling und Architekten, sorgsam aufgebaut, als "maze", als Irrgarten, in dem sich sein Opfer verlaufen soll? Einmal beschreibt diCaprio ja sogar, dass man sich in Träumen oft in einer Situation wiederfindet, ohne sich an den Weg dahin erinnern zu können - ganz wie im Film, in diesem wie in anderen, Schnitttechnik und -stil sei dank...) offenbar sämtlichen Zuschauern die Idee ein, dass es in ihm selbst nur um dieses eine Thema gehen soll? Bin ich der einzige, der das Funktionieren dieses kleinen Meta-Kniffs für einen mittleren Geniestreich hält?

Wenn ich INCEPTION etwas vorwerfen will, dann höchstens, dass er zu vielen gefallen will, und man ihm diese Krampfhaftigkeit auch anmerkt. Einige Kanten mehr hätte der Film durchaus vertragen können, und auch das etwas unentschlossene Oszillieren zwischen Schauwerten und Inhalt, ohne diese beiden Ebenen so richtig unverzichtbar miteinander zu verknüpfen, ist nicht gerade seine Stärke. Und, natürlich: INCEPTION ist schon auch Anspruch für Deppen, da will ich gar nicht widersprechen. Aber dass all die Nicht-Deppen da draußen nicht bemerken, dass auch sie zu seinem Publikum gehören könnten, wenn sie nur über diese erste Stufe hinaussehen könnten, das kann man Nolan und seinem Film nicht anlasten.

"Wenn ich INCEPTION etwas vorwerfen will, dann höchstens, dass er zu vielen gefallen will." Aber genau dieser Vorwurf ist auch seine größte Stärke. Denn Nolan schafft mit all seinen Filmen - vielleicht nehmen wir FOLLOWING aus - genau das: Sie sind der perfekte Brückenschlag zwischen Blockbuster und Arthaus, zwischen Multiplex und Programmkino. Nimm INCEPTION das gewaltige Budget und Marketing, und lass ihn OmU auf den Filmfesten dieser Welt laufen, und ich wette, dass einige der gleichen Autoren, die ihn jetzt hassen, plötzlich mindestens mögen, wenn nicht gar feiern würden. Nolans Filme können allen gefallen, funktionieren eben sowohl auf narrativer Hirn-aus-Action-geil-Ebene, als auch als intellektuelle Inspiration. INCEPTION ist vielleicht nicht das allerbeste Beispiel in seinem Werk - dafür würde ich PRESTIGE halten -, aber stellt auch keine negative Ausnahme dar.

Christopher Nolan Traum Trotz



Der wahre Treppenwitz um "Inception" liegt möglicherweise darin, dass er über seine (zwangsläufigen) Polarisierungspfade hinaus und ohne eigenes weiteres Zutun zum cineastischen Obligatorium gereift ist - vielleicht unberechtigterweise. Mir scheint fast, das momentan adäquateste Statement zum Film liegt in selbstauferlegter Abstinenz bzw. Ignoranz...

Im Übrigen wollte ich hauptsächlich zum Ausdruck bringen, wie schön ich es finde, dass du ein neues FTB aufgemacht hast. Möge es rasch wachsen und gedeihen :cheers:
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Schöner Text, spricht mir ein wenig aus der Seele. Fand den Film auch ziemlich klasse, aber eben nicht wegen metaebenen-intelektuellen-interpretationskrimskrams, sondern als relativ schnörkelloses und unkompliziertes Actiondrama. Ja, gibts tatsächlich leute, die den Film ganz normal angenehm fanden. Das Nolan etwas sein können ausstellt, bzw. etwas verkrampft ist, war auch bei mir der einzige wirkliche Vorwurf. Der Rest war für mich eigentlich Hollywoodkino wie ich es mir wünsche. Wirklich mal ein Film für alle, der keinen überfordert, aber auch nicht zum Hirnausschalten einlädt. Arthouse oder Programmkino war das für mich zwar nicht, aber ich verstehe voll und ganz was du damit sagen willst.

Und deine OmU-Feststellung ist zum niederknien. Als asiatischer Actionfilm, wäre dasselbe Produkt sicherlich ziemlich einstimmig zu einem neuen "Infernal Affairs" geworden.

Im Endeffekt sind auf inception (oder den Werbe-Hype) auch alle "Hasser" reingefallen. Den so viel aufmerksamkeit verdient INCEPTION eben nie und nimmer - und bekommt sie doch.

Das zukünftige Filmwissenschaftler diesen FIlm wohl wie die Werke Lynchs, Cronenbergs oder vor 10 jahren mit Matrix geschehen, ständig auseinandernehmen werden, wird dann sicher nicht nur den Professoren zum Hals raushängen, sondern treibt mir die Gänsehaut ob der Einfallslosigkeit der Filmliebhaber (und eben nicht des Films) ins Genick...
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@Funxton: Stimme dir da zum Teil zu, nur ist doch der eigentliche Witz dabei, dass Inception von sich aus gar kein polarisierendes Potential besitzt. Die Kontroverse läuft da irgendwie mit eigenem Motor nebenher, in Kritiken und Film-Communitys. Hätte mir nach meinem Kinogang und vor dem ganzen Rummel jemand erzählt, dass Inception Lager spalten wird, ich hätte ihm den Vogel gezeigt.

@djmacbest: Ganz genauso sehe ich das auch. Schöner Text!
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Bob sagte am 31. Dezember 2010, 17:01:

@Funxton: Stimme dir da zum Teil zu, nur ist doch der eigentliche Witz dabei, dass Inception von sich aus gar kein polarisierendes Potential besitzt.
Das habe ich auch nicht behauptet bzw. würde es nicht behaupten wollen. Die oben von mir angesprochenen, "zwangsläufigen Polarisierungspfade" beziehen sich auf die (naturgemäß noch nicht lange währende) Rezeptionsgeschichte des Films: Von Null auf Hundert hochgejubelt und zum Kinomanifest erklärt, mussten da über kurz oder lang eben auch andere Stimmen laut werden, die entweder aus Überzeugung oder auch Trotz diametral reagieren. Eine ganz normale und regelmäßig zu beobachtende Entwicklung bei einem solchen Wahrnehmungsstart.

Bob sagte am 31. Dezember 2010, 17:01:

Die Kontroverse läuft da irgendwie mit eigenem Motor nebenher, in Kritiken und Film-Communitys. Hätte mir nach meinem Kinogang und vor dem ganzen Rummel jemand erzählt, dass Inception Lager spalten wird, ich hätte ihm den Vogel gezeigt.
Genau das ist der Punkt. Ich weiß immer nicht so ganz, ob ich derlei als stiller Beobachter amüsant oder als gemäßigter Anhänger des Mediums peinlich finden soll, zumal der eigentliche Stein des Anstoßes weder das Eine noch das Andere rechtfertigt. Das Beste ist da vermutlich, einfach wieder zu Tagesordnung überzugehen und in Ruhe das nächste Phänomen dieser Art abzuwarten, denn das kommt ganz bestimmt.
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Also ich sehe das alles etwas anders. Erstens ist die Polarisation m.E. schon in der Filmstruktur selbst angelegt. Denn Nolan hat ja ein grundsätzliches "Problem", bei allen seinen Filmen: Diese Ernsthaftigkeit seiner Filme, diese Humorlosigkeit in ihren ausgeklügelten und komplexen Handlungen - eben die Schwere und Bedeutungsschwangerschaft der erzählerischen Vortragsweise. Das durchzieht all seine Filme und daran - nur daran - hat man dann zu messen, was eigentlich erzählt wird und ob das, was erzählt wird, überhaupt auf diese Weise erzählt werden kann. Und bei INCEPTION scheint die Plot-Grundidee - wie dj schon richtig gesagt - irgendwie allenthalten recht simpel. Natürlich wird die Idee durch die im Film stattfindende Verschachteltung komplexer, unübersichtlicher... was aber nicht heißt: klüger und ausgereifter. Und messen wir Nolans bierernsten Erzählstil an dieser einfachen Grundkonstruktion der Handlung, dann will einem INCEPTION schon anmaßend erscheinen. Aber das wäre nur eine Bewertung dieses Verhältnisses zwischen dem, was erzählt wird, und dem, wie es erzählt wird. Andere können zu einem anderen Ergebnis kommen. Wie auch immer: Die Polarisation ist schon im Film angelegt, eben besonders aufgrund der erwähnten typischen Erzählweise Nolans, die man schon als extrem bezeichnen kann.

Zweitens danke ich dj, dass er auch andere Aspekte hinter der so oft diskutierten Grundidee der ineinander geschachtelten Traumwelten anspricht. Eine Diskursverbreitung kann dem Denken über den Film nur gut tun.

Meine Meinung zu INCEPTION wird das aber auch erst einmal nicht ändern. Er lässt mich emotional total kalt und desinteressiert an den Figuren, was mir bei Nolan immer mal passiert, aber sich hier wirklich ins kaum Erträgliche steigert. Zudem bereitet es mir mittlerweile ziemliche Kopfschmerzen, dass der Film nicht einmal seine Grundhandlung (von djs angerissenen Subtexten will ich hier jetzt noch nicht einmal sprechen) über Bilder erzählen kann, sondern ständig durch erklärendes Figuren-Geschwafel vorantreibt. Das erscheint mir so total unfilmisch... vielleicht eine Folge seines bierernsten Erzählstils?
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Ich verstehe nicht, wie man einen Film im Rahmen fremder Rezeption bewerten kann?! Ob ein Film hochgejubelt wird oder nicht sollte doch eigentlich schnurz sein. Entweder ein Film gefällt oder eben nicht.
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@ bekay: Schlüssig. So gesehen bringt "Inception" sein Polarisierungspotenzial tatsächlich bereits auf intrinsischem Wege mit. Im Übrigen gefällt der Film mir rückblickend und je mehr ich drüber nachdenke auch immer weniger. Vielleicht sehe ich ihn mir einfach nochmal an.

@ Howie: Das hat doch niemand getan, seine Ansicht betreffs des Films von anderen abhängig gemacht. Es wurde zwar über Publikumshaltungen
und -meinungen gesprochen, aber es hat doch niemand behauptet, dass seine Ansicht zu "Inception" vom allgemeinen Geplänkel über den Film beeinflusst worden sei?! Oder habe ich was verpasst :unsure: ?
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@bekay: Gerade diesen Vorwurf mit der Figurenrede kann ich nicht so sehr nachvollziehen. Ich habe bei Nolans Filmen - im Gegensatz zu anderen - nie das Gefühl, dass er seine Figuren den Film erklären lässt, da gibt es weitaus schlimmere. Und auch INCEPTION hat doch jede Menge Einstellungen, in denen ganz ohne Worte viel über die darin entworfene Welt festgestellt wird. Ich habe es oben ganz kurz angerissen: Vor allem den Schnitt fand ich oft besonders grandios und hat mich an die besten Passagen von MULHOLLAND DRIVE erinnert, der es auch schafft, nur über dieses Mittel allein Surrealität zu erzeugen, ohne aber die Übersicht zu opfern - was wiederum die wenig subtile Alternative wäre.

Unabhängig von all dem: It's good to be back! :cheers:
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@bekay: Also Nolan's Erzählstil für extrem zu befinden, kommt mir sehr extrem vor. ;)
Ich vermute du relativierst das an dem unbestimmten Feld der gängigen Blockbuster, denn ganz generell baut Nolan doch nicht meilenweit entfernt vom US-amerikanischen Kino.
Zu den Figuren und Emotionalität: Das muss anscheinend Empfindungssache sein, denn diese von dir bemerkten Defizite, mutmaßlich dem trockenen Erzählen geschuldet, kann ich so nicht teilen. Diese Wirkung wird wahrscheinlich weniger mit konventionellen Mitteln erzeugt, also zB über bewegende Musik und exponierte Sequenzen voller Tragik, aber wenn man fähig ist auch ohne solch einlullender Vorgehensweisen Fühlen zu können, kann Inception schon konstant traurig stimmen. Der ganze Film ist doch eigentlich ein Verdrängungsakt, ausgelöst durch den Verlust eines geliebten Menschen. Dass das ganze dann meinetwegen bieder abläuft, macht es eigentlich nur noch trauriger.
Aber das will ich hier nicht weiter vertiefen, schließlich ist Inception an der Oberfläche zu einem nicht unerheblichen Teil ein Heist-Movie und die angesprochene Bitterkeit mag sich nur um einen sehr persönlichen Eindruck meinerseits halten. The Prestige finde ich ähnlich verzweifelt; kein Impuls scheint den Menschen von einem eingeschlagenen Weg abbringen zu können - sei dieser aus Trauer, Eitelkeit oder gar nicht greifbaren Beweggründen entstanden. Und das Leben ist leider kein Film, bei dem man auf eine finale Katharsis hoffen könnte (ich würde es dann aussitzen :D ). Diese Erkenntnis bietet zumindest mir genug, um zwischen Nolan's Zeilen emotionale Zerwürfnisse lesen zu können. Den trockenen Stil finde ich dabei ungemein ansprechend!
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Funxton sagte am 01. Januar 2011, 20:07:


@ Howie: Das hat doch niemand getan, seine Ansicht betreffs des Films von anderen abhängig gemacht. Es wurde zwar über Publikumshaltungen
und -meinungen gesprochen, aber es hat doch niemand behauptet, dass seine Ansicht zu "Inception" vom allgemeinen Geplänkel über den Film beeinflusst worden sei?! Oder habe ich was verpasst :unsure: ?

Naja, mir fiel schon auf, dass in fast jeder Review des Films auf die Rezeptionsgeschichte des Films verwiesen wurde. Mir kommt das vor, als würde INCEPTION an etwas gemessen, wofür Nolan gar nichts kann: die Internet-Community.
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bekay sagte am 01. Januar 2011, 19:19:

Also ich sehe das alles etwas anders. Erstens ist die Polarisation m.E. schon in der Filmstruktur selbst angelegt. Denn Nolan hat ja ein grundsätzliches "Problem", bei allen seinen Filmen: Diese Ernsthaftigkeit seiner Filme, diese Humorlosigkeit in ihren ausgeklügelten und komplexen Handlungen - eben die Schwere und Bedeutungsschwangerschaft der erzählerischen Vortragsweise. Das durchzieht all seine Filme und daran - nur daran - hat man dann zu messen, was eigentlich erzählt wird und ob das, was erzählt wird, überhaupt auf diese Weise erzählt werden kann. Und bei INCEPTION scheint die Plot-Grundidee - wie dj schon richtig gesagt - irgendwie allenthalten recht simpel. Natürlich wird die Idee durch die im Film stattfindende Verschachteltung komplexer, unübersichtlicher... was aber nicht heißt: klüger und ausgereifter. Und messen wir Nolans bierernsten Erzählstil an dieser einfachen Grundkonstruktion der Handlung, dann will einem INCEPTION schon anmaßend erscheinen. Aber das wäre nur eine Bewertung dieses Verhältnisses zwischen dem, was erzählt wird, und dem, wie es erzählt wird. Andere können zu einem anderen Ergebnis kommen. Wie auch immer: Die Polarisation ist schon im Film angelegt, eben besonders aufgrund der erwähnten typischen Erzählweise Nolans, die man schon als extrem bezeichnen kann.

Zweitens danke ich dj, dass er auch andere Aspekte hinter der so oft diskutierten Grundidee der ineinander geschachtelten Traumwelten anspricht. Eine Diskursverbreitung kann dem Denken über den Film nur gut tun.

Meine Meinung zu INCEPTION wird das aber auch erst einmal nicht ändern. Er lässt mich emotional total kalt und desinteressiert an den Figuren, was mir bei Nolan immer mal passiert, aber sich hier wirklich ins kaum Erträgliche steigert. Zudem bereitet es mir mittlerweile ziemliche Kopfschmerzen, dass der Film nicht einmal seine Grundhandlung (von djs angerissenen Subtexten will ich hier jetzt noch nicht einmal sprechen) über Bilder erzählen kann, sondern ständig durch erklärendes Figuren-Geschwafel vorantreibt. Das erscheint mir so total unfilmisch... vielleicht eine Folge seines bierernsten Erzählstils?

Ja ja, wie ich schon mal geschrieben habe: "Hölzerne Figuren schießen und prügeln sich in aseptischen Bildern durch kalte Traum-Ebenen, die allesamt den Charme einer technischen Zeichnung haben. Zwischendurch machen die Figuren immer wieder Rast, um sich gegenseitig mit ernster Mine die filmische Handlung zu erklären. Abspann. Hui."

Ist ja klar dass die einen das unprickelnd und ermüdend finden, während andere staunend und mit großen Augen Nolans Konstrukt bewundern. Damit habe ich natürlich kein Problem. Aber wenn ich im WWW dauernd lesen muss der Film sei ein Meisterwerk und Nolan ein Genie, ist das für mich nur schwer verdaulich -- bei allem Respekt vor denjenigen, die bei INCEPTION ihren Spaß hatten.
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