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Nummer 37

oder auch: der dritte Versuch.

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Gesammeltes Conscience-Appeasement I


Und schon bin ich soweit, mit einer Sammlung unsortierter Kurznotizen statt vollwertiger Einträge. Allerdings ist das auch gewisser Ideenlosigkeit geschuldet, und man soll ja nichts übers Knie brechen.

BARRY LYNDON
Während ich die schön barocke Ästhetik, die sich ja nicht nur mit der Nachbildung ebenjener Kostüme und Kulissen begnügt, sondern diese sogar in einer Bildsprache präsentiert, die entsprechend altertümlich wirkt - ohne, dass ich diesen Eindruck jetzt konkret belegen könnte -, zwar durchaus ein bisschen genoss, ließ mich der Film als Ganzes bemerkenswert kalt, um nicht zu sagen: gelangweilt, zurück. Lediglich Kubricks Humor, über den meines Erachtens nach ohnehin viel zu wenig geredet wurde, obwohl er doch in all seinen Filmen so präsent ist, hat mich einigermaßen über die Zeit gerettet, aber im Großen und Ganzen schaue ich lieber zum fünften Mal Viscontis LEOPARD als noch einmal BARRY. Ryan O'Neil hat übrigens kürzlich verkündet, dass er ab Sommer die Moderation von "Wetten, dass..." abgeben will.

CENTURION
Ziemlich beliebiges Schwertgefuchtel, hinter dessen karg-gelangweilten Waldkulissen man ständig vor allem mangelndes Budget vermutet. Grundsätzlich wundere ich mich eigentlich immer wieder über den außerordentlich guten Ruf, den Neil Marshall bei Genrefans genießt - außer vielleicht DESCENT (und vor allem dessen Fortsetzung) fand ich das eigentlich alles bemerkenswert egal und belanglos. Hier reißt übrigens auch McNulty a.k.a. Dominic West nicht mehr viel raus, wenn er auch wenigstens nicht so unaushaltbar nervt wie...

PUNISHER: WAR ZONE
...hier. Mein Gott, was ein peinlich-pubertäres Miststück von einem Film. Wir haben einen Protagonisten, der dauerhaft grimmig schaut, und ein Budget, von dem rund 80 Prozent für extrem käsige Makeup-Spezialeffekte verplant sind. Ich hatte ja gehofft, dass der neue PUNISHER dank seines Gematsches wenigstens kurzweilig sein könnte, und vielleicht sogar auf ideologiekritischer Ebene dermaßen in die Vollen geht, dass ich dafür einen ähnlichen Katastrophentourismus wie bei "24" entwickeln könnte, aber nicht einmal dafür hat es gereicht.

TRUE BLOOD, Season 3
Naja. Das hat sich irgendwie recht schnell überlebt. Zwei Staffeln hatte ich ja noch wirklich Spaß mit dieser ultra-campy Fantasy-Soap, aber in Staffel drei muss sich irgendwer mal wieder ein wenig verschätzt haben, was den Reiz der Serie ausgemacht hat. TRUE BLOOD war schon von Beginn an recht schwach auf der Brust, wenn es sich nur auf rein narrative Spannung verlassen hat. Das lebte alles von der abseitigen Atmosphäre und den ins surreale verzerrten Subtexten. Naja, und Staffel drei versucht jetzt plötzlich ganz unverhohlen, seine Handlungsebene in eine Superlativ-Struktur zu pressen. Statt nur Vampiren, einer bissl komischen Hauptfigur und dem gelegentlichen Shapeshifting des Dackel-Wirtes wimmelt es auf einmal vor Fantasy-Trara, Werwölfe, Feen, Werpanther (sic!) und was da sonst noch so alles unterwegs ist. Dabei hatte die Staffel mit dem größenwahnsinnigen Vampirkönig einen tollen Antagonisten, dessen Fernsehansprache den vielleicht stärksten Punkt der ganzen Serie markierte - und ein tolles Staffel-Finale versprach - aber anstatt sich darauf zu verlassen und wenigstens minimales Understatement zu üben (angesichts der grundsätzlichen Ästhetik von TRUE BLOOD mag der Begriff vielleicht sowieso nicht sehr glücklich gewählt sein), muss jetzt alles ganz furchtbar mysteriös und rasant und "24"esque werden. Kann ich auch darauf verzichten, das ruhige, gothische, was bis dahin so nett mit den Mississippi-Hillbillies kollidierte, hat mir deutlich besser gefallen.

NETWORK
Damit es aber nicht heißt, ich hätte nur zu meckern: Hat mich schlichtweg umgehauen. Seit Jahren ungesehen im Schrank, und ich frage mich, was da noch für Schätze ähnlicher Qualität schlummern. Highlight ist natürlich die Ansprache von Ned Beatty, und die ständige Selbstanalyse der Filmhandlung durch William Holden, und...

Sammlung


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E=mo²


TRUE BLOOD, Seasons 1 und 2

Ich bin auch nach zwei Staffeln noch etwas unschlüssig, was ich von der Serie halten soll. Da ist zum einen auf inhaltlicher Seite das herrliche Konzept eines ultrapromiskuitiven TWILIGHT-Gegenentwurfs, den ich ja schon aus Prinzip super finden muss. Überhaupt, die Überspitzung der Sinnlichkeit des Vampirmythos hin zu völlig hypersexualisierten Lustobjekten, um die eine komplette Kultur von "Fangbangern" entsteht, funktioniert ganz ausgezeichnet.

Und auch ästhetisch kann ich TRUE BLOOD einiges abgewinnen: Die romantisch verkitschten Südstaaten-Settings samt Pfannkuchen-Vollmond, verträumter Nebel zwischen den sorgsam arrangierten Ästen des "Walds", offensichtlich studiobeleuchtete Outdoor-Settings, die gerade so nicht nach Pappmachée riechen, ein Friedhof als (geografisch) seltsam zentraler Ort zwischen den Häusern zweier Protagonisten, der obendrein so aussieht, als müsste hier jeden Moment Vincent Price hinüberwandeln... TRUE BLOOD verortet sich visuell in der Tradition des American Gothic, wirkt in seinen Settings daher um ein Vielfaches klassischer als die glitzernden Konkurrenzshows und -filme, und strahlt ohnehin in seinen besten Momenten den Charme einer Roger-Corman-Produktion aus.

Dies und überhaupt der unübersehbare und allgegenwärtige Camp setzt sich auch in die Plots fort - hier aber nicht mehr nur zum Vorteil. Denn so exaltiert sich TRUE BLOOD ästhetisch zu jedem Zeitpunkt präsentiert - und dies auch ganz offensichtlich als Teil des künstlerischen Konzepts zu erkennen gibt - so verhalten sich auch die Figuren der Serie. Kleine Gesten oder Zwischentöne haben hier keinen Platz, ein paar Tropfen Blut sind nie genug, und auf einen unschuldigen Kuss muss folgerichtig die leidenschaftliche Sexszene folgen, bevor das dann natürlich in überhöhte Liebesgeständnisse und große Dramen mündet. Wenn sich im Bon Temps der Serie zwei Figuren streiten - auch um Nichtigkeiten - dann sind das sofort existenzielle Probleme, eine unbedachte Äußerung wird zur tödlichen Beleidigung, und sämtliche Schauspieler unterstreichen das mit einem mimischen Repertoire, für das der Begriff "Overacting" schon recht wohlwollend wäre.

TRUE BLOOD ist eine Show der gewaltigen Gesten, alles hier muss existenziell und universell sein, und rein inhaltlich gelingt der Serie sogar das Kunststück, diese Hysterie in das Hinterwäldler-Setting einzubinden und Bon Temps zum ganz persönlichen Mittelpunkt der Welt zu machen. Es ist aber auch diese Egozentrik, die TRUE BLOOD bisweilen zur Tortur macht: Wenn Sookie zum 18. Mal ihren Vampirbill mit wütenden Kulleraugen und provokant hervorgestreckter Zahnlücke wegen der nächsten nachvollziehbaren Nichtigkeit die große Szene macht (oder umgekehrt, das funktioniert in beide Richtungen, nur dass Bill statt einer Zahnlücke eher LOST-Sawyers permanent gruffy face zur Schau stellt), dann zuckt die Hand schon auch mal entnervt in Richtung Fernbedienung.

Als Parodie auf exaltierte Emo-Ästhetik mag TRUE BLOOD durchaus funktionieren, aber wenn eine Parodie glücken soll, dann muss sie eben vielleicht auch ein wenig wehtun. Dem konsistenten Konzept schadet all das natürlich nicht, im Gegenteil ist dies alles nur konsequent. Und auch wenn diese Fremdschäm-Emotionalität bisweilen auf die Nerven geht: Eine Serie, die mir in den ersten 60 Sekunden Bill Maher und ein Ann-Coulter-Vampir-Lookalike zeigt und Maher auch noch den Satz "Doesn't your race have a rather sordid history of exploiting and feeding off innocent people?" in den Mund legt, die hat mich eh schon auf ihrer Seite.

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Böse Gene


DEXTER, Season 5

Nach der ohnehin schon tollen vierten Staffel noch ein kleiner Schritt nach vorne. Endlich ist die Serie da angekommen, wo sie von Anfang an hätte sein können, hätte man sich nicht zwei-drei Staffeln nur auf das Gimmick des Serienmörders als Protagonisten verlassen. Inzwischen aber hat sich DEXTER mit einer ganzen Liste von Subtexten aufgeladen, die aus der etwas kalaurigen Serien-Idee tatsächlich eine interessante Geschichte formen.

Besonders schön aber finde ich, dass die Serie inzwischen ironisch mit dem Gen-und-Genesis-Murks ihrer eigenen Anfänge umgehen kann. Dexters Sorge, ob sein Sohn Harrison vielleicht in seine Fußstapfen treten wird, als in der Krabbelgruppe ein Kind einen Gesichtskratzer an Dexter-typischer Stelle davonträgt, ist großartig. Auch der fatalistischen Determinismus, der gerade am Anfang die Serie und ihre Hauptfigur prägte, ist inzwischen einer sehr viel individuelleren und klüger strukturierten Einstellung gewichen.

Aber ich habe mich auch sehr gefreut, wie die Serie sich im Plot zwei gefährliche Fallstricke auslegt, letztlich aber beide geschickt vermeidet und sowohl die Plots um Quinn als auch um Lumen zu einem Ende bringt, das die Show tatsächlich weiterentwickelt, anstatt nur eine Variation bereits bekannter Themen zu zeigen. Überhaupt, die Beziehung zu Lumen ist komplettes Neuland, sie zeigt Dexter endlich nicht mehr als den emotionsunfähigen Soziopathen, sondern räumt ihm die Hoffnung auf eine - wenn auch deutlich verspätete - Entwicklung ein, als sie ihn - zB als er Lumen die Handschuhe schenkt - ein wenig als einen Heranwachsenden zeichnet, der gerade erste Gehversuche unternimmt.

Im Gegensatz zu anderen Shows in ihrer vierten, fünften, sechsten oder gar siebten Staffel - HOUSE, I'm looking at you! - ist hier tatsächlich noch viel Unerzähltes denkbar, weil sich die Serie graduell neuen Themen geöffnet und so ihren Horizont erweitert hat. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die sechste Runde.

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