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Short Cuts





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Scener ur ett äktenskapp (Szenen einer Ehe) (Ingmar Bergman) SE 1973



Scener ur ett äktenskapp (Szenen einer Ehe) TV-Fassung


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Folge 1 (Unschuld und Panik)

Marianne (Liv Ullmann) und Johan (Erland Josephson) sind seit 10 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder. Sie ist 35 und Scheidungsanwältin und er ist 42 und im Naturwissenschaftlichen Bereich tätig. Zu Beginn der ersten Episode werden sie von einer Journalistin interviewt, die für eine Zeitschrift eine Story über "Muster-Ehen" schreibt. Innerhalb dieses Interviews gibt Marianne den grüblerischen Part, während Johan das Verhältnis der beiden zueinander als exzellent beschreibt und das Interview mit seiner dominanten Art bestimmt. Kurz darauf laden sie das befreundete Ehepaar Peter (Jan Malmsjö) und Katarina (Bibi Andersson) zum Essen ein. Im Laufe des Abends wird Peter immer betrunkener und das Gespräch läuft aus dem Ruder. Zwischen Peter und Katarina kommt es zu einem hässlichen Streit, dem Johan und Marianne besorgniserregt beiwohnen. Als die Gäste gegangen sind meint Johan, dass in ihrer Ehe so etwas nicht möglich wäre, worauf Marianne entgegnet, es komme darauf an, die selbe Sprache innerhalb einer Ehe zu sprechen. Abends im Bett fragt Marianne was Johan von einem dritten Kind halten würde, worauf er eher zurückhaltend reagiert. Als sie ihm sagt, dass sie wohl schwanger sei, fangen sie an zu diskuttieren. Der Abend endet mit der Entscheidung, dass sie das Baby behalten wollen und sich Johan mit der Idee eines dritten Kindes anfreunden könnte. In der nächsten Szene sehen wir, wie Johan Marianne im Krankenhaus besucht. Sie hat das Kind abgetrieben und nun plagen sie Schuldgefühle.

Folge 2 (Die Kunst, unter den Teppich zu kehren)

In den nächsten Tagen, wieder zu Hause, versucht Marianne den Sonntagsbesuch bei ihren Eltern abzusagen um mehr Zeit mit Johan zu verbringen, kann sich aber nicht durchsetzen, was auch daran liegt, dass Johan eher verwundert ist über diese kleine Rebellion und sie nicht wirklich unterstützt. Sie fahren gemeinsam zur Arbeit. Johan hat ein Gespräch mit seiner Kollegin Eva (Gunnel Lindblom). Sie kennen sich seit dem Studium und Eva bewunderte Johan seit jeher. Dennoch hatten die beiden nie ein Verhältnis miteinander. Eva ist auch die einzige, der Johan seine Gedichte zum Lesen anvertraut hat. Als er eine objektive Meinung von ihr hören will, ist Johan tief enttäuscht, da sie seine Gedichte als mittelmäßig und kindisch abtut. Marianne hat auf der Arbeit ein Gespräch mit einer Mandantin, Frau Jacobi (Barbro Hiort af Ornäs). Frau Jacobi möchte sich nach 20 Jahren Ehe von ihrem Mann scheiden lassen. Sie habe das Gefühl es sei eine "Ehe ohne Liebe". Sie liebe weder ihren Mann noch ihre drei Kinder und jetzt wo diese groß und aus dem Haus sind könne sie ihren Vorsatz, den sie vor 15 jahren ihrem Mann schoneinmal offenbart habe, durchsetzen. Nach der Arbeit treffen sich Johan und Marianne in der Stadt. Marianne schlägt Johan exotische Reiseziele für den Urlaub vor, der darauf nicht besonders interessiert reagiert. Nachdem sie am Abend in Ibsens "Nora" waren, kommt es danach, beim späten Absacker, zu einer Diskussion. Marianne würde sich im Bett keine richtige Mühe geben und ihre Ehe wäre mittlerweile leidenschaftslos. Als Marianne ihren Standpunkt klarmacht, macht Johan einen Rückzieher und beide vertragen sich.

Folge 3 (Paula)

Als Johan von einer Dienstreise einen Tag früher in ihr Landhaus kommt, freut sich Marianne zunächst, doch die Freude wird schon bald getrübt. Johan gesteht, dass er sich vor knapp einem halben Jahr in die 23jährige Studentin Paula verliebt habe und sie zusammen, am nächsten Tag für 7 Monate nach Paris reisen werden. Marianne nimmt dies zunächst mit Fassung auf, doch muss sie sich im Verlauf des Abends immer mehr unter Kontrolle halten. Johan redet sich immer mehr in Rage. Die Affäre wäre nur der Anstoß um sich endlich aus dieser Ehe freizumachen. Die Beziehung zu Marianne und zu seinen Töchtern sei wie ein Gefängnis für ihn und er wolle sie schon seit 4 Jahren verlassen. Die Beziehung mit Paula sei nur ein Vorwand über die er sich eigentlich auch keine ernsthaften Gedanken machen würde. Am nächsten Morgen fleht Marianne um einen Aufschub und klammert sich an Johan, der sich aber losreißt und davon fährt. Verärgert stellt sie beim Telefonat mit Freunden fest, dass die, sowie auch andere, von Johans Affäre gewusst haben.

Folge 4 (Das Tal der Tränen)

Ein halbes Jahr ist vergangen, da besucht Johan Marianne. Die beiden fühlen sich sichtlich zueiander hingezogen, dennoch liegt eine Kluft zwischen ihnen. Beim Essen erzählt Johan, dass er mit der eifersüchtigen Paula nicht besonders glücklich ist und dass er vorhat ein Angebot in den USA für eine Professur anzunehmen. Marianne erzählt kurz von ihrem Geliebten David. Sie will Johan aus ihren privaten Aufzeichnungen vorlesen. Der widerum möchte lieber mit ihr schlafen und versucht sie auf dem Boden zu nehmen. Marianne wehrt dies ab. Sie beginnt ihm vorzulesen, doch er ist viel zu müde um ihr zuzuhören und schläft ein. Sie telefoniert kurz mit ihrem Liebhaber und versichert ihm, dass alles ok ist. Als Johan aufwacht will ihn Marianne nach Hause schicken. An der Tür sagt Marianne ganz nüchtern, dass sie zu einem Entschluß kommen müssen und die Scheidung durchführen sollen. Kurz darauf kommt Johan wieder in die Wohnung und sie schlafen miteinander. Als das Telefon zwischendurch klingelt erklärt Marianne ihrem Freund David, dass sie mit ihm nie mehr sprechen wolle und legt auf. Es kommt zu einer weiteren Diskussion. Mitten in der Nacht steht Johan auf und geht. Er erklärt Marianne, dass er es nicht aushalte.

Folge 5 (Die Analphabeten)

Marianne besucht Johan in seinem Büro damit er die Scheidungspapiere unterzeichnet, die sie schon vollständig ausgearbeitet und vorbereitet hat. Sie ist sehr gut gelaunt. Er hingegen ist erkältet und deprimiert, wie er sagt. Marianne übernimmt in diesem Wechselspiel der Gefühle den dominanten Part. Sie genießt die neue Freiheit, die sie gewonnen hat und erklärt ihm, dass sie sich nun vollends von ihm befreit habe. Dabei versucht sie ihn ganz offensichtlich zu verführen. Johan bekennt, dass seine Karriere gescheitert ist und seine Beziehung zu Paula sich auf dem Tiefpunkt befindet. Die beiden lieben sich auf dem Fußboden. Danach verlangt Marianne von Johan, dass er nun endlich die Papiere unterzeichnen soll. Johan will die Unterschrift unter einem Vorwand aufschieben. Es kommt erneut zu Diskussionen, die nach ein paar Gläsern Cognac im Streit enden, der diesmal in Gewalt endet als Johan Marianne nicht gehen läßt. Nachdem Johan auf Marianne eingeschlagen und getreten hat, unterzeichnet er unter Tränen die Papiere worauf Marianne diese gegenzeichnet.

Folge 6 (Mitten in der Nacht in einem dunklen Haus irgendwo in der Welt)

Nach einigen Jahren besucht Marianne ihre Mutter. Es kommt zu einer längeren Aussprache zwischen Mutter und Tochter. Ein Gespräch über die Ehe was Mutter und Tochter näher bringt. Johan wird kurz bei der Arbeit gezeigt wie er eine Einladung von Eva zu einer Party ausschlägt und danach mit einem Satz ihre Affäre, die sie nun endlich haben, beendet. Johan versucht zu telefonieren und wird aber einmal von einem Kollegen und dann wieder von Eva, die sich nicht so einfach abschieben läßt, unterbrochen. Nachdem er Eva damit befriedigt, dass er eine Affäre mit einer jungen Sekretärin hat und sie ihm verzeiht, greift er zum Telefon um sich mit Marianne zu verabreden. Nun fahren beide gemeinsam übers Wochenende zu ihrem alten Landhaus. Beide sind wieder verheiratet und ihre Partner zur Zeit im Ausland. Das Landhaus weckt zu viele Erinnerungen an damalige Zeiten und so ruft Johan seinen Freund an um ihn zu bitten in dessen Angelhaus zu übernachten. Nach etlichen Jahren sprechen sie sich einmal ohne Diskussionen und Streit aus. Sie verbringen die Nacht miteinander. Später im Bett setzen sie die Gespräche über sich, ihre Partner und die Vergangenheit fort. Nachdem sie eingeschlafen sind, wacht Marianne aus einem Alptraum auf. Sie erzählt Johan von ihrem Traum und er versucht sie zärtlich zu trösten. Sie kuscheln sich zusammen und machen das Kerzenlicht aus, während draußen die Sonne aufgeht.


Bergman drehte seinen Tv-Mehrteiler auf 16 mm mit einem kleinen Stab und nur wenigen Schauspielern auf der Insel Fårö und auf Djursholm bei Stockholm. Von seiner eigenen Firma Cinematograph produziert kostete das gesamte Werk 300.000 €. Obwohl Bergman Szenen einer Ehe nie als Kinofassung geplant hatte, wurde das Material nach dem unglaublichen weltweiten Erfolg der Fernsehserie, aufgeblasen und aus der 5stündigen TV-Fassung ein knapp dreistündiger Kinofilm zusammengeschnitten, der ein Jahr später in die schwedischen Kinos kam und zu seinem erfolgreichsten Kinofilm seit Das Schweigen wurde.
Was die TV-Fassung angeht so bedeutete dies einen Durchbruch in Bergmans Werk, der den, in Kino-Kreisen weltberühmten und angesehen Regisseur, nun einem Millionen zählenden Publikum näher brachte. Allein in Schweden soll über die Hälfte der Bevölkerung diese Serie gesehen haben. In Europa und den USA schlug Szenen einer Ehe ebenso wie eine Bombe ein. Ein echter Straßenfeger. Während der Ausstrahlung in Schweden gab es von der Boulevardpresse sog. "Leseraktionen" in denen die Zuschauer schreiben konnten was sie Johan und Marianne raten oder tun würden.
All dieser Trubel brachte Bergman nebenbei auch den Vorwurf ein, er hätte eine Soap Opera gedreht. Besonders das im Film von beiden dargestellte bürgerliche Mittelschichtsehepaar fühlte sich angesprochen und betroffen. Darüber hinaus aber auch Millionen andere, die ihr Leben wie in einem Spiegel vor sich sahen. In der Tat war Szenen einer Ehe was die aufgeklärte und zugleich unsichere Paarbeziehung in den 70er Jahren angeht, modern und geradezu prophetisch. Heute kann und muß man seinen Hut davor ziehen und sagen, dass die große Kunst des Werkes vor allem darin liegt, dass es so universell ist.

Das Thema ist vielleicht nie so ehrlich und ungeschminkt verhandelt worden, wie hier. Da steckt wie immer bei Bergman einfach sehr, sehr viel Wahrheit drin. Für mich war es die erste Erfahrung mit der TV-Fassung, obwohl ich die Kinofassung vor Jahren mal sah, war es wie zum ersten Mal. Ein Werk, das einem persönlich sehr viel abverlangt und mich gleichzeitig angeht.

Bergman geht an sein Thema mit einem Seziermesser ran. Er befreit die Ehe vom Mythologischen. Er bricht das Thema runter, komplett auf das Essentielle. Man könnte sogar von der Ehe als Vertrag sprechen, streift dabei aber wiederum nur, da es doch vielschichtiger ist und Bergman im Laufe des Films Gefühle für beide Seiten evoziert. Etwas, das sowieso auf viele Bergman Filme zutrifft. Schwarz/Weiß Malerei ist hier nun wirklich nicht zu erwarten.
Interessant ist die Tatsache, dass die Kinder von Johan und Marianne nur in einer kurzen Szene am Anfang gezeigt werden und sonst gar keine Rolle spielen, nur in Nebensätzen erwähnt werden. Ansonsten ist das gesamte Szenario fast kammerspielartig auf diese zwei unglaublichen Schauspieler komprimiert. Nur um die Zwei geht es. Mann und Frau. Wir sehen nicht Szenen einer Familie sondern Szenen einer Ehe.

Nach dem großartigen Einstieg der perfekten Ehe im Interview gibt es die Szene mit Peter und Katharina, dem befreundeten Ehepaar.
Hier wird schon gleich am Anfang all das vorweg genommen, was sich später in voller Wucht, mit all dem Hass und der Aggression zwischen beiden in seinem Arbeitszimmer abspielt. In geraffter konzentrierter Form wird die Hölle in der sie sich später finden hier vorgeführt.

Katharina : „Ich empfinde einen so ungeheuren Ekel vor dir, mein Lieber, ich meine physisch, dass ich mir sonst wo einen Beischlaf kaufen würde, nur um dich aus meinen Geschlechtsorganen raus zu waschen.”

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Als Johan und Marianne nach diesem Abend beim Abwasch den Streit beurteilen zeigen sich schon die Risse im Fundament der Bilderbuch-Ehe. Während er der Meinung ist, das allein die materiellen Verhältnisse die Entwicklung einer Ehe entscheiden, sieht Marianne eine Lösung darin, dass wenn beide auf derselben Ebene kommunizieren ein Krieg vermieden werden kann.
Als sie später im Bett liegen und Marianne fragt, was er denn von einem weiteren Kind halten würde mündet die Frage sogleich in einer Diskussion in der man schon, obwohl wir es noh nicht wissen, spüren kann, wie sehr ihn dieser Kreislauf der Ehe und Familie einengt und dennoch möchte er das Kind am Ende haben. Ob er es ehrlich haben möchte erfahren wir nicht, nur das aus der späteren Abtreibung Schuldgefühle ihrerseits resultieren. Beide sind bürgerlich, intelektuell und sehr verkopft. Sie vielleicht noch mehr als er. Als es dann in der 3. Folge zur Aussprache kommt ist immer die Ambivalenz von seiner Seite zu spüren. Ihm missfällt nicht nur etwas in seiner Beziehung zu seiner Frau, er will komplett raus. Die totale Emanzipation von seiner Frau, den Kindern und der Ehe. So wie sie die Situation aufnimmt zeigt die selbstständige, arbeitende, kluge Ehefrau ihre Strategie die Dinge zu ersticken mit einer gewissen Unterwürfigkeit. Mit einer selbstzerstörerischen Hinnahme und Selbstaufgabe.


Von Beginn an wird Marianne als eine Frau eingeführt die bei allem was sie sagt und tut weniger als er ein Bewusstsein ihrer Wünsche und Hoffnungen hat.

Eine Schlüsselszene für Marianne innerhalb des Films und für den Zuschauer stellt diese Szene in der 2. Folge dar. Das Gespräch mit ihrer Klientin Frau Jacobi. Eine Szene, die bestimmt nicht zufällig an Dreyers "Gertrud" gemahnt.

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Frau Jacobi : "Ich laufe mit einem geistigen Bild von mir herum, was in keinem Punkt der Wirklichkeit entspricht."

Mariannes Reaktion :

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Hier sieht man in voller Klarheit und Deutlichkeit, das was in Marianne zu arbeiten beginnt und in einer weiteren zentralen Szene ausgesprochen wird. Die Szene im 4. Teil, in der Marianne ihre Notizen vorliest und während sie liest bekommen wir ein Bild von einem Menschen, der von Anfang an selbstentfremdet wurde bzw. wir sehen das, was diese Selbstentfremdung mit einem Menschen macht.
Dabei wird der Monolog mit Fotografien aus ihrer und seiner Kindheit chronologisch hinterlegt bis zum Erwachsenenalter.

Marianne : "Soweit ich zurückdenken kann war ich immer gehorsam, anpassungsfähig, ja fast demütig. Jetzt wo ich daran denke fällt mir ein, dass ich als kleines Mädchen ein oder zweimal wilde Ausbrüche von Geltungsbedürfnis hatte. Ich erinnere mich aber auch, dass Mutter solche Abweichungen von der Konvention mit exemplarischer Härte bestrafte. Für mich und meine Schwester ziehlte die ganze Erziehung nur darauf ab liebenswürdig zu sein."

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Hier kommen wir an einen Punkt innerhalb des Lebens, den ein jeder vielleicht schoneinmal so erlebt hat. Ein Punkt an dem man sagt "Ich weiß eigentlich gar nicht wer ich bin" "Wer bin ich eigentlich und was macht mich aus ? Was ist meine Vergangenheit ?"
Bergman rührt hier am tiefsten, Innersten und zeigt die Reflektion einer Frau, die ihr Leben als Erfüllerin des Mannes hinterfragt. Ein Erziehungsmodell wird hier hinterfragt, was darauf baut sich nicht zu fragen :"Was gut für mich, sondern was gut gut für den anderen ist."

Szenen einer Ehe bedeutet auch sich von dem "Machtmodell" Ehe zu lösen, welches schon bald für eindeutige Fronten sorgt. In seiner bewegenden, persönlichen Art zeigt der Film wie sie die gesellschaftlichen Werte auf die man gepolt wurde hinterfragen und wie sie sich von diesen befreien.

Johan : "Wir haben alles gelernt. Aber was unsere Psyche betrifft, sind wir Analphabeten"

Geschlossene Räume.

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Es beginnt mit einem erkälteten, niedergeschlagenen, frustrierten, deprimierten Johan und einer aufgekratzten gut, fast zu gut gelaunten Marianne. Beide sind sich ihrer Unabhängigkeit äußerst sicher und es endet in totaler Kapitulation auf beiden Seiten. Völlige Hilflosigkeit. Nach Sex folgt Gewalt.
Der 5. Teil, der sich praktisch nur innerhalb des Arbeitszimmers, abspielt, ist so dermaßen aufregend, weil er physisch spürbar ist. Hass und Begehren sind auf einer Schwelle. Alle gegensätzlichen Gefühle, die sich permanent abwechseln von Hass, Ekel, Schadenfreude hin zu Nähe, Zärtlichkeit und Fürsorge werden hier in geballter Form in 4 Wänden verhandelt. Die Analphabeten stoßen sich ab und ziehen sich gleichzeitig an. Sie wissen alles, doch wie Zweisamkeit funktioniert wissen sie nicht.
Überhaupt ist es sehr interessant die Räumlichkeit in Bergmans Kammerspiel zu beobachten. Es wird immer enger. Der karge Schlussstrich wird hier gezogen in einem Arbeitszimmer, welches von Johan auch noch abgeschlossen wird.

Bevor sich die beiden am Ende wiederbegegnen gibt es noch ein langes Gespräch zwischen Marianne und ihrer Mutter. Ein erstmaliges Mutter und Tochter Gespräch über sich und ihre vergangenen Ehen. Obwohl hier unterschiedliche Werte und Zeiten aufeinander treffen können beide nun im Gleichgewicht nebeneinander stehen.
Am Ende, die Jahre sind vergangen, gibt es auf beiden Seiten Einsicht. Wir begegnen zwei freien Menschen, die sich in offener Landschaft, in der Natur treffen und die größtenteils ihre Regeln abgelegt haben. Sie genießen den Moment und für diesen Moment ist die Einsicht auf beiden Seiten wahrhaftig auch wenn es Stunden später vielleicht anders sein wird.

"Meine Liebe ist irdisch aber sie ist unvollkommen" sagt Johan zu Marianne.

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Sie löschen das Licht, von draußen sehen wir, wie es hell wird und ein neuer Tag beginnt. Wir wissen, das es nur ein Stück, ein Bruchteil ihres Lebens gewesen ist aber es gehört zu ihrer Beziehung.
Hoffnungsvoll und Hoffnungslos ist hier eins. Auch hier begegnen sich beide nach langer Zeit im Gleichgewicht wieder.

Bergmans große Kunst zeigt sich in Szenen einer Ehe darin, dass er das Thema so universell verpackte. Ein jeder kann und konnte sich darin wiederfinden. Hier findet sich eine große Wahrheit wieder und das in einer erbarmungslosen Offenheit. Das Aussprechen von Dingen. Ungeschönt, konzentriert in der Bergmanschen Form mit den Dialogen, die in ihrer theaterhaften Form punktgenau die Wahrheit sprechen und dabei nie gestelzt wirken. Etwas, das sich natürlich von Anfang an in Bergmans Werk wiederfindet, wie bei keinem anderen Regisseur. In dem Extrem der Aussprache wird so offen wie es nur geht gesprochen. Das was gesagt wird hat immer Bestand. Dieses Offene hat damals schockiert und tut es heute immer noch. Das, was hier nicht gesprochen wird zeigt uns Bergmans Kino der Blicke. Erland Jospehson und Liv Ullman intensivieren das Erlebnis mit ihrer bloßen Haltung.
Anbei ist Szenen einer Ehe auch ein äußerst eindrucksvolles Beispiel dafür, dass sich Bergman und Nykvist hier sehr gut überlegt haben, wofür TV gut ist und dann ein Format für die Nähe und das Kammerspiel fanden. Das eingeschränkte 4:3 TV Format gerät hier zum absoluten Vorteil der Geschichte und Bergman hat dies vollends genutzt. Obwohl Szenen einer Ehe mehrere Jahre abhandelt, läßt Bergman einiges aus. Es ist ihm nicht daran gelegen ausführlich zu sein sondern genau und prägnant. Was den Vorwurf einer Soap auch vollkommen irrelevant macht.
Man könnte jetzt noch wesentlich mehr schreiben zb. über Johan und seine egozentrische, analytische Art, wie seine Selbstverwirklichung nicht enst genommen wird, wie wichtig ihm die Macht des Wortes ist oder den Hype und den soziologischen Aspekt den die Serie auslöste aber man kann auch einfach sagen, das dies ganz großartiges Beziehungskino ist, was immer noch wichtigsten Bestand hat und darüber hinaus einem Jeden den Spiegel vorhält.
Gestern wie Heute.

10/10

Zum Schluß möchte ich noch hinzufügen, dass es Szenen einer Ehe zwar mittlerweile auch auf BR gibt aber leider nur in der Kinoversion. Die Bildqualität der TV-Serie ist leider nicht anamorph und nur mäßig.

Ingmar Bergman Liv Ullman Erland Josephson Sven Nykvist Ehe Kammerspiel Drama Dialog Mehrteiler Erziehung Scheidung Beziehung Werte Reflektion



Man könnte sicher noch mehr schreiben, aber es ist doch schon mal ganz toll und überaus lobenswert, daß Du erst mal so viel geschrieben hast! Meine kurze Antwort kann daher einem so ausführlichen Beitrag leider nicht wirklich gerecht werden. Ich selbst kenne bislang auch nur die Kinoversion (die ich schon sehr intensiv finde) und fand insofern auch Deine Inhaltsangabe durchaus nützlich, weil ich an dieser ungefähr ablesen kann, was in dieser fehlt.
Jedenfalls ein großartiges Werk Bergmans (wieder mal), das die Institution Ehe mit ihren Zwängen und auch ihren Abgründen regelrecht seziert, und das eben auch die ganz typischen Bergman-Qualitäten aufweist. So sagen die Menschen ja selten wirklich das, was sie denken, aber in vielen Bergman-Filmen kommt dann irgendwann der Moment, in dem sie dann tatsächlich ganz unverblümt ihre finstersten Gedanken aussprechen ("wenn Karin spricht" in Schreie und Flüstern würde ich zu diesen Momenten zählen), und das sind dann immer besonders intensive Momente.
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Man könnte sicher noch mehr schreiben, aber es ist doch schon mal ganz toll und überaus lobenswert, daß Du erst mal so viel geschrieben hast!
Danke ! Einerseits will ich ja hier auch kein Filmbuch füllen anderseits ist dies für ein 5 Stunden Werk wie dieses fast schon zu wenig. Man könnte natürlich gerade was das Motiv der Ehe angeht noch Brücken zu anderen Filmen schlagen, da dies eh ein immer wiederkehrendes Thema ist, weiterhin könnte man noch so weit gehen und das Thema Ehe mit Strindberg abgleichen von dem Bergman eh sehr beeinflusst war. Ein weites Feld. Gebe mich aber doch ganz zufrieden, da ich meine, das wichtigste herausgeschält zu haben.

Zitat

aber in vielen Bergman-Filmen kommt dann irgendwann der Moment, in dem sie dann tatsächlich ganz unverblümt ihre finstersten Gedanken aussprechen ("wenn Karin spricht" in Schreie und Flüstern würde ich zu diesen Momenten zählen), und das sind dann immer besonders intensive Momente.
Ja, was den Dialog angeht ist auch dies ein immerwiederkehrendes Markenzeichen. Die Analyse der Wahrheit würde dann jedenfalls zu Tage bringen, dass Bergman diese sehr, sehr oft um nicht vielleicht sogar zu sagen, fast immer Frauen in den Mund legt.

Zitat

Ich selbst kenne bislang auch nur die Kinoversion (die ich schon sehr intensiv finde) und fand insofern auch Deine Inhaltsangabe durchaus nützlich, weil ich an dieser ungefähr ablesen kann, was in dieser fehlt.
Aus dem Grunde habe ich auch extra die Folgen inkl. Inhalt aufgeführt. Nur für Dich :D :)
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